Kapitel 36

Randon Banks

Regungslos liege ich in meinem Bett, versuche zu verstehen, was in den letzten vierundzwanzig Stunden alles passiert ist. Es gibt so viele Dinge, die ich nicht verstehe, so viele Wiedersprüche. Ich muss anfangen, Ordnung in das alles zu bringen. Mit Clara kann ich offenbar nicht reden, das habe ich schon versucht. Dann bleiben also nur noch Max und Anna. Anfangen sollte ich vermutlich mit Max, einfach, weil er mein bester Freund ist und er über das alles besser bescheid weiß.

Aber was ist das zwischen ihm und Clara?

Ich habe mit Max die letzten Tage über wirklich alles geredet, was in meinem Leben passiert ist und nie ging es um ihn. Ich hätte ihn auch Mal fragen sollen, wie es ihm geht, was bei ihm so los ist, vielleicht hätte er mir dann von ihr erzählt. Oder ich wüsste zumindest, was genau das zwischen den beiden ist.

Mein Handy klingelt, darum ziehe ich es aus meiner Hosentasche, dann atme ich tief durch, bevor ich dran gehe.

>Hi Max<, grüße ich meinen besten Freund, an den ich so viele Fragen habe.

>Schieß los<, meint dieser nur und ich habe keine Ahnung, was er meint.

>Womit?< Er seufzt, brummt irgendetwas vor sich hin.

>Na was dich so wurmt. Ich kenne dich, Bruder. Nach so einem Tag grübelst du nur wieder viel zu viel über alles nach. Also, schieß los.< Obwohl wir heute Morgen aneinandergeraten sind, ich ihm kein Wort geglaubt habe, kommt er jetzt auf mich zu. Langsam wird mir klar, dass Max viel mehr für mich und unsere Freundschaft tut, als mir bisher bewusst war.

>Wie geht es dir?< Er lacht kurz auf und ich lasse mich anstecken, dann antwortet er ruhig.

>Randon, lass uns gern immer über mich und mein perfektes Leben quatschen, aber nicht heute. Ich hatte einen langen Tag, genau wie du. Lass uns diesen ganzen Mist aus der Welt schaffen und morgen dreht sich Mal ein Tag nur um mich, einverstanden?< Ich bin mir nicht sicher, ob er der Frage ausweichen will, oder einfach nur keine Lust hat, über sich selbst zu reden, aber da er morgen wohl bereit ist, sich meinen Fragen zu stellen, belasse ich es dabei.

>Okay, gut. War Clara heute Mittag in Ordnung? Ich war vorhin bei ihr und sie hatte eine Panikattacke oder so.< Einige Sekunden lang schweigt er und ich versuche zu erraten, ob er das aus Sorge macht oder ob etwas anderes dahinter steckt.

>Solange ich bei ihr war, schien alles in Ordnung zu sein, ja. Aber allgemein hat sie im Moment ein paar Sachen, die sie beschäftigen. Vielleicht bist du in einem ungünstigen Moment bei ihr gewesen.< Diesmal bin ich derjenige, der einen Moment schweigt.

Warum weiß ich das nicht?

>Was ist los mit ihr? Ist irgendwas passiert?< Natürlich sorge ich mich um Clara. Sie scheint mit vielen Dingen nicht gut zurecht zu kommen und Anastasia hat ihr das Leben diese Woche nicht sonderlich leicht gemacht. Auch Lesley hat heute ab und an versucht, Clara mit ihrem Blick zu durchbohren.

>Tut mir leid, aber das kann ich dir nicht sagen. Denk nicht, dass zwischen uns was läuft oder so, aber ich versuche ihr ein Freund zu sein und das heißt, ich erzähle nicht alles weiter, was sie mir sagt.< Aus irgendwelchen Gründen habe ich wieder dieses Gefühl. So, als ob er mir absichtlich etwas verschweigt. Als gäbe es ein Geheimnis zwischen den beiden, das ich nicht erfahren darf.

Seit wann hat Max Geheimnisse vor mir?

>Was war heute Morgen mit dir los?<, wechsle ich das Thema, denn auch da hatte ich dieses Gefühl. >Warum bist du dir so sicher, dass Anna lügt?< Er stöhnt genervt auf, aber ich will endlich eine Antwort darauf.

>Das habe ich dir gesagt. Sie spielt ein falsches Spiel, das weiß ich und ich bitte dich, mir das einfach zu glauben.< Wütend springe ich von meinem Bett auf, beginne in meinem Zimmer auf und ab zu laufen.

>Ich soll dir einfach glauben? Warum? Ich habe viel mit ihr geschrieben und geredet und mir ist nichts aufgefallen. Anna hat alles über mich gewusst, was auch sie wusste und sonst niemand. Sie konnte mir auf alles antworten, ich hatte nie das Gefühl, dass sie sich etwas ausdenkt und-<

>Ich weiß, wer sie wirklich ist.< Meine Gedanken stocken und ich bleibe mitten in meinem Zimmer stehen.

>Was hast du gesagt?< Ich verstehe nicht, was er mir damit sagen will. Was das bedeuten soll.

>Dein Pausenbrotmädchen, ich weiß, wer es wirklich ist.< Ich glaube ihm nicht. Das kann ich nicht.

>Wie lange? Warum hast du es mir nicht gesagt, wenn du es angeblich weißt?< Nun ist er derjenige von uns, der laut wird.

>Weil du nur wieder diese dumme, rosarote Brille auf hast, hast du es selbst nicht bemerkt also hör bloß auf, mir Vorwürfe zu machen! Ich hatte schon ein paar Tage den Verdacht, bin mir aber erst seit heute Morgen sicher und ich habe sie gefragt. Ich weiß, dass Anna dich anlügt, weil ich mit der richtigen gesprochen habe. Setzt Mal deine Brill ab und benutze dein Gehirn, dann glaubst du mir vielleicht auch Mal wieder. Ich bin dein bester Freund, ich gönne dir dein Glück, aber Anna ist nicht das Mädchen, in das du dich verliebt hast.< Ich will laufen, den Frust loswerden, der sich in diesem Moment in mir anstaut. Natürlich weiß ich, dass Max mein bester Freund ist, wie viel ihm Ehrlichkeit bedeutet und auch, dass er mir mein Glück gönnt. Er hat mich bisher immer unterstützt, ohne Ausnahme.

>Aber-<

>Nein<, unterbricht er mich sofort. >Ruf sie an und frag sie nach deinem Geschenk von heute Morgen<, verlangt er und legt auf. Ich weiß nicht, ob ich wütend sein soll oder etwas anderes. Ich will glauben, dass Anna diejenige ist, die mir die Brote gemacht hat und die für mich da war. Nur die Zweifel sind definitiv da und ich denke nicht, dass ich heute noch schlafen gehen kann, bis ich nicht ganz sicher bin.
Da Max aufgelegt hat, wähle ich direkt die Nummer von Anna und halte mir das Handy wieder ans Ohr.

>Hallo Randon.< Begrüßt sie mich zurückhaltend und ich will lächeln, weil ich froh bin, ihre Stimme zu hören, aber ich lasse es. Wie Max gesagt hat, will ich wenigstens für ein paar Minuten rein sachlich bleiben.

>Guten Abend. Ich wollte nur Mal fragen, wie dir mein Geschenk gefallen hat<, lasse ich sie wissen, was nicht ganz wahr ist, aber auch nicht gelogen. Ich habe vollkommen vergessen, sie heute Morgen danach zu fragen und wollte es morgen nachholen. In diesem Moment will ich allerdings mehr, als nur diese eine Antwort.

>Es war wundervoll<, sagt sie und schon bin ich hellhörig. Sie hätte sicher den Brief oder die Cookies angesprochen, wann sie davon gewusst hätte.

>Also haben dir die Muffins geschmeckt?< Ich wollte das gar nicht sagen. Ich wollte sie nicht so provozieren, aber es ist raus und bevor ich es korrigieren kann, antwortet sie schon.

>Oh ja, sie waren köstlich. Genau mein Geschmack<, schwärmt sie. >Hast du Lust mir noch Mal welche zu machen? Oder für uns, dann können wir sie zusammen in der Pause essen.< Ich bin versucht ihr zu antworten, einfach das Spiel mit zu spielen, aber mir fehlt die Kraft. Anstelle einer Antwort lege ich einfach auf.

Max hatte Recht und ich hasse mich dafür, dass ich ihm nicht geglaubt habe. Dass ich nichts hinterfragt und einfach behauptet habe, dass er lügt. Und es tut weh zu wissen, dass sie das ausgenutzt hat. Ich habe ihr gestern Abend so viel über mich erzählt und ich will gar nicht wissen, was sie mit diesem Wissen anstellen wird.

Träge bewegen sich meine Hände über mein Handy, suchen die Nummer von Max heraus und wählen sie. Er hebt direkt ab, sagt kein Wort. Er weiß genau, was passiert ist, schließlich kennt er die Wahrheit. Nur weiß er nicht, wie weh mir das tut, aber ich bin immerhin zum Teil selbst Schuld daran.

>Willst du vorbei kommen?<, fragt er und ich hole tief Luft.

>Sag mit bitte erst, ob es ihr gut geht. Ob sie in Ordnung ist oder ob es sie verletzt hat, mich mit Anna zu sehen.< Ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass ich so blind war.

>Natürlich hat es sie verletzt, aber das regelt sich schon wieder. Ich gebe dir morgen die Dose von ihr persönlich und die von Anna kannst du ihr direkt zurück geben und ihr sagen, was auch immer du willst. Dann sollte alles wieder soweit in Ordnung sein.< Er klingt überzeugt und da er sie kennt, entscheide ich einfach, ihm zu glauben.

>Danke, Max. Und entschuldige.< Er atmet tief durch und ich sehe praktisch vor mir, wie er die Schultern hebt.

>Kein Ding. Also kommst du vorbei?< Mit einem knappen Nicken verlasse ich mein Zimmer, gehe zu Treppe.

>Ja, bis gleich.<

>Bis gleich<, verabschiedet auch er sich und wir legen auf, dann hole ich mir meine Jacke von der Garderobe, ziehe sie und meine Schuhe an.

>Wo willst du denn noch hin?<, will mein Vater wissen, der soeben aus dem Wohnzimmer kommt und mich kurz mustert.

>Zu Max, vielleicht schlafe ich bei ihm.< Er nickt knapp, hebt eine Hand zum Abschied.

>Dann pass auf dich auf und bis morgen. Du kommst morgen früh noch mal hier vorbei?< Ich nicke knapp, dann gehe ich zur Tür.

>Mache ich, bis morgen.<

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28.11.2019

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