Kapitel 24

Randon Banks

Es ist angenehm warm draußen, deshalb habe ich meine Jacke bei Max gelassen, als wir losgelaufen sind. Mit jeweils einer Falsche Bier haben wir uns auf den Weg in die Stadt gemacht. Zu Fuß sind das knapp Zehn Kilometer, aber wir haben beide keine Lust auf den Bus zu warten und eindeutig zu viel getrunken, um selbst zu fahren.

Auf dem Weg haben wir noch viel geredet, aber mittlerweile ist Stille eingekehrt. Auch das ist Mal angenehm und ich versuche auch nicht, das Schweigen zu brechen. Stattdessen ziehe ich ihn immer weiter, wenn er bei einem Zigarettenautomaten langsamer wird. Auch diesmal sieht er wehmütig zurück, bis wir um die nächste Ecke gebogen sind.

>Ich hätte nie mit dem Scheiß anfangen sollen<, brummt er missmutig, reibt sich kurz über das Gesicht.

>Ich habe dir davon abgeraten, aber du wolltest ja nicht hören.< Er winkt ab, deutet zu einem Laden auf der anderen Straßenseite.

>Lass uns da Nachschub holen.< Mit einem knappen Nicken sehe ich mich um, ob die Straße frei ist, dann überqueren wir sie. >Willst du eigentlich in einen Club oder so?< Kopfschüttelnd schiebe ich meine freie Hand in meine Jeans, mit der anderen schwenke ich die leere Flasche leicht im Kreis.

>Mit ist nicht so nach Leuten.<

>Hast du dann Lust rauszufinden, wer dein Pausenbrot-Mädchen ist?<, hakt er nach, mustert mich von der Seite. Fragend sehe ich zu ihm.

>Wie willst du das denn machen?< Er hebt die Schultern, betritt den Laden, dicht gefolgt von mir.

>Ruf sie an und verabrede dich mit ihr.< Kopfschüttelnd gebe ich ihm meine Flasche.

>Gib du sie ab, ich hole uns Neues.< Er hebt die Schultern und geht davon, während ich das Kühlregal mit dem Bier suche.

Natürlich würde ich gern wissen, wer sie ist, nur will ich es auch gleichzeitig nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich sie als meine Stütze verlieren würde. Außerdem wird sie sich sicherlich nicht mit mir treffen wollen. So zurückhaltend, wie sie immer schreibt, würde sie höchstens mit mir telefonieren und dabei vermutlich nicht viel sagen. Abgesehen davon fällt es mir im Moment recht leicht, mich ihr anzuvertrauen. Wenn ich weiß, wer sie ist, ändert sich das vielleicht.

Um mich abzulenken, sehe ich mir die Bierauswahl genau an, bevor ich zwei Flaschen von der üblichen Sorte nehme. Ich will heute eigentlich nicht mehr nachdenken, sondern mal abschalten. Nicht, indem ich mich besinnungslos betrinke, aber wenigstens die Gespräche mit Max sollten von etwas anderem handeln.

>Was ist denn los?<, will Max plötzlich neben mir wissen, nimmt noch zwei Flaschen aus dem Regal. Offenbar habe ich einfach nur dagestanden und wieder vor mich hin gegrübelt. Das scheine ich momentan häufiger zu machen.

>Nichts weiter<, weiche ich aus, folge ihm zur Kasse. Skeptisch mustert er mich, sagt aber nichts mehr dazu.

>Wir gehen gleich in den Park. Da gibt es Springbrunnen und Wasserspiele für meine wunden Füße<, beschließt Max, zahlt das Bier und reicht mir zwei der Flaschen wieder.

>Du solltest eben mehr laufen, meinen Füßen geht es super.< Er rollt die Augen, begleitet mich aus dem Laden, dann folgen wir dem Gehweg in Richtung Park.

>Ich bin eben eher ein Boxer und du ein Läufer. Im Gegensatz zu dir kann ich Stundenlang auf einen Sack einprügeln. Dafür kannst du in dieser Zeit laufen. Jeder hat seine eigenen Stärken.< Schulterzuckend stimme ich ihm zu, nehme ihm die geöffnete Flasche ab, die er mir reicht, gebe ihm dafür eine von meinen. Er schafft es irgendwie, sie nur mit seinen Händen zu öffnen. Allein bei dem Gedanken schmerzen meine Handflächen, deshalb habe ich es nie versucht.

>Hast du Lust morgen ins Fitnessstudio zu gehen? Zu zweit macht das irgendwie mehr Spaß.< Er hebt die Schulter, hebt mir sein Bier entgegen und wir stoßen an.

>Je nachdem, wie sich meine Füße morgen anfühlen.< Kopfschüttelnd versuche ich mir ein Lachen zu verkneifen, dann kommt auch schon der Park in Sicht.

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Es ist doch mehr los, als ich dachte. Überall sind Familien und Pärchen unterwegs oder auch der ein oder andere Jogger. Bei dem Anblick der Pärchen weiß ich immer nicht, wie ich mich fühlen soll. Die sehen alle so glücklich aus. Ob sie Hand in Hand spazieren gehen oder ein Picknick machen, sie alle haben einen wundervollen Tag.

Mit Lesley war ich nie im Park. Wieso eigentlich nicht?

>Nicht abdriften<, mahnt Max neben mir, schlägt mir seine kalte Flasche sanft gegen den Arm. >Wir sind nicht hier um unser Leben oder unsere Beziehungen zu überdenken.< Skeptisch sehe ich zu ihm, kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.

>Welche Beziehung solltest du auch überdenken können?< Er schüttelt wortlos den Kopf, trinkt von seinem Bier.

>Sogar ich hatte schon eine Freundin, Randon. Ganz so schlimm, wie du von mir denkst, bin ich gar nicht.< Ungläubig mustere ich meinen langjährigen und mittlerweile auch besten Freund.

>Bist du dir sicher? Ein paar Tage mit derselben ins Bett zu gehen ist keine Beziehung.< Er funkelt mich wütend an, aber ich weiß, dass er nicht wirklich sauer ist.

>Ich weiß das. Erinnerst du dich an Nathalie? Die kleine mit den ewig langen, schwarzen Haaren.< Tatsächlich dämmert mir da etwas. Sie war nicht auf unserer Schule, deshalb habe ich sie nur ganz selten gesehen und dann auch nur bei Max. >Wir waren zwei Monate lang zusammen. Danach hat sie sich in einen anderen verknallt<, meint er schulterzuckend. >Wir schreiben noch ab und zu.< Ich habe ihn nie für einen Beziehungsmenschen gehalten, oder gar für einen, der sich ernsthaft verknallt, aber ich kann ihm ansehen, dass sie ihn damit verletzt hat.

Ich kenne Natalie zwar nicht gut, aber sie scheint ein anständiges Mädchen zu sein. Deshalb hoffe ich, dass sie ihn verlassen hat ohne ihn zu betrügen oder zu hintergehen. Das macht es nicht wirklich besser, aber es tut nicht so weh, denke ich. >Was ist denn da los?<, holt Max mich aus meinen Gedanken, deutet auf einen großen Springbrunnen. Da ist eine kleine Menschenansammlung von etwa zehn Leuten, aber ich kann nicht erkennen, worum die sich da scharen.

>Wahrscheinlich irgendeine Feier oder so<, mutmaße ich, obwohl ich es irgendwie nicht glaube. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass da nur Kerle sind. >Ein Junggesellenabschied?<

>Ich habe nie verstanden, warum man für so Aktionen einen besonderen Tag braucht<, murmelt Max vor sich hin und da wir beide kein großes Interesse an der Versammlung haben, gehen wir an ihnen vorbei, folgen dem Weg weiter.

>Gehen wir zu dem kleinen See oder zu einem anderen Springbrunnen?< Er hebt die Schultern, obwohl wir nur seinetwegen zu einer Wasserstelle gehen. Wobei sich meine Füße auch über eine Abkühlung freuen würden.

>Warte!<, ruft irgendjemand hinter uns, woraufhin wir uns fragend umsehen. Da ist niemand, den ich kenne, doch dann rennt ein Mädchen an uns vorbei quer über die Wiese. Obwohl ich sie kaum erkennen kann, weil sie so schnell und zu weit weg ist, weiß ich, dass sie wirklich hübsch ist. Es ist schön anzusehen, wie ihr helles blondes Haar im Wind spielt, obwohl sie offenbar vor etwas oder jemandem wegläuft.

Sie verlässt den Park, rennt die Straße entlang und sobald sie außer Sicht ist, sehe ich nach, wo sie hergekommen ist.

Da steht noch immer die Ansammlung von Männern und Jungs, die sich nun aber langsam verstreuen. Dabei taucht ein älterer Mann auf, der mit schnellen Schritten genau denselben Weg geht, wie das Mädchen eben.

>Was ist denn da los?<, fragt Max neben mir, aber ich habe keine Ahnung. Geschwiege denn eine Idee. Der Mann überquert die Wiese, hält nach ihr Ausschau. Er wird sie nicht finden und ich habe auch nicht das Bedürfnis, ihm zu sagen, in welche Richtung sie gelaufen ist. Schließlich hatte sie ihre Gründe.

>Komm<, fordere ich Max auf, der sich mir mit einem knappen Nicken anschließt.

>Lass und zu dem See gehen. Da können wir...<

>Clara!< Ich habe keine Ahnung, was Max mir erzählt, aber eins ist ganz sicher. Dieser Mann, der das Mädchen sucht, hat eben nach Clara gerufen.

Das kann nicht sein.

Die Haare würden passen und so sportlich wie Clara ist, traue ich ihr auch so ein Tempo zu.

Aber ohne Brille und ihr übergroßes Shirt?

Meine Schritte verlangsamen sich, dann sehe ich mich nach dem Mann um, der mittlerweile auf dem Gehweg neben dem Park steht und wohl versucht herauszufinden, in welche Richtung sie gelaufen ist.

>Randon?<, fragt Max, aber ich ignoriere ihn. Stattdessen jogge ich zu dem Mann, der sich gerade das Gesicht reibt und wirklich verzweifelt wirkt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es Clara Archer war und wenn, will ich auf jeden Fall wissen, was hier los ist.

>Entschuldigen Sie.< Der Mann hält inne, obwohl er grade in die richtige Richtung loslaufen wollte, sieht sich nach mir um. Schnell bringe ich die letzten Meter hinter mich, mustere den Mann. Er scheint in den Vierzigern zu sein, trägt ein Hemd und dazu Jeans, was ihn wie eine Autoritätsperson wirken lässt. >Sind Sie Theo?< Er wirkt überrascht, nickt dann aber.

>Sie sind ein Freund von Clara?< Mit seinen hellbraunen Augen mustert er mich von oben bis unten, als würde er etwas suchen.

>Das war Clara Archer, oder?< Er nickt zur Antwort, dann sieht er mir wieder in das Gesicht.

>Sie sind das<, sagt er so leise, dass ich ihn kaum verstehe. Überrascht hebe ich eine Braue.

>Sie kennen mich?< Er winkt ab, schüttelt knapp den Kopf.

>Wissen Sie, in welche Richtung sie gelaufen ist? Ohne ihre Sachen wird sie Probleme bekommen<, wechselt er das Thema, reibt sich wieder das Gesicht. Er hebt eine Tasche, um zu verdeutlichen, dass er irgendetwas bei sich hat, was ihr gehört.

>Sagen Sie mir erst, was hier passiert ist<, fordere ich, deute in Richtung Springbrunnen. Zwar schient Clara diesen Theo zu kennen und einen Termin bei ihm zu haben, aber das hier sieht nicht so aus, als wäre es in ihrem Sinne passiert.

>Ich habe sie zu sehr gefordert. Es sollte ein kleines Experiment sein, um sie besser verstehen zu können, damit sie über ihren Schatten springt und aufhört, sich zu verstecken. Ich habe nicht mit einem solchen Ergebnis gerechnet und das tut mir wirklich sehr leid<, erklärt er mir eindringlich und ich neige dazu, ihm zu glauben. >Bitte<, fügt er hinzu, umklammert die Tasche in seiner Hand.

>Sie sind Therapeut, richtig?< Nach all den neuen Informationen ist das die einzige, logische Erklärung. Er nickt knapp und wieder beschleicht mich dieses ungute Gefühl. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sie vor mir zurückgewichen ist, als ich nur eine einzige, unangenehme Frage gestellt habe. Dass sie wegen einem Erlebnis, das ihr so tief in den Knochen steckt, zu einem Therapeuten geht, ist nur logisch. >Warum haben Sie sie dieser Situation ausgesetzt? Es war doch klar, dass das nichts wird. Sie kommt mit dieser Art von Druck nicht gut zu Recht.< Er schließt die Augen, atmet tief durch.

>Das weiß ich jetzt auch. Wir arbeiten schonlänger zusammen und in meinen Sitzungen hat sie stabil gewirkt. Ich kenne sie nichtauf dieselbe Weise, wie Sie. Ich kann das allerdings nur wieder in Ordnungbringen, wenn ich sie finde. Also bitte, sagen Sie mir, in welche Richtung sie gelaufen ist oder helfen Sie mir, sie zu finden.<

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12.06.2019

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