Kapitel 16
Randon Banks
„Sie: Nicht mehr, aber jetzt. Was gibt's?" Müde reibe ich mir die Augen, sehe nach, wann sie die Nachricht geschrieben hat.
Offenbar ist sie immer früh auf, wenn sie mir um zwanzig nach sechs schon schreibt.
Wach geworden bin ich allerdings von ihrer neusten Nachricht, die vor einer Minute angekommen ist.
„Sie: Dein Essen steht in dem Schließfach Nummer dreihundertelf. Das ist ein leerstehendes", hat sie geschrieben und dann noch die Zahlenkombination dafür.
Woher hat sie den Code für ein unbenutztes Fach?
„Randon: Guten Morgen. Wollte nur noch ein bisschen schreiben, nichts Spezielles. Warum hast du es nicht in mein Schließfach gestellt?" Sobald die Frage raus ist, lege ich mein Handy wieder auf die Kommode, ziehe mich an.
Ich denke nicht, dass sie grundlos ein anderes Fach nutzt. Allerdings fällt mir auch kein Grund ein, warum sie meines nicht nutzen sollte. Sie kennt den Code und wenn etwas passiert wäre, wie zum Beispiel, dass jemand die Tür abgerissen hat, hätte sie das sicher erwähnt.
Mein Handy vibriert, als ich mir ein Shirt über den Kopf ziehe, darum gehe ich zurück zu meiner Kommode, öffne die Nachricht.
„Sie: Lesley und Phil wollten mich abfangen." Stirnrunzelnd tippe ich gleich eine neue Frage.
„Randon: Was weißt du?" Das war nicht sonderlich spezifisch, aber das könnte dazu führen, dass sie mir alles dazu sagt, was sie weiß. Ich habe keine Ahnung, was ausgerechnet diese beiden dazu bringt, Sie abfangen zu wollen. Dass Phil neugierig ist, seit er von ihr weiß, ist mir klar. Nur kann ich mir nicht erklären, warum er Lesley davon erzählt hat. Und schon gar nicht, was sie sich erhofft haben, als sie sich in der Schule auf die Lauer gelegt haben.
Sie schreibt, aber ich denke nicht, dass es eine kurze Nachricht wird, darum stecke ich mein Handy ein, schnappe mir meine Schultasche und verlasse mein Zimmer. Auf dem Weg nach unten grüße ich Dana, die schon zum Bus loslaufen muss und meine Mutter, die noch wie ein Zombie an der Kaffeemaschine steht.
Zügig ziehe ich meine Schuhe an, hole meine Schlüssel und verlasse das Haus, überquere die Einfahrt. An meinem Auto am Straßenrand angekommen sehe ich noch einmal nach, aber sie hat noch nicht geantwortet. Da ich zu spät dran bin, um auf sie zu warten, fahre ich allerdings los und nehme mir vor, erst auf dem Parkplatz der Schule wieder auf mein Handy zu sehen.
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Jedes Mal, wenn es in meiner Hose vibriert hat, war ich ganz kurz davor nachzusehen. Sie hat einige Nachrichten geschrieben, oder jemand anderes, aber das glaube ich irgendwie nicht.
Sobald mein Auto dann endlich steht, ziehe ich es gleich hervor, sehe nach. Tatsächlich hat Phil mir auch geschrieben, aber ich lese erst die Nachrichten von ihr.
„Sie: Das ist nicht so leicht. Ich bin niemand, der sich gerne einmischt oder Mutmaßungen anstellt. In so etwas bin ich wirklich schlecht." Bevor ich wirklich über die Nachricht nachdenken kann, lese ich schon die zweite. „Sie: Phil und Lesley kleben aneinander, seitdem ihr nicht mehr zusammen seid. Du musst für dich entscheiden, was das bedeutet, da halte ich mich raus. Phil hat ihr erzählt, dass da ein Mädchen ist, das dir dein Essen bringt, das habe ich aus seinen Worten geschlossen. Sie wollte mich abfangen um zu sehen, wer ich bin", schreibt sie weiter, doch am Meisten trifft mich die letzte Nachricht.
„Sie: Ich glaube, sie denkt, dass du etwas mit mir hast. Sie denkt, dass ich der Grund bin, warum du sie nicht angefasst hast. Das hat sie zumindest gesagt." Frustriert lasse ich mein Handy in den Schoß fallen, reibe mir das Gesicht.
Das erklärt so einiges. Wenn Lesley tatsächlich geglaubt hat, dass ich sie betrüge, war es abzusehen, dass sie Schluss macht.
Kraftlos lasse ich meine Stirn auf mein Lenkrad sinken. Ich verstehe nicht, warum sie nichts gesagt hat. Sie hat sich über alles beschwert, hat nie etwas zurückgehalten, aber aus irgendeinem Grund hat sie mich nie beschuldig untreu zu sein. Und das, obwohl es ganz offensichtlich der Grund ist, warum sie in uns keine Zukunft gesehen hat.
Und was soll das mit Phil?
Ich weiß, dass die beiden sich gut verstehen und sie weiß das sicher auch. Wenn sie auf mich achtet, dann bekommt sie auch um mich herum alles mit und wenn sich etwas zwischen Phil und Lesley verändert hat, dann hat sie das mitbekommen.
Schnell nehme ich mein Handy wieder zur Hand, tippe eine Antwort.
„Randon: Wenn du etwas über die beiden rausfindest, oder noch etwas weißt, sag es mir. Bitte. Wenn du dir nicht sicher bist, dann einfach nur die objektiven Fakten", schicke ich ihr. „Randon: Und danke."
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Nach diesen Informationen freue ich mich wahnsinnig auf die Pfannkuchen. In der ersten Stunde habe ich Chemie, wo ich auf einer glatten eins stehe, darum lasse ich die erste Stunde ausfallen und setzte mich mit meinem Essen in die Kantine. Sie hat auch Besteck mitgebracht, deshalb brauche ich mir keines zu suchen und kann mich einfach an irgendeinen Tisch setzten.
Wie erwartet sind die Pfannkuchen einfach genial und mit dem Honig schmecken sie noch besser. Tatsächlich wäre mir Sirup lieber, aber es gibt einfach keinen Grund sich zu beschweren.
Phils Nachricht habe ich ignoriert, weil ich sauer auf ihn bin. Ob er jetzt etwas mit Lesley hat oder nicht, ist ganz deren Sache. Es verletzt mich, aber wenn es die beiden glücklich macht, stelle ich mich nicht quer. Aber mir nichts zu sagen und meine Ex hinter meinem Rücken auf Sie anzusetzen, das nehme ich ihm übel.
Was hat er sich dabei gedacht?
Nachdenklich esse ich einen Pfannkuchen nach dem anderen, versuche dahinter zu kommen, aber ich schaffe es nicht. Irgendetwas muss ich übersehen haben. Halb in Gedanken ziehe ich mein ständig vibrierendes Handy aus der Jeans, sehe nach, was los ist. Phil hat mich zwei Mal angerufen, darum öffne ich nun doch seine Nachricht.
„Phil: Kommst du heute Abend auf Lesleys Party?"
Warum will er das wissen?
„Randon: Nein, bin bei Max." Schließlich habe ich das am Montag schon ausgemacht und jetzt, wo wir nicht mehr zusammen sind, sehe ich auch keinen Grund das zu ändern. In ihrem Chat taucht eine neue Nachricht auf, darum öffne ich ihn.
„Sie: Bist du noch in der Schule? Nein, ich bin nicht in deinem Kurs", schiebt sie mit einem schwach lächelnden Emoji.
„Randon: Ja. Wieso?" Sie ist kurz offline, dann schreibt sie eine Antwort.
„Sie: Schau nach der Stunde in dein Schließfach." Verwirrt sehe ich auf die Uhr. Die Stunde geht noch fünf Minuten, dann sind fünf Minuten Pause, bevor ich Deutschunterricht habe.
Was hat sie vor?
Neugierig aber auch ein bisschen misstrauisch packe ich meine Sachen zusammen. Mir fällt nichts ein, was sie machen könnte. Sie hat wohl kaum noch etwas zu Essen für mich und ich glaube auch nicht, dass sie sich dort mit mir treffen will.
Trotzdem gehe ich natürlich von der Kantine aus über den kürzesten Weg zu meinem Schließfach. Von weitem sieht alles aus wie immer und die Flure sind noch leer, was sich jeden Moment ändern wird.
Auch der Code lässt sich normal eingeben, doch sobald die Tür offen ist, fällt mir der zusammengeknüllte Zettel auf, der da liegt. Er kann unmöglich durch einen der Ritzen geschoben worden sein, demnach hat Sie ihn wohl hier rein gelegt. Mit einem mulmigen Gefühl öffne ich den Zettel, streiche ihn glatt und als erstes erkenne ich Lesleys Handschrift. Nach dem zweiten Satz bin ich überzeugt, dass es eine Konversation zwischen ihr und Natascha ist, die in Chemie hinter ihr sitzt. Nach einigen Schwätzereien hat unser Lehrer die beiden voneinander getrennt, doch seitdem schreiben sie jede Stunde diese Zettel. Und dieser hier gefällt mir überhaupt nicht.
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Überfordert stehe ich an meinem Spind, die Stirn an das kühle Metall gelehnt. Wie versprochen habe ich ihr die Dosen von gestern und auch die bereits geleerten von heute in mein Schließfach gestellt. Doch dann konnte ich nur noch den Zettel in meiner Faust zerdrücken und mich an die verschlossene Tür lehnen.
Warum sind Frauen so?
Lesley und Natascha haben den Großteil der Stunde damit verbracht den Zettel in meiner Hand zu füllen und er handelt fast vollkommen von ihr und Phil. Wie ihr gestriger Abend war und was sie alles gemacht haben. Wie viel besser er doch ist, als ich es war. All diese Sätze klingen, als wären wir seit Monaten getrennt. Es will einfach nicht in meinen Kopf, warum ihr das alles so egal ist. Warum ihr unsere Zeit so wenig bedeutet und erst recht nicht, wie sich das zwischen ihr und Phil so schnell entwickeln konnte. Er ist kein Mensch für Beziehungen, nur für lockere Geschichten und Lesley will immer etwas Festes.
Warum lässt sie sich dann auf ihn ein? Warum fängt mein bester Freund etwas mit meiner Ex an? Und wieso bin ich der Letzte, der davon erfährt?
Frustriert schlage ich meine Stirn an die dünne Metalltür, doch bevor ich es noch einmal tun kann, legt sich eine Hand auf meine Schulter.
>Was ist denn mit dir los?< Mein Kopf dreht sich zur Seite, dann sehe ich Max bittend an.
>Sag mir, dass nicht alle Frauen gleich sind.< Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass eine meiner Beziehungen wegen einem anderen Kerl in die Brüche geht. Er lächelt, hebt die Schultern.
>Nicht alle, aber die Meisten. Was hat Les denn wieder angestellt?<, will er wissen. Er sieht belustigt aus und irgendwie kann ich ihn verstehen. Ich ende eigentlich immer so, wenn meine Freundin mit mir Schluss macht. Frustriert, verirrt und mit meiner Stirn gegen irgendetwas schlagend. Natürlich nie fest, aber eben doch immer gleich. Wortlos reiche ich ihm den Zettel und er nimmt ihn, überfliegt ihn nur und lacht dann. >Ich wusste doch, dass die beiden was verbergen. Ich glaube, die fahren schon eine Weile aufeinander ab.<
>Warum weiß ich das nicht? Warum sehe ich so etwas nicht?<, will ich von ihm wissen, klinge wie ein Häufchen Elend.
Stell dich nicht so an, Randon.
Er hebt die Schultern, gibt mir den Zettel zurück.
>Du hast so eine rosarote Brille auf, wenn du ein Mädchen hast. Gewöhn dir das ab.< Seufzend schiebe ich den Zettel in meine Hosentasche, mustere meinen zweiten besten Freund. Da ist diese eine Frage, die mich schon seit Stunden beschäftigt.
>Glaubst du-<
>Nein<, unterbricht er mich, als hätte er meine Gedanken gelesen. >Phil würde dir das nicht antun. Keine Ahnung, ob Les das machen würde, aber Phil würde nichts mit ihr anfangen, solange ihr noch zusammen seid. Also wart.< Mit einem knappen Nicken versuche ich mich davon zu überzeugen, dass er Recht hat.
Phil würde so etwas nicht machen.
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03.12.2018
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