Drückender Beton
Sie stand im Penny in unserer Siedlung an der Kasse vor mir. Schwarz gefärbte Haare, das erkannte ich an ihren hellen Augenbrauen, als sie sich einmal umdrehte, als hätte sie etwas vergessen. Neben ihr auf dem Band lagen nur ein paar Sachen. Eine Flasche Kola, Tabak, ein Glas mit Essiggurken.
Während ich an länger an der Kasse warten musste – weil Kübra aus meiner alten Schule arbeitete und es sich bei ihr immer zog –, schweiften meine Gedanken ab. Was wird die junge Frau vor mir wohl mit den Sachen kochen, die sie kaufte? Und mit wem und wann wird sie sie essen? Ich stellte mir vor, wie sie sich auf den Parkplatz chillen würde, eine Kippe drehen. Kola dazu trinken und nach dem Rauchen die Gürkchen aus dem Glas essen. Vielleicht wollte sie aber auch Nudelsalat machen, wer weiß. Für eine Party mit Freund*innen.
Über so etwas dachte ich oft nach, wenn es an der Kasse länger ging.
»Na, wie geht's?«, fragte Kübra kaugummikauend, als sie meine Waren über den Scanner zog.
»Ja, muss, muss, was?« Ich sah zur Fensterfront hinaus, hinter der die unbekannte Frau über den Parkplatz ging. Der Frühlingswind zerzauste ihren Pony. Ihre Beine steckten in löchrigen Leggings, darüber ein bauchfreier rosafarbener Pulli, der mir zu kalt für die Jahreszeit wäre, aber zu dem Sonnenschein passte, der heute durch die Wolken brach.
Kaugummiblasen platzten zwischen Kübras Lippen, die Kasse piepste. Und vor den Fenstern ein Mensch, den ich unbedingt ansprechen wollte.
Es dauerte quälend lang, bis ich endlich alles in meinem fleckigen Jutebeutel verstauen konnte. Reis. Tiefkühlgemüse. Käse. Reduzierte Pralinen für Mama, weil die ihr immer gute Laune machten. 9,71€ weniger in meinem Portemonnaie, ein gemurmeltes »Bis dann.«
Meine Schritte waren so schnell, dass ich kurz stehen bleiben musste, während die Schiebetüren aufglitten. Dann eilte ich nach draußen, wo die Schwarzhaarige an einem alten Volvo lehnte und rauchte.
Ich verlangsamte meine Schritte, während sie ihre Stirn runzelte. »Hey, was geht?«, fragte ich sie.
Eine kleine Wolke bildete sich vor ihrem Mund. »Was willst du?« Ihre Frage klang forsch, aber nicht unfreundlich.
»Wohin fährst du?«
»Mal gucken.«
»Würdest du mich mitnehmen?« Ich grinste frech und hoffte, das würde irgendwie gut ankommen. Dass es aussah wie im Spiegel und es mir nicht so ging wie Benji. Der wirkte immer zappelig nervös, wenn er versuchte, einen Typen zu klären, obwohl er eigentlich ein Selbstbewusstsein hatte wie wenig andere. Dem konnte keiner was. Aber sobald er jemanden gut fand, rieselte es auf den Boden wie Zigarettenasche.
»Kommt drauf an, wohin.«
»Wir könnten ans Meer. Nordsee oder Ostsee oder so.«
»Mh.«
»Was mh?«
»Wir kennen uns gar nicht.«
»Aber wir können uns kennenlernen. Wenn wir ans Meer fahren und in deiner Karre pennen und auf Autobahnparkplätzen überteuerte Croissants frühstücken und Kaffee trinken – also wenn du welchen magst, ich mag keinen. Ich glaube, ich würde Kakao trinken, wenn die welchen mit Hafermilch haben.«
»Ich muss jetzt los«, sagte sie. Schmiss den Autoschlüssel in die Luft, fing ihn wieder und sperrte dann die klapprige Karre auf. Baujahr 1976 oder so, schätzte ich zumindest. »Ich trinke übrigens schwarzen Tee. Mit Hafermilch.« Sie grinste, ehe sie sich auf den Sitz sinken ließ und die Tür zuzog.
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