Kapitel 9

Eine weitere Woche am Whitmore College war angebrochen. Das bedeutete, mich eine weitere Woche lang auf dem Campus rumtreiben, abends in den gammeligen Zimmern abhängen und versuchen, den Stoff, den man beigebracht bekommen hatte, zu verstehen und nicht wieder zu vergessen. Ich startete ausnahmsweise nicht gerade motiviert in die Woche, ich wäre viel lieber in Mystic Falls geblieben und hätte es mir im Haus der Salvators einfach gut gehen lassen oder hätte mir jeden Tag im Mystic Grill bei Matt mein Lieblingsessen bestellt und hätte allgemein mein Leben einfach nur genossen.

Caroline und Bonnie hatten mich gefragt, ob ich bei ihen aufs Zimmer kommen wollte, da sie schon seit einer Weile eine Bewohnerin zu wenig hatten und wir und nun ja auch schon eine Weile kannten, man somit auch ein Zimmer teilen konnte.

Eine Neuigkeit, die ich erst da bemerkte und die mir eine Gänsehaut bereitete, war, dass ich am Montag im Kurs von Mr. Saltzman mit Caroline saß, dass Thomas weit und breit nicht zu sehen war. Das war doch nicht normal, dass er einfach ohne Vorwarnung nicht auftauchte. Er könnte ja krank geworden sein, doch eigentlich hätte ich mir dann schon gewünscht, dass ich darüber informiert werden würde. Denn wir beide waren ja momentan so etwas wie ein Paar. Für mich bedeutete so etwas eigentlich, dass man sich gegenseitig erzählte, wenn man nicht zum Unterricht kam.

Wie Caroline mir in der Pause mitteilte, hatte er am Sonntag mit den anderen gar nicht Mystic Falls verlassen. Er wäre auch gar nicht in seinem Haus gewesen, sie hätten geklingelt und ihn angerufen, doch er wäre nicht drangegangen. Deswegen hatten sie gedacht, dass er schon ins College vorgefahren wäre, da er zum Beispiel noch etwas zu erledigen hatte.

Um es nochmal zusammenzufassen: Niemand wusste, wo Thomas war. Nicolas war mir auch keine große Hilfe, er war den ganzen Tag schon so abwesend gewesen, wie wenn mit seinen Gedanken ganz woanders wäre. Er hatte in letzter Zeit ständig sein Handy am Ohr kleben, ich war mir sicher, dass er mit Kai telefonierte. Ich hatte langsam echt etwas dagegen, dass die beiden sich trafen. Ich fand, dass Kai ihn zu einem negativen Charakter brachte und er langsam ein anderee Nicolas wurde, als den, den ich jahrelang gekannt hatte. Natürlich freute ich mich, dass er einen Kumpel gefunden hatte, doch Kai war anders.

Als ich gerade zusammen mit Bonnie und Caroline über den Campus schlenderte, wir hatten eine Freistunde, tauchten auf einmal einige Personen in Dienstkleidung vor uns auf. Ich konnte aus dem Augenwinkel erkennen, dass wir nicht die einzigen hier waren, die nun Besuch von den Leuten bekommen hatten. Ich erkannte, dass es alles Deputys waren. Doch was wollten sie denn hier? War etwas geschehen?

„Wir müssen Sie alle zu einem Vorfall befragen, der sich in der letzten Nacht in der Nähe des Whitmore Colleges zugetragen hat. Seien Sie nicht besorgt, es wird hier keiner verdächtigt, wir wollen nur so viele Informationen wie möglich einsammeln, um uns möglicherweise ein besseres Bild bilden zu können. Wenn die Damen mir folgen würden!"

Ein Mann, um die 40, trat auf Caroline, Bonnie und mich zu und wies uns den Weg, den wir ihm folgen sollten. Ich warf den beiden Mädchen einen Blick zu, ob sie wussten, wovon hier die Rede war, doch sie warfen mir einen ebenso ahnungslosen Blick zu.

Als erste wurde Bonnie verhört, Caroline und ich saßen auf Stühlen vor der geschlossenen Tür und warteten darauf, dass wir an der Reihe waren. Es war einfach so merkwürdig. Ich wusste nicht einmal, was geschehen war. Wurde jemand ausgeraubt? Getötet? Vergewaltigt?

„In letzter Zeit passiert es öfter einmal, dass etwas passiert, was total unerwartet ist. Hier hatte sich vor Jahren mal ein gefährliches Tier rumgetrieben, von dem wir nicht wissen, ob es zurückgekehrt ist. Irgendein Raubtier, das wahllos Menschen umbringt. Es ist einfach grausam. Man muss echt Angst vor diesem Tier haben. Ich hoffe sehr, dass es dieses Mal nicht wieder das Tier ist. Du sollst nicht ein schlechtes Bild von der Gegend hier bekommen."

Caroline spielte wie wild mit ihren Locken, während sie mir das erzählte. Man merkte genau, dass sie sich da total reingesteigert hatte und ich hoffte einfach nur, dass es dieses Mal nicht ein weiterer Angriff eines Raubtieres war.

„May Cooper. Bitten treten Sie ein!" Ich schluckte, als Bonnie an mir vorbeilief und ich nun an ihre Position trat und nun verhört werden würde. Ich hatte bis gerade eben noch nie etwas davon gehört, dass es hier wohl schon öfter mal Probleme gegeben hatte, deswegen fragte ich mich, was sie da groß von mir wissen wollten.

„In der letzten Nacht gab es einen Angriff eines Raubtieres auf ein Ehepaar, das im Wald Campen war. Wussten Sie etwas davon? Wo haben Sie sich gestern Abend aufgehalten?"

Ich wurde stutzig und es bildete sich eine Gänsehaut auf meinem Arm. Es war also wieder ein Raubtierangriff gewesen. Wieso konnten die Menschen hier nicht einfach in Frieden leben?

„Hören Sie, ich bin erst vor wenigen Wochen hier in die Gegend gezogen und dass es hier Raubtierangriffe gibt, ist das erste, was ich höre. Gestern Abend war ich mit meinem besten Freund erst im Mystic Grill essen gewesen und wir hatten uns abends noch einen Film in unserem Haus in Mystic Falls angesehen, bevor wir uns, wie jeden Sonntag, auf den Weg ans Whitmore College gemacht haben. Wir sind hier früher als sonst angekommen, wir haben nichts Auffälliges mitbekommen, das müssen Sie mir glauben."

Es herrschte kurzes Schweigen, dann wurde ich mit einem Nicken entlassen. Mein Herz raste wie eine Maschine, denn ich war noch nie verhört worden. Ich war froh, dass Thomas das nicht durchmachen musste. Wenn ich dann aber auch noch daran dachte, dass er sich wohl letzten Abend auf den Weg zum Whitmore College gemacht hatte und nie angekommen war, jagte es mir einen Schauder über den Rücken. Doch es war bisher nur die Rede von zwei Leichen.

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