Kapitel 21: Die letzte Konfrontation
Die Sonne stand hoch am Himmel, und "Pinch" rannte ihrem Bestimmungsort entgegen. Sie wusste, wohin Johnson wollte – es gab nur eine einzige Möglichkeit.
Merkwürdigerweise fühlte sie sich trotz der eingesteckten Schläge aus dem vorherigen Kampf und dem letzten Wettlauf gegen die Zeit nicht so erschöpft, wie sie es hätte sein sollen. Sie lief nicht so schnell wie vorher, aber ihr ging auch für lange Zeit nicht die Puste aus, und sie kam erstaunlich schnell voran. Als sie die Kuppen der Hügel erreichte, auf denen ihr Butter davongelaufen war, konnte sie das Tal überblicken – und in der Ferne erkannte sie eine einsame, hochgewachsene Gestalt, die sich auf die Berge hinter der Absturzstelle des Shuttles zubewegte.
Das war es also. Jesper hatte ihr die Richtung gedeutet, aber es war auch logisch, dass der Weg dorthin führte. Das Shuttle musste direkt über Johnsons verstecktem Raumschiff gewesen sein, als sie mit den Sensoren die automatische Abwehr ausgelöst hatte. Vielleicht auf der anderen Seite dieser undurchdringlichen Felswände – eventuell war dort ein Pfad, den sie in ihrem verletzten Zustand nicht einmal bemerkt hatte. Ansonsten wäre sie wahrscheinlich direkt auf das Schiff gestoßen und von anderen Sicherheitsmaßnahmen erledigt worden.
Sie rannte weiter. Sie war fest entschlossen, Johnson zu stellen. Und ihn aufzuhalten.
Die Gestalt im Tal bewegte sich nicht sonderlich schnell, sie hatte es nicht eilig. "Pinch" hingegen beschleunigte ihre Schritte, so gut es ging, und kam ihr rasch näher. Sie war selbst überrascht, mit welchem Tempo sie Johnson verfolgte. Nicht nur, weil sie nach allem, was passiert war, eigentlich am Ende ihrer Kräfte sein musste, sondern auch, weil sie sich vor dem fürchtete, was passieren würde, wenn sie ihn eingeholt hatte. Jespers Laserpistole war geladen und schussbereit, aber was würde geschehen, wenn sie ihn konfrontierte? Na ja, zunächst musste sie ihn einholen.
Sie mied die Waldstücke und blieb in der offenen Landschaft, als sie selbst das Tal erreicht hatte. Dieses Mal merkte sie auch, dass der Weg nicht so lang war, wie er ihr beim ersten Mal vorgekommen war. Klar, mit dem Schock des Absturzes in den Knochen und einer Gehirnerschütterung war der Marsch für sie nicht gerade einfach gewesen. Doch jetzt, abgesehen von dem, was Whitmore ihr zugefügt hatte, ging es ihr deutlich besser. Sie fühlte sich stärker und kräftiger, sowohl körperlich als auch geistig. Sie war zu allem bereit, was auch kommen mochte.
Bald war sie nahe genug an Johnson dran...
Er machte sich gerade daran, einen felsigen Hügel hinaufzusteigen. Noch hatte er sie nicht bemerkt. "Pinch" nahm den Laser zur Hand, entsicherte ihn. Die Beine im festen Stand, den Finger auf die Kante über dem Abzug gelegt... Nein, dachte sie. Kein Zögern. Nicht dieses Mal. Sie nahm den Finger herunter und legte ihn auf den Abzug. Die Waffe vor den Augen nahm sie ihr Ziel ins Visier. Sie atmete tief ein und versuchte, ihren Herzschlag mit der Kraft ihres Willens zu beruhigen und das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. Johnson hatte ihr den Rücken zugewandt, bewegte sich gemächlich den Hügel hinauf. Ein paar Dutzend Schritte trennte sie von ihm – für einen Laserstrahl war es keine bedeutende Entfernung.
Und doch konnte sie es nicht tun.
Sie wollte ihn stoppen. Sie wollte verhindern, dass er weiterhin als Verbrecher sein Unwesen trieb, dass er weiterhin unschuldige Menschen in Gefahr brachte. Was er Tammy und ihr angetan hatte, was er bereit gewesen war, den anderen Kindern anzutun, sollte nie wieder geschehen. Doch es schien ihr immer noch falsch. Sie hatte noch nie jemanden getötet, und sie wollte es trotz allem auch nicht tun. Es musste doch einen anderen Weg geben, ihn unschädlich zu machen. Aber wenn sie etwas anderes tat, würde Johnson darauf reagieren. Und "Pinch" fühlte, dass er nicht wie Sykes reagieren und in Panik ausbrechen würde – er würde sie töten. Ohne Zögern, ohne jede Reue. Und ohne dass "Pinch" überhaupt eine Chance hätte.
Plötzlich kam ihr ein Geistesblitz. Eine Erinnerung, wie sie noch vor zwei Tagen in einer ähnlichen Situation gewesen war, mit einer geladenen Waffe in der Hand, unsicher, ob sie dazu in der Lage war, es zu tun. Bis sie sich die Frage gestellt hatte:
Was ist, wenn ich sie nicht töte?
Ihr Finger krümmte sich um den Abzug. Der Schuss blitzte hell auf, das Sirren klang in "Pinchs" Ohren unheimlich laut. Sie traf Johnson in seiner rechten Schulter – erwischte ihn eiskalt, völlig ahnungslos. Ein Aufschrei kam von ihm, voller Schmerz und Überraschung. Er verlor sein Gleichgewicht, fiel zu Boden, rollte die wenigen Schritte vom Hügel herunter zurück ins Tal. "Pinchs" Herz wummerte gegen ihre Brust, und sie fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits, weil sie hoffte, dass er das überleben würde, andererseits voller Furcht darüber, was er tun würde, wenn er überlebte. Sie hielt die Pistole auf ihn gerichtet, den Finger feuerbereit auf dem Abzug, und wartete auf seine Reaktion.
Johnson war erfahren. Er war viel herumgekommen und hatte bestimmt einige hässliche Situationen überlebt. Mit der rechten Hand griff er instinktiv nach seiner eigenen Waffe, aber da der Schuss ihn an der Schulter verletzt hatte, dauerte dies einen Sekundenbruchteil zu lange. Und "Pinch" kam ihm zuvor. Erneut krümmte sich ihr Finger, erneut blitzte ein Laserstrahl auf. Dieses Mal war nicht Johnson das Ziel... sondern seine Waffe.
Mit einem Knall, einem grässlichen Fauchen und Knirschen und mit einem grellen Funkenschauer sprengte der Schuss den vorderen Teil der Pistole ab. Johnsons Hand, die danach gegriffen hatte, zuckte sofort zurück. Mit den sprühenden Funken wusste "Pinch" sofort, dass er die Waffe nicht mehr benutzen würde.
In diesem winzigen Augenblick suchten Johnsons Augen nach seinem Feind, und er sah "Pinch" sofort. Es vergingen noch einige Sekunden, bis er begriff. Aber er begriff es, und er erkannte "Pinch" – im Gegensatz zu seinen beiden Begleitern. Obwohl sie anders aussah als zuvor, mit anderer Kleidung und anderer Frisur, wusste er sofort, wen er vor sich hatte. Vor Überraschung und Erstaunen blieb ihm der Mund offenstehen. Seine vor Schmerz verengten Augen weiteten sich wieder, als er sie erkannte. Er war völlig sprachlos.
"Pinch" fiel aber auch nichts Passendes ein, was sie sagen konnte. Und so war der flüsternde Wind das einzige Geräusch auf der Ebene. Nein, das war nicht ganz richtig. "Pinch" hörte ihren eigenen Atem, hörte ihr eigenes Blut rauschen und ihr Herz hämmern. Die Stille wurde unerträglich, und während sie ihre Pistole weiter auf Johnson gerichtet hielt, der sie wortlos ansah, fragte sie sich, ob dieser Moment bis in alle Ewigkeit andauern würde und sie vielleicht für immer hier stehen musste. Na los, sag etwas, dachte sie bei sich. Tu etwas! Mach schon! Sie wusste nicht einmal, ob sie damit Johnson oder sich selbst meinte.
Doch obwohl Johnson nicht ein einziges Wort sprach, sein Blick verriet viel. Mittlerweile hatte er den Mund zugemacht und seine anfängliche Überraschung überwunden. Jetzt betrachtete er sie mit einem völlig anderen Gesichtsausdruck. Was sie darin lesen konnte, verblüffte und erschreckte sie zugleich. Er hatte keine Angst vor ihr, obwohl sie ihm in diesem Moment überlegen war. Er schien weder durch den Laser in ihrer Hand beeindruckt, noch durch die Tatsache, dass sie ihn gerade angeschossen hatte. Seine Augen drückten vielmehr aus, dass er vollkommen verstand, was gerade durch "Pinchs" Kopf ging. Und er verstand, dass sie es nicht tun konnte. Er musste es nicht einmal laut aussprechen, um es ihr an den Kopf zu werfen.
Reiß dich zusammen, fauchten ihre Gedanken in ihrem Hinterkopf, und dieses Mal waren sie wirklich an sie selbst gerichtet. Es muss enden. Hier und jetzt!
Sie hatte Sykes besiegt, in einem Kampf, in dem sie trotz allem unterlegen gewesen war. Sie hatte Whitmore zur Strecke gebracht, hatte ihn auf seinem eigenen Schlachtfeld geschlagen. Und als sie in Johnsons Augen sah, begriff sie, dass dies nur ein weiterer Kampf war, den sie gewinnen musste – ein Duell des Geistes, an dessen Ende sich entscheiden würde, ob sie den Abzug ein weiteres Mal betätigte oder nicht. Als sie Johnson das erste Mal begegnet war, hatte sie sich gefragt, was seine Stärke war. Es war mehr als nur seine Intelligenz – es war seine Überzeugungskraft. Die Fähigkeit, mit der er zwei Handlanger übelster Sorte dazu gebracht hatte, ihm ohne Wenn und Aber zu folgen. Mit der er Vera in Furcht versetzt hatte, ohne überhaupt viel sagen oder tun zu müssen. Mit der er nun, allein durch seine Haltung und seinen Gesichtsausdruck, verhinderte, dass sie ihn erschoss.
Und er schien in ihrem Gesicht zu lesen, dass sie dies verstanden hatte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, er schien nun ebenfalls zu warten, so wie sie. Es wäre so viel einfacher gewesen, wäre er nun aufgesprungen und auf sie losgegangen, auch ohne seinen Laser. Doch das würde nicht passieren. Sie wusste es, und er wusste, dass sie es wusste. Und so weiter...
„Und was nun?", fragte Johnson plötzlich. "Pinch" hatte fast erwartet, dass er diese Frage mit einem hämischen Unterton stellen würde, aber dem war nicht so. Er klang neutral, fast entspannt, und er schien diese Frage ernst zu meinen.
Nun, sie war auch bereit, ihm eine ernste Antwort zu geben: „Sie ergeben sich. So einfach ist das." Sie merkte selbst, wie ihre Stimme zitterte, doch sie nahm all ihre Willenskraft zusammen und hielt Johnsons Blick stand. Die Mündung ihrer Waffe blieb auf ihn gerichtet.
Einen endlos scheinenden Augenblick sah Johnson sie an. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein", antwortete er. „So einfach ist das ganz und gar nicht." Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Waffe. „Du weißt, dass dies kein Betäubungsstrahler ist. Du weißt, was passiert, wenn du abdrückst." Sein Blick fing ihren auf, er sah ihr direkt in die Augen. Starrte dort hinein, ohne zu blinzeln, mit einem gefährlichen Ausdruck in den Augen. „Aber bringst du das fertig? Hast du den Mut dazu?" Nach einer weiteren langen Pause fragte er: „Kannst du damit leben?"
Sein Blick bohrte sich in ihre Augen, und sie hatte das Gefühl, dass er direkt in ihre Seele hineinsah. Und er wusste, sie wollte es nicht tun. Sie war gekommen, um ihn aufzuhalten, aber diesen Preis wollte sie nicht zahlen. Selbst als sie Sykes und Whitmore besiegt hatte, war sie hinterher froh gewesen, dass sie noch lebten. In Notwehr hätte sie Johnson getötet, aber er bedrohte sie nicht. Er konnte nichts gegen sie tun.
Was ist mit all den Menschen, denen er Schaden zugefügt hat?, fragte ihre innere Stimme. Was ist mit all jenen, denen er noch schaden wird, wenn er entkommt? "Pinch" straffte sich, aber nur um zu verhindern, dass sie über ihre eigenen Gedanken den Kopf schüttelte. Das ist nicht meine Entscheidung. Das kann kein Grund sein, jemandem das Leben zu nehmen.
All dies konnte Johnson in ihrem Gesicht und ihren Augen ablesen, dessen war sie sich sicher. Es war sinnlos, es vor ihm zu verbergen oder es zu leugnen. Sie nahm die Waffe langsam wieder herunter. „Nein, das kann ich nicht", gestand sie. „Sie haben absolut Recht."
Dann nahm sie die Waffe wieder hoch und schoss ihm ohne Vorwarnung ins Bein.
Es war, als würden mit diesem Schuss die Mauern fallen, als würde Johnsons gesamte Abwehr mit einem einzigen Schlag zerschmettert. Der Laserstrahl bohrte sich in seinen Oberschenkel und hinterließ ein rauchendes Loch. Johnson brüllte auf vor Schmerz, sein Gesicht verzerrte sich. Das Gebrüll hallte im Tal wider und musste wohl kilometerweit zu hören sein. „Verdammt", schrie er schmerzerfüllt. „Was soll das? Warum machst du das?"
"Pinch" gestattete sich ein kleines triumphierendes Grinsen. „Ich glaube, ihr Erwachsenen habt zu viele Kriege geführt, um zu verstehen, dass es nicht nur den einen Weg gibt. Töten oder getötet werden? Wie engstirnig kann man sein?"
„Was willst du von mir?" Johnson versuchte, sich beide Schusswunden gleichzeitig zu halten, und biss die Zähne zusammen, während er "Pinch" mit unverhohlener Wut anstarrte.
„Das habe ich Ihnen bereits gesagt", gab "Pinch" zurück. „Ergeben Sie sich!"
Johnson sah auf die Waffe an seinem Gürtel hinunter, und seine rechte Hand zuckte reflexartig danach. Aber es war eine sinnlose Geste. Dann richtete sich sein Blick erneut auf "Pinch". „Das kannst du vergessen, du kleines..."
Wieder blitzte ein Schuss auf. Dieses Mal traf es den anderen Oberschenkel. Johnsons Schmerzensschrei erfüllte das ganze Tal. „Warum?", schrie er, als er sich wieder artikulieren konnte. „Warum machst du das? Willst du Geld?"
„Ich will Ihr Geld nicht", zischte "Pinch" verärgert. Für wen hielt er sie eigentlich?
„Dann willst du Rache?", fragte Johnson weiter und griff sich stöhnend an die neue Wunde. „Bin ich dir zu nahe getreten? Ist das der Grund dafür, dass du mich gejagt hast?"
"Pinch" hob die Augenbrauen. „Zu nahe getreten? Das könnte man so sagen. Aber das ist auch nicht der Grund." Sie trat einen Schritt näher. „Ich bin hier, weil das, was Sie tun, falsch ist. Und weil ich davon überzeugt bin, dass jemand Sie aufhalten muss. Und wenn ich es selbst bin."
Johnson sah sie ungläubig an. „Eine Idealistin also? Das... fasse ich einfach nicht." Doch er unterbrach sich. Und wandte den Blick von ihr ab. Die Schmerzen überschatteten noch immer sein Gesicht, doch "Pinch" konnte sehen, dass er nachdenklich zu werden schien. Schließlich richtete er den Blick wieder auf sie. „Vielleicht hast du Recht. Aber es geht hier um eine ganze Menge Geld..."
„Ich weiß von den Steinen", entgegnete "Pinch". „Ich habe das Gespräch mit angehört, bevor ich entkommen konnte. Und glauben Sie mir, es wäre mir vollkommen egal gewesen. Hätten Sie mich doch nur nicht gefangengehalten. Und hätten Sie die anderen Kinder in Ruhe gelassen – die hätte es ebenfalls nicht gekümmert."
Johnson dachte über ihre Worte nach. Langsam nickte er. „Ich konnte kein Risiko eingehen. Niemand durfte erfahren, dass wir hier waren, und was wir hier machten. Ich konnte mir nicht sicher sein, ob du oder die anderen Kinder nicht doch jemandem davon erzählen würdet."
Ein tiefer, ungeduldiger Seufzer kam aus "Pinchs" Brust. „Und die Alternative? Mich fesseln und der Gnade Ihrer zwei Handlanger ausliefern? Die anderen Kinder in den Tunneln in die Luft sprengen? Und Jesper halb totprügeln, nur weil ich ihm entkommen bin? Ist das vielleicht der richtige Weg?"
„Glaube mir, ich wünschte, es wäre alles anders gekommen", erwiderte Johnson. „Ich hatte mir diese Umstände nicht ausgesucht. Aber du scheinst ein sehr cleveres Mädchen zu sein. Sei ehrlich, wärst du an meiner Stelle gewesen, hättest du da so viel anders gemacht?"
„Ich hätte gewusst, was richtig und was falsch ist", gab "Pinch" zurück. „Ja, ich hätte sehr vieles anders gemacht. Ich hätte keine Unschuldigen bedroht, hätte keine Kinder gefangen und sie zum Sterben zurückgelassen, hätte mich nicht über alle Regeln hinweggesetzt, nur um schnell an Geld zu kommen." Mit einem weiteren Seufzer hob sie die Waffe. „Ich sollte vielleicht einfach weiterfeuern..."
„Nein!", rief Johnson entsetzt und hob die Hände. „Warte! Bitte warte doch..." Er blickte in die Mündung von "Pinchs" Waffe, und mit einem Mal war es, als wäre seine bedrohliche Präsenz nun verschwunden – dieser ewige Schatten, der ihr Angst eingejagt und sie die ganze Zeit verunsichert hatte. Zurück blieb ein Mann, ein einfacher Mann in der Kleidung eines wenig erfolgreichen Söldners, der nun ihrer Gnade ausgeliefert war und es wusste. Ein Mann, der in diesem Moment seines Lebens zum ersten Mal vollkommen ehrlich zu jemandem war. „Es tut mir leid", erklärte er, und er klang aufrichtig.
Aber "Pinch" war gnadenlos. „Das reicht mir nicht." Sie legte den Zeigefinger auf den Abzug ihrer Waffe.
„Was willst du denn hören?", rief Johnson verzweifelt. „Ich bedauere aufrichtig, was ich getan habe. Ich gestehe meine Fehler ein. Verdammt nochmal, was willst du denn noch von mir?"
In der Ferne, auf einem der Hügelkämme in Johnsons Rücken, bemerkte "Pinch", wie mehrere Gestalten auftauchten. Sie waren nahe genug, dass "Pinch" ihre Uniformen und ihre schweren Lasergewehre erkennen konnte, die sie schussbereit in den Händen hielten. Angeführt wurden diese Leute von einer großen, breitschultrigen Gestalt... "Pinch" sah nur einmal kurz zu dieser Gestalt auf, mit einem Blick, der so vieles ausdrückte, was sie nicht in hundert Jahren in Worte hätte fassen können. Und die Gestalt verstand. Sie hob die Hand in einer befehlenden Geste, und der ganze Trupp auf dem Hügelkamm blieb stehen. Schweigend, die Waffen gesenkt, geduldig wartend.
"Pinch" wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Johnson zu. „Was ich will, ist ganz einfach: Ich will, dass es aufhört. Ich will, dass Sie niemals wieder ein unschuldiges Lebewesen bedrohen und zu Tode ängstigen können. Ich will, dass die Galaxis vor Leuten wie Ihnen sicher wird, sodass ich nie wieder befürchten muss, dass ein Kind von Ihnen eingeschüchtert oder bedroht wird. Niemals wieder."
Johnson starrte sie lange und schweigend an. Vorher hatte er sie wohl verstanden, doch nun schien er sie nicht länger zu durchschauen. „Du verlangst von mir, dass ich mein Leben ändere. Dass ich dir verspreche, niemandem mehr etwas zu tun. Das ist dir klar, oder?"
„Ja, das ist mir klar", bestätigte „Pinch".
„Und wenn ich dir mein Wort gebe", fuhr Johnson langsam fort, „wieso solltest du mir glauben, dass ich mich daran halten werde?"
„Pinch" nahm eine Hand von der Waffe und deutete mit einem eiskalten Blick darauf. „Weil ich sonst nur eine einzige Möglichkeit hätte. Nämlich weiter zu schießen."
Sie sah es, und sie spürte es: den Kampf, der nun in Johnsons Innerem tobte. Auf der einen Seite die Erniedrigung, die reine Möglichkeit, dass ein erfahrener Söldner und Glücksritter mit einer langen Liste erfolgreicher Missionen nun das Ende seiner Karriere durch ein dreizehnjähriges Mädchen erleben sollte, welches er Tage zuvor noch als unschuldiges, wehrloses Opfer in seiner Gewalt gehabt hatte. Auf der anderen Seite jedoch die unumstößliche Erkenntnis, dass sie mit allem Recht hatte, und dass er keine andere Wahl hatte, als sich dem zu fügen.
Er blickte erneut zu ihr auf, schien sie jetzt richtig zu sehen. Sein Blick fiel auf den Namen, der in ihre Jacke eingestickt war. Er stieß ein leises Lachen aus und schüttelte ungläubig den Kopf. „Ist das dein Name? Pinch?" Doch gerade, als "Pinch" glaubte, er wolle sich darüber lustig machen, sah sie seine Miene. „Er passt wirklich zu dir." In seinem Gesicht konnte sie unter all dem Schmerz und der Erniedrigung tatsächlich widerwilligen Respekt erkennen. „Ich weiß, wer dein Vater ist, Mädchen. Er hat in meinen Kreisen einen gewissen Ruf. Man erzählt sich Geschichten über ihn. Aber selbst ohne deinen Namen zu kennen, würde ich glauben, dass du seine Tochter bist."
„Sie glauben, Sie können mir mit Schmeicheleien kommen?", fragte „Pinch" verächtlich. Doch irgendwie gefiel ihr das, was Johnson zu ihr sagte.
Dieser schüttelte den Kopf. Obwohl er aus drei Schusswunden blutete, die sie ihm zugefügt hatte, schien er in diesem Augenblick nicht wütend oder feindselig zu sein. Im Gegenteil, er schien sie zu bewundern. Er brachte ihr den Respekt entgegen, den sie sich so lange gewünscht hatte, obwohl er die letzte Person auf diesem Planeten war, von der sie es erwartet hätte. „Ich habe viel erlebt", erklärte er schließlich, was ihre Vermutung bestätigte. „Ich bin in fast allen Teilen der Galaxis gewesen und habe Dinge getan, für die du mich wahrscheinlich nicht besonders mögen würdest. Ich behaupte nicht, dass ich ein guter Mensch wäre. Und das Letzte, was ich in meinem Leben tun würde, ist, vor einem kleinen schwachen Kind im Staub zu kriechen."
Drohend funkelte „Pinch" ihn an. „Sie sollten mich besser nicht klein nennen..."
„Das verstehst du falsch", fiel ihr Johnson ins Wort. „Wüsste ich nur, dass du Igor Lippsons Tochter bist, würde mir das genügen. Aber du bist mehr als das." Er sah ihr prüfend ins Gesicht. „Du hast die Kinder gerettet, nicht wahr?" Sie nickte, und er schien tatsächlich erleichtert. „Und Sykes? Und Whitmore? Die Laserpistole hast du von dem Jungen, das weiß ich. Dann nehme ich an, dass du mit den beiden selber fertig geworden bist, nicht wahr?"
Darauf nickte „Pinch" langsam. „Sie leben noch. Einigermaßen."
„Erstaunlich." Johnsons Bewunderung war nun offensichtlich. „Ich habe mit den beiden so manches Ding gedreht, und du hast etwas geschafft, das nicht einmal den Sicherheitskräften von fünf verschiedenen Planeten gelungen ist. Ich weiß nicht, ob es einfach nur Glück war, aber ich glaube nicht daran. Du hast Mut und Talent, Pinch, und wenn jemand behaupten sollte, dass du klein und schwach bist, dann ist er in meinen Augen ein Lügner. Vor jemandem wie dir zu kapitulieren ist keine Schande. Von dir besiegt zu werden... könnte man fast als Ehre ansehen."
„Also ergeben Sie sich?" „Pinch" argwöhnte immer noch, dass dies irgendeine Art von Trick war. Doch Johnson schien es wirklich ehrlich zu meinen.
„Ich will mich nicht mit dir anlegen, Pinch", antwortete er mit säuerlichem Lächeln. „Lieber will ich irgendwann einmal sehen, was aus dir geworden ist, und welchen Ruf du dir selbst erarbeitet hast. Ich hätte dich gerne an meiner Seite gehabt, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Vielleicht, in ferner Zukunft, wenn meine Strafe abgebüßt ist und du noch nicht im Ruhestand bist, werde ich vielleicht einmal die Chance haben, mit dir zusammen zu arbeiten. Und um ganz ehrlich zu sein – und ich hoffe, du verstehst, wie ich es meine..." Kurz zögerte er, aber ein winziges echtes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Vielleicht hätte ich dich töten sollen, als ich die Chance dazu hatte."
"Pinch" verstand es nicht falsch – sie wusste genau, wie er es meinte. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie es vernahm. Sie kannte die Geschichten, sie hatte sie an der Akademie oft genug gehört. Zwischen feindlichen Söldnern waren diese Worte das größte Kompliment, das es gab – sie zeugten von Respekt und Anerkennung zwischen Gegnern, die sich als ebenbürtig sahen. Und als Johnson diese Worte ausgesprochen hatte, hob er unter leisem Ächzen beide Hände und legte sie in einer eindeutigen Geste der Kapitulation auf seinen Hinterkopf. Er tat dies mit der Ruhe eines Mannes, der sein Schicksal akzeptierte und nichts davon bedauerte.
Alle auf dem Hügelkamm sahen, was geschah. Und niemand schien stolzer zu sein als der Mann in der vordersten Reihe, der große, breitschultrige, schwarzhaarige Mann, den Vera ihren Vater nannte. Igor Lippson nahm das Gewehr, welches er bis zu diesem Moment schussbereit in der Hand gehalten hatte, endgültig herunter und schien zu strahlen. "Pinch" musste ihm nur ins Gesicht sehen, um zu erkennen, wie glücklich er in diesem Moment war, und wie stolz er auf das war, was sie vollbracht hatte. Es war ein Stolz, den "Pinch" teilte. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so groß gefühlt wie in diesem Augenblick.
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