Kapitel 18: In den Tunneln
Über dem Nördlichen Niemandsland, wie „Pinch" es zu nennen beschlossen hatte, färbte sich der Himmel in einem sanften Orange, und es wurde merklich heller. Quincy galoppierte durch die Landschaft, trat sicher auf unebenen Stellen auf, und „Pinch" hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass er sie im nächten Moment abwerfen würde. Und sie kamen schnell voran. Das Lager der Eingreiftruppe lag weit abseits des Gebietes, in dem sie vorher unterwegs gewesen war, doch als die Sonne aufzusteigen begann, konnte sie in der Ferne die Absturzstelle des Shuttles sehen und sich daran orientieren. Die Berge, in denen das Versteck der Kinder lag, waren direkt voraus. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie dort ankam. Inständig hoffte sie, dass noch genug Zeit blieb.
Der umliegende Wald war bald erreicht. Ab hier musste „Pinch" vorsichtig sein. Wenn die Verbrecher noch in der Nähe waren, konnte es gefährlich werden. Im Schatten der Bäume ließ sie Quincy anhalten und stieg ab. Prüfend blickte sie sich um und lauschte. Es war ruhig. Die ersten Vögel an diesem Morgen zwitscherten in den Bäumen, und der Wind rauschte leise. Quincy wieherte verhalten und blickte sie erwartungsvoll aus seinen großen Pferdeaugen an. Sie seufzte bedauernd. Es war zu gefährlich, ihn hier zu behalten. „Lauf nach Hause, Quincy!", befahl sie ihm und gab ihm einen Klaps auf das Hinterteil. „Na los, lauf schon!" Das Pferd gehorchte, obwohl „Pinch" das Gefühl hatte, dass es sie ungerne alleine ließ. Mit einem letzten Wiehern machte es sich auf den Heimweg, und „Pinch" war alleine.
Das Waldstück reichte bis an die Metallplatte heran, hinter der sich der Eingang zum Versteck verbarg. Doch ein ganzes Stück links war der Wald zu Ende, und ein felsiger flacher Hang neigte sich in Richtung des Berges. Plötzlich hörte „Pinch" Stimmen, die von dort kamen. Sie zog ihre Waffe und ging in Deckung hinter einem Felsen. Die Stimmen waren ihr mehr als bekannt.
„Ich bin überrascht, dass er seine Meinung geändert hat", krächzte die Stimme von Sykes in „Pinchs" Ohren. „Nicht, dass ich mich beschweren will..."
„Ja ja, ich weiß." Johnson schien doch etwas von seiner Ruhe eingebüßt zu haben. Jedenfalls klang er nicht mehr ganz so sachlich und beherrscht. „Du wartest schon die ganze Zeit darauf. Und jetzt kriegst du deinen Willen. Wichtig ist, dass wir endlich haben, weshalb wir hier sind."
„Ich pass' auch gern' drauf auf, Boss", bot Whitmore an. Man hörte deutlich, wie fröhlich er war – man hätte es vielleicht auch in Coock City noch gehört. Doch Johnson wollte von dem Angebot nichts wissen.
„Die Steine bleiben bei mir, Whitmore. Geh mit deinem Neffen zum Lager zurück und bereite alles für die Abreise vor!" Dann folgten einige geflüsterte Worte, die „Pinch" nicht verstehen konnte. Sie warf einen vorsichtigen Blick um die Ecke und sah die drei dort stehen. Auch Jesper war da. Er drehte sich bereits zum Gehen um und bekam nicht mit, wie Johnson in seine Richtung gestikulierte und Whitmore wortlos dazu nickte. „Das wird doch kein Problem, oder?", fragte Johnson dann, dieses Mal gerade so laut, dass „Pinch" es hören konnte.
Whitmore schüttelte den Kopf und antwortete in einem Tonfall, der „Pinch" eiskalt über den Rücken lief. „Kein Problem. Es wird auch mal Zeit dafür."
„Dann los! Wir sehen uns am Lager." Johnson drehte sich zu Sykes um. Schnell verschwand „Pinch" wieder hinter ihrer Deckung, bevor er sie bemerkte. „Und was hast du jetzt vor?"
„Ich will ein bisschen feiern", erklärte Sykes, und auch ihr konnte man anhören, dass sie so zufrieden war wie eine Katze, die gerade ein Nest voller Vögel geräubert hatte. „Ich warte und schaue mir den großen Knall an, wenn es soweit ist. Dann komme ich nach."
Johnson brummte. „Zum Feiern ist es ein bisschen früh, aber von mir aus. Sei rechtzeitig da, sonst fliegen wir ohne dich." Er wandte sich ebenfalls zum Gehen. Seine beherrschten Schritte entfernten sich aus „Pinchs" Hörweite. „Pinch" blieb geduckt und ließ den Felsen zwischen sich und den Verbrechern, als sie ihrerseits ihr Versteck verließ. Der große Knall? Sie hatte eine Vermutung, was damit gemeint war. Wenn sie recht behielt, war das alles andere als gut.
Als sie meinte, weit genug weg zu sein, beschleunigte sie ihre Schritte und lief zu der großen Metallplatte. Es war keine Zeit, sie aus dem Weg zu schaffen, aber sie lehnte an der Felswand und ließ genug Platz, dass „Pinch" sich vorbeizwängen konnte. Den Rucksack streifte sie ab und stopfte ihn in eine Ecke unter der Platte, wo niemand versehentlich darauf stoßen würde. Dann kroch sie in den Tunnel.
Die Höhle war ein einziges Chaos. Nachdem sie von hier geflohen war, hatte Vera sich kein Bild davon machen können, was geschehen war, aber dies holte „Pinch" jetzt nach. Die gesamte rückwärtige Wand der Höhle war gesprengt worden. Felsen und Erde hatten sich über den Boden verteilt. Der Tisch war zusammengebrochen, die Sitzgelegen-heiten verstreut. Das war aber nicht nur das Ergebnis der Explosion, sondern vielmehr die Überreste des kläglichen Kampfes, den die Kinder geliefert hatten. Besorgt sah „Pinch" sich um, konnte aber keine Spur von den Kindern oder von Butter entdecken. Aber ihre Vorräte lagen noch auf dem Regalbrett. Ihr Magen knurrte, und sie nahm sich schnell einen Rationspack und biss hinein, während sie sich auf den Weg tiefer hinein machte. Denn hinter dem gewaltigen Loch in der Wand waren Tunnel, die in mehrere Richtungen führten. Das mussten die Tunnel sein, von denen auch Johnson gesprochen hatte.
Mit dem Laser in der rechten und einer starken Lampe in der linken Hand ging „Pinch" aufrecht in die Tunnel und nach links – dies war der wahrscheinlichere Weg zu den Kindern, und irgendwo musste sie anfangen. Vorsichtig schlich sie voran, jederzeit mit einem Angriff oder einem Hinterhalt rechnend. Bis ihr einfiel, dass dies unwahrscheinlich war – Johnson und Whitmore waren mit Jesper zum Lager gegangen, und Sykes wartete draußen. Niemand würde sie hier anfallen. Sie steckte den Laser wieder weg und beschleunigte ihre Schritte.
Doch je tiefer sie in die Tunnel vordrang, desto mulmiger wurde ihr. Igors Worte kamen ihr in den Sinn: Was ist, wenn du zu spät kommst? „Pinch" schluckte. Wenn sie um die nächste Ecke bog und dort feststellen musste, dass die Kinder bereits... Nein, daran wollte sie nicht denken. Und was Johnson draußen gesagt hatte, klang auch nicht danach, als hätten sie es bereits erledigt. Sie musste positiv denken. Solange sie nichts Anderes wusste, gab es immer noch einen Weg.
Sie bemerkte etwas in ihren Augenwinkeln. Ein schwaches rotes Licht blinkte an einer der Tunnelwände. Das leise, fast unhörbare Piepen fiel ihr erst auf, als sie näher kam, obwohl sie es eigentlich schon länger hörte. Sie richtete ihre Lampe darauf. Ihr Atem stockte, ihr Herz schien für einen Augenblick auszusetzen. Warum muss ich Recht behalten?, dachte sie. Der Lampenschein fiel auf etwas, das eindeutig und bedrohlich war. Die vielen Kabel, das blinkende Licht und das metallisch glänzende Paket, das mit allem verbunden war, erinnerte sie an ihre Trainingsmissionen. Sie besah sich das Paket genauer. Was es auch war, es war bestimmt keine Blendgranate.
Unbewusst tastete ihre rechte Hand nach dem Überlebensmesser in ihrer Hosentasche, doch als sie merkte, was sie da tat, rief sie sich selbst zur Ordnung. Nicht an der Bombe rumspielen!, ermahnte sie sich. Hat sie mir schon tausendmal gesagt. Leider konnte sie nicht einmal erkennen, wieviel Zeit ihr noch blieb. Dass sie die Bombe aus der Ferne zündeten, war unwahrscheinlich, sonst würde Sykes nicht auf den großen Knall warten. Immerhin, ein gutes Zeichen hatte dies für „Pinch" schon: Die Kinder waren wahrscheinlich noch am Leben. Und vielleicht sogar in der Nähe, wenn sie hier die Bombe angebracht hatten.
„Hallo?", rief sie daher. „Kann mich jemand hören?"
Sie sah sich um und richtete die Lampe in alle Richtungen. Einige Meter von ihr entfernt blitzte ein weiteres metallisches Päckchen in dem Licht auf, das ebenfalls an der Tunnelwand hing. „Pinch" schluckte einen dicken Kloß im Hals herunter, als sie es bemerkte. Es wäre ja auch zu einfach, wenn es nur eine einzige Bombe geben würde. Ihr blieb keine andere Wahl, als ihren Weg fortzusetzen.
Nach mehreren Metern durch die Dunkelheit hatte sie insgesamt vier dieser Ladungen entdeckt. An der vierten fand sie allerdings endlich das, wonach sie Ausschau gehalten hatte. Ein winziges Display, das an dem Päckchen angebracht und mit einer Antenne versehen war. Die Zahlen auf dem Display wurden auf beängstigende Weise immer kleiner, und „Pinch" wusste, dass sie keine Zeit verlieren durfte. Sechs Minuten, fünfzehn Sekunden... Wenn sie die Kinder nicht bald fand, würde sie keine Zeit mehr haben, hier rauszukommen. Erneut versuchte sie, auf sich aufmerksam zu machen. „Vanna? Thor? Jenny? Taylor? Hört ihr mich?"
Nur das lästige Piepen der Sprengladung neben ihr antwortete. Sie griff in eine ihrer Taschen. Irgendwo hatte sie den Zeitgeber, den sie aus der Waffenkammer mitgenommen hatte. Es war ein kleines Gerät an einem Armband, das sie sich um das linke Handgelenk schnallte. Mit einigen Tasten scannte sie den Countdown der Bombe ab, der nun auch auf dem Zeitgeber erschien. So behielt sie den Überblick, wann die Bombe zünden würde. Wieder überlegte sie, ob sie versuchen sollte, das Ding zu entschärfen. Aber wenn es mehrere Bomben waren, und dies nicht der Auslöser für alles war, verschwendete sie damit nur wertvolle Zeit. Abgesehen davon hätte sie nicht einmal gewusst, wo sie anfangen sollte.
Schließlich lief sie weiter. Der Zeitgeber zeigte ihr weniger als sechs Minuten an. „Hört mich jemand?", brüllte sie aus Leibeskräften durch die Tunnel. „Hört mich jemand und kann mir antworten?"
Und da hörte sie es: ein leises Bellen wie aus weiter Ferne, als Echo an den Tunnelwänden. Doch es war da, und sie hörte es. Es konnte nur Butter sein! „Hierher, Freund!", rief „Pinch" mit aller Kraft. „Hierher, Butter, zu mir!" Sie lief in die Richtung, aus der sie das Bellen hörte, und es wurde deutlich lauter. Es bewegte sich auf sie zu.
Und da war Butter wie ein zottiger Schatten bei ihr, sprang aufgeregt an ihr hoch und wedelte mit dem Schwanz. „Guter Hund!", rief „Pinch" erleichtert. „Braver Junge! Bring mich zu den anderen, ja? Weißt du, wo sie sind?"
Das ließ sich der Hund nicht zweimal sagen. Mit aufgeregtem Bellen und wildem Hüpfen löste er sich von ihr und rannte in die Tunnel zurück. „Pinch" blieb dicht hinter ihm, versuchte sich dabei, so gut wie möglich den Weg einzuprägen. Zuerst hatte sie das Gefühl, Butter liefe kreuz und quer durch das Tunnelsystem, doch es waren tatsächlich nur ein paar Biegungen, bis er schließlich stehen blieb und auf sie wartete. Als „Pinch" dazu kam und ihre Lampe in den Raum richtete, hörte sie schön jammervolles Stöhnen und gedämpftes Knurren. Sie hatte die Kinder gefunden!
Die vier saßen auf dem Boden, paarweise zusammengebunden, mit dem Rücken zueinander. Ihre Hände waren zwischen ihnen mit Seilen fest verschnürt, und ihre Münder waren mit Klebeband verschlossen. „Pinch" richtete die Lampe auf jeden einzelnen, sah Jennys rotes, verweintes Gesicht, Thors trotzigen Gesichtsausdruck, Taylors vor Erstaunen aufgerissene Augen und Vanna, die vor Schreck in die Lampe blinzelte und angstvolle Geräusche von sich gab. Aber es schien niemand verletzt zu sein, wie „Pinch" voller Erleichterung feststellte. Sie richtete die Lampe auf ihr Gesicht. „Ich bin es. Vera!"
Selbst durch ihre Knebel konnten die Kinder ihre Begeisterung und Erleichterung zum Ausdruck bringen. „Pinch" stürmte zu Vanna und befreite sie als Erste von dem Klebeband auf ihrem Mund. „Au... was...", begann Vanna und musterte ihre Retterin. „Vera? Wie siehst du denn aus? Bist du plötzlich älter geworden?"
„Ich nehme das mal als Kompliment", meinte „Pinch" grinsend und zückte das Überlebensmesser, mit dem sie die Fesseln der Kinder kurzerhand durchschnitt. „Aber wir haben keine Zeit. Wir müssen hier schnell raus, bevor der ganze Tunnel hochgeht."
„Sie haben uns von der Bombe erzählt", meinte Taylor grimmig. „Haben sogar eine direkt hier angebracht. Wieviel Zeit haben wir noch?"
„Pinch" blickte auf den Zeitgeber, und ihr wurde kalt. Sie hatten nur noch drei Minuten! Diese Zeit reichte auf keinen Fall, um das Versteck und den rettenden Fluchttunnel zu erreichen. Aber das verschwieg sie lieber. Sie mussten es versuchen! „Nicht mehr viel. Wir müssen rennen. Schafft ihr das?"
„Haben wir eine Wahl?", fragte Thor sarkastisch.
Daraufhin rannten sie los. Butter lief zunächst voran, aber da er „Pinch" und die Kinder wieder vereint hatte, hatte er keinen Weg mehr, den er zeigen konnte. „Pinch" überholte ihn schnell, rannte den Weg zurück, den sie sich eingeprägt hatte. Die blinkenden roten Lichter, die ihren Weg säumten, versuchte sie, zu ignorieren. Doch sie konnte nicht anders, als immer wieder auf den Zeitgeber an ihrem Arm zu blicken und nach der verbleibenden Zeit zu sehen. Zwei Minuten.
An der nächsten Biegung blieb sie stehen und blickte sich um. „Sind noch alle hier?" Die Kinder hinter ihr rangen erschöpft nach Atem. Jenny hatte es am Schwersten – sie wirkte, als würde sie gleich zusammenbrechen, so sehr keuchte sie. Schnell lief „Pinch" zu ihr. „Du musst durchhalten, Jenny! Wir sind gleich draußen."
Thor blickte sich um. „Wir müssen hier lang", rief er schließlich und deutete auf einen Weg, der nach rechts abzweigte.
„Pinch" folgte seinem Blick. „Aber das ist nicht der richtige Weg."
„Das ist der Weg nach draußen", erklärte Thor ungeduldig. „Ich war hier schon mal."
„Wir haben keine Zeit, um...", fuhr „Pinch" ihn an, doch er fiel ihr ins Wort.
„Dann vertrau mir!"
Dieses Mal war es keine Angeberei oder der Versuch, den Boss raushängen zu lassen. Er sah ihr in die Augen, und sie spürte, dass er es ehrlich meinte. Sie nickte nur, drückte ihm die Lampe in die Hand, und er übernahm die Führung. Die anderen Kinder rannten hinter ihm her, mit Butter im Schlepptau. „Pinch" bildete das Schlusslicht, um darauf zu achten, dass niemand zurückblieb. Wieder warf sie einen Blick auf den Zeitgeber. Eine Minute, zwanzig Sekunden... Verdammt! Die Zeit rannte ihr schneller davon, als sie überhaupt rennen konnte.
Es folgte eine weitere Gabelung. Dann eine Biegung. „Pinch" warf im Laufen einen besorgten Blick auf Jenny, der es immer schwerer fiel, mit den anderen Kindern mitzuhalten. Taylor hatte ihre Hand ergriffen und zog sie einfach mit, aber auch er schwächelte bereits. Kurzentschlossen schnappte „Pinch" sich das Mädchen und setzte es auf ihre Schultern – die Tunnel waren hoch genug, dass Jenny sich nicht den Kopf stoßen konnte. Dabei rannte sie weiter, ohne langsamer zu werden.
Als Thor wieder um eine Biegung verschwunden war, kamen „Pinch" Zweifel, ob er wirklich den Weg wusste. Doch sie folgte ihm und sah es. Tageslicht strahlte am Ende dieses Tunnels. Es ging etwas bergauf, was den Lauf noch anstrengender machte, und sie spürte, dass mit dem zusätzlichen Gewicht von Jenny auf ihren Schultern auch ihre Kräfte langsam ein Ende hatten. Doch ein Blick auf den Zeitgeber, und sie beschleunigte ihre Schritte noch mehr. Dreißig Sekunden! Stehenbleiben und sich in ihr eigenes Grab sprengen lassen, das war für sie keine Option.
Dann war Thor im Freien, dicht gefolgt von Vanna. Einige quälende Sekunden später erreichte auch Taylor das Ende des langen Tunnels und blieb erschöpft stehen. „Nein, weiter!", brüllte „Pinch" ihn an. „Nichts wie weg hier!" Sie ließ Jenny von ihren Schultern, und das kleine Mädchen rannte aus eigener Kraft weiter, weg von diesem schrecklichen Ort, in Sicherheit. Taylor reagierte zum Glück auf „Pinchs" Gebrüll und setzte sich ebenfalls wieder in Bewegung.
Zehn Sekunden noch... „Pinch" war im Freien. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie wirklich außer Gefahr war. Die Kinder stürmten bereits den Hang hinauf, um sich hinter den Felsen in Deckung zu begeben.
Fünf...
Vier...
„Pinch" kam dicht hinter Jenny den Hang hinauf. „In Deckung!", brüllte sie, voller Sorge, dass auch nur einer von ihnen so unvorsichtig sein konnte, den Kopf oben zu lassen.
Drei...
Zwei...
Jenny hatte die Felsen erreicht und blickte sich um, unsicher und verwirrt, was sie jetzt tun sollte. Mit dem Mut der Verzweiflung machte „Pinch" einen Hechtsprung nach vorne, warf die Kleine zu Boden und bedeckte ihren Kopf, um sie zu schützen. Die anderen warfen sich flach hin, die Köpfe zwischen den Händen, die Ohren bedeckt, die Augen fest zugekniffen.
Eins...
Null!
Es knallte. Aber doch wesentlich leiser, als „Pinch" es erwartet hatte. Sie hatte mit einem dramatischen, ohrenbetäubenden Lärm gerechnet, der mit einem gigantischen Feuerball den Ort vernichtete, an dem sie eben noch gewesen war...
Einen Herzschlag später war sie nicht mehr enttäuscht.
KAWUUUUUUUUUUUUUMMMMMMMMMMM!
Der Boden bebte. Der Knall war von unvorstellbarer Lautstärke. Die Hitze war sogar auf die Entfernung deutlich spürbar, die „Pinch" zwischen sich und den Tunnelausgang gelegt hatte, und sie fürchtete für einen Augenblick, dass sie Feuer fangen würde. Die Druckwelle fegte über alle Kinder hinweg, ließ die Jacke von „Pinchs" Kampfanzug flattern, löste angsterfüllte Schreie bei den Kindern aus, die jedoch im Krachen der Explosion völlig unhörbar waren. Als es ihr sicher genug schien, sich wieder zu bewegen, hob „Pinch" ihren Kopf etwas an und blickte zum Himmel. Fast erwartete sie, dass der Berg, unter dem sie sich bis eben noch befunden hatte, nicht mehr existierte. Und für diesen Augenblick tat er das nicht – er war verdeckt durch den gigantischen Feuerball, der sich immer weiter nach oben ausbreitete, in einem leuchtenden flammenden Rot und Gelb, das für sie trotz der schrecklichen Zerstörung auch eine gewisse Schönheit besaß. Und trotz der Tatsache, dass es nur eine Haaresbreite gewesen war, die sie von einem sehr heftigen Tod getrennt hatte, musste sie grinsen.
Denn sie hatte Recht gehabt. Ihr alleine war es zu verdanken, dass die Kinder noch lebten. Die Eingreiftruppe wäre nie rechtzeitig angekommen. Sie hatte es ihnen bewiesen. Sie hatte es ihrem Vater beweisen, der an diese Möglichkeit nicht geglaubt hatte. Sie hatte bewiesen, dass sie das Zeug dazu hatte, eine gute Söldnerin zu sein.
Ihr Triumph wurde kurz unterbrochen, als es anfing, Erde und kleine Gesteinsbrocken auf die Kinder zu regnen. „Au!", hörte sie von Vanna, die anscheinend von einem Stein getroffen wurde.
„Köpfe unten lassen!", rief sie allen anderen zu und hielt weiterhin ihre Hände schützend über Jenny, die sich unter ihr an sie klammerte. Sie spürte, wie ein Felsbrocken sie traf und von der gehärteten Rückseite ihres Kampfanzugs abprallte. Doch der Hagel hörte bald auf. Die Explosion löste sich in der Luft auf, das Krachen verklang als Echo in den Bergen. Es war vorbei. Sie hatten es geschafft!
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