Kapitel 12: Im Versteck
Dieses Mal war der Weg nicht so weit. Vera überraschte das nicht. Nach dem, was sie bereits von den anderen Kindern erfahren hatte, war Taylor losgeschickt worden, um Nahrung zu suchen. Vanna und Thor hatten sich dann in der Nähe ihres Lagerplatzes auf die Lauer gelegt, für den Fall, dass Taylor Schwierigkeiten mit nach Hause brachte. Das eigentliche Lager hingegen war weit genug entfernt, dass etwaige Schurken es nicht entdecken konnten, aber nicht so weit weg, dass die Kinder lange marschieren mussten.
Tatsächlich führte der Weg bald abseits des Waldes auf die Berge zu und endete plötzlich. Hinter mehreren Büschen, die aber tatsächlich so gewachsen waren, wuchteten Vanna und Thor gemeinsam eine große Metallplatte zur Seite, hinter der sich eine Öffnung im Fels befand. Eine Höhle, kaum groß genug für die Kinder, und sie führte in den Berg hinein. Taylor konnte es kaum erwarten und kroch bereits hindurch, bevor jemand etwas sagen konnte.Vera sah sich das dunkle Felsenloch an und zögerte, bis Vanna sie erwartungsvoll anstupste.
„Den Rucksack musst du aber abnehmen, sonst passt du nicht da rein", wies sie auf das Offensichtliche hin. Vera nickte, streifte den Rucksack ab und schob ihn in das Loch, bevor sie selbst hinterher kroch. Es war schon ziemlich abenteuerlich, und obwohl sie nie so etwas wie Platzangst verspürt hatte, fühlte sie sich doch unangenehm beengt. Vor ihr konnte sie jedoch einen schwachen Lichtschein am Ende des Tunnels sehen – dieser war gar nicht so lang, wie sie befürchtet hatte. Taylor schien bereits durch zu sein, denn Vera konnte am anderen Ende aufgeregte Stimmen hören, von der sie eine noch nicht kannte.
Dann war sie hindurch. Der Tunnel endete in einer großen, geräumigen Höhle, in der alle Kinder bequem stehen konnten. Mehrere der Leuchtkugeln, die Taylor schon benutzt hatte, erhellten den Bereich und schienen ihr Licht auf Schlafsäcke, improvisierte Möbel und diversen Krimskrams, mit dem die Kinder diesen Ort verschönert hatten. In der Mitte der Höhle stand eine Art Tisch aufgestellt mit improvisierten Hockern und Kissen darum verteilt. Drumherum hatten sie aus Schlafsäcken und Decken ihre Nachtlager aufgebaut. In einer Ecke befand sie eine kleine Aussparung in der Höhlenwand, die als Regalplatz genutzt wurde – dort konnte Vera die Überreste der letzten Nahrungsvorräte in Form von leeren Dosen und anderen Behältern ausmachen.
Ihre Beobachtungen wurden jäh unterbrochen, als ein mittelgroßer zotteliger, bellender Schatten auf sie zusprang und sie fast umwarf. Sie war völlig verblüfft. Es war der Hund, dem sie schon vorher begegnet war! Auch er schien sie zu erkennen und wedelte freudig mit dem Schwanz, während seine Zunge aufgeregt versuchte, ihr Geschicht zu erreichen. „Butter, bei Fuß!", kam ein befehlender Ruf von Vanna, die kurz nach Vera durch den Tunnel gekrochen war. Sofort gehorchte der Hund und rannte zu Vanna hinüber, doch sein Schwanzwedeln nahm nicht ab, und immer wieder guckte er zu Vera hinüber.
„So ist er zu Fremden nie", meinte Vanna verwirrt. „Kann es sein, dass ihr euch schon kennt?"
Vera nickte. „Ja, das kann gut sein. Er hat mich aufgestöbert, kurz nachdem ich hier abgestürzt war."
„Abgestürzt?" Taylor war um eine Ecke der Höhle zum Vorschein gekommen, im Schlepptau ein kleines Mädchen. Das Gesicht, das hellblonde Haar und die Größe der beiden Kinder waren fast identisch. Im Gegensatz zu Taylors aufgewecktem, unternehmungslustigen Gesichtsausdruck wirkte das Mädchen jedoch unheimlich scheu. Hätte der Junge es zugelassen, hätte sie sich wahrscheinlich hinter ihm versteckt. Das musste Jenny sein, von der Taylor gesprochen hatte.
Nun war auch Thor in der Höhle angekommen. „Was redest du da von abgestürzt?"
Vera blickte sich kurz in der Höhle um. „Ist eine lange Geschichte", meinte sie dann abweisend. „Und ihr habt mir eure auch noch nicht erzählt."
„Das wollen wir auch nicht", erwiderte Thor und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein kläglicher Versuch, stark und einschüchternd auf Vera zu wirken – ein Versuch, den er sich ihrer Meinung nach wirklich sparen konnte.
„Ich habe euch zu essen gebracht", erinnerte sie ihn streng. „Und ihr habt mich angegriffen. Es wird langsam mal Zeit..."
„Entschuldige!", unterbrach Taylor sie. „Aber hast du auch für Jenny etwas?"
Vera sah das kleine Mädchen an, das sich unter ihrem Blick noch kleiner machte, und nickte seufzend. „Tut mir leid", entschuldigte sie sich. „Hatte ich völlig vergessen. Hallo, Jenny! Ich bin Vera." Mit diesen Worten drückte sie ihr auch ein Rationspaket in die Hand, das sie aus ihrem Rucksack gezogen hatte. Wortlos, aber mit einem kleinen scheuen Lächeln, nahm Jenny es entgegen und fing sofort an zu essen.
Thor lehnte sich mit weiterhin verschränkten Armen an die Höhlenwand. „Also, dann lass mal hören. Wer bist du, und was machst du hier?"
Er schien sich für den Anführer dieser kleinen Gruppe zu halten. Soviel war selbst für Vera offensichtlich. Anscheinend machte er das aber nur an der Tatsache fest, dass er größer war als alle anderen. Sehr überzeugend fand Vera ihn in dieser Rolle nicht, und sie war anscheinend nicht die Einzige. Es war wieder Vanna, die ihm in die Parade fuhr. Sie stürmte auf ihn zu und schlug ihm die flache Hand vor die Brust. „Du benimmst dich unmöglich!", fuhr sie ihn an. „Sie ist unser Gast, und sie hat uns geholfen. Und wenn sie uns ihre Geschichte erzählen will, dann kann sie es tun. Und wenn sie unsere Geschichte hören will, dann erzählen wir sie ihr."
„Sag mal, spinnst du?" Thors Augen weiteten sich, und diese Zurechtweisung ließ er nicht auf sich sitzen. „Wir wissen doch gar nichts über sie. Sie könnte sonst wer sein, geschickt von der Regierung, um uns auszuspionieren, damit sie uns wieder schnappen können."
„Du tust ja so, als wären wir Schwerverbrecher", gab Vanna bissig zurück. „Mach dich nicht wichtiger, als du tatsächlich bist!"
So langsam begriff Vera, was hier eigentlich los war. Sie räusperte sich vernehmlich. „Ähem... Dass ihr Ausreißer seid, habe ich schon verstanden. Ihr müsst euch bei mir keine Sorgen machen, dass ich euch an die Regierung verpetze. Ich war auch schon mal in eurer Lage."
Sie wollte möglichst beruhigend und freundschaftlich klingen, als sie das sagte. Doch Thors finsteres Gesicht sagte ihr, dass dieser Versuch komplett nach hinten losging. „So, warst du das?", entgegnete er mit bissigem Sarkasmus.
Vanna machte beschwichtigende Handbewegungen in Richtung der beiden Streithähne. „Es ist leider nicht ganz so einfach", meinte sie. „Vielleicht solltest du dich lieber setzen. Thor, warum schaust du nicht draußen nach, ob uns jemand gefolgt ist?" Erwartungsvoll sah sie ihn an. Thor starrte zurück. Nach einem kurzen Moment bemerkte Vera jedoch, dass in Vannas Blick noch etwas Anderes lag – dass sie und Thor ihre Willenskraft miteinander zu messen schienen, bis der Junge schließlich doch nachgab und wieder in den Tunnel kroch.
Auf Vannas Einladung hin nahm Vera am improvisierten Tisch Platz. Sie reichte kurzerhand ihren Rucksack an Taylor weiter, damit dieser sich mit Jenny daraus bedienen konnte. Der Hund hatte bis dahin gehorsam neben Vanna gestanden und folgte nun auf einen kurzen Klaps von ihr ebenfalls dem Rucksack. Vanna setzte sich ihr gegenüber hin. Sie wirkte sehr ernst und ein wenig traurig. „Jenny und Taylor sind Zwillinge, wie du vielleicht gemerkt hast. Ihre Eltern wurden im letzten Komm-Krieg getötet, und sie wurden bei einem Onkel abgeladen, der sie überhaupt nicht liebt oder sich um sie kümmert. Es wurde so schlimm, dass sie von zu Hause wegliefen. Ich habe sie gefunden und hierher zu Thor gebracht, damit wir alle aufeinander aufpassen können."
„Was ist mit dir?", fragte Vera dann. „Und dieser Thor, was ist er eigentlich für ein Vogel?"
Vanna lächelte schwach. „Im Gegensatz zu Taylor und Jenny hatte er leider nicht das Glück, noch einen lebenden Verwandten zu haben. Er wurde von einer Söldnereinheit auf den Planeten gebracht und in ein Institut zur Unabhängigen Erziehung gesteckt. Sie bringen einem dort zwar alles bei, was man später zum Überleben braucht, aber ansonsten ist es wie ein Gefängnis."
Davon hatte Vera tatsächlich gehört. Igor hatte ihr mehr als einmal mit diesem Institut gedroht und war sogar einmal auf einem Ausflug mit der Familie dort vorbei geflogen, um sie einzuschüchtern. Nicht, dass es viel gebracht hätte – sie wusste, dass Helen es niemals zugelassen hätte, dass sie dort landete. Vor allem, da es keinen Grund gab. Das Institut war für jene Kinder, die sonst niemanden hatten. Es schützte und versorgte Waisenkinder und bereitete sie auf das spätere Leben vor, wie Vanna es beschrieben hatte. Doch bei all den Gesetzen, die auf Geshtachius Prime die Kinder schützen sollten, war es im Institut so, als sei dort alles verboten. Die Beschreibung Gefängnis traf es wirklich gut. Es war nicht so, dass die Kinder, die dort landeten, in irgendeiner Form schlecht behandelt wurden. Aber die Möglichkeit, Spaß zu haben oder frei zu sein, die wurde dort im Keim erstickt.
„Er ist geflohen", erzählte Vanna. „Hat sich auf den Weg hierher gemacht und alle Vorräte mitgenommen, die er tragen konnte. Er hat erzählt, dass er sich in einem Shuttle versteckt hatte, das auf dem Weg nach Norden war, und von dort aus einfach weiter gezogen ist. Aber irgendwie glaube ich nicht daran."
Vera schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht. Nach dem, was ich gehört habe, ist im Norden von Coock City nur unbesiedeltes Land. Es gibt keinen Grund, Shuttles hierher zu schicken."
„Coock City?" Vanna sah sie überrascht an. „Ich komme aus Gorddrum, das liegt viel weiter im Süden. Taylor und Jenny habe ich unterwegs in Pellysteyr aufgelesen, als ich abgehauen bin."
„Warum bist du abgehauen?", fragte Vera. „Hast du auch keine Eltern mehr?"
Vanna antwortete nicht sofort. Als sie sich nach den beiden anderen Kindern und dem Hund umsah, glitzerte eine kleine Träne in ihren Augenwinkeln. „Nur meine Mum. Sie hatte es sehr schwer gehabt, seitdem unser Vater bei einem Angriff von Söldnern umgekommen war. Sie meinte, sie könne nicht für mich und für Butter sorgen, also müsse ich Butter weggeben. Das konnte ich nicht. Da sind wir beide abgehauen."
Vera starrte sie entsetzt an. Das war ja schrecklich! Nicht nur die Tatsache, dass sie ihren Vater verloren hatte. Aber dass sie ihrer Mutter weggelaufen war... „Wie konntest du das tun?", entfuhr es ihr. „Deine Mutter wird krank sein vor Sorge um dich."
Vanna sah sie an, und die Tränen schossen ihr in die Augen. „Ich weiß..." Ihre Stimme zitterte, wie ihre Unterlippe auch. Dann konnte sie nicht mehr an sich halten. „Oh Gott, es tut mir so leid!" Sie ließ den Kopf auf ihre Arme sinken und weinte bitterlich. Die beiden anderen Kinder, die sich über Veras Vorräte her machten, blickten verwirrt zu ihnen hinüber. Und Butter, der Hund, kam zu ihnen hinüber und stupste Vanna mit seiner Nase an, um sie zu trösten. Doch Vanna ließ sich nicht trösten – sie weinte und weinte.
Und Vera konnte sie absolut verstehen. Besonders, als sie sich ausmalte, wie leicht sie selbst in dieser Situation hätte landen können. Mit allem, was in den letzten Jahren in ihrer Familie vorgegangen war – die endlosen Missionen ihres Vaters, als sie sich bei jeder einzelnen davon fragen musste, ob er lebend zurückkehren würde; die fast übertriebene Fürsorge ihrer Mutter in fast allen Situationen ihres Lebens, die ihr nun klar machte, wie sehr Helen es fürchtete, ein Mitglied ihrer eigenen Familie zu verlieren. Es gab Zeiten, da gingen ihre Eltern ihr furchtbar auf die Nerven, und sie war die letzte Person in diesem Universum, die dies leugnen würde. Aber wäre sie an Vannas Stelle gewesen – keinen Vater mehr, und ihre Mutter hätte außer ihr niemanden mehr gehabt – wäre sie dann weggelaufen, aus welchem Grund auch immer, dann hätte sie dafür die ewige Verdammnis verdient.
Was aber nicht bedeutete, dass sie es nicht doch getan hätte. Ihr war selbst klar, dass sie zu Dummheiten neigte, so wie jedes Kind in ihrem Alter. Ihr Fluchtversuch nach Aquatica vor zwei Jahren war dafür Beweis genug. Es schien ihr damals wie eine gute Idee, vielleicht sogar wie das einzig Richtige, aber sie hatte an die Konsequenzen keinen einzigen Gedanken verschwendet. Erst später, als sie genug Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, war ihr klar geworden, wie dumm und egoistisch sie sich eigentlich verhalten hatte. Eines musste sie Igor wirklich lassen: Seine Reaktion, sie mit an die Akademie zu nehmen, war brilliant gewesen. Nicht nur, dass er so verhinderte, dass sie so etwas jemals wieder versuchte, aber es war auch für sie selbst ein gutes Gefühl gewesen, etwas Nützliches zu tun und gebraucht zu werden. Die zwei Jahre an der Akademie, in denen sie bei den Trainingsmissionen mitwirkte und ihr eigenes Geld verdiente, hatten ihr Leben von Grund auf verändert.
Der Hund stupste noch immer vorsichtig mit seiner Nase sein Frauchen an, und Vera betrachtete ihn nachdenklich. Sie konnte auch verstehen, warum Vanna ihren Entschluss gefasst hatte. Ihre Mutter hatte sie vor eine gemeine Wahl gestellt. Es war schrecklich, was Vanna ihr damit angetan hatte. Aber hätte Vera angesichts dieser Situation wirklich so anders entschieden? Wäre es ihr Hund – und sie kannte ihn nur ein paar Minuten, bevor er ihr weggelaufen war – hätte sie ihn einfach kampflos aufgegeben?
Ihre Augen begannen feucht zu werden. Doch das lag nicht an den traurigen Gedanken, die ihr gerade durch den Kopf gingen. Denn gleichzeitig kribbelte ihre Nase, und in ihren Atemzügen klang leises Rasseln mit. Dann stob ein lauter Nieser aus ihrer Nase. Dann ein zweiter. Und ein dritter. Verdammt, dachte sie bei sich. Nicht schon wieder! Aber es beantwortete ihre eigene Frage. Sie hätte sich gegen den Hund entschieden – weil sie keine andere Wahl gehabt hätte.
Das Niesen machte auch Taylor und Jenny hellhörig. Und Butter reagierte so, wie er bereits in der Wildnis reagiert hatte – er zuckte zurück und hielt respektvollen Abstand. Taylor musterte sie mit aufgerissenen Augen. „Jetzt sag bloß, du hast eine Allergie!"
Vera nickte, aber sie konnte nichts sagen, da sie immer wieder niesen musste. Mittlerweile liefen auch ihr die Tränen über das Gesicht. Sie bemerkte daher kaum, wie jemand auf sie zutrat und ihr etwas Kleines in die Hand drückte. Durch den Tränenschleier konnte sie jedoch dann vage Jennys Gesicht erkennen, die sie erwartungsvoll, wenn auch immer noch scheu, beobachtete.
„Die musst du nehmen", erklärte Taylor im Hintergrund. „Das hilft." Vera wischte sich über die Augen und sah, dass sie eine kleine Tablette in der Hand hielt. Sie sah Jenny und Taylor skeptisch an, aber Jennys wortloses, aufmunterndes Nicken linderte ihre Skepsis etwas. Nach einem letzten Zögern nahm sie die Tablette und schluckte sie herunter. Es dauerte nur einige Sekunden, dann hörten ihre Augen auf zu tränen.
„Was...?" Ein letzter Nieser entfuhr ihrer Nase, dann hörte auch das Kribbeln auf. Ihr Atem ging wieder normal. Butter kam vorsichtig mit wedelndem Schwanz näher und sah sie mit seinen großen, braunen Hundeaugen an. „Was war das?", fragte Vera verblüfft.
Taylor grinste. „Eine von Jennys Hundepillen. Unser Onkel hat diesen großen Wachhund, und da sie nicht in seine Nähe konnte, hat sie vom Arzt diese Pillen bekommen. Eine davon wirkt ungefähr zwei Wochen."
Es war erstaunlich. Butter, der wohl die Wirkung dieser Pille kannte, kam nun immer näher und legte seine Vorderpfoten auf Veras Schoß. Vera wagte nun endlich, ihn richtig zu streicheln, kraulte ihm voller Begeisterung das buschige Fell. „Ich dachte...", fing sie an, wurde aber davon unterbrochen, dass Butter wieder mit seiner Zunge über ihr Gesicht leckte. „Ich dachte, es gäbe keine Mittel gegen Hundeallergie."
„Warum sollte es keines geben?" Vanna schniefte noch etwas und wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht, aber schien sich wieder gefangen zu haben. „Wenn man den alten Geschichten glauben darf, hat die Menschheit sich über die ganze Galaxis ausgebreitet und zahllose Planeten besiedelt. Warum sollte da nicht jemand so schlau gewesen sein, ein solches Mittel zu erfinden?"
Das war auch genau Veras Gedanke gewesen. Sie sah von Butter zu den Kinden auf, und ihre Miene verfinsterte sich. „Ich glaube, dann haben meine Eltern mich die ganzen Jahre angelogen..."
„Tja, jetzt weißt du, wo wir herkommen", meinte Vanna. „Wärst du jetzt bereit, uns zu erzählen, wo du herkommst?"
Vera nickte langsam. „Aber wie gesagt, es ist eine lange Geschichte..." Und sie begann zu erzählen. Sie erzählte von der Akademie, ihrer ersten Mission, ihrem Flug im Shuttle und von dem Absturz. Sie erzählte, wie sie Tammy verletzt zurücklassen musste, um Hilfe zu holen, und wie sie in der Wildnis umhergeirrt war, bis ihr Butter über den Weg gelaufen war. Wie sie alleine weitergezogen war, nachdem er sie wieder verlassen hatte, und dabei den drei Verbrechern in die Arme gefallen war. Wie diese sie gefangen hatten, bis Taylor sie befreit hatte. Sie erzählte auch von dem Gespräch, das sie belauscht hatte, und von dem Plan, der die drei Schurken hergeführt hatte. Atemlos hörten ihr die drei Kinder zu, bis sie fertig war.
„Müssten deine Leute dann nicht längst auf der Suche nach dir sein?", gab Taylor dann zu bedenken. „Ich meine, wenn euer Shuttle abgestürzt ist..."
Vera schüttelte den Kopf. „Wir sind von unserem ursprünglichen Missionsziel weiter nach Norden geflogen. Und wir wurden abgeschossen, gerade als Tammy Meldung machen wollte. Sie werden nicht wissen, wo sie mit der Suche anfangen sollten."
„Na, ich glaube kaum, dass sie keine Möglichkeit haben, ihr eigenes Shuttle zu finden, selbst wenn es abgeschossen wurde", warf Vanna ein. „Vielleicht wärst du besser dran gewesen, wenn du einfach dort gewartet hättest."
„Vielleicht", gab Vera zu und zuckte die Achseln. „Aber das Risiko konnte ich nicht eingehen. Nicht, wenn ich nicht weiß, wer auf uns geschossen hat."
„Du meintest, es könnten diese Verbrecher gewesen sein", erinnerte Taylor sie und rieb sich nachdenklich das Kinn. „Aber wie kann das sein? Die würden doch wissen, dass du aus dem Shuttle kommst, oder nicht?"
„Der Absturz ist ein ganzes Stück von hier weg gewesen", erklärte Vera mit erneutem Kopfschütteln. „So, wie es aussieht, sind die Leute schon eine ganze Weile hier und suchen diese Steine. Ich glaube, wir haben irgendein automatisches Abwehrsystem ausgelöst, als wir den Scan durchgeführt haben, und das hat uns runtergeholt. Sie wissen vielleicht gar nicht, was passiert ist."
Eine Weile grübelten die Kinder, bis Vanna schließlich seufzte. „Es hat eh keinen Sinn, darüber weiter nachzudenken. Wir müssen die nächsten Tage vorsichtig sein, dass wir diesen Verbrechern nicht über den Weg laufen. Sie werden bestimmt auch nach Vera suchen, da sie abgehauen ist." Schließlich wandte sie sich an Vera: „Wir müssen schauen, wie wir dich wieder nach Hause bekommen. Das ist deine beste Chance."
Überrascht erwiderte Vera ihren Blick. Diese Kinder hatten genug eigene Probleme. Dass Vanna so selbstlos über eine Lösung für Vera nachdachte, hatte sie nicht erwartet. „Danke", sagte sie daher nur. „Aber ich weiß nicht, ob ihr viel ausrichten könnt."
„Uns wird bestimmt etwas einfallen", meinte auch Taylor aufmunternd. Jenny neben ihm nickte eifrig, und sogar Butter wedelte unternehmungslustig mit dem Schwanz. „Aber jetzt solltest du dich ausruhen. Nimm meinen Schlafsack da drüben, ich bin eh nicht müde." Er wies auf eines der Schlaflager am Rand der Höhle.
Erst wollte Vera protestieren, doch sie merkte selbst, wie erschöpft sie war. Und ihre Kopfschmerzen, die sie bis dahin noch ignoriert hatte, pochten unaufhörlich. Es war vielleicht keine schlechte Idee, sich hinzulegen und wirklich mal zu schlafen. Sie nickte schließlich und stand langsam von ihrem Platz auf. Irgendwie schaffte sie es dann auch, sich auf die Schlafstätte zu legen und den Schlafsack über sich zu ziehen, bevor der Schlaf sie vollkommen übermannte. Welche Probleme hier sonst noch vorlagen, und welche Lösungen es dafür auch immer geben konnte, sie würden bis morgen warten müssen.
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