15 | Traum

Als ich erschrocken aufwachte, weil ich wohl kurz eingenickt war, fühlte ich mich ganz erschöpft und ausgelaugt. Wie in einer Blase.

Kalin's Arm lag um meine Schulter, die mich wohl unterbewusst an seine muskulöse Brust gezogen hatte, wo ich jetzt auch ungeschickterweise halb auf seinem Adonis-Körper drauf lag und dabei mein Kopf leicht an seiner Kieferpartie ruhte.

Das Geräusch, das mich unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte, kam von meiner besten Freundin. Diese hatte die leere Plastikschüssel fallen lassen und sah nun in ihrer Ich-stelle-beiläufig-die-Schüssel-ab-ups-scheiße-sie-ist-runtergefallen-Schockstarre entschuldigend zu mir. Sie hatte wohl durch die Dämmerungen draußen, und dem ausgeschalteten Licht, ihr Ziel - den Couchtisch - verfehlt. Ich seufzte müde.

»Sorry, schlaf weiter«, flüsterte sie und lächelte leicht, als ihr wachsamer Blick auf Kalin's Arm um meine Taille fiel, der genau in diesem Moment seinen Griff um mich kräftigte und mich damit enger an sich zog. Eine wohliger Schauer überkam mich, den ich genoss, und ich schloss kurz meine Lider.

Viel zu müde - was vielleicht an ihm lag -, um überhaupt weiter nachdenken zu können, was ich hier tat, legte ich meinen schweren Kopf wieder in seine Halsbeuge zurück und atmete seinen Duft tief ein. Ist ja nur ein Traum.

Plötzlich spürte ich wie er seinen Kopf zu mir runter neigte und mich betrachtete. Sein Blick war nicht unangenehm. Nein, ganz im Gegenteil. Es fühlte sich gut an, seinen Blick auf mir zu spüren. Es hatte etwas wohliges, fast intimes. Eine Gänsehaut überkam mich.

»Alles okay?«, hörte ich ihn an meiner Stirn sprechen und fand seine raue, leise Tonlage in seiner Stimme, in dieser Dunkelheit, wo sein Gesicht nur durch den Fernseher beleuchtet wird, unglaublich attraktiv. Sein warmer Atem hauchte dabei über meine Schläfe und streifte mit seiner Nasenspitze kurz diese Stelle. Ich schloss die Augen und spürte, wie er die Luft tief in seine Lungen holte.

Ich nickte schläfrig mit geschlossenen Augen und ließ weiterhin meinen Kopf auf ihm ruhen. Meine Gefühle auf Hochtouren und quasi im siebten Himmel, während es in meinem Magen flatterte. Dieser Traum soll nie enden.

Selbst als sich der Gedanke bei mir einschlich, dass das, was ich hier tat, einfach nur falsch war - obwohl es sich in meinen Kopf so gut anfühlte, konnte ich mein träumendes Ich einfach nicht aufraffen und mich von ihm lösen.

»Mh«, murmelte ich an seinem Hals und genoss seinen Blick auf mir, denn ich noch immer auf mir spürte. Ich seufzte auf, als er mich erneut besitzergreifend an sich drückte, seine Wange kurz auf meinen Scheitel lehnte und mir beruhigend über den Arm strich.

Gerade als sich mein Traum in die Dunkelheit verschleiern wollte, hörte ich leise Stimmen. Trotz der gedämpften Tonlage nahm ich jedes Wort, das gesprochen wurde, wahr, als würde man in normaler Lautstärke reden.

»Sie schläft an deiner Brust wie ein Lamm«, sprach Ace fasziniert und schien in meine Richtung zu sehen. Seine Stimme deutete daraufhin, das er sehr darüber nachdachte.

»Schön das ihr nicht immer streiten müsst«, erwiderte er auf seine eigene Aussage und nippte an seinem Getränk, »Ich glaube, sie braucht jemanden, der nicht nachgibt, so einen wie du. Was sagst du Emma?«

Ich hörte kurze Stille, spürte ihren Blick auf mir, und merkte wie Kalin kurz zögerte, bevor er zu einer Antwort ansetzte. »Ja, mal nicht zu streiten, ist auch ganz angenehm.«

Emma gluckste. »So wie du das sagst, Kalin, klingt das so fern. Aber Ace hat recht, Grace braucht jemanden, der für sie da ist und bei ihr bleibt, wenn es schwierig ist. Du musst wissen, das sie eine Kr-«

»Hey Leute, meine Mum fragt, ob sie Pizza mitbringen soll?«, unterbrach Matthew meine beste Freundin und über den Boden gestapft zur Couch rüber kam, wo er plötzlich inne hielt, »Oh, Grace schläft.«

»Ja, gerade erst eingeschlafen«, antwortete der Frauenschwarm sanft und ließ einen vermuten, das er gerade lächelte. Ich spürte seinen Blick auf mir, ehe sich der warme Körper seines besten Freundes unter mir bewegte. »Pizza?«

Ein Nicken kam von ihm. So das mein Kopf im nächsten Moment auf seine Brust, neben meine Hand, rutschte und ich seinen Herzschlag an meinem Ohr hören konnte. Kräftig und gleichmäßig schlug sein Herz unter mir und ließ mich spüren, das dies nicht so unreal sein kann, wie es scheint.

Doch ich war zu benommen und schläfrig, um diesem realen Moment zu verstehen, der sich wie ein Traum anfühlte.

»Mum, drei Pizzen, bitte«, hörte ich wieder Matthew, der mit seiner Mutter am Handy sprach, und nicht den Anschein machte, den Raum zu verlassen, »Danke, bis später.«

Ich bewegte mich, als ich einen kalten Luftzug auf meinen tauben Glieder spürte und zu frösteln begann. Die Luft im Raum war plötzlich ganz kalt. Es war fast schon so, als hätte jemand die Klimaanlage an gemacht oder im Winter, was ja nicht der Fall war, das Fenster offen gelassen. Ich drückte mich instinktiv an seinen Körper.

»Hat jemand die Klima eingeschaltet?«, fragte Kalin leise und strich mir vorsichtig über den Arm. Ich erschauderte und versteckte mein Gesicht an seiner Brust. Immer noch fröstelnd.

»Nein, aber vielleicht in der Küche wegen der Torte«, antwortete Matthew plötzlich zu meinen Füßen und schien diese Tatsache zu bedauern, »Darf sie leider nicht aus machen, sonst bringt mich meine Mutter um. Dafür sind aber ja die Decken da, falls dir kalt ist.«

»Ist schon okay«, flüsterte Kalin und breitete vorsichtig eine zweite Decke über uns aus, ehe er meinen zitternden Körper mit beiden Armen umschlang und mich wieder an ihn drückte.

»Warum das?«, warf Ace vom anderen Ende des Raums ein und schien sehr erstaunt zu sein, »Habt ihr keinen Kühlschrank?«

Matthew stöhnte genervt auf und ließ den Kopf hörbar auf die Lehne hinter sich fallen. »Klar, haben wir einen Kühlschrank. Aber der ist zu klein für so 'ne Monster-Torte.«

Ich könnte schwören, das gerade alle Anwesenden ein Schmunzeln auf den Lippen hatten und sich innerlich über seine Aussage lustig machten.

»ICH BIN ZUHAUSE«, kam es im nächsten Moment fröhlich von der Haustür, die demonstrativ ins Schloss fiel. Klackernde Absätze kamen in schnellen, femininen Schritten durch das Haus ins Wohnzimmer, wo sie kurz im Türbogen stehen blieben.

»Hallo Kinder!«, begrüßte sie uns, oder wohl eher die Anderen, denn ich war immer noch davon überzeugt, das ich das hier nur träumte.

Matt's Mum hielt in ihrer Bewegung inne, als sie die Kartons geräuschvoll abstellte und dabei die Plastikschüssel vom Couchtisch fegte.

»Oh. Ihr habt ja Damenbesuch?«, stellte sie mehr fest, als das sie fragte, und blickte wohl vorwurfsvoll zu ihrem Sohn, »Matthew McConnerfield, warum verschweigst du deiner Mutter, das du Besuch hast? Ich dachte, ihr seid zu dritt. Da reichen ja jetzt die Pizzen nicht für alle aus. Mensch, Matthew.«

»Mum«, setzte er ruhig an und stand auf, kam zu ihr rüber und drückte ihr geräuschvoll einen Kuss auf die Wange, »Danke, aber das ist nicht nötig. Wir sind noch von dem Popcorn voll.«

Mürrisch, dennoch erleichtert, nahm sie ihren Sohn in den Arm und tätschelte ihm den Rücken, bevor sie ihn los ließ und in die Wange kniff. »Na gut. Glück gehabt, du Bengel.«

Sie drehte sich wieder zu uns und ließ den Blick kurz über die kleine Meute schweifen. »Ich bin dann mal kurz im Bad, ihr Lieben, wenn ihr etwas braucht, ruft, ja?«

»Danke, Mrs Connerfield«, hörte ich Emma sagen und spürte im selben Moment wie sich Kalin's Körper kurz anhob, und sich mit einem »Danke, Matt« und dem Duft von frischer Pizza wieder senkte.

»Ach Kind'chen, nenn mich doch Lucy«, bot sie ihr an und erfüllte mit ihrer herzlichen, mütterlichen Art den ganzen Raum mit positiver Energie. Fehlten noch die Funken.

Die strahlende Frau verschwand aus dem Raum und der Duft von drei verschiedenen Pizzen breitete sich langsam und intensiv in der Luft aus. Matthew, Emma und Ace fielen in ein intensiven Gespräch über den Film. Nur Kalin blieb leise und aß fast lautlos die Pizza.

»Bekomme ich auch ein Stück?«, krächzte ich unter der Decke hervor und räkelte mich vorsichtig an seiner Seite, ehe ich die Augen langsam aufschlug.

Er schien in keinster Weise überrascht zu sein, das ich durch den Duft seiner Pizza wach geworden war, und hielt mir bereitwillig sein angebissenes Stück in seiner Hand vor meinem Mund hin. »Klar, iss ruhig. Ist genug da.«

Ich setzte mich etwas auf und stützte mich dabei auf seinem Oberkörper ab, ehe ich von der Pizza abbiss. Während ich kaute, nahm Kalin ebenfalls einen Bissen und hielt mir erneut das Stück vor die Nase.

Das ging so lange weiter, bis ich nach dem vierten Pizzastück kauend den Mund schüttelte, als er mir mit der Spitze des neuen Stückes gegen die Nase tippte und es auffordernd in kreisenden Bewegungen vor meinem Mund in der Luft herum schweben ließ. »Hier kommt das Fluuugzeeug.«

»Bin satt«, murmelte ich und legte müde meinen Kopf auf seiner Brust ab. Kalin zuckte nur mit den Schulter und nahm hörbar einen großen Bissen. »Mehr für mich.«

Ich nickte nur mit geschlossenen Augen und döste gesättigt dahin, während er den Rest der Pizza aß. Sein Herzschlag an meinem Ohr beruhigte mich ungemein. Nur sehr gedämpft drängen die Stimmen, gar die Wortfetzen, der Anderen zu mir durch.

Kurz bevor mich wieder die Dunkelheit komplett einnahm, sog ich seinen körpereigenen Duft tief in mich auf und driftete sachte in einen tiefen Schlaf.

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