11 | Streit um Ace

Der Abend verlief nach meinen “Toilettengang“ ohne weitere Zwischenfälle. Es war sogar ziemlich ruhig, als ich zurück kam. Kalin saß wieder dort, wo er zuvor gesessen war, am andere Ende der Couch und Matthew lag direkt vor ihm auf dem flauschigen, weißen Teppich vorm Fernseher. Der Anblick war ganz schön mit an zusehen.

Ace musste es sich mit Blair gemütlich machen, während es sich Emma mit Taylor schon längst gemütlich gemacht hatte, denn sie lagen eng aneinander und tauschten kleine Zärtlichkeiten aus. Ace schien davon alles andere als begeistert zu sein, doch ließ sich nichts anmerken, und verfolgte weiterhin leicht griesgrämig den Film. Fack Ju Göthe.

Ich bin jedenfalls auf dem großen, breiten Ohrensessel in der Ecke beim Klavier eingeschlafen und wachte am nächsten Morgen durch laute Stimmen in der Küche auf. Mit einem prüfenden Blick zur Quelle der lautstarken Auseinandersetzung richtete ich mich etwas unsicher im Sessel auf.

Mit einem zweiten Blick zur Couch stellte ich fest, das sie leer war. Ich wollte gerade abwägen, ob das eine gute Idee wäre, wenn ich zu den lautstarken Stimmen in die Küche ging, doch mir wurde diese Entscheidung durch einen plötzlichen Aufschrei genommen.

Hastig rannte ich in die Küche und musste direkt am Türrahmen feststellen, das es nur Blair war, die so einen Terror verursacht hatte. Sie stand total entzürnt am Esszimmertisch und starrte mit zusammen gekniffenen Augen zu Emma hinüber, die nur gemütlich ihr Müsli mampfte. Die Fäuste waren geballt und vor Wut hatte sich ihre Gesichtsfarbe rot gefärbt.

»Was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist?«, zischte Blair und funkelte weiterhin böse auf meine beste Freundin herab, die es noch nicht einmal zu interessieren schien, »Nimmst mir zuerst meinen Freund und dann auch noch meine Cornflakes.«

»Das ist ein Müsli«, warf Emma mit vollem Mund ein und sah zu ihr auf, während sie mit dem Löffel in der Hand auf den Inhalt der Schüssel deutete, »Nicht vergessen, ja?«

»DAS IST MIR EGAL!«, kreischte sie und wurde, wenn es überhaupt möglich war, um einen Ton dunkler im Gesicht. Wären wir in einem Comic, hätten wir jetzt noch einen Teekessel pfeifen hören und dazu Rauch aus ihren Ohren steigen sehen. »Halt dich von Ace fern!«

Matthew und Taylor verdrehten am Esstisch genervt die Augen und schüttelten nacheinander die Köpfe. Sie fanden wohl ihren Wutausbruch auch etwas übertrieben. Matthew merkte man an, das er dies schön öfter mit erlebt hatte, denn er wirkte jedenfalls nicht überrascht. Wohingegen es für Taylor sichtlich neu war, wie die Blondhaarige ihre Eifersucht auf Emma ausdrückte.

Bevor meine beste Freundin überhaupt etwas auf Blair's Drohung erwidern konnte, tauchte ein gutgelaunter Ace aus dem Flur auf und rubbelte sich mit einem Handtuch die nassen Haare trocken. »Guten Morgen, Gray.«

Ich nickte ihm nur kurz zu, bevor ich mich aus meiner Salzsäulen-artigen Starre löste und auch an den Tisch setzte. Matthew schmierte mir sofort ein Nutellabrot, das er mir einfach in den Mund stopfte und mich vorher noch mit einem kurzen »Hier, Schwester« warnte.

»Danke«, mampfte ich noch einigermaßen deutlich hervor und genoss es von ihm verwöhnt zu werden. Das er mich dabei als Schwester betitelte, störte mich keineswegs. Ich hätte gerne so einen Bruder wie Matthew gehabt. Wäre keine so schlechte Idee.

Er war mittlerweile sogar aufgestanden und in die anliegende, offene Küche geschlürft, um mir einen Kakao zu machen - mit Mini-Marshmallow. Ich bekam ganz große Augen, als er die blau-weiße Packung aus dem oberen Schrank holte und eine handvoll davon in meine Tasse tat. Adoption von Matthew erfolgreich abgeschlossen.

»Kakao für dich«, riss mich die Stimme meines neuen, zukünftigen Adoptivbruders und kam mit der Tasse langsam auf mich zu, ehe er sie vor mir auf den Tisch stellte und es sich dabei nicht verkneifen konnte, mir einen Kuss auf den Kopf zu geben. Zur selben Zeit wie Kalin herein spazierte und diese zärtliche Geste als erstes in diesem Raum auffing. Kurz veränderte sich sein Blick, den ich nicht deuten konnte.

»Hoffe es schmeckt, Kleines«, murmelte Matthew und ließ sich wieder neben mir auf dem Stuhl fallen. Er erwartete zwar keine Rückmeldung von mir, weil er wohl genau wusste, das er einen tollen Kakao zaubern konnte. Doch ich wollte ihn in gewissermaßen trotzdem nicht enttäuschen und so zeigte ich es nach einen großen Schluck der heißen Schokolade, indem ich  ihm mit einem Milchbart im Gesicht zu nickte.

Er wollte gerade lauthals los lachen, als eine Hand bedrohlich auf den Holztisch schlug und mich augenblick zusammen zucken ließ.

Blair hatte sich über den Tisch zu Emma gebeugt, die sie jetzt ganz erschrocken mit großen Augen vom Stuhl aus ansah, und zog mit dieser bedrohlichen Geste nun die Aufmerksamkeit und die nötige Beachtung auf sich. Denn keiner wusste, was in ihrem Kopf vorging oder was sie vor hatte.

»Du hast wohl den Ernst der Lage noch nicht begriffen«, kam es nach gefühlten Stunden endlich von ihr und erntete dafür einen fragenden, leicht irritierten Blick von Ace. Der wusste wohl noch nicht, das es während seiner Abwesenheit im Bad einen Streit wegen ihm gab. Der Dummkopf checkt auch gar nichts.

Trotzdem ließ er den Arm um die hintere Stuhllehne meiner besten Freundin und saß weiterhin ganz lässig zu ihr rüber gebeugt, obwohl die Situation einfach nur unpassend war. Verdammt, mach endlich etwas Ace!

Im Augenwinkel nahm ich wahr, das Kalin schon in Alarmbereitschaft war. Denn er war augenblicklich aus der Küche zum Esszimmer gestürmt und stand nun im sicheren Abstand etwas schräg hinter Blair.

»Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete Emma langsam und legte nachdenklich ihren Kopf schief, »Kannst du mir helfen, Blair? Ich sehe nämlich keinen Regelverstoß.«

Ich verdrehte die Augen. Warum zündest du nicht gleich ein Streichholz an und hälst es ihr unter die Nase? Damit explodiert sie genauso.

»Du weißt genau, was ich meine«, knurrte sie zähneknirschend und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, »Ich habe dich gewarnt.«

»Moment«, schaltete sich jetzt auch mal endlich Ace ein, der wohl den Verstand einer Fliege hatte, und zeigte verwirrt zwischen den zwei Mädchen, »Was habt ihr? Warum streitet ihr?«

Das war zu viel Dummheit für mich.

Ich verdrehte die Augen und beugte mich zu Matthew rüber. »Ich verschwinde besser, bevor ich mich hier noch selbst umbringe.«

Er schmunzelte, nickte aber verständnisvoll und warf mir einen neidischen Blick zu, als ich aufstand und im Flur verschwand.

Den Streit um Ace gebe ich mir nicht mehr.

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