08 | glimpfliche Rettungsaktion
Die Sache mit Kalin vor dem Stadion war schneller vergessen, als ich hätte es selber glauben können. Denn Emma hatte wohl doch andere Pläne mit mir − wie wir ja gestern feststellen konnten − und so saß ich drei Stunden später nicht auf einem dieser roten Plastikstühle im Publikum, sondern stand unten im Rasen am Spielfeld bei den Trainern, Co-Trainern und Footballspieler.
Kürzer gesagt − ich bin Backstage.
Ob Ace daran beteilgt war, das ich hier an der Seite stehen durfte, war zwar fraglich aber nicht unmöglich. So ohne böse Reaktionen der Mitspieler und Trainer, das wunderte mich schon etwas. Ich hatte mindestens eine gemeine Bemerkung erwartet, doch sie schienen sich nicht von mir beirren zu lassen.
Emma stand bei ihrem Cheerleaderkolleginnen und war während des Spieles kräftig am anfeuern. Mal kamen nur Schlachtrufe, mal nur eine Choreo mit Musik und einmal sogar in Kombination mit beiden Variationen. Ich war immer noch erstaunt wie viel Kraft und Ausdauer die Mädchen hatten, das ich bei einer Schraube in der Halbzeit nicht schlecht staunte.
Das zweite Spiel nach der Halbzeit verlief besser als der erste Anpfiff. Die Jungs schienen konzentrierter, bedachter und überlegter gegenüber dem anderen Team zu sein, das jetzt wohl immer deutlicher schwächelte.
»Hier, magst du auch eines?«, fragte mich eines der Co-Trainer nach einem gelungenen Touchdown von unserer Mannschaft und hielt mir einen Hotdog unter die Nase hin, der einfach nur himmlisch duftete.
Ich musste automatisch lächeln, weil sich im selben Moment mein hungriger Magen meldete und anfing zu rebellieren. Deshalb griff vorsichtig nach dem warmen Papier, in dem der Hotdog drin eingehüllt war − und weil ich viel zu faul war, um mir eines oben an der Triebühne zu holen. »Danke, sehr aufmerksam.«
»Keine Ursache«, erwiderte er noch, ein Schmunzeln verkneifend, und schlürfte wieder zurück zu den Spielerkabinen am Spielfeld.
Ich biss herzhaft in meinen heißgeliebten Hotdog und genoss es richtig etwas warmes im Magen zu haben. Währenddessen beobachtete ich weiterhin das Spiel und verschlang binnen zehn Sekunden den kompletten Hotdog.
Das fettige Papier wollte ich nicht länger in der Hand behalten als nötig, deshalb beschloss ich es auch direkt weg zu werfen und mich aus der Deckung eines hüfthohen Plakats zu wagen. Gerade als ich in Richtung des Ausgangs stapfen wollte, fingen die Leute auf der Triebühne mit einem Mal an lauter zu werden und wild durcheinander zu rufen.
Ein richtiger Tumult entstand unter den Leuten, der mich kurz dazu veranlasste das Spielfeld zu checken − keine Ahnung warum ich das tat − und sah plötzlich nur noch Kalin und einen zweiten Footballspieler auf mich zu laufen, ehe ich zu Boden gerissen wurde.
Dabei schlang sich ein Arm um meine Tallie und der andere hielt schützend meinen Kopf an seinen Körper, während ich mich schon ducken wollte. Doch es war zu spät. Ich schlug volle Bandbreite auf dem Rasen auf und schrie schmerzhaft auf als ich aufkam.
Ein Moment der Stille. Ich hörte weiterhin einen Tumult um mich herum, aber dieses Mal sehr gedämpft. Vielleicht aber such, weil ich einen unangenehmen Druck auf meinen Ohren spürte. Als wäre ich in einem Tunnel. Ein schwere Last drückte auf meine Lunge − auf meinen Körper. Es gab mir das Gefühl nicht mehr in einem Tunnel zu sein, sondern zu ertrinken. Meine Glieder waren schon ganz taub, so, als würden sie sich selbst lähmen.
Keuchend riss ich meine Augen auf und blickte in ein grün-blaues Augenpaar mit goldenen Sprenkeln. Kalin war mir so nah, das ich sogar die feinen kleinen Kratzer am vorderen Schutz seines Helmes und ein paar andere kleinere Gebrauchsspuren sehen konnte.
Ich bemerkte seine braunen Haarsträhnen, die ihm verschwitzt gegen die Stirn klebten und dicke Schweißperlen, die sich an seinen dichten Augenbrauen gebildet hatten. Wüsste ich es nicht besser, dann würde ich jetzt sagen, das er verdammt gut aussähe − was er ja auch tat.
Doch er hatte sich ohne Vorwand auf mich gestürzt und das machte mich dezent wütend. Nicht nur das, doch langsam aber sicher bekam ich durch ihn auch keine Luft mehr, da er ja noch immer auf mir lag, und so kratzte ich meine letzten Reserven Sauerstoff zusammen, während mir alles nur noch höllisch weh tat.
»Kalin, bitte«, krächzte ich nach Luft schnappend und versuchte ihn an den Schultern von mir zu drücken, »Du bist mir zu schwer. Ich kriege keine Luft.«
Erst jetzt schien er zu realisieren, das er noch immer auf mir lag, doch seine grün-blauen Augen ruhten immer noch auf mir. Es schien sich fast schon so, als würde er gerade etwas nicht realisieren können. Etwa, das er mich gerade umgenietet hatte?
»Ich sagte doch, wir sehen uns ein zweites Mal«, kam es stattdessen plötzlich über seine Lippen, bevor er von mir ganz runter ging und wieder auf seinen Fußen neben mir stand.
»Brauchst du Hilfe?«, hörte ich eine Person über mir sprechen und nickte darauf nur ganz leicht. Zu benommen war ich von dem Gefühl ohne Druck Luft durch meine Lungen strömen zu lassen und gleichzeitig total schläfrig diesen stechenden Schmerz durch meinen Kopf zu spüren.
Der Coach half mir in den nächsten Minuten behutsam auf die Beine und brachte mich zu den Spielerkabinen am Spielfeldrand, wo er mich zwischen zwei Footballspieler setze und sogleich auch einen der Jungs dafür missbrauchte, damit ich mich anlehnen konnte.
»Wow, was hast du mit der gemacht?«, fragte Taylor, an dem ich wohl lehnte, sichtlich erstaunt und streichelte mir für einen Moment behutsam über die Haare, »Trink' mal ein bisschen. Du hast sicher Kopfschmerzen.«
Seufzend richtete ich mich wieder auf und nahm Taylor seine Sportflasche aus der Hand. Kaum setzte ich sie an meinen Lippen an, nahm ich gierig einige große Schlücke und merkte, wie durstig ich war.
»Coach, sie sieht gar nicht gut aus.«
»Kalin, musstest du sie so umnieten?«, herrschte sogleich auch Ace über ihn und stemmte die Hände in die Hüfte. Ich sah zwar nicht viel, aber es war lustig mit anzusehen. »Ich weiß, das du sie nicht magst, aber hättest du nicht wenigstens etwas sanfter vorgehen können? Mir zu Liebe?«
Ich hörte förmlich wie Kalin die Augen verdrehte und dabei genervt stöhnte. »Was wäre dir lieber gewesen? Das der überbreite Billy sie mit seinen hundertzehn Kilo weg pustet und sie sich dabei vielleicht noch den Rücken gebrochen hätte oder ich mit meinen dezenten neunzig Kilo, die sie gerade mal sanft umgehauen hat?«
»Ich gebe ihm recht«, schaltete sich nun auch der Coach mit ein und schien über diese Wahl nicht besonders glücklich zu sein, »Kalin hat sein Bestes getan, um die Situation zu verhindern und dafür danke ich dir auch. Doch sollten wir nicht außer Acht lassen das sowas einfach ständig passieren kann, also seien wir dankbar, das es keine großen Verletzungen gibt und machen jetzt weiter, alles klar?«
»Alles klar«, kam es im Chor von der Mannschaft, ehe der Coach motiviert in die Hände klatschte und sich zur weißen Makierungen im Rasen stellte »Na dann, auf geht's Jungs! Wir haben ein Spiel zu gewinnen.«
Wie auf Kommando setzten sich alle, inklusive Ace und Kalin ohne ein weiteres Wort, in Bewegung und positionierten sich neu auf dem Spielfeld. Der Coach warf mir noch einem Blick über die Schultern zu, bevor er sich darauf konzentrierte sein Team zu leiten.
Ich saß derweil alleine auf der Bank mit Taylor's Flasche in der Hand und hoffte innig, das sich die Kopfschmerzen verflüchtigten.
Sonst wäre das kein gutes Zeichen.
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