06 | Klare Worte
»Mike? Mein Ex-Freund Mike?«, schoss es sogleich entrüstet aus meiner besten Freundin heraus, die plötzlich ziemlich benommen und blass aussah. Oh, fuck.
»Emma, beruhige dich doch mal!«, versuchte ich sie zu besänftigen und das leider einige Oktaven zu hoch, denn mir wurde selber ganz flau im Magen, und so setzte ich wieder etwas ruhiger an, »Wir wissen ja noch nicht, was für einen Unfall er hatte und wie es ihm gerade geht, okay? Atme.«
Sanft legte ich meine Hand auf ihren Oberarm und kam ein kleines Stück näher, um sie festzuhalten und auch als kleine Stütze zu dienen. »Es nützt nichts, wenn du in diesem Zustand zu ihm gehst. Du bist alkoholisiert und es ist auch schon Recht spät.«
Emma verwandelte sich mit jedem Wort, das aus mir heraus kam, immer mehr zum Kleinkind dem gerade das Spielzeug weg genommen worden ist.
»Und außerdem«, fing ich in einem schärferen und eindringlicheren Ton an auf sie einzureden, »hat dieser Kerl keinen Anspruch mehr auf deine Zuneigung! Du dürftest noch nicht einmal daran denken, ihm einen Krankenbesuch abzustatten.«
Sie schnaubte empört auf und wollte schon ihren Senf dazu geben. Von wegen er sei nicht eingebildet und aggressiv gewesen. Doch ich ergriff weiterhin dazu Partei, auch wenn ich damit riskierte, das ich sie damit kränkte.
»Vor allem nachdem er dich zwei Mal hintereinander mit dem selben Mädchen betrogen hat und dich genauso oft versucht hat zu vergewaltigen?«, erinnerte ich sie ziemlich kopflos an eines der schrecklichsten Tage ihres Lebens, weshalb sie auch im selben Wimpernschlag kurz zusammen zuckte und ihr die Farbe aus dem Gesicht wich.
»Du weißt nicht, ob das nicht wieder eines seiner Machenschaften sind, um dich ein weiteres Mal für seine dummen Streiche zurück zu gewinnen. Du denkst nicht mal daran zu ihm zu gehen!«
Nun war es nicht mehr Emma, die zitterte, sondern ich. Und zwar vor Wut. Blanker Wut, was Mike ihr vor Monaten angetan hatte und noch immer an tat.
Kann er sie nicht einfach in Ruhe lassen?
»Tu ich auch nicht«, schmollte Emma und hob ergeben die Hände. Sie sah seufzend zu Boden und lehnte sich gegen die Küchenzeile, während sie mit zusammen gepressten Lippen ihre Arme vor der Brust verschränkte.
Ich behielt sie noch für einige Sekunden prüfend im Auge, ehe ich mich von ihr abwandte und peinlich berührt, wenn nicht nur leicht schockiert, feststellen musste, das die Blicke der drei Jungs auf mir ruhten.
»Was ist?«, fragte ich unschuldig und stützte mich lässig mit einer Hand auf der Ablagefläche ab, »So läuft das halt unter Freundinnen. Die Eine bewahrt die Andere.«
Ace konnte sich wohl ein Schmunzeln auf den Lippen nicht verkneifen und nickte in Richtung meiner besten Freundin. »Und trösten steht da nicht auf dem Plan?«
»Nein, das machst ja du«, konterte ich trocken und sah ihn mit verschränkten Armen vor der Brust auffordernd an, »Na los, zier dich nicht. Sie beißt ja schließlich nicht.«
Ich lächelte nur, als er etwas verunsichert, wie ein kleiner Junge, zu ihr rüber sah und angestrengt die Lippen aufeinander presste. Er rang gerade wirklich mit sich selber, ob er sie nicht einfach in den Arm nehmen sollte.
Ich verdrehte seufzend die Augen. Trottel.
»Äh ja, dein Mike«, schaltete sich nun auch wieder Taylor vorsichtig ein und sah einmal fragend durch die Runde, »Er ist bei einer scharfen Kurve ins Schleudern gekommen und dann seitlich die Böschung runter gestürzt. Er hat sich nur am Bauch eine mittelgroße Wunde zugezogen, sonst liegt er in der Notaufnahme und es geht ihm halt dementsprechend gut. Kalin ist bei ihm.«
Ace ist der erste, der auf eine Antwort wusste und nickte erleichtert. »Ah, na gott sei Dank. Dann kann er noch rechtzeitig zu den Spielen wieder antreten. Sehr gut.«
Matthew schien derweil noch zu überlegen, doch als sein Blick an mir vorbei zu Emma glitt, er kurz das Gesicht verzog und dann wieder zu mir sah, wusste ich, das etwas nicht stimmte.
Schnell drehte ich meinen Kopf zu ihr um und checkte erst viele Sekunden zu spät, das sie ihr Handy in der Hand hatte und aufgeregt darauf herum tippte.
»Um Himmelswillen, hast du nichts daraus gelernt? Emma!«
Völlig aus dem Häuschen riss ich ihr das Handy aus der Hand und erntete dafür von ihr ein nicht gerade nüchternes »Heeeey« mit gefolgten Fehlversuchen mir ihr Habdy aus der Hand zu reißen.
»Er verdient deine Aufmerksamkeit nicht«, versuchte ich ihr klar zu machen und hielt sich nach etlichem Herumgerangel ruhig an beiden Oberarmen fest. Gott, hat die noch Kraft wenn sie getrunken hat.
»Du verdienst einen Kerl, der auf dich aufpasst. Der dir Blumen schenkt und dich zum Essen ausführt, sich Zeit nimmt und sich mit dir Zuhause einen Film ansieht, während ihr in Decken aneinander gekuschelt auf dem Sofa sitzt.«
Mein Blick wurde mit jedem Satz immer sanfter und tröstlicher. Ein wenig tat sie mir sogar leid, wie sie so vir mir stand. Total durcheinander mit den Gefühlen. Angst im Gesicht geschrieben, Panik in den Augen und der ganze Körper auf Abwehr.
»Du verdienst jemanden, der dich als Frau zu schätzen weiß«, war das letzte was ich in dieser Nacht zu ihr sagte und anschließend auch sofort mit nach Hause nahm. Denn das war für meine Nerven einfach zu viel.
Damit war die Party auch für mich zu Ende.
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