04 | Ace' Blondine
»Scheiße, sieht der heute gut aus«, hörte ich meine beste Freundin neben mir leise seufzen und, fast schon missbilligend, mit der Zunge schnalzen, als wäre der Kerl eine große Sünde. Vielleicht war er es auch, aber nicht für mich.
Sobald sich Emma wieder zu mir angeschlossen hatte, wurde auch schon Travis von einem anderen Typen auf die Schulter getippt und im nächsten Moment in Richtung Tanzfläche mitgezogen.
Dabei hatte der Lockenkopf mir noch vorher etwas ins Ohr geflüstert, was ich jedoch wegen der Lautstärke der Musik nicht verstanden hatte, doch sobald er verschwand, fühlte ich mich augenblicklich etwas wohler und Emma stellte sich automatisch links neben mich.
»Wie meinst du das? Ich dachte, du hast ihn heute schon gesehen?«, fragte ich sie etwas verwirrt und warf einen kurzen Blick zu Ace, dessen blonde Flamme noch immer ganz nah an ihm gekuschelt auf der Couch saß.
»Sag mal, ist Travis immer so körperlich?«, rutschte es mir sogleich auch noch hinter her.
Emma zuckte lediglich mit den Schultern und verschränkte dabei die Arme. Eine Hand legte sie noch zusätzlich ans Kinn. Sie wirkte etwas begriffsstutzig. »Ja klar, habe ich ihn schon gesehen, aber.. naja, das war die Tage halt nur so flüchtig und eher von Weitem. Die knapp fünf Meter sind schon das Nächste, was es überhaupt gibt.«
Sie verdeutlichte mir die Geste in dem sie unauffällig auffällig mit der Hand, die zuvor am Kinn war, hin und her fuchtelte. Zumal wir jetzt auf dem Schulflur wären, hätten wir beide ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommen, doch auf dieser Party schien es noch nicht mal auf zu fallen.
»Und das wegen Travis«, hörte ich sie in ernster Miene beginnend und sowohl wieder ihre nachdenkliche, aber nun auch ernste Pose aufsetzend, »Wenn er dir noch einmal seine Hand, seinen Arm oder sonstige weitere Gliedmaßen auf oder um deinen Körper legt, ohne das du das willst oder Einspruch dagegen heben kannst. Hacke ich ihm dieses besagte Körperteil ab.«
Um ihre Aussage noch besser zu unterstreichen, hob sie ihre Augenbrauen an und warf mir einen warnenden Blick zu. »So gut der Kerl auch Getränke mixen kann - aber der weiß nicht, wie man eine Grace Edwards zu behandeln hat.«
Damit wollte sie auf meine Krankheit und die Medikamente hindeuten, die ich zu mir nehmen musste − und damit hatte sie auch nicht ganz Unrecht.
Mit mir konnte es sehr schwer und anstrengend werden, wenn nicht sogleich auch gefährlich und mühsam. Vor allem stressbedingt war mit mir nicht zu spaßen. Von null auf hundert könnte mir jeder Zeit einfach alles passieren. Und darauf wollte sie mit dieser Andeutung einfach hinaus.
Mich gibt es nur Ganz oder gar nicht.
Wenn nan mal vom Teufel sprach. Keine drei Sekunden später tauchte auch wieder Travis in unserem Sichtfeld auf und winkte uns fachmännisch mit zwei Fingern zu sich. Seine gute Laune war wie weg geblasen und ein etwas coolerer, entspannter Gesichtsausdruck wurde von ihm aufgesetzt.
Wir kämpften uns ziemlich leicht durch die am Rand stehenden Leute auf der Tanzfläche und kamen genau dort wieder raus, wo ich es am wenigsten erhofft hatte.
Am Couchende, bei Ace und der Blondine.
Er schien jetzt eher genervt als angeturnt von den heißen Küssen der Blondinen zu sein, denn sein Gesichtsausdruck war genervt und der Arm, der vorher um das Mädchen lag, war wieder in seinem Schoß eingebettet.
Sie flüsterte ihm gerade etwas ins Ohr und legte dabei ihre linke Hand an seine linke Wange, damit sie ihn für einen Moment näher bei sich hatte. Doch das veranlasste den Frauenschwarm in keiner Weise dazu wieder aus seinem gezielten in die Leere Starren zu ihr zu blicken.
Jackpot.
Wortlos setzte ich mich in den gebildeten Sitzkreis dazu und stellte mit einem Blick durch die Runde fest, das ich kaum jemanden kannte. Nur meine beste Freundin neben mir und der Frauenschwarm gegenüber von mir auf der Couch waren mir bekannt.
»Ihr kennt Flaschen drehen?« Ein Typ mit blonden Haaren sah fragen durch die Runde und legte ohne auf eine Antwort abzusehen seine leere Bierflasche in die Mitte, ehe er sich in seinem Schneidersitz nach hinten drehte und fragend zu Ace auf der Couch hoch sah.
»Spielst du mit?«
Ace' Blick wanderte einmal über die Genossenschaft, die sich wie verlorene Seelen auf den Boden zusammen gesetzt haben und nun ein Kindergartenspiel spielen wollen. Seine dunklen Augen haderten kurz an meiner besten Freundin, die ihren Blick jedoch auf die Bierflasche gerichtet hatte.
»Ich spiel mit, Taylor«, kam seine Antwort ziemlich deutlich aus seinem Mund, fast schon so als würde er damit keine Widerrede dulden und blickte erneut zu Emma hinüber, die ihn plötzlich genauso souverän anstarrte wie er es tat.
Doch sie wirkte eher genervt als zufrieden, mit der Tatsache das er sie einfach anstarrte - was an diesem heutigen Tag die zweite, große Überraschung für mich war - und so konfrontierte sie ihn gleich damit. »Was glotzt du so Collins? Keine Freundin daheim?«
Erstaunt über ihre plötzliche Frechheit und den abfälligen Ton in ihrer Stimme hob er beide Augenbrauen. Damit hat er wohl nicht gerechnet. Tja, und ich auch nicht Collins.
»Nein, ich−«
Da wollte der Frauenschwarm ein Mal was vernüftiges, schlaues von sich preisgeben − seine tiefsten Gedanken, die sonst fast niemand hören darf −, kommt da plötzlich so ein blonder Vogel und macht alles zunichte!
»Er hat dich nicht angestarrt, Süße«, unterbrach ihn das blonde Püppchen und spielte sich damit nur selbst auf, »Er hat sich einfach nur gefragt, wie so etwas abartiges auf diese Party reingelassen wurde.«
Verwirrt blickte ich zwischen den Dreien hin und her und versuchte irgendwie zu realisieren, was gerade geschah. Hat sie gerade etwas gesagt oder war das nur ein Fiebertraum?
Von weiter hinten tauchte plötzlich ein großgewachsener Junge mit pechschwarzem Haar auf, dem Ace eine Flasche Bier reichte.
»Ich glaube«, fing der Fremde bedacht an zu sprechen und öffnete ruhig mit der freien Hand seine eigene Bierflasche. Die Blicke, die gerade auf ihn gerichtet waren, schien er gekonnt zu ignorieren. »Du hast dich gerade selber damit beleidigt. Wie kommst du überhaupt auf die Idee deinen Mund auf zu machen, wenn da eh nur Scheiße rauskommt?«
Geschockte Blicke. Irgendwo kippte eine Bierflasche um. Ace, der nicht wusste wo er hin gucken soll. Emma, die sich die Hand auf den Mund presste, um nicht lauthals los zu lachen.
Und ich war mitten drin und wusste selber nicht wohin. Fuuuck, warum nochmal schnell ist das passiert? Wer hat angefangen?
In diesem Moment hätte ich allein wegen dem entsetzten, erschrockenen Gesichtsausdruck der Blondinen am liebsten laut los gelacht, aber ich konnte mich der Zuschauer zur Liebe noch zusammen reißen und verfolgte gebannt das weitere Geschehen.
»Ich hätte mehr von dir erwartet, Matthew«, kam es schließlich beleidigt ihr, die sich wieder, dieses Mal in der Opferrolle, an den Frauenschwarm ran kuscheln wollte, doch der zog sich sofort mit angehobenen Armen zurück und korbte sie mit einem »Nein, sorry«.
Emma grinste plötzlich süffisant und beugte sich in ihre Richtung, um ihre Gestik zu verdeutlichen. »Das Feld ist geräumt, Süße.«
Meine beste Freundin biss sich zum Ende hin noch auf die Unterlippe, um sich ein Lachen zu verkneifen. Im Augenwinkel bemerkte ich, wie Ace sie dabei die ganze Zeit über beobachtete.
»Jaja, dann heul doch«, erwiderte Matthew etwas zu spät, jetzt auch noch sichtlich genervt über die Situation mit ihr, und verdrehte dabei die Augen, während er auf die Couch zu ging und sie an ihrem Arm auf die Beine zog, »Und jetzt zieh Leine, ja?«
Ich nahm nur noch empörtes Schnauben und lautes weg Gestampfe über die Musik hinweg wahr, ehe meine beste Freundin plötzlich ganz hibbelig und aufgeregt die leere Bierflasche nahm, »Jetzt, Flaschen drehen!« rief und dann drehte.
Matthew nahm zufrieden neben Ace Platz, die sich mit einem freundschaftlichen Händedruck kurz begrüßten und sich beide anschließend auf das Spiel konzentrieren.
Nur einer warf während des Spieles immer wieder nachdenklich einen Blick auf Emma oder fing sie für ein paar Sekunden an zu beobachten. Ich schmunzelte.
Da hat wohl jemand Interesse bekommen.
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