03 | guter Pessimismus
Ehrlich gesagt, musste mich Emma noch nicht einmal wirklich dazu überreden auf diese Party zu gehen, weil mir einfach keine andere Wahl blieb als mitzugehen.
Klar, ich hätte zwar eine Wahl gehabt, aber ich wollte nicht riskieren, dass sie sich hier und jetzt, heute Nacht, komplett abstürzen lässt und dann auch noch vor ihrem Schwarm, während sie sich vielleicht auch noch blamierte.
Sei das von heute Nachmittag einfach mal dahin gestellt, aber für sie war das wirklich peinlich.
»Hier«, kam es plötzlich von der Seite und eine mir nur allzubekannte Hand hielt mir in einem roten Plastikbecher eine dunkle, prickelnde Flüssigkeit vor die Nase, »Wie immer. Deine Cola ohne alles.«
Ich nahm ihr nickend den Becher aus der Hand und nippte direkt daran. Emma hielt währenddessen ihr Glas etwas weiter in die Höhe gegen die bunten LED's an der Decke und ließ ihre eigenartige pinke Flüssigkeit darin herum schwappen, als wäre dieser Hinhalt sehr kostbar.
»Em, was ist das?«, fragte ich neugierig und beobachtete sie weiter, wie sie ihr Glas wieder runternahm und auf Brusthöhe ein weiteres Mal den Hinhalt darin kreisen ließ.
Sie zuckte kaum merklich mit den Schultern und roch kurz daran, bevor sie die Lippen an den Glasrand setzte und die Flüssigkeit einfach hinunter kippte. »Keine Ahnung, hat mir Travis gemischt.«
Ich verkniff es mir meine Augen weit auf zu reißen und erstaunt nach Luft zu schnappen. Denn sie machte das jedes Mal, wenn sie etwas neues ausprobierte.
»Einfach runter mit der Scheiße«, hätte sie noch gesagt, aber das fiel heute wohl aus.
»Alles okay bei dir?«, fragte ich sie schließlich, als ich merkte, dass sie anfing in ihr leeres Glas zu starren und dabei auch noch anfing zu grübeln. Ich kannte diese Art von Stimmung nur zu gut.
Sie seufzte auf meine Frage und ließ die Schultern etwas hängen. Den undefinierbaren Blick, den sie mir dann plötzlich zu warf, ließ mich auf eines zurück schließen. Jetzt kam wieder die pessimistische Phase zu ihrer unerwiderten Liebe gegenüber Ace. Und diese könnte heute ziemlich anstrengend werden.
»Okay, du hast mich erwischt. Ich habe Ace vorhin, als ich die Getränke geholt habe, mit einem anderen Mädchen gesehen.«
Erstaunt über dieses Geständnis rutschte mir trotzdem ein unbedachtes »Und was ist daran jetzt so schlimm?« heraus und biss mir darauf verärgert auf die Zunge.
Warum frage ich das auch noch? Das liegt doch auf der Hand.
»Arm in Arm«, kam es ziemlich undetailiert von ihren Lippen, während sie enttäuscht die Stirn in Falten legte und mich mit traurigen Augen ansah.
Verwirrt über drei einfache Silben, und was sie bedeuten sollten, hob ich eine Augenbraue und sah abwartend zu ihr rüber, als ob sie mir noch mehr Informationen geben würde.
»Lippe an Lippe!!«,versuchte sie mir über die plötzlich lauter werdende Musik zu verdeutlichen und zeigte keine zwei Sekunden später in Richtung der riesigen Couchlandschaft, wo tatsächlich am Rande versteckt, Ace mit einem anderen Mädchen wild herum zu knutschen schien.
Ich hörte sie schnauben. »Da sitzt er − mit seiner neuen Freundin.«
»Das ist quasi ein Badboy, Emma«, kam es prompt von mir, wenn auch etwas viel zu leise aus meinem Mund, während ich versuchte ihr mit diese Aussage irgendwie die Augen zu öffnen. Manchmal wünschte ich mir sie würde für einen normalen Jungen aus unserer Schule schwärmen, der von nicht so vielen Mädchen umschwärmt wird wie Ace.
Dies wäre um einiges leichter als eine Horde jung pubertierender Mädchen vom Frauenschwarm unserer Schule fernzuhalten. Gott, da wartet viel Arbeit auf mich.
»Er kann nicht anders«, erwiderte ich lahm und biss mir auf die Zunge, »Wen hat er denn schon, außer sich selbst? Er ist nunmal beliebt und bevor er sich von Anderen ausnutzen lässt, nutzt er eben vorher die Mädels aus − um nicht verletzt zu werden.«
Edwards, was ist bitte in deiner Cola drinnen?
Mit zusammengezogenen Augenbrauen warf ich einen kritischen Blick in den Becher mit der dunklen Flüssigkeit in meiner Hand und roch abermals daran. Nein, nichts außergewöhnliches - ich bin wohl einfach nur zu ehrlich. Gleichzeitig fiel mein Blick auf Emma, die plötzlich ungewöhnlich still war - normalerweise begründete sie sein schlechtes Verhalten immer sofort - und merkte, wie sie zu Ace hinüber blickte.
Vielleicht waren es eine Minute, oder sogar nur dreißig Sekunden, aber ich hatte das Gefühl, dass sich gerade etwas in ihr änderte oder eine gewisse Einsicht durch ihr hindurch sickerte. Ich wusste in diesem Moment nicht, was in ihr vorging, aber als sie ihren Kopf wieder zu mir drehte, hatte sich etwas in ihren Augen verändert.
»Ja, vielleicht hast du recht«, sprach sie langsam und ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre rot bemalten Lippen. Es erreichte zwar nicht ihre Augen, aber dafür wohl ihren Verstand, denn ihre nächsten Worte trafen mich mit großer Überraschung.
»Ich hatte nie etwas mit ihm. Er hat mich noch nicht einmal wahr genommen. Noch nie. Kein einziges Mal«, sprach sie nachdenklich und auch eher nur mit sich selbst als mit mir, »Warum sollte ich dann auf sie eifersüchtig sein?«
»Weil du ihn magst«, beantwortete ich ihre Frage und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Ich hatte ehrlich gesagt die Befürchtung, dass sie jeden Augenblick zusammenbrechen könnte oder vor Enttäuschung um sich schlagen würde. Das passierte zwar auch einmal, aber das war nicht wegen einem Jungen. Ich war gerade wirklich auf alles gefasst.
»Das war eine rhetorische Frage, Grace«, hörte ich sie neben mir aufseufzen und verdrehte dabei gespielt genervt die Augen, während sie wieder lächelte.
»Die Frage war eher auf mich bezogen.«
»Ich weiß, aber−«, setzte ich gerade an und wurde im selben Moment von Travis unterbrochen, der sich gerade noch so durch die Masse hindurch quetschen konnte. Er war derjenige, der Emma auf Partys immer ein spezielles Getränk zusammen mischte. Er spielte in keiner Mannschaft unserer Schule mit, sondern war viel lieber als Fotograf und Autor unserer Schule unterwegs.
Travis ist tatsächlich noch einer von der unauffälligen Sorte Jungs auf unserer Schule, auch wenn er in engem Kontakt zu Ace und seinem Football-Team hielt. Es kannte ihn auch so jeder, aber man ließ ihn soweit in Ruhe. Außer Gerüchte kursierten wieder über einen herum, dann war jeder Thema Nummer eins in der Schule, da kam selbst der unauffälligste Schüler wie ich nicht drum herum.
»Hey, Mädels!«, begrüßte uns der dunkle Lockenkopf leicht außer Atem und berührte uns beide an der jeweils äußeren Schulter, um unsere Aufmersamkeit zu erlangen, die er eigentlich auch schon so hatte, »Wollt ihr mit Flaschen drehen spielen?«
Emma bejahte sofort, ohne mich überhaupt auch nur gefragt zu haben, und ich stand einfach nur wie ein begossener Pudel da. Werde ich hier überhaupt noch gefragt?
»Kann ich auch einfach nur zu gucken?«, fragte ich ihn stattdessen und setzte einen entschuldigenden, fast schon bittenden Blick drauf, wo auch meine beste Freundin mir sogleich gegen den Arm schlug und »du spielst gefälligst auch mit« sagte.
»Kein Thema«, zwinkerte mir Travis grinsend zu und nickte in Richtung des Sitzkreises, der sich in der Ecke des Wohnzimmers schon gebildet hat, »Setz dich einfach etwas hinter mir, dann sollte das kein Problem werden. Kommt mit.«
Travis legte seinen Arm um meine Schulter und ging zielstebig mit mir voraus. Emma warf mir noch durch die Menge einen empörten, teils ungläubigen Blick zu, der sowohl heißen sollte was soll das, lässt du mich jetzt allein?
Gerne hätte ich ihren Blick erwidert, aber ich konnte nicht riskieren mit meinem Becher Cola in der Hand zu stolpern und dann die Lachnummer des Abends zu werden. So drehte ich mich wieder nach vorne um und ließ mich zögerlich mitschleifen.
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