Kapitel 8
Kira;
"Ich habe letzte Nacht einfach mal zehn Stunden geschlafen", begrüßte ich Franziska, als sie in der U-Bahn zustieg. Wir nahmen jeden Morgen die gleiche U-Bahn und fuhren gemeinsam in die Uni. "Und danke für's nach Hause bringen, Andre hat sich dann sehr rührend um mich gekümmert."
"Immer gerne, Kira", erwiderte sie und umarmte mich fest. "Du gehörst jetzt zu uns und das heißt, wir bringen uns immer gegenseitig nach Hause. Willst du eigentlich über das mit Layla reden? Ich habe das leider nicht so ganz verstanden. Und keine Sorge, Leo und ich werden nicht mehr darüber reden, wenn du das nicht möchtest."
"Danke, Franz", erwiderte ich nur und es fühlte sich gut an, dass ich endlich eine Art Unterstützungssystem hatte. Ich war vielleicht noch nicht so weit, mich ihr richtig zu öffnen und ihr mehr darüber zu erzählen, aber vielleicht könnte ich ihr irgendwann in der Zukunft mehr darüber zu erzählen. "Jetzt aber eher nicht, das ist alles einfach so aus mir herausgebrochen... Nüchtern hätte ich euch das niemals erzählt."
"Kein Stress, Kira. Meine Lippen sind versiegelt, du sagst einfach, wenn du reden willst", meinte Franziska und lächelte mich aufmunternd an. "So aber jetzt mal zu den spannenderen Themen. Hast du die Aufgabe 3 auf dem letzten Arbeitsblatt von linearer Algebra hinbekommen? Ich habe da glaub ich irgendwelche Annahmen getroffen, die nicht so ganz richtig waren und gefühlt bist du die Anzeige, die bei diesen Aufgaben irgendwas versteht."
Der Gedanke an die Unterstützung, die ich von all meinen Freunden erfahren habe, machte mich wahnsinnig glücklich. "Ja, kein Problem, wir können uns das nach der ersten Vorlesung anschauen, ich hatte bei der Aufgabe jetzt keine großen Probleme, aber ich habe für die bestimmt eine Stunde gebraucht."
"Ja, nach fünfzehn Minuten bin ich auf keinen grünen Zweig gekommen, dann habe ich aufgegeben", erwiderte sie und lachte. "Diese Arbeitsblätter machen mich echt fertig... Aber zum Glück bist du ja da."
"Machen wir", versprach ich ihr mit einem Lächeln. "Aber jetzt lass mal los, sonst kommen wir wieder zu spät." Zum Glück waren wir jetzt an unserer Zielhaltestelle angekommen. Gemeinsam machten wir uns von der U-Bahn auf dem Weg zum Hörsaal. Das Gespräch mit Franz hatte mich sehr beruhigt, da ich große Angst hatte, dass sich viel ändern würde, doch sie behandelte mich noch genauso wie vorher.
Vor dem Hörsaal trafen wir auf Leo, der uns erstmal beide begrüßte, dann schien es so, als ob er etwas zu mir sagen wollte. Franziska sah ihn nur eindringlich an und er schloss seinen Mund wieder. "Kira hat gerade gesagt, dass sie letzte Nacht zehn Stunden geschlafen hat, hast du auch so krass viel geschlafen?", erzählte Franziska sofort, sodass keine komische Stille entstand. "Also ich habe die ganze Nacht von unseren bevorstehenden Klausuren geträumt, das war das Gegenteil von erholend."
"Okay, das musst du mir definitiv im Detail erzählen. Deine Träume sind immer die lustigsten", erwiderte Leo mit einem Lachen. Immer wenn ich mit Franz und Leo zusammen war, fühlte ich mich wie das dritte Rad am Wagen, was aber eigentlich nur für die beiden sprach. Hoffentlich würde für die beiden noch alles gut werden, da bis jetzt (noch) nichts passiert war.
"Ja, das war so creepy! In meinem Traumen kamen in den Klausuren nur Sachen von Harry Potter dran und ich wusste natürlich gar nichts, weil ich die Bücher nie gelesen habe", sprudelte es aus Franziska sofort heraus. "Und die Schuld daran gebe ich eindeutig dir, weil du mir jeden Tag einen Vortrag hältst, dass ich die Bücher nicht gelesen habe."
Leo begann sehr laut zu lachen und konnte gar nicht mehr drauf antworten. Auch ich konnte mich kaum zurückhalten. "Ihr seid so gemein zu mir, ich bin verschwitzt des Todes aufgewacht und hatte richtige Panik. Ich habe mich gefühlt, wie an dem Morgen nach dem Festival. Einfach absolut erschöpft."
"Was ist denn hier bei euch schon wieder los?", fragte Ben, der jetzt erst zu uns stieß. "Da habe ich euch nicht gleich gesehen, aber Leo's Lache erkennt man einfach immer."
"Ben, du musst mir helfen! Bitte erklär Leo, dass es nicht schrecklich ist, niemals Harry Potter gelesen zu haben", meinte Franz mit einem Lächeln. "Ich werde hier ausgelacht, weil ich einen furchtbaren Alptraum hatte über Harry Potter und Klausuren."
"Warte was? Ich glaube, ich möchte mich nicht dazu äußern", erwiderte Ben und stellte sich neben mir. Während Franz und Leo weiter diskutierten, fragte mich Ben. "Sag mal, hast du die Aufgabe 3 auf dem letzten Arbeitsblatt verstanden? Ich kam da null voran."
"Ja, Franz hatte da auch Probleme, deswegen wollen wir die nach der ersten Vorlesung zusammen anschauen", antwortete ich mit einem Lächeln. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht wirklich einsortieren, er wirkte fast traurig.
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"Wollen wir heute Abend noch was essen gehen?", fragte mich Ben, während er seinen Laptop zuklappte. Wir saßen seit heute in der Früh zusammen und lernten. Nachdem Ben und Franz beide endlich die Aufgabe 3 geschafft hatten, haben wir uns zusammen an das nächste Arbeitsblatt gesetzt. Nach zwei Stunden hatten wir es endlich geschafft, den richtigen Weg gefunden. "Es ist jetzt eh schon recht spät und du hast ja noch einen weiten Weg nach Hause."
"Oh, ja. Essen klingt gut", meinte Leo. "Ich habe definitiv Lust auf Burger! Und eine große Menge Pommes. Ganz viel Pommes... Am besten mit Curry-Ketchup."
"Leo... du hast heute Mittag eine ganze Pizza und zusätzlich noch ein Viertel von meiner Pizza gegessen. Du kannst doch nicht jetzt schon wieder Hunger haben", meinte Franziska nur mit einem Lächeln, während sie erstmal die Packung von einem Proteinriegel aufriss und anfing ihn zu essen.
"Sagst du, du isst doch hier gerade schon wieder", antwortete Leo darauf nur. "Der einzige Grund, warum du deine Pizza nicht geschafft hast, ist, weil du während zwei Vorlesungen erstmal einen Muffin essen musstest. Ich weiß wirklich nicht, wie du es schaffst, so viel zu essen."
"Du bist so gemein! Dieser Muffin hat mich angelacht und dann musste ich ihn einfach essen, du weißt, wie ich bei sowas bin. Außerdem hätte ich die Pizza sehr wohl noch geschafft, ich war nur nett und habe sie dir überlassen, weil du ja nie schaffst zu frühstücken", konterte Franziska und hatte bereits die Hälfte ihres Proteinriegels verdrückt.
"Ich kann sehr wohl frühstücken in der Früh. Ich entscheide mich dazu, nicht zu frühstücken, das ist eine sehr bewusste Entscheidung. Schlaf ist einfach wichtiger als Essen", erwiderte Leo. Etwas peinlich berührt merkten die beiden, dass wir sie gerade nur anschauten und darauf warteten, dass sie ihre kleine Diskussion beendeten.
"Also, wir können in den einen Burgerladen in der Stadt, da finden wir, denke ich alle was", schlug Ben vor.
"Ja, genau, den einen Burgerladen in der Stadt, ich weiß genau, welchen du meinst", neckte ihn Patrik mit einem Lachen. "Dann würde ich aber sagen, hop hop, wir müssen los, die nächste U-Bahn fährt in fünf Minuten, wer die nicht schafft, muss eine Runde Pommes bezahlen."
Sofort herrschte eine Aufbruchstimmung. Ich klappte schnell meinen Laptop zu, packte mein Tablet und steckte alles in die vorhergesehene Tasche in meinem Rucksack. Währenddessen versuchte Ben verzweifelt seine einzelnen Blätter, die auf dem ganzen Tisch herumlagen, einzusammeln, ohne sie komplett zu verknicken – da war es definitiv vorteilhaft nicht alles auf Papier zu machen. Ich half ihm dabei einen Teil seiner Blätter einzusammeln und steckte sie einfach kurzerhand in meine Tasche.
"Los, los", meinte er, während er noch schnell sein Handy in seine Hosentasche steckte. "Die U-Bahn fährt in drei Minuten und wir brauchen mindestens zwei Minuten hin, außer wir rennen."
Ich schaute ihn nur mit einem Grinsen an. "Natürlich können wir rennen", meinte ich nur und sprintete bereits Richtung Tür. Franziska hatte sich, nachdem sie ihren Laptop verstaut hatte, noch schnell den Rest des Riegels in den Mund geschoben und war vor mir an der Tür – netterweise hielt sie, sie mir trotzdem auf. "Wir müssen da zusammenhalten."
Schnell rannten wir weiter Richtung U-Bahn dicht hinter uns waren die anderen. Ben versuchte uns aufzuhalten, genauso wie Leo. Patrik sprintete währenddessen an uns vorbei, wurde aber dann fast sofort von Ben gestoppt. Natürlich war Patrik als Leichtathlet uns allen überlegen, umso besser, dass Ben ihm den Fortschritt strittig machte. Ich rannte noch etwas schneller und wir kamen gleichzeitig an der Treppe an, die runter zur U-Bahn führte.
"Da unten steh schon die Bahn, beeilt euch, Leute", rief Patrik, der sich mittlerweile wieder die Führung erkämpft hatte. Franziska war trotz ihrer sechs Zentimeter Absätze knapp hinter ihm, da sie als einzige die Rolltreppe runter gehastet kam.
Die Türen der U-Bahn blinkten und waren gerade am Zugehen, als Patrik durch die Tür sprang und sie somit vom zugehen abhielt. Gleich hinter ihm sprintete Franz durch die Tür. Ich rannte nochmal ein Stück schneller und kam gleichzeitig mit Leo und Ben an der Tür an. Gerade als wir alle fünf in der U-Bahn waren, gingen die Türen zu und die U-Bahn fuhr los.
"Ich bin so vollgeschwitzt", meinte Franziska und zog erstmal ihre Jacke und ihren Schal aus. "So viel Sport haben ich ja seit Wochen noch nicht gemacht."
"Das kommt davon, wenn du nie mit mir zum Sport kommst", erwiderte Leo nur und zuckte mit den Schultern. "Du willst ja lieber Yoga machen." Bei dem letzten Satz schaute er belustigt und zwinkerte ihr zu.
"Leo, du hast letztes Mal bereits beim herabschauenden Hund abgebrochen, weil es dir zu anstrengend war", meinte Franz daraufhin. Ich fragte mich wirklich, wie es die beiden schafften, immer noch nicht zusammen zu sein. Sie waren die gesamte Zeit damit beschäftigt sich gegenseitig zu necken und zu ärgern. In diesem Fall traf der Spruch 'Was sich liebt, das neckt sich' definitiv zu hundert Prozent zu.
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Von dem schönen Abend, den ich mit meinen Freunden verbracht hatte, erfrischt, machte ich mich auf den Weg von der S-Bahn nach Hause. Fröhlich hörte ich die neu-veröffentlichten Songs von einer meiner Lieblingsbands Panic! At The Disco. Sobald ich aus der Unterführung rausging, spürte ich den Regen auf meiner Haut. Erst war es nur ein leichtes Nieseln und ich beeilte mich etwas, um noch rechtzeitig nach Hause zu kommen. Etwas Sorgen machte ich mir um meine Tasche und den Inhalt...
Nur eine Straße später wurde der Regen stärker und die gesamte Vorderseite meiner Jeans war bereits durchnässt. "Fuck", schimpfte ich und suchte verzweifelt nach einem Regenschirm in meiner Tasche – diesen hatte ich vermutlich während des Sommers rausgenommen. Mit einem Seufzer ging ich weiter und versuchte mich, so gut es ging auf der nassen Straße ging, zu beeilen.
Bis ich bei mir zu Hause ankam, war alles an mir durchnässt – meine Jacke, meine Jeans, selbst meine Schuhe waren durchnässt. Ich klingelte an der Tür und Andre öffnete mir. Dieser begann erstmal zu lachen, als er mich sah. "Hattest du keinen Regenschirm dabei?", fragte er mich verwirrt, während ich im Flur erstmal meine Schuhe auszog und sie unter die Heizung legte. "Am besten ziehst du dich gleich alles aus, du darfst so definitiv nicht auf's Pakett... Außerdem ist Ivy da."
Er erwähnte das mit Ivy so beiläufig im Nebensatz. Sofort spürte ich, wie mein Herz schneller schlug und meine Hände, die bis endlich trocken waren, wurden wieder schwitzig. Hinter Andre ging ich in das Wohnzimmer.
"Oh nein", sagte mein Vater sofort und signalisierte mir, dass ich im Flur stehen bleiben musste. "Du kommst mit den Klamotten nicht hier rein und tropfst auf das Packet! Am besten ziehst du das alles gleich im Badezimmer aus und ziehst dir was trockenes an."
"Hallo Papa, ich freue mich auch dich zu sehen, ja, ich bin gut von der S-Bahn nach Hause gekommen, danke der Nachfrage", erwiderte ich nur und rollte mit den Augen, blieb aber sofort stehen. Niemand sollte zwischen ihm und seinem geliebten Paket stehen. "Oh, hi, Ivy, wolltest du zu mir?" Ich versuchte, dass meine Stimme nicht allzu hoch wurde und ich selbstbewusst wirkte.
Ivy nickte und stand auf. Ich lächelte sie weiter an. "Komm einfach mit, dann können wir reden."
"Und Kira, wehe der Teppich ist danach nass", rief mir meine Mutter noch hinterher, als ich mich mit Ivy auf dem Weg nach oben war.
"Okay, Ivy, ich denke, ich muss mich jetzt erstmal umziehen", erwiderte ich mit einem nervösen Lachen. "Du kannst ja schonmal in mein Zimmer vorgehen."
"Kira, du kannst dich auch in deinem Zimmer umziehen, du musst das nicht im Bad, ich bin ja schließlich einfach unangekündigt vorbeigekommen", meinte Ivy mit einem Lächeln.
Ich spürte bereits wie mein Herz schneller schlug. Allein nur, wenn Ivy mich anlächelte, spürte ich wie meine Knie weich wurden. "Alles gut, ich muss die sowieso alle über die Heizung hängen", erwiderte ich nur und machte mich hastig auf den Weg zum Bad. Dort zog ich mir die klebrige Hose aus und auch mein Shirt aus. Zum Glück lagen noch eine Jogginghose und ein passender Pulli im Bad, den ich mir sofort überzog. Fertig angezogen machte ich mich auf den in mein Zimmer zurück.
Ivy saß auf meinem Bett und sah so gut aus. Im Gegensatz zu ihr fühlte ich mich schlecht angezogen. "Ich bin neidisch, Kira. Ich bin seit heute Morgen in dieser engen Jeans, ich würde alles für so ne Jogginghose geben."
"Wieso bist du denn hierhergekommen?", fragte ich sie, während ich mich neben sie auf mein Bett setzte. "Ist irgendwas schlimmes passiert?"
"Ich war heute mit Luca essen und ich glaub, es ist einfach endgültig vorbei. Ich weiß, ich habe dich damit schon so oft vollgeheult, aber ich weiß, einfach nicht, zu wem ich sonst gehen soll", brach es aus Ivy heraus und ich schloss sie in die Arme.
Ich fühlte mich geehrt, dass Ivy mir so sehr vertraute. Trotzdem spürte ich in meinem Herzen einen Stich. Vermutlich würde Ivy mich niemals so sehen, wie ich sie sah. "Alles gut, ich bin für dich da", meinte ich nur und streichelte ihr über den Rücken. "Zur Not gibt es einfach ganz viel Eis."
"Ich bin nicht mal traurig, aber eigentlich fühle ich mich nur leer", erwiderte sie und löste sich aus der Umarmung. "Eigentlich bin ich nur froh, dass es jetzt vorbei ist. Aber jetzt, wo Luca weg ist und Chris in Regensburg und Layla mag mich auch nicht mehr. Ich verstehe nur gar nicht, was mit ihr los ist, warum redet sie nicht mehr mit mir?"
Bei Layla's Namen spürte ich einen Kloß in meinem Hals. Ohne darüber nachzudenken, was ich sagt, sprudelte es aus mir heraus. "Layla und ich haben miteinander geschlafen."
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