Kapitel 2
A/N: Sorry für das späte Update, aber Uni und so :/ Ich hoffe es gefällt euch :D
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Ivy;
Das erste, was ich spürte, war Enttäuschung. Ich dachte, ich würde alles andere fühlen, Erleichterung, Freude, Glück, aber nicht Enttäuschung. Schnell versuchte ich meinen Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu bekommen, ich konnte meiner Familie nicht so unter die Augen treten, nicht, wenn sie mich fast ein Jahr nicht gesehen hatten, außer über FaceTime.
"Ivy. Endlich bist du wieder da, wir haben dich so vermisst", rief meine kleine Schwester und sprang förmlich in meine Arme. "Du darfst nie wieder solange weg sein, das war ein ganzes Schuljahr." Ich grinste und strich ihr über die Haare. Mila war gerade erst zwölf geworden und sie hatte anscheinend drei Tage lang geweint, nachdem ich geflogen war. Es wurde auch nur langsam besser, hatten meine Eltern mir erzählt.
"Keine Sorge, Mila, ich bin jetzt erstmal wieder da und ich bleibe auch definitiv erstmal", erwiderte ich und sie nickte. Danach schlossen meine Eltern mich in die Arme und erst jetzt realisierte ich, wie sehr ich sie vermisst hatte. Während meinem Auslandsjahr hatte ich kaum Möglichkeiten darüber nachzudenken, wie es zu Hause war. Immer noch spürte ich Enttäuschung, dass Kira nicht hier war. Auch wenn ich nicht ganz verstand, warum ich das fühlte. Es war nicht so, dass wir so gut befreundet waren.
"Ivy", hörte ich die Stimme von Luca. Da stand er mit einem großen Grinsen auf den Lippen und einem Plakat in der Hand, auf dem stand in großen und glitzernden Buchstanden 'Welcome Home, Ivy'. Neben ihm stand unser gesamter Freundkreis, sogar Layla war gekommen und schien die gesamte Situation mit ihrer Kamera zu filmen – vermutlich im Auftrag meiner Eltern, sie liebten es alles zu filmen (beziehungsweise filmen zu lassen) und alles am Ende des Jahres zu einem Video zusammen zu schneiden.
Bevor ich mich versah, fand ich mich in einer engen Umarmung wieder – Luca, Chris, Emilia und schließlich Layla, nachdem sie genug von unserer Umarmung gefilmt hatte. "Wir sind so froh, dass du wieder da bist", meinte Emilia. "Wir haben dich richtig vermisst. Jetzt lassen wir dich erstmal nicht mehr weg."
Nachdem wir uns aus der Umarmung befreit hatten, klammerte sich Mila bereits wieder an mich. "Das habe ich ihr auch erklärt", meinte sie stolz. "Sie darf erstmal nicht mehr weg."
Ich lächelte. Trotzdem konnte ich nicht anders, als die Frage zu stellen, die mir seitdem angekommen, auf der Zunge brannte. "Wo ist Kira, wollte sie nicht auch kommen?"
Layla schlug ihre Augen nieder, eine Sache, die ich nicht ganz verstand. Doch schnell vergas ich es, als Luca mir antwortete. "Ich habe ihr geschrieben, aber sie hat mir gar nicht geantwortet, die Nachricht wurde auch gar nicht zugestellt. Vielleicht hat sie ihre Nummer geändert, aber niemand anders hat sie."
"Layla hat sie auch das ganze Sommersemester gar nicht gesehen, stimmt's?", fragte Emilia und sah sie für Zustimmung an. Layla nickte schnell und schaute dann erneut. Vermutlich war es ihr unangenehm, dass sie so den Kontakt mit Kira verloren hatte. Vielleicht hatte ich mich auch in ihr getäuscht und wir hatten nie diese Verbindung, die ich immer zwischen uns gespürt hatte.
"Wir haben eine Überraschung für dich", platze es aus Chris heraus. "Beziehungsweise wir haben ein super Gruppenevent für uns alle geplant." Er grinste mich an und hielt ein blaues Bändchen hoch. "Ersti-Woche, wir können jeden Abend feiern gehen, in einen anderen Klub. Besser können wir deinen Studienstart nicht feiern."
"Wie cool", rief ich und fand mich erneut in einer engen Umarmung wieder. Gemeinsam verließen wir den Flughafen, während alle ununterbrochen auf mich einredeten, mir Fragen stellten oder mir Sachen erzählten, die ich verpasst hatte. Je länger ich den Stimmen meiner Freunde zuhörte, desto geringer wurden die Gedanken an Kira, bis ich gar nicht mehr an sie dachte.
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"Ivy, du bist ja so cool", erklärte Emilia, nachdem ich eine Geschichte von der Farm erzählt hatte, auf der ich mein Auslandsjahr verbracht hatte – es ging darum, wie ich es geschafft hatte, die Schafe wieder einzufangen und dabei am Ende ein bisschen Schlamm gecatcht hatte (aus Versehen). "Dieses Jahr hat dir so gutgetan, wie du einfach viel mehr strahlst. Bestimmt liegt das am Schlamm."
"Ja, so eine Schlammmaske wirkt Wunder", antwortete ich. Für einen Moment war ich abwesend, in Australien war alles einfacher gewesen. Niemand war da, der irgendwelche vorgefertigten Meinungen von einem hatte oder irgendwelche Altlasten. "Es war richtig toll da."
Wir saßen seit mindestens drei Stunden in einer Bar, hatten dort leckere Tapas gegessen und tranken jetzt Cocktails. Es war wie in alten Zeiten, wie früher in der Schulzeit – ob das gut oder schlecht war, sei dahingestellt. "Jetzt erzählt aber mal, wie ist das Studium bis jetzt", wechselte ich das Thema, noch eine Geschichte von Australien und ich würde Heimweh bekommen.
"Es ist so witzig, ich kenne fast jede Person in meinem Studiengang, weil wir so wenige sind und die sind alle unfassbar nett. Man kann den ganzen Tag da verbringen und chillt einfach so, während man bisschen was lernt", erzählte Emilia und lachte mich an. "Dir wird das so gut gefallen, Ivy."
"Ja, ist schon ganz nice", fügte Chris hinzu. "Besonders ist Regensburg so viel kleiner als München, es ist so viel angenehmer und die Stadt ist auch schöner. Nur euch Chaoten vermisse ich manchmal." Mit Chris hatte ich über mein Auslandsjahr noch am meisten Kontakt, Layla hatte mir irgendwann nicht mehr wirklich geantwortet, Emilia hatte mich immer wieder angeschrieben, aber nicht wirklich viel Konversation war daraus entstanden, wie eigentlich immer. Emilia und ich waren nie wirklich befreundet, eher so Freunde, weil wir beide aus irgendwelchen Gründen beliebt waren.
Luca hatte mir auch nicht geschrieben, nicht nachdem er unsere 'Beziehung' beendet hatte. Ich hatte ihm selbstverständlich auch nicht geschrieben, schließlich war er der, der die Hoffnung in uns aufgegeben hatte. Doch das war jetzt kein Thema mehr. Deswegen hatte ich die Zeit mit Lara immer so sehr genossen, bei ihr spielten solche Dinge meistens keine wirkliche Rolle. Sie war immer ehrlich und tat nicht so, als wäre alles okay.
"Ich liebe diese Cocktails", erklärte Layla mit einem Grinsen. "Besonders gibt es in manchen Cocktails Nudeln als Strohhalme, die kann man am Ende essen." Es war schön, sie wieder so unbedarft zu sehen. Vielleicht hatte sie mir einfach nur nicht so viel geschrieben, weil es für sie besser war, in Person zu kommunizieren.
"Layla, niemand isst diese Strohhalme außer dir", erwiderte Emilia mit einem Lächeln und warf ihre blonden Haare zurück. "Das ist voll eklig, die zu essen. Bin ich froh, dass sie immer mehr zu den Metallstrohhalmen greifen. Harte Nudeln sollten man nicht essen."
Chris grinste. "Ich kann dich total verstehen, du hast einen super guten Geschmack." Wenn ich so kurz darüber nachdachte, war Chris derjenige, den ich von meinen Freunden am meisten vermisst hatte, vielleicht abgesehen von Kira, die mir aber kaum mehr antwortete. Dieses Auslandssemester hatte mir definitiv gezeigt, wer meine wirklichen Freunde waren. Trotzdem genoss ich den Abend mit ihnen, vielleicht würde es jetzt wieder besser werden, jetzt, wo ich wieder hier in Deutschland war.
"Die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden", meinte Luca und schlichtete wie immer den Streit. Wenn es Luca nicht in unserem Freundeskreis gäbe, hätten wir uns vermutlich schon längst zerstritten und säßen jetzt nicht zusammen an diesem Tisch. Das war vermutlich das, was ich immer in ihm gesehen hatte – diese Ruhe und Ausgeglichenheit machte es wahnsinnig angenehm mit ihm Zeit zu verbringen.
"Ich freue mich so, dass wir dann an einer Uni sind", erklärte Emilia mit einem großen Grinsen und sah mich strahlend an. "Wir können zusammen Mittagessen, im Englischen Garten chillen. Es wird super schön!" Ich hatte vergessen – vielleicht auch verdrängt, dass wir beide an der LMU studieren würden. Das einzig positive war, dass ich Jura studieren würde und Emilia VWL, damit hatten wir definitiv nichts zusammen.
"Ich komme euch definitiv besuchen", meinte Layla mit einem Lächeln. "Garching ist zwar schön, aber schon so ein bisschen am Arsch der Welt. Ach, das nächste Semester wird wieder schön mit euch."
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Irgendwann hatten wir alle beschlossen nach Hause zu fahren. Layla war bereits in ein Studentenwohnheim eingezogen und fuhr demnach nicht mit uns mit, Emilia wohnte nicht auf meiner S-Bahn Linie, genauso wie Chris, weswegen ich mit Luca allein in der S-Bahn saß – etwas, was selbstverständlich unangenehm war. Wir schwiegen uns größtenteils an. Nicht einmal mehr Smalltalk war zwischen uns mehr möglich.
"Ivy", fing er an, brach aber sofort wieder ab. Genauso hatte ich ihn in Erinnerung – konfliktscheu, sprach selten etwas an und wusste häufig nicht, was er sagen sollte.
"Luca", meinte ich, wohlwissend, dass ich ihm damit nicht half, sondern ihn auf das, was er sagen wollte, festgesetzt hatte. "Was wolltest du mir sagen, was du mir nichts bereits gesagt hast? Was ist überhaupt noch zu sagen?" Eventuell hätte ich mir einfach etwas ausdenken solle, weswegen ich nicht mit ihm in der S-Bahn fahren musste. Auch wenn ich dann eventuell nicht mehr nach Hause kommen würde – jedoch wäre es das wirklich wert.
"Es tut mir leid, wie alles war. Ich hätte es nicht einfach so beenden sollen, wir haben so viel für das gearbeitet und ich habe es einfach weggeschmissen, weil ich Angst hatte", sagte Luca und schaute während aus dem Fenster. Es hatte begonnen zu regnen. Als die Türen öffneten, schlug mir die kalte Luft entgegen. Obwohl es noch relativ warm war, schauerte ich. Es war in Deutschland doch etwas kälter, als ich es für fast ein Jahr gewohnt war.
"Hier, nimm meine Jacke", meinte er, bevor ich irgendwas sagen konnte, legte er bereits seine Jacke um mich. "Ivy, es tut mir wirklich leid. Ich kann verstehen, dass du vielleicht keine Lust mehr auf uns... mich hast, aber vielleicht gibt's du mir noch eine Chance."
"Luca, du kannst nicht einfach mich am Flughafen abservieren, mich in ein Flugzeug steigen lassen und dann nie wieder irgendwas zu sagen", erwiderte ich und versuchte meiner Wut nicht zu viel Raum zu geben. Ich hatte genügend Zeit verbracht, mich zu ärgern, ihn zu hassen. Doch bereits nach einigen Tagen war er vergessen. "Du hast währenddessen nichts getan, außer durch die Gegend zu flirten und auf Dates zu gehen."
"Ivy! Dachtest du wirklich, ich bleibe das gesamte Jahr abstinent, bis du wieder da bist? Außerdem ist es nicht so, dass du unschuldig warst", gab er zurück. In diesem Moment fragte ich mich, wieso ich überhaupt mit ihm redete. Wir drehten uns im Kreis und würden es weiterhin tun. "Es tut mir leid, das war nicht fair. Das war alles nicht fair. Wir beide sind und waren niemals unschuldig, aber das ist okay."
"Nein, Luca, du hast mich verlassen, ich habe den halben Flug geweint und die Personen neben mir mussten mich trösten. Das waren völlig Fremde", erwiderte ich und mittlerweile versuchte ich nicht mal mehr meine Wut zurückzuhalten. "Du hattest nichts besseres zu tun, als einfach mit der nächst besten auf der Abifahrt rumzumachen. Du kannst mir jetzt nicht einfach Vorträge halten, weil ich etwas Spaß in meinem Auslandssemester hatte."
Luca schien mittlerweile fertig zu sein. "Ivy, alles was ich sage, scheint einfach falsch zu sein. Ich will dir einfach das Gefühl geben, dass das mit uns furchtbar geendet hat und du mir eine neue Chance gibst. Aber es ist okay, dass du das nicht willst."
"Es ist zu viel passiert, wir können nicht einfach so tun, als wäre das alles nicht passiert. Du hast mich wirklich verletzt, Luca, und ich will das Ganze nicht nochmal durchmachen", antwortete ich ihn. Anscheinend wusste er darauf nicht mehr, was er sagen sollte und ich wusste auch nicht, was ich sagen sollte und so schwiegen wir die restliche Zeit. Nach einer gefühlten Ewigkeit fuhren wir endlich in meine Station ein.
"Ivy, wenn du was machen möchtest, dann schreib mir einfach, ja", sagte er und sah mich lächelnd an, ein Lächeln, was mir früher immer sehr viel bedeutet hatte – jetzt fühlte sich alles falsch an. "Ich warte auf dich."
Ich stand auf, als die Türen, der S-Bahn aufgingen und die kalte Luft mir erneut entgegenschlug. "Luca, du kannst mich nicht abservieren, ein Jahr lang nicht mit mir reden und dann erwarten, dass plötzlich alles wieder okay ist. So funktioniert das nicht." Mit einem schwachen Lächeln gab ich ihm seine Jacke zurück und verließ die S-Bahn, ohne auf seine Antwort zu warten.
Die kalte Luft fühlte meine Lungen und es fühlte sich gut an, ihm endlich meine Meinung gesagt zu haben. In meinem Auslandsjahr hatte ich darüber fantasiert, wie diese Situation laufen würde, niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass es so ruhig von statten gehen würde. Vielleicht würde ich ihm eine erneute Chance geben, wenn er sich weiterhin so verhalten würde.
Ich fror, aber ich war trotzdem froh, seine Jacke los zu sein. Lieber würde ich frieren, als irgendetwas von Luca anzuhaben. In den nächsten Tagen sollte ich erstmal mit Layla etwas unternehmen und dann mal schauen, was mit Kira los war. In diesem Moment fühlte es sich so an, als wäre ich niemals weggewesen.
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