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Allison Miller

Es kostet mich immer noch einiges an Mühe, nicht zu weinen.

Larissa hat gelacht, als ich es ihnen gesagt habe. Sie dachte, ich mache einen Scherz, Theresa dagegen hat mir sofort geglaubt und auch gleich verstanden, warum ich gestern so abwesend war. Wir haben sehr, sehr viel geredet und es ist schon spät, aber ich wollte nicht, dass sie mich nach Hause fahren. Ich will nur raus, an die Luft und mit klar machen, was jetzt passieren muss.

Wir waren uns einig, dass ich nicht allein entscheiden kann, was mit dem Kind passiert. Zwar sollte ich die Entscheidung treffen, aber die Meinung des Vaters sollte ich mir zumindest anhören. Außerdem sollte er wissen, dass ich schwanger bin. Er hat ein Recht darauf. Ob er mir glauben wird? Ich kenne mich mit so etwas nicht aus. Ich weiß nicht, ob es Frauen gibt, die solche Dinge behaupten um etwas bei Männern zu erreichen. Im Grunde weiß ich überhaupt nichts.

Wo soll ich ihn überhaupt suchen? Vielleicht in dem Club? Allerdings hat er nicht geöffnet und es kann gut sein, dass er gar nicht von hier ist. Was, wenn er nur auf der Durchreise war und nie wieder hier her kommt? Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Schnell schließe ich die Augen und atme tief durch. Ich darf nicht weinen. Ich kann mich hier nicht einfach in Tränen auflösen und zu einem Häufchen Elend werden. Ich atme noch einmal tief durch, dann öffne ich die Augen und meine Gedanken stehen still.

Er steht dort, auf der anderen Straßenseite, an eine Hauswand gelehnt. Mit dem Handy am Ohr spricht er mit jemandem und ist einfach da, als hätte er meinen Wunsch erhört. Ob er mich überhaupt wieder erkennt? Er weiß wahrscheinlich überhaupt nicht, wer ich bin. Was soll ich jetzt machen? Ich denke nicht, dass ich bereit hierfür bin. Wären da nicht zu viele Gedanken in meinem Kopf, würde mir vermutlich auch bewusst werden, wie peinlich das hier ist. Ich habe mit diesem Mann geschlafen, ohne wirklichen Grund und jetzt begaffe ich ihn.

Er schüttelt den Kopf, dann legt er auf und sieht sich um, steckt das Handy weg. Plötzlich will ich weg laufen, mich verstecken, aber meine Beine bewegen sich nicht. Sein Blick schweift über die Straße, als wollte er sie überqueren, dann bleibt er an mir hängen. Bilde ich mir das ein oder erkennt er mich wieder?

Ohne weg zu sehen oder auf den Verkehr zu achten, überquert er die Straße, kommt direkt zu mir. Wieder flattert mein Bauch, mein Herz schlägt wild, doch diesmal ist es mehr als die bloße Anziehungskraft, welche ich zwischen uns spüre. Er ist der Vater meines ungeborenen Kindes. Wie soll ich ihm das sagen?

Er kommt auf den Bürgersteig, dann bleibt er stehen, sieht mich an. Sein schwarzes Haar sieht gepflegt und weich aus. Ich erinnere mich, dass es sich wunderbar anfühlt, wenn ich meine Hand darin vergrabe. Seine schönen, eisblauen Augen mustern mein Gesicht. Dass er mich erkennt steht außer Frage, aber was geht in seinem Kopf vor? Er wirkt ein bisschen abwesend. Woran denkt er?

>Hi<, bringe ich hervor, damit er mich nicht ewig schweigend ansieht. Himmel, bin ich nervös. Normalerweise bin ich viel ruhiger.

>Hi<, erwidert er und seine Stimme klingt wieder genauso schön, wie in dem Club. Irgendwie beruhigt sie mich und meine Schultern entspannen sich etwas. >Sind wir uns vor gut zwei Wochen im „Lights" begegnet?< Ich nicke knapp und er kommt einen Schritt auf mich zu, um ein paar Kindern Platz zu machen, die an uns vorbei wollen. Er ist plötzlich so nah. Ob er wohl auch jetzt nach Wodka und Zitrone schmeckt? Er wirkt nüchtern auf mich, also warum sollte er? >Dann muss ich mich entschuldigen<, sagt er und mustert mein Gesicht.

>Wofür?<

>Ich erinnere mich nicht mehr sehr gut an den Abend, aber ich glaube, dass ich etwas grob zu dir war.< Grob?

>Ich weiß nicht, wovon du redest. Du warst nie grob, nur ein bisschen stürmisch vielleicht<, berichtige ich ihn und kann mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Ich erinnere mich gern daran, wie er mich berührt hat. Wie er mich geküsst hat.

Er erwidert mein Lächeln, legt eine Hand in seinen Nacken, sodass sein T-Shirt an seiner Brust spannt. Ich weiß genau, wie sich sein Körper unter diesem Shirt anfühlt, aber es zu sehen, bei Licht und völlig nüchtern, lässt mein Herz höher schlagen. Wie kann jemand nur so unverschämt gut aussehen?

>Ich war mir nicht sicher, ob es so passiert ist, wie es meine Erinnerungen zeigen. Ich war nicht ganz bei mir.< Warum ist er sich nicht sicher? Er war doch weniger betrunken als ich oder täuschen mich jetzt meine Erinnerungen?

>Wir haben miteinander geschlafen, im Lager<, erkläre ich ihm leise. Ich bin garantiert rot geworden. Nun sollten allerdings all seine Zweifel beseitigt sein.

>Aber ich bin überhaupt nicht dein Typ<, sagt er ganz automatisch, lässt die Hand von seinem Nacken wieder sinken und ich starre ihn ungläubig an. Wie kann so ein heißer Mann nicht mein Typ sein?

>Woher willst du das wissen?< Sein Blick wandert von meinem Gesicht über mein weißes Top und meine kleine Handtasche zu den Jeansshorts, dann zu meinen Ballerinas. Er trägt eine Lederjacke über einem schwarzen T-Shirt und graue Jeans, dazu schwarze Sneakers und ich weiß, dass er Tätowiert ist. Der offensichtliche, äußerliche Unterschied sagt doch nicht aus, ob wir uns verstehen oder ob er mir gefällt. >Ich mag deinen Stiel und deine Tattoos. Wir müssen nicht gleich aussehen, damit wir uns gegenseitig gefallen.<

Er mustert mein Gesicht, offensichtlich grübelnd. Seine Augen sind wirklich wunderschön, besonders dann, wenn er mich ansieht. Wenn ich nicht aufpasse, rutscht es mir raus und ich sage es ihm. Das wäre sehr peinlich. Ich bin es nicht gewohnt, Komplimente zu machen oder jemandem offen zu sagen, was ich über ihn denke. Zumindest keinem Fremden.

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