Kapitel 15


"Was ist mit deiner Familie?"

Seit Jungkook diese Worte ausgesprochen hatte, ratterten die Zahnräder in meinem Kopf. Angestrengt suchte ich nach einem Weg, diesem Thema aus dem Weg zu gehen, ohne es zu offensichtlich zu machen. Ich wollte nicht über meine Familie reden. Ihm nicht sagen, dass es da niemanden mehr gab. Das ich ganz alleine auf dieser Welt war. Zumindest fühlte es sich für mich manchmal so an.

Langsam griff ich nach meinem Wasser und trank einen Schluck. Meinen Blick dabei immer noch auf den Tisch vor mir gerichtet. Ich durfte mir jetzt nicht anmerken lassen, wie schwer dieses Thema auf meinen Schultern lastete. Zu oft hatten mich die Erinnerungen an meine Eltern schon in die Knie gezwungen. Jedes mal wurde es schwerer wieder aufzustehen und weiter zu machen. Aber ich konnte auch nicht einfach aufgeben.

Unauffällig atmete ich einmal tief durch, bevor ich zu meinem Gegenüber auf sah. Mein Blick so undurchdringlich wie schon lange nicht mehr. Ich hatte all meine Emotionen hinter dieser Maske versteckt. Nie wieder sollte jemand meine Verletzlichkeit sehen können.
"Ich hab sie schon eine Weile nicht mehr gesehen.", sagte ich bemüht ruhig. Es war nicht mal gelogen. Wie sollte ich sie auch sehen wenn sie seit 5 Jahren tot waren.

Ich schluckte den Gedanken schnell herunter, da ich nicht wollte, dass er mir die Tränen in die Augen treibt. Eindringlich lagen die dunklen Augen meines Gegenübers auf mir. Als würden sie versuchen die Wahrheit aus den meinen zu lesen. Ob er sehen konnte, dass ich ihm etwas verschwieg?

Es vergingen ein paar Sekunden, die sich anfühlen wie Jahre, bis er seinen Blick abwendete und leicht nickte. Es war als würde mir eine tonnenschwere Last von den Schultern fallen, als der Rothaarige nicht weiter nach fragte. Erst jetzt begann mein Herz wieder normal zu schlagen. Ich fühlte mich, als hätte es die ganze Zeit über still gestanden. Ich war ihm mehr als dankbar, dass er scheinbar verstanden hatte, dass dies kein Thema war, über welches ich reden wollte.

"Wie wärs. Gehen wir noch ein bisschen spazieren?", lenkte er unser Gespräch in eine ganz andere Richtung. Kurz sah ich auf mein Handy, um die Uhrzeit zu checken. Es war bereits 18 Uhr durch und ich musste Morgen wieder früh im Café sein.
"Ich weiß nicht, ich muss morgen arbeiten und wir müssen noch zurück fahren.", fing ich unsicher an, doch Jungkook ließ mich gar nicht weiter reden.

"Und ich muss um 7 Uhr in der Uni hocken. Komm schon, Jimin. Nur eine kleine Runde.", bat er und sah mich mit seinen Knopfaugen an.
Aish! Wie soll man da nein sagen?!

"Na gut.", gab ich schließlich nach. Nachdem wir unsere Getränke geleert hatten und ich meinem Gegenüber noch helfen musste seinen Kuchen auf zu essen, bezahlte er die Rechnung. Ich war schockiert, als ich die Summe für die paar Sachen hörte, doch ich sagte nichts dazu. Es war mir immer noch unangenehm mich von Jungkook einladen zu lassen. Doch was sollte ich schon dagegen tun? Ich hatte nicht vor es zur Gewohnheit werden zu lassen.

~~

"Du bist echt die meiste Zeit alleine in dieser riesigen Villa?!", gab ich verblüfft von mir, nachdem Jungkook mir ein Bild von seinem Zuhause gezeigt hatte. Er hatte mich in einen kleinen Park, nahe dem Café geführt, doch welchen wir nun schon eine Weile schlenderten. Nachdem der rothaarige festgestellt hatte, dass ich über meine Familie nicht reden wollte, hatte er einfach angefangen mir von seiner zu erzählen.

"Abgesehen von den ganzen Angestellten, die sich um das Haus kümmern...ja. Aber irgendwie finde ich die zählen nicht.", meinte er locker und zuckte mit den Schultern als wäre es das normalste der Welt ein paar dutzend Angestellte im Haus zu haben.

"Meine Eltern sind genau so wie sie sich in der Öffentlichkeit geben...", fing er an weiter zu reden. Sein Blick ging dabei die ganze Zeit geradeaus. Etwas an seinem Ausdruck verriet mir, dass die Erinnerungen an die er gerade dachte, keine schönen waren.

"...engstirnig, streng, viel beschäftigt und...kalt.", zählte er auf und wurde dabei immer leiser. Ich beobachtete Jungkook stumm von der Seite. Seine Augenbrauen zogen sich kurz bedrückt zusammen. Seine wunderschönen, schokoladenbraunen Augen hatten plötzlich so etwas trauriges an sich. Überrascht und ertappt zuckte ich zusammen, als er mich plötzlich ansah und somit beim starren erwischte. Ich sah noch sein breites Grinsen, bevor sich schnell mein gerötetes Gesicht abwendete und auf meine Füße blickte.

Peinlich!

Dennoch kam ich nicht umhin, über seine Worte nach zu denken. So wie er seine Eltern beschrieb, schienen sie kein sehr enges Verhältnis zueinander zu haben.
"Das klingt nicht so, als hättest du als Kind viele Umarmungen bekommen.", stellte ich fest. Sein sarkastisches Lachen, ließ mich schließlich wieder zu Jungkook auf schauen.

"Nicht von ihnen, nein.", bestätigte er meine Vermutung.
"Seit mein Hyung ausgezogen ist...da...", setzte er an, unterbrach sich schließlich aber selbst. Ich konnte ihm ansehen, dass er ein wenig mit sich selbst rang.

"Da, was?", fragte ich vorsichtig nach. Ich wollte ihn nicht zwingen weiter zu reden, aber ihm wenigstens zeigen, dass ich ihm zuhörte. Es war wirklich komisch. Der junge Mann, der gerade so entspannt neben mir her lief, hatte kaum noch etwas mit dem gemeinsam, der mich damals in dem Club so dumm angegraben hatte. Es war, als würde ich gerade zum ersten mal den echten Jungkook vor mir haben. Und langsam glaubte ich wirklich, dass unter dieser harten, selbstbewussten und arroganten Schale, doch noch viel mehr verborgen lag.

"Ach nichts. Es ist einfach nur echt langweilig geworden.", beendete er schließlich seine Aussage. Jedoch war ich mir sicher, dass es nicht das war, was er eigentlich sagen wollte. Vielleicht würde er sich ja irgendwann sicher genug bei mir fühlen, um mir zu sagen was ihm wirklich auf dem Herzen lag. Aber für diesen Moment, erwiderte ich einfach das Lächeln welches er mir schenkte.

"Jetzt aber genug von mir! Ich rede die ganze Zeit. Jetzt bist du wieder dran.", bestimmte mein Nebenmann und sah mich abwartend an. Etwas überrumpelt blinzelte ich ihn an und überlegte, was ich ihm noch erzählen könnte. Nachdenklich sah ich in den Himmel. Wieder mal stellte ich fest, wie unspektakulär mein Leben doch war.

"Du hast was von einem zweiten Job erzählt. Was machst du denn noch?", brach Jungkook die entstanden Stille. Er war wirklich gut darin, solche Gespräche zu führen. Ihm fiel immer wieder ein Thema ein, damit eben keine total peinliche Stille entstand. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, wie oft er wohl irgendwelche Fremden anquatscht.

Ich bemerkte die kleine Mauer, der wir uns näherten und ohne groß darüber nach zu denken, stieg ich auf diese hoch. Als Kind hatte ich es geliebt über solche Mauern zu balancieren. Ich hatte diese Vorliebe nie ganz abgelegt.

"Naja...ich arbeite noch als Barista in einem Café bei mir um die Ecke.", erklärte ich ihm schließlich, während ich konzentriert auf meine Füße blickte. Die Mauer war nicht sehr breit, weshalb ich aufpassen musste und meine Arme leicht zu den Seiten ausgestreckt hatte.

Allerdings konnte ich es nicht verhindern kurz ins straucheln zu geraten. Blitzschnell hatte Jungkook nach meiner Hand gegriffen, weshalb ich inne hielt und ihn ansah. Frech grinste er mir entgegen, nicht mal daran denkend wieder los zu lassen, weshalb ich erneut rot wurde. Schnell sah ich wieder weg und wir gingen langsam weiter. Seine warmen Finger immer noch fest um meine geschlungen. Mein Herz schlug schon wieder viel zu schnell in meiner Brust und das nur wegen einer solch kleinen Berührung. Es sollte mich beim besten Willen nicht so nervös machen, er hielt doch nur meine Hand. Mit Tae tat ich dies doch ständig, es war nichts besonderes!

Zumindest versuchte ich mir das ein zu reden!

"Wie heißt das Café?", hörte ich ihn fragen. Sofort wusste ich, was er sich bei dieser Frage dachte.
"Oh nein! Vergiss es, das verrat ich dir nicht~", sagte ich sofort und blickte in sein überraschtes Gesicht.

"Damit du mir da auch jeden Tag auflauern kannst? Nix da!", sagte ich schnippisch. Es reichte mir schon, dass er ständig im Aquarium auftauchte. Als der Jüngere verstand, was ich ihm soeben unterstellt hatte fing er an zu lachen. Frei und aus vollem Herzen. Es klang so süß, dass auch mir ein kleines Kichern entfloh.
"Okay, die Message ist angekommen.", antwortete Jungkook mir amüsiert.

"Aber ich kann doch nichts dafür, wenn das meine einzige Möglichkeit war dich zu sehen.", fügte er noch in einem verführerischen Ton hinzu. Zum wiederholten male heute, brachte er mich mit seinen Worten in Verlegenheit. Ich wandte mein Gesicht von ihm ab, damit er meine roten Wangen nicht sah und kniff kurz die Augen zu. Versuchte mich damit etwas zu beruhigen. Doch was der Jüngere dann raus haute, warf mich völlig aus der Bahn.

"Es war jeden Penny wert, um deine Schönheit zu bewundern.", gab Jungkook völlig unverblümt zu. Seine Worte trafen mich jedoch so überraschend, dass ich über meine eigenen Füße stolperte und mein Gleichgewicht verlor. Panisch riss ich die Augen auf und sah mich schon auf dem Boden liegen.

Allerdings hielt Jungkook noch immer meine Hand und reagierte schnell. Er zog mich einfach zu sich, so dass ich in seinen Armen landete, anstatt auf dem Rasen. Reflexartig schlang ich meine Arme um seinen Hals, um mich fest zu halten, während er mich im Brautstil auf Händen trug.

Geschockt sahen wir uns in die Augen. Das passierte gerade alles so schnell, dass wir beide erst realisieren mussten, wie nahe sich unsere Gesichter gerade waren. Immer mehr verlor ich mich in seinen schokoladenbraunen Seelenspiegeln, welche mich so eindringlich beobachteten. Würde sich Jungkook jetzt vor lehnen, dann...

Oh Gott! Jimin, stop!

Ich ermahnte mich selbst und sah schnell weg. Wild hämmerte mein Herz vor sich hin. Jedoch machte der Blick auf Jungkooks angespannten Bizeps, das ganze überhaupt nicht besser. Dieser Moment wirkte so surreal, einfach weil er aus einem kitschigen Liebesfilm stammen könnte.

"D-Du...kannst mich jetzt...runter lassen.", stotterte ich leise. Bemerkte dabei nicht das breite Grinsen des Rothaarigen.

"Und wenn ich nicht will?", raunte er mir ins Ohr.


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Ein bisschen kitsch muss sein :D

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