8. weisse Hilfe
Nichts.
Sie sah nichts. Nur Dunkelheit. Ihr Atem ging hektischer und sie drehte sich mit klopfendem Herzen im Kreis. Hin und wieder donnerte es in der Ferne, aber keine Blitze erhellten den Himmel.
Plötzlich eine Bewegung.
Ihr Atem stockte, ihr Herz setzte für einen Augenblick aus, nur um danach doppelt so schnell weiterzuschlagen.
Sie kniff ihre Augen zusammen und schaute angestrengt in die Ferne.
Was war das?
Etwas schwebte dort zwischen den vielen Bäumen, von diesen fast ganz verdeckt und deswegen nur schlecht sichtbar.
Es war hell. Und es leuchtete.
Maene rang mit sich selber.
Sollte sie auf das Licht zugehen oder hier bleiben und auf eine Eingebung hoffen? Ihr Verstand befahl ihr, hierzubleiben, aber ihr Bauchgefühl flüsterte, dass sie in Richtung Licht gehen sollte.
Nach einem kurzen hin und her hatte ihre Intuition gewonnen, wie dies meistens der Fall war und ihre Füsse trugen sie zum Licht. Obwohl es dunkel war, stolperte Maene kein einziges Mal über eine Wurzel oder sonstige Hindernisse, die vielen Stunden, die sie im Wald verbracht hatte, machten sich bezahlt.
Bald erreichte sie die Lichtung und stand unter der Lichtkugel.
Sie schwebte über ihrem Kopf hin und her, durch irgendeine Kraft in der Luft festgehalten. Maene's Augen lösten sich vom weissen Licht und sie liess ihren Blick umherschweifen. Nun, da es um sie herum hell war, konnte sie ihre Umgebung besser wahrnehmen.
Bäume.
Kleine, grosse, dünne, knorrige, dicke und gerade standen um sie herum.
Wieso konnte die Lichtkugel hängen?
Sie fand keine Antwort darauf, zuckte mit ihren Schultern und liess ihren Blick weiterschweifen.
Plötzlich sah sie einen weiteren weissen Fleck. War das noch ein Licht?
Sie begann auf das Licht zuzulaufen, immer schneller, bis sie schliesslich rannte. Ihre Füsse stoppten unter dem Licht. Warum war hier ein zweites?, fragte sie sich und runzelte verwirrt die Stirn. Wieder sah sie sich um und erblickte ein weiteres.
Einmal tief durchatmend fasste sie einen Entschluss und rannte los, auf das neu entdeckt Licht zu und weiter, Hacken schlagend, über Baumstämme springend, an Felswänden hochkletternd und dabei das Bündel Kräuter in ihr Dekolleté gestopft, damit sie die Hände zum Klettern frei hatte.
Die dunklen Schatten der vielen Tannen flogen an ihr vorbei, wurden zu einem einzigen schwarzen Strom, die Zweige unter ihren Füssen schienen ihr aus dem Weg zu gehen und ihr Platz zu machen, wenn sie vorbeirauschte und keine Wurzel brachte sie zum Stolpern. Fast schien es, als schwebte sie durch die Luft.
Maene sah ihre Umgebung nur aus Augenwinkeln, ihr Blick war starr auf die nächste Lichtkugel gerichtet. Wohin würden diese sie bringen?, wunderte Maene sich.
Schon immer hatte sie an Magie geglaubt, während ihre Eltern sie geschimpft hatten, sie solle ihren Kopf nicht mit abergläubischen Lügenmärchen vollstopfen. Irgendwann war sie sich auch nicht mehr so sicher gewesen. Doch diese Lichtkugeln, davon war Maene überzeugt, waren magisch. Auf irgend eine Art und Weise.
Die nächste Lichtkugel schwebte zwischen ein paar Tannenästen, Maene erkannte sie erst bei wiederholtem Hinblicken. Sie rannte und stoppte auf einmal.
Ihr Mund stand offen, dann schlich sich ein fasziniertes Lächeln auf ihr Gesicht und ihre Augen waren nicht mehr länger auf das weisse Licht gerichtet.
Vor ihr war eine Lichtung. Der Mond musste sich hier nicht durch ein dichtes Blätterdach kämpfen und fiel ungehindert auf das lange Gras, das die Lichtung vollständig bedeckte. Es schimmerte silbern im Mondlicht.
Die Augen der jungen Frau leuchteten. Sie fühlte sich wie in einer Traumwelt.
Plötzlich schreckte sie zusammen. Sie hatte völlig vergessen, dass Terrivion noch immer unter einem Felsvorsprung hier irgendwo in diesem Wald liegen musste. Wo war er bloss?
Schuldbewusst kaute sie auf ihrer Lippen herum und setzte sich wieder in Bewegung. Wieder an Geschwindigkeit aufnehmend überquerte sie die Lichtung leichtfüssig und hielt nach irgend etwas Bekanntem Ausschau. Leider sahen die Bäume alle gleich aus und ihre Schultern sackten schon herab, als ihre Augen auf einmal wieder eine Lichtkugel entdeckten.
Maene lächelte erleichtert und rannte darauf zu, ihre Lockenmähne hinter ihr her wehend wie eine schwarze Flagge. Ihr zerrissenes Kleid flatterte lautlos hinter ihr, während ihre Füsse sich, ohne ein Laut zu verursachen, über den Waldboden bewegten.
Wie eine Motte folgte sie dem Licht, ihre Umgebung wieder völlig vergessend.
Immer bekannter kamen ihr die Bäume und die dazwischenstehenden Felsen vor, die als spitze Zähne aus dem Boden herausragten. Sie meinte, die Gegend zu erkennen und ihre Ahnung wurde bald bestätigt. Der grosse Felsen, der ein wenig überhing und an dem sie Terrivion zurückgelassen hatte, kam in Sicht. Maene seufzte vor Erleichterung und beschleunigte ihre Schritte noch, obwohl ihre Seite bereits wehtat und ihr Atem stossartig ging. Innerhalb von ein paar Sekunden hatte sie den immer noch Bewusstlosen erreicht und kniete leise neben ihm nieder. Die Kälte und die fehlende Versorgung hatten sein Fieber schlimmer gemacht, er glühte regelrecht und drehte sich unruhig von der einen Seite zur anderen, vermutlich von einem Fiebertraum geplagt.
Maene legte für einen Augenblick ihren Kopf schief und wog alle möglichen Optionen ab.
Dann fasste sie einen Entschluss und packte die beiden Schnüre des provisorischen Fortbewegungmittel, auf dem der Kapitän noch immer lag. Sobald sie sich in Bewegung setzte, begann dieser schmerzverzerrt aufzustöhnen, aber je länger sie unterwegs waren, desto weniger Laute hörte sie aus seinem Mund kommen.
Sie hielt hoffnungsvoll nach weissen Lichtkugeln Ausschau, aber keine erschien. Trotzdem wussten ihre Füsse genau, wohin sie mussten und sie erreichten die Lichtung endlich nach einer quälenden Ewigkeit.
Als die junge Frau endlich stehen blieb, keuchte sie heftig, ihren Oberkörper vornübergebeugt und ihre Hände auf ihren Oberschenkeln abstützend. Weisse Atemwölkchen entschlüpften aus ihrem Mund und verschwanden in der kalten Luft.
Mittlerweile ging es ihr bereits besser, aber richtig gesund war sie doch noch nicht. Sie streckte ihre schmerzenden Glieder kurz aus und wandte sich mit einem leisen Seufzer ihrem Patienten zu. Wenigstens würde sie hier nicht gescholten, niemand war hier, auch wenn jetzt eine weitere Menschenseele von Nöten wäre, dachte Maene resigniert.
Sie liebte alles, was mir Medizin zu tun hatte, am liebsten wäre sie Ärztin geworden, wenn man sie gelassen hätte. Aber das hatte man nicht. Stattdessen hatte die gesamte Gesellschaft ihr vorgeworfen, sie sei völlig falsch erzogen und sie solle sich endlich nach den Anstandsregeln verhalten und sich einen Ehemann suchen lassen. Wie oft hatte sie darunter gelitten. Aber jetzt nicht mehr.
Jetzt war sie frei.
Ein kleines Lächeln schlich sich bei diesem Gedanken auf ihr Gesicht und setzte sich dort fest, es ging für den restlichen Abend nicht mehr weg.
Es war kurz weg, als sie sich neben ihn ins hohe Gras kniete und ihm die Hand auf seine Stirn legte, aber als sie sich erinnerte, dass sie etwas gegen seinen Zustand tun konnte, kam es in Sekundenschnelle zurück.
Sie holte die bereits welkenden und ihre Köpfe hängen lassenden Kräuter aus ihrem Ausschnitt und begutachtete diese im hellen Mond, schliesslich wollte sie alles richtig machen und jedes Kraut für genau das verwenden, gegen das es am meisten half. Ein paar ziemlich grosse Blätter, ungefähr von der Grösse ihrer Hand, legte sie ihm auf Stirn und an Hals. Er war noch immer glühend heiss und völlig verschwitzt, doch seine Hände und Füsse waren eiskalt. Er würde noch schlimmer krank, unternähme sie nicht bald etwas gegen die Kälte. Zögernd erhob sich Maene wieder und lief auf den Wald zu. Sie musste irgendetwas finden, das warm hielt. Feuersteine würde sie vermutlich nicht erblicken, aber vielleicht etwas ähnliches wie ein Fell? Wasser wäre vermutlich auch noch ziemlich nützlich, schoss es ihr durch den Kopf und sie scannte ihre Umgebung mit wachsamen Augen ab.
Auf einmal hatte sie eine Idee und eilte zu den Felsen, die beinahe so gross wie die Bäume neben ihnen waren. Dort angekommen löste Maene vorsichtig das Moos vom Stein und lächelte wieder leicht, als es sich in ganzen Stücken vom Fels löste. Es war so gross wie sie selbst und würde eine perfekte Decke abgeben. Nach einigen Minuten waren die Felsen beinahe ganz von Moos befreit, während Maene die ganze Arme damit vollgepackt hatte. Sie suchte ebenfalls nach Wasser, doch sie fand keines. Das Meer war zu weit weg und einen Fluss gab es hier anscheinend keinen. Deswegen kehrte die junge Frau schliesslich zur Lichtung zurück zum Schlafenden. Dieser zitterte nun und ihr Herz zog sich bei diesem Anblick zusammen. Rasch breitete sie ein Moos über seinem Körper aus und legte ein anderes unter seinen Kopf. Fürsorglich legte sie die restlichen Kräuter ebenfalls auf seine nackte Haut an Hals, Stirn und Kniekehlen und deckte ihn noch mit einem zweiten Moos zu.
Dann endlich breitete sie ein anderes Moos auf dem Boden aus, nicht weit von ihm entfernt, packte ein kleineres, welches sie über ihren Körper zog und legte sich hin. Binnen Sekunden schlossen sich ihre Augen und sie verlor sich in ihren verwirrenden Träumen, die allesamt auf irgendeine Art mit dem Mann neben ihr zu tun hatten.
Hellooooouuu
Ich bin wieder mal fertig geworden;)
Hab eigentlich nicht viel zu sagen...oben sehr ihr die Lichtkugeln im Wald, müsst eich einfach die Hand wegdenken.
Nur ne kleine Frage: an welchem Buch soll ich mehr schreiben, an diesem oder an Hide and Seek?
Nen schönen Samstagabend
Lg louve
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