1. Flucht ins Unbekannte

Wassertropfen fanden ihren Weg auf das Gesicht der jungen Frau, die wie viele andere bewusstlos oder schlafend am Boden lag. Durch die Kälte geweckt öffnete sie die Augen und setzte sich schwerfällig auf. Verwirrt blickte die sich um. Alles war ihr unbekannt, die Menschen, die hölzernen Masten und Planken. Plötzlich wackelte der Boden unter ihr und sie war sich ganz sicher: Sie befand sich auf einem Schiff!
Sich vorsichtig erhebend fragte sie sich, wie sie hierher gekommen war. sie durchforstete ihren leicht pochenden Kopf und  für eine kurze Schrecksekunde war ihr Kopf leer. Doch dann fluteten ihre Erinnerungen zurück. Eine immer tiefer werdende Zornesfalte grub sich in ihre Stirn und sie wünschte für einen Augenblick, sie hätte diese unerwünschten Geschehnissfetzen verloren. Doch diese blieben hartnäckig in ihrem Kopf festgekrallt und ihr blieb nichts anderes übrig, als die erst kürzlich erlebten nochmal genau durchzugehen, um Aufschluss darüber zu erhalten, wie sie hierher  gekommen war.

(allwissender) Flashback:
Die junge Frau rüttelte wiederholte Male an der verschlossenen Tür und fluchte vor sich hin. Ihre Eltern hatten von aussen abgeschlossen und den Schlüssel mitgenommen, damit sie ja nicht entkam. Sie hatten ihre eigene Tochter in ihrem Gemach eingesperrt. Die Frau stampfte wütend mit dem Fuss auf und lehnte sich resigniert mit dem Rücken gegen die abgeschlossene Tür. Bitter dachte sie daran, dass ihre Eltern wieder einmal, wie schon so oft, gegen ihren Willen handelten und sie diesmal sogar einsperrten. Hatten sie denn keine Ahnung, dass ihre Tochter völlig andere Ziele im Leben hatte, als zu heiraten? Aber sie verstanden nichts von ihren Wünschen und Träumen.
Diesmal war es anders als all die Male davor. Bis jetzt war sie immer einen Kompromiss eingegangen und hatte stets ihren Kopf aus der Schlinge ziehen können. Doch diesmal hatte sie sich geweigert, sich dem Willen ihrer Eltern zu beugen und das war der exakte Grund, warum sie sich hier befand, eigesperrt, alleine gelassen und wütend wie eine Furie. Alles Aufbegehren hatte doch nichts genützt, sie würde diesen arroganten, gehirnlosen Lord doch heiraten müssen und ein Leben als brave, naive  und vor allem verblödete Ehefrau hinnehmen müssen. Dabei liebte sie es in der Natur zu sein, sie liebte es frei zu sein, sorgenlos und glücklich durch den Wald zu rasen und zu schreien wie ein kleines Kind. Sie fühlte sich selber auch noch wie ein kleines Kind, noch nicht reif genug zu heiraten und selbst die Mutter ihrer Kinder zu sein. Nun liefen ihr verzweifelte Tränen die Wangen hinab und tropften lautlos auf den Boden. Sie war sich selbst nicht sicher, ob es nun Tränen der Ebttäuschung oder der Wut waren.
Sie wollte nicht in einem kleinen Salon sitzen, sich zu Tode langweilen und zuhören, wie der Staub zu Boden fiel.
Sie wollte nicht, sie wollte nicht, sie wollte nicht.

Immer mehr bebten ihre Schultern und sie schlug ihren Hinterkopf gegen die Tür. Plötzlich kam ihr ein Gedanke und sie richtete sich aufgeregt auf. Sie konnte hier weg, sie musste hier weg. Warum hier bleiben und unglücklich werden, wenn sie auch weggehen und veruschen konnte, glücklich zu sein?Sie würde von hier verschwinden und irgendwo ein neues Leben beginnen, vielleicht in einer Stadt, vielleicht auf dem Land, einfach irgendwo. Und sie würde frei sein, das erste Mal seit langem.

Von diesem Gedanken angespornt wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht und schaute sich genau im Raum um. Das Fenster liess sich problemlos öffnen und ein neuer Gedanke fand seinen Weg in ihren Kopf. Eilig holte sie einige Bettlaken aus der kleinen Kommode neben der verschlossenen Tür und knotete sie fest zusammen, damit sie sich unter ihrem Gewicht nicht lösten. Das eine Ende befestigte sie an ihrem schweren Bett, das ganz aus Eichenholz bestand und das andere warf sie aus dem nun geöffneten Fenster. Einen kurzen, prüfenden Blick hinaus werfend schwang sie ihre Beine über den Sims und hangelte sich leichtfüssig hinunter. Klettern war schon immer eine ihrer Lieblingsaktivitäten gewesen, obwohl sie von ihrer Mutter immer gescholten worden war.

Sobald ihre nackten Füsse den erdigen Boden berührten, raffte sie ihre Röcke und rannte über den Innenhof ans gusseiserne Tor. Es war glücklicherweise nicht verschlossen und nachdem sie den Kopf prüfend nach links und nach rechts gedreht hatte, schlüpfte sie durch den kleinen Spalt hindurch auf die offene Strasse. Auf ihrem Weg dorthin traf sie niemanden, sie machte sich jedoch keine Gedanken, denn das Haus ihrer Eltern lag sehr abgelegen, am Rande des Dörfchens auf dem Hügel. Doch auch als sie den Marktplatz erreichte, war dort niemand anzutreffen.

Es war ruhig, viel zu ruhig. Misstrauisch liess sie ihren Blick durch die Gassen schweifen und  fuhr sich mit der einen Hand durch ihre braunen Locken. "Was ist hier passiert?", fragte sie sich udn liess ihren Blick über den menschenleeren Platz schweifen. Heute war Markttag und offenbar hatte er bis vor kurzem auch noch stattgefunden. Doch jetzt lagen Obstkisten auf dem Boden, ihr Inhalt zu einem Brei zermanscht, der es unmöglich machte herauszufinden, welche Frucht es einmal gewesen war. Die kleinen Buden der Händler waren alle demoliert, manche waren umgerissen worden, andere zusammengebrochen. Sie wurde immer misstrauischer. Hier war irgendetwas geschehen.

Sie zuckte erschrocken zusammen, als auf einmal ein lautes Poltern zu hören war. Es kam vom Hafen. Kurz zögerte die junge Frau noch, dann machte sie sich entschlossen auf den Weg Richtung Meer, es war sowieso ihre beste Möglichkeit zu entkommen. Sie war sich sicher, dass man nach ihr suchen würde und zu Fuss würde man sie schnell einholen. Leise lief sie durch die verlassenen Gassen, ihre nackten Füsse verursachten leise tapsende Geräusche.
Je näher sie dem Hafen kam, desto lauter wurde der Krach. Da ein Scheppern, dort ein Poltern. Ein Schrei liess ihr das Blut in den Adern gefrieren und sie erstarrte an Ort und Stelle. Sie war sich ganz sicher, dass sie diese Stimme kannte. Sie gehörte einem Mädchen namens Gwen, das immer gut gelaunt und sehr gutmütig war. Es brauchte viel um sie zum Schreien zu bringen.
Sie rannte durch die Gassen, direkt auf das haarsträubende Geräusch zu und achtete nicht mehr darauf, leise zu sein. Schliesslich erreichte sie den Hafen und verlangsamte ihre Schritte. Sie sah bereits die Segel der Schiffe, die im Hafen angelegt hatten und sie konnte mit Sicherheit sagen, dass sie das eine Schiff, welches sie gerade erblickte, noch nie vorher gesehen hatte. Das Schreien hielt immer noch an und unbewusst trat die junge Frau  Schritt für Schritt aus der dunklen Gasse hervor, durch die sie gekommen war, ihren Blick fest auf ihre noch immer schreiende Freundin gerichtet, die sie nun gefunden hatte.

Deren Augen schwirrten hilflos umher, während ein grunzender Mann hinter ihr stand und in sie eindrang. Die junge Frau erstarrte für einen kurzen Augenblick, dann schoben sich ihre Augenbrauen zusammen und ein fuchsteufelswilder Gesichtsausdruck beherrschte ihr Gesicht. Sie hatte genug gesehen, raffte ihre Röcke und rannte auf die Schreiende zu. Es war ihr egal, ob sie gesehen wurde oder nicht, denn in ihr war gerade ihr Löweninstinkt wach geworden, der sie dazu brachte für alles und jeden einzustehen. Sie konnte nicht einfach zusehen wie ihre Freundin vergewaltigt wurde, dafür war sie zu mutig und zu temperamentvoll. Sie näherte sich mit fliegenden Schritten und riss den Mann mit einem Ruck von seinem Opfer herunter. Sie trat ihm voller Wut in seine immer noch entblösste Männlichkeit, worauf er gepeinigt aufschrie und damit sämtliche Aufmerksamkeit auf sie lenkte. Doch die junge Frau bemerkte dies nicht, ihre einzige Sorge galt ihrer zitternden und blutenden Freundin, die leise vor sich hinschluchzte. Beruhigend nahm sie diese in ihren Arm und sah nicht, dass mehrere Männer sich hinter ihrem Rücken näherten, ihre Augen lustvoll und ihre Muskeln angespannt. Mit einem Sprung erreichte der erste sie und riss sie zu Boden. Zur Überraschung aller schlug sie ihrem Gegner jedoch ins Gesicht, wälzte sich schnell unter ihm hinweg und stand kurz darauf vor Wut zitternd wieder auf ihren Beinen. Ihre Gegner waren nun aufmerksamer und sich der Tatsache gewahr, dass sie sich nicht kampflos ergeben würde. Sie schlichen alle um sie herum wie Raubkatzen, die ihre Beute bereits gefunden hatten und nun überlegten, wie sie diese am besten zur Strecke brachten.
Die junge Frau war nun völlig auf die Männer vor ihr fixiert, sie hatte nicht bemerkt, dass sie auch die Aufmerksamkeit eines weiteren Mannes erregt hatte, der sich auf Samtpfoten hinter ihrem Rücken an sie heranschlich. Als er sie beinahe erreicht hatte, schrie ihre Freundin entsetzt: "Maene, pass auf!", doch es war zu spät.

Die junge Frau drehte sich zwar rasch zu ihrem neuen Gegner um, sodass ihre Locken durch die Luft flogen und tanzten, doch es war zu spät. Sie sah gerade noch wie eine Faust auf sie zukam und ihre Schläfe traf, dann verlor sie ihr Bewusstsein und ihr wurde schwarz vor Augen. Der Mann hinter ihr fing sie sanft auf, damit ihr lebloser Körper nicht auf den Boden prallte. Er warf einen Blick auf ihre schreiende Freundin und blickte wieder zu ihr hinab, direkt in ihr Gesicht. Er fand keine Worte, um es irgendwie zu beschreiben, genau wie der Rest von ihr.
"Maene also...", murmelte er und ein komisches Gefühl befiel ihn, er konnte es nicht benennen. Aber er wollte sich nicht den Kopf darüber zerbrechen und hob sie vorsichtig hoch.
So trug er sie auf sein Schiff, stets darauf achtend, dass sie nirgends anstiess und legte sie sorgfältig auf einen Mehlsack in der Vorratskammer. Dann wies er einen seiner Männer an, sie zu den anderen Gefangenen zu bringen, sobald sie aufgewacht war, liess seine Männer sämtliche Schätze auf sein Schiff schaffen und legte ab.

Maene wachte mit starken Kopfschmerzen auf. Sie griff sich stöhnend an den Kopf und richtete sich auf, als ein Matrose in den Raum platzte. Sofort ging sie in Abwehrhaltung, bereit sich bis auf's Letzte zu verteidigen, aber er packte sie bloss am Arm und führte sie wortlos zu den anderen Gefangenen, wie sie kurz darauf herausfand. Sie kannte keinen, niemand aus ihrem Dorf war dabei, fremde Gesichter blickten ihr resigniert entgegen. Niemand sprach ein Wort, auch die Stunden danach waren schweigsam. Stirnrunzelnd bemerkte die junge Frau, dass sich Wolkenberge am Himmel auftürmten. Sie legte den Kopf in den Nacken und hätte beinahe aufgeschrien, als ein Regentropfen ihr Gesicht traf. Dann schalt sie sich selber für ihre Schreckhaftigkeit. Sie war schon komisch, wegen einem Bären schrie sie nicht, wegen einem Regentropfen schon, dachte sie sich und schüttelte den Kopf.
Immer mehr Regentropfen fielen auf das Deck herunter und der Wind blies stärker, während grelle Blitze über den Himmel zuckten. Die Matrosen hatten Mühe das Schiff auf Kurs zu halten, oft kam es den Felsen gefährlich nahe, es wurde von den Wellen und dem Wind hin- und hergeschubst wie ein Papierschnipsel. Ein grosser, gut gebauter Mann stand auf dem Oberdeck und bellte Befehle in die Nacht. Maene verdrehte die Augen, sie mochte es nicht, wenn jemand seine Macht ausnutzte und andere quälte, doch sie musste zugeben, hier war es notwendig. Ein paar der Matrosen zwangen die Gefangenen sich zu erheben und ins Innere des Schiffes zu laufen, als plötzlich eine heftige Welle das Schiff in Schräglage brachte. Einige der Gefangenen schlitterten über Bord und verschwanden in den tosenden Wellen. Die junge Frau zwang sich dazu nicht hinzuschauen. Zusammen mit einigen anderen hatte sie es bereits unter Deck geschafft. Sie zitterte am ganzen Leib, es war kalt und ihre Kleidung triefte von dem ganzen Wasser. Doch als schliesslich alle Gefangenen unter Deck waren, hatten die Matrosen keinen Platz mehr und einige mussten wieder raus, darunter auf die junge Frau. Aufseufzend legte diese sich auf die harten Planken und hob sie ihren Blick hinauf zu den Sternen.
Sie dachte daran, dass ihr der Zufall eigentlich gar nicht so sehr verhasst war, schliesslich hatte er sie von zu Hause weg hierhin auf's Meer in ein neues Leben gebracht. Vielleicht würde es gut werden.
Vielleicht.
Nach einigen Stunden legte sich der Sturm ein wenig und Maene schlief aus lauter Erschöpfung ein.

Ende Flashback

Maene richtete sich schwerfällig auf. Jeder Knochen tat ihr weh, aber sie schaffte es dennoch, sich zu erheben. Als sie endlich auf wackeligen Beinen stand, schaute sie sich um. Überall auf dem Deck verteilt lagen schlafende Männer, auf ihrem Weg zur Reling musste sie über unzählige klettern und betete bei jedem inständig, dass er nicht erwachte.
Endlich erreichte sie schliesslich ihr Ziel und umfasste das noch immer nasse Geländer mit beiden Händen. Mit ausdruckslosem Gesicht schaute sie hinaus auf die ruhige See, doch sie wusste, dass die friedliche Stimmung täuschte. Erst wenn sie ihr wahres Gesicht zeigte, konnte man sie richtig einschätzen. Trotzdem liebte sie das Meer gerade deswegen, weil es unberechenbar war. Genau wie das Leben. Es nahm unerwartete Wendungen, die beides sein konnten, gut oder schlecht. Ihre Locken aus dem Gesicht streichend und in die aufgehende Sonne blinzelnd fragte wunderte sich die junge Frau, welche Wendung ihr Leben diesmal nehmen würde.

Hallo ihr Lieben
Hier ist das 1.Kapitel von Unexpected Twists, ich hoffe, es gefällt euch. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was in Maene's Vergangenheit geschehen soll, ich denke, ich werde noch die eine oder andere Sache hinzufügen.
Wenn euch das Kapitel gefallen hat, dann votet und kommentiert bitte, ihr dürft mit natürlich auch gerne folgen:)
Lg louve
PS: oben sehr ihr Maene's Kleid, spätestens auf dem Schiff sollte es aber um einiges zerrissener und dreckiger sein..:)

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