35: Planung, Lachflash und Gefühle

"Wie bitte?!" Entsetzt sahen mich Leo und Sofia an. Ich nickte ernst. Wir waren mittlerweile wieder im Internat und hatten uns in unserem Zimmer getroffen.
"Glaubt's oder nicht, aber das habe ich gehört."
"Wie schrecklich", hauchte Sofia.
"Du sagst es!"
"Du hast Franco einfach alleine nachspioniert!?", war Leo an der Reihe. Ich verdrehte die Augen und stemmte meine Hände in die Hüften.
"Kannst du dich nicht einmal darüber freuen WAS ich herausgefunden hab und nicht WAS ich möglicherweise aus deiner Sicht falsch gemacht habe?", fragte ich und erinnerte mich an den einen Abend, wo er mich fast das selbe gefragt hatte.
Seine Gesichtszüge wurden lockerer. Warum musste er immer alles so dramatisieren?

"Wir müssen sie abpassen, wenn sie Roberta bringen", meinte Sofia.
"Aber wie?", fragte Leo Sofia, die bloß mit den Schultern zuckte. 
"Mh-mh", schüttelte ich den Kopf. "Wieder zu einfach gedacht." 
"Dann schlag doch was besseres vor, Sherlock!"
"Denk doch mal nach. Wie würde das genau ablaufen, wenn sie sie bringen? Hm?", fragte ich in die Runde. Man musste einfach nur den Plan vor Augen setzen und so konnte man seinen eigenen machen. Das meiste kam dann zwar auch spontan, aber dass mussten meine Freunde ja nicht wissen. 

"Ihnen ist Roberta sehr wichtig, da sie ein gutes Druckmittel gegen ihren Vater ist, der ein ehemaliges Mitglied war", meinte Leo.
"Na ja, so gut nun auch wieder nicht, wenn er bis jetzt noch nicht bezahlt hat...ich meine, es sind schon bestimmt zwei Wochen vergangen, seit sie verschwunden ist", warf Sofia ein.
"Mag sein, aber das bestimmt nur, weil er weiß wie die ticken, wenn er auch bei der Aifam war", sagte ich. "Aber zurück zu dem, was Leo gesagt hat. Roberta ist ihnen wichtig, was bedeutet, sie werden Sicherheitsleute haben, wenn sie sie bringen." 
"Schon klar. Doch sie wollen sie in einen Raum im Keller eines Altersheims bringen...denkt ihr, das fällt ihnen so schwer?", fragte Sofia.  
Leonardo zuckte mit den Schultern. "Warum nicht? Die Menschen sind vielleicht alt, aber nicht blöd. Wenn sie sehen, dass ein fünfzehn- bis sechzehn-jähriges Mädchen wahrscheinlich gefesselt von vielen starken, grimmig guckenden Wachen in den Keller geschleppt wird, dann denken die bestimmt, dass da was nicht ganz passt. Es gibt zwei Arten von alten Leuten: manche LIEBEN Kinder und andere HASSEN Kinder. Also wird irgendwer wohl was anmerken."
"Okay okay!", sie hob ihre Hände abwehrend in die Luft. "Hab's ja verstanden! Ich sag nichts mehr, macht ihr den Plan! Alex kann sowas eh besser und ich verstehe echt nicht, wie sie es schafft immer so zu denken, dass es alles passt."
Ich grinste. "Bleib cool. Wir wurden halt schon in diesem Gebiet unterrichtet, du noch nicht, aber das kommt noch, irgendwann entwickelt man halt die Fähigkeit, alles mögliche zu denken und zu verknüpfen, bis es einen sinnvollen Plan ergibt."
"Wobei Alex das beste Beispiel ist, nicht wirklich die besten Pläne zu haben", warf Leo ein und sah mich wissend an.
"Hey! Wer hat denn bitte alles über Robertas Verfrachtung und Tommasos falscher Identität herausgefunden?", sah ich ihn abwartend und leicht empört an.
"Na gut, eins zu null für dich, doch zuvor hast du dich von Jessica und Carlo einsperren lassen UND dich verletzt...mal wieder. Eins zu eins."
"Aber ich hab au-"
"Okay stop! Ihr seid schlimmer als ein altes Ehepaar! Das kann man ja nicht mehr aushalten!", ging Sofia dazwischen. "Warum ist an dem Spruch Was sich liebt das neckt sich nur so viel wahres dran?", murmelte sie kopfschüttelnd.

Ich schielte zu Leonardo rüber und erwischte ihn dabei, wie er ebenfalls zu mir sah. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht lächeln zu müssen, weil Sofia eigentlich sowas von Recht hatte. Seine Augen funkelten mich an und ich hätte sie stundenlang anschauen können, doch ich realisierte, dass wir keine Zeit hatten und nicht alleine waren. Ich schüttelte meinen Kopf ganz kurz einmal und sah wieder zu Sofia.
"Ehm...also...wo waren wir?" Sie sah mich mit einem dieser Ich-weiß-alles-Blicke an und sagte schließlich: "Der Plan. Roberta. Wie lauten?"
"...eh...stimmt..." Ich überlegte kurz, bis mir meine Idee wieder einfiel. Ich wüsste gerne, wie Leo gerade schaute, doch ich musste mich jetzt konzentrieren und beherrschen und nicht wieder zu ihm sehen. Das brachte mich zu sehr aus dem Konzept.

Ich schloss meine Augen und fing an zu reden. "Wir müssen uns schon vorher den Raum anschauen und uns entweder dort verstecken oder ihn nicht zugänglich für morgen Abend machen."
"In wie fern? Und....warum hast du deine Augen zu?", fragte Sofia sichtlich verwirrt. Ich antwortete allerdings nur auf ihre erste Frage.
"Sie werden Wachen vor den Raum stellen, wenn nicht sogar eine Kamera im Raum haben. Wenn wir bereits drinnen sind, dann brauchen wir uns nicht an den Wachen vorbeischleichen; wenn dort wirklich Kameras sind, dann können wir schon vorher herausfinden, in welchem Winkel sie tot sind oder sie extra verstellen, das wäre dann ein eher spontaner Teil, man kann halt nicht alles vorher planen.
Zweite Variante wäre, den Raum nicht zugänglich zu machen. Bedeutet, wir machen ihn chaotisch, sodass man ewig braucht ihn wieder aufzuräumen, oder wir verbarrikadieren ihn, sodass man erstmal nicht rein kommt oder wir fluten den Keller oder keine Ahnung! Das wäre auch spontan, weil wir nicht wissen wie's da unten aussieht. Hab ich alles?", fragte ich mich selbst. Kurz murmelte ich etwas vor mich hin. "Ja, dass müsste alles sein." Ich öffnete meine Augen wieder.

Ich starrte in zwei teils leicht geschockte, anerkennende oder verwirrte Blicke.
"Wie kommt man nur auf sowas?", fragte Sofia fassungslos.
"Was sollte das mit deinen Augen?", fragte Leo nur und sah mich mit gerunzelter Stirn an.
"1. Übung macht den Meister!
2. Ich wäre zu abgelenkt gewesen, wenn ich dich ständig angesehen hätte", wandte ich mich an ihn. Er fing an leicht zu grinsen, als er realisierte, dass er daran Schuld war, wenn ich mich nicht konzentrieren konnte.
"Oh my Gosh! Bitte nicht schon wieder!", seufzte Sofia. "Kannst du deine Augen nicht für immer schließen?" Ich fing an zu lachen.
"Wer hat am Anfang denn ständig davon geredet, sich Amadeo Galeotti zu schnappen?" Sie schlug mir auf den Arm und wurde etwas rot, was mich nur noch mehr zum lachen brachte und Leo interessiert nachfragte: "Ach, so ist das, ja?"
"Lia steht auf ihn! Nicht ich!"
"Hahah! Oh doch! Und wie ihr alle auf ihn abgefahren seid!" Ich musste mich mittlerweile an einer Wand abstützen, weil ich nicht mehr vor lachen konnte. Es war gar nicht mal so lustig, doch ich hatte einen Lachflash und diese konnte man echt nur schwer stoppen!
"Heißt das, du auch?", fragte sie mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck. Ich nahm es ihr nicht übel.
"Machst du Witze! Ich hab doch nie von ihm geschwärmt!"
"Vielleicht heimlich...schließlich seid ihr jetzt ja auch...also...seid ihr überhaupt zusammen oder so?", fragte sie nun neugierig und verwirrt zugleich. Mein Lachen verstummte langsam und ich sah zu Leonardo. Ganz ehrlich...keine Ahnung.  

"Öhm...ich denk mal..."
"...so kann man's auch bezeichnen", beendete Leonardo meinen Satz und lächelte darauf verlegen. Jaaa....unangenehm. Ich wechselte schnell das Thema, zumindest halb.
"Also, ehrlich gesagt fand ich ihn am Anfang wirklich doof und zu arrogant!" Er sah gespielt empört zu mir.
"Wie bitte? Warum denn?"
Ich grinste. "Du hast ständig behauptet, dass Jungs besser wären als Mädchen und das konnte ich nunmal nicht ab. Ich hasse das, wenn das jemand behauptet!"
"Ach ja....stimmt ja....am Anfang hab ich mich wirklich nicht gut benommen. Sorry." Ich warf ihm eine gespielt übertriebene Kusshand zu, da ich immer noch an der Wand stand und er fast mitten im Raum. "Jetzt hab ich dich doch lieb."
"Da bin ich ja beruhigt", schmunzelte er.

In meinem Bauch breitete sich ein unglaubliches Gefühl aus. Ein wunderbares Kribbeln, was sich aber sehr gut anfühlte und meinen ganzen Körper entspannen ließ. Ich lächelte zufrieden vor mich hin. Wir waren also Freund und Freundin.

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