33: Alleingang
Ich atmete nochmal tief durch, sah auf meine bereits leicht schwitzige Hand an der Klinke und...
Plötzlich wurde die Klinke hinunter gedrückt. Dabei machte ich doch gar nichts!
Erschrocken drückte ich von unten an die Klinke, damit niemand mehr die Tür öffnen konnte. "Hey! Wer ist da? Lass uns raus!", wurde gegen die Tür gehämmert. Das war Nina. Ich meine, Jessica. Sie waren also wirklich da drinnen, doch nun wollten sie raus und ich saß fest. Wenn ich los ließ, sahen sie mich so oder so, weil ich nicht so schnell abhauen konnte. Wenn ich hier blieb, brachte es mir auch nichts, da ich sie doch nicht ewig dort einsperren konnte.
Hektisch nahm ich mein Handy raus, schrieb eine Nachricht an Leo, doch hier unten gab es keinen Empfang, deswegen sendete diese nicht. Mist!
"Das ist nicht witzig! Macht dir Tür auf!", sagte nun Carlo wütend. Er versuchte ebenfalls die Klinke hinunter zu drücken. Da er stärker war, schaffte er es auch. Er stieß die Tür mit seiner Kraft auf und ich fiel nach hinten. Kurz verzerrte ich mein Gesicht vor Schmerz und als ich dabei war aufzustehen, wurde ich wieder runter geschubst.
"Was ein Gentlemen", meinte ich bloß.
"Egal wie scheiße deine Lage ist, du hast immer eine große Klappe, oder?" Carlo und Jessica sahen auf mich herab.
"Warum bist du uns gefolgt?", fragte Jessica. Neben ihrem Bruder fühlte sie sich sicherer, stärker. Dabei würde ich sie glaub ich schlagen können, wenn wir in einem Eins-gegen-Eins-Kampf wären.
Ich sagte nichts.
"Antworte!"
Ich sah sie weiterhin nur an.
"Wir haben dich was gefragt! Du bist alleine und wir zu zweit! Also würde ich mir überlegen, was du tust!" Weiterhin sah ich sie von unten nur provozierend an.
"Na schön. Du wolltest es so." Carlo fasste mich an den Armen und zerrte mich auf die Füße. "Letzte Chance, Alexandra." Lustlos, böse, provozierend und mit einer Augenbraue oben sah in sein Gesicht. Er war gar nicht mal so hässlich, aber von innen umso mehr.
In meinem Mund sammelte sich die Spucke, da ich nicht mehr schluckte. Bevor er wieder etwas sagen konnte, spuckte ich ihm ins Gesicht. Sofort schlug er mich und Jessica hörte ich kurz aufschreien.
"Du bist zu frech!", meinte er und schubste mich in den Raum, den er dann abschloss. Woher hatte er einen Schlüssel für einen Raum im Keller?!
"Sieh zu, wie du hier unten versauerst! Finden wird dich so schnell keiner", lachten sie und ich hörte, wie sie sich entfernten. Uff...na super.
Ich sah mich ein wenig in dem Raum um. Es gab nicht viel hier, nur Kartons stapelten sich bis unter die Decke. Ich setzte mich zwischen zwei große Umzugskartons und da ich wohl nichts besseres zu tun hatte, erschienen wieder meine zwei besten Freunde (haha! Sarkasmus...wie wir dich doch lieben!)
☆Siehst du! Wärst du mal umgekehrt!
♤Wärst du mal nie hier runter gekommen!
☆Hä?! Hattest du eine Hirnwäsche oder so?
♤Nein. Du?
☆Wer hat denn gerade-
♤Ich mein ja nur. Hätte sie uns vorher gefragt, hätte ich ihr diesen Unsinn aus dem Kopf getrieben.
☆Wer's glaubt! Du hättest sie doch dazu ermutigt nach unten zu gehen!
♤Woher willst du das denn wissen?
☆Du wolltest doch, dass sie da reingeht! Jetzt siehst du den Mist!
♤1. Wenn sie schon mal unten war...und 2. Sie wurde reingeschubst und ist nicht von alleine reingegangen!
☆Kein Wunder, dass das Kind so viele Flausen im Kopf hat!
♤Wenn du deine Locken auch überall liegen lässt, wenn du sie dir schneidest...
☆Hör doch mal auf! Du bist genauso wie sie!
♤Ach ne! Auch schon gemerkt, du beflügeltes Genie? Zufällig sind wir das beide, weil wir in ihrem Kopf herumspuken!
Ich hatte meine Knie angezogen, meine Ellenbogen darauf abgestützt und meinen Kopf auf meinen Händen liegen. Warum war ich so überzeugt gewesen, hinunter zu gehen? Ich hätte oben wirklich auf meine beiden inneren Stimmen hören sollen oder sie zumindest kurz fragen sollen. Nicht 'mal von denen lass ich mir helfen! Jetzt verzweifele ich schon in Selbstmitleid! Schrecklich!
"Was ist nur los mit mir?", murmelte ich vor mich hin.
☆Du bist verliebt...
♤Verlobt...
◇Verheiratet!
☆Wer ist das denn?!
♤Mein Zwilling!
☆Quatsch!
Ich war sogar so verzweifelt und zerstört im Kopf, dass ich mir einen Zwilling für den Teufel ausdachte? Ich musste hier raus! Und zwar schleunigst! Womöglich fing ich sonst noch an mir Kartonfreunde zu basteln. Gruselig!
Ich sah mich um, doch es gab hier gar keine Fenster. Irgendwoher musste doch frische Luft kommen. Ich schob Kartons zur Seite und zum Vorschein kam wirklich ein kleines Fenster, aber ganz oben. Grmpf!
Nun schob ich mir die Kartons so, dass ich auf diese steigen konnte. Hielten die mich überhaupt? Vorsichtig kletterte ich auf einen drauf und er schien zu halten, also kletterte ich auf den nächsten und wieder nächsten. Es war ein wenig wacklig, doch wenn ich mich nicht allzu sehr bewegte dann ging das.
Dann war ich am Fenster und musste leider feststellen, dass dort Gitter von außen vor waren. Außerdem konnte ich nicht ganz verstehen, wo das Fenster hinzeigte.
Ich versuchte vorsichtig mein Handy hinaus zu holen. Vielleicht war hier oben ja Empfang. Die Kartons wackelten dabei gefährlich.
Es zeigte mir einen, maximal zwei Striche an, doch das reichte. Schnell schrieb ich Sofia. Sollte ich auch Leo schreiben? Er wird mir sowieso eine Standpauke halten und dann streiten wir uns wieder und dann küssen wir uns wieder und so schlecht war das letztendlich doch nicht, wenn wir uns stritten. Sofia würde ihm eh Bescheid geben, also schrieb ich auch ihm kurz. Ich steckte mein Handy wieder vorsichtig weg und legte meine Hände an die kurzen Gitterstäbe. Ich rüttelte ein wenig daran, doch es war natürlich nicht möglich, hier raus zu kommen.
Normalerweise waren solche kleinen Fenster auf dem Boden doch voller Dreck, Spinnenweben und so, doch dieses hier komischerweise nicht.
"Das bedeutet doch..." Ich nahm wieder mein Handy zur Hand und machte die Kamera an. Danach steckte ich eine Hand zwischen den Stäben hindurch und sah mir an, was sich dort genau befand. Das Fenster landete gar nicht draußen, sondern irgendwo im Internat.
"Hallo?! Ist da jemand!? Kann mir vielleicht mal jemand aus diesem ungemütlichen, kalten Raum helfen?!", rief ich. Leider war dieser Teil anscheinend nicht sehr belebt. Okay eigentlich gar nicht. Bestimmt ein Flur in der Schule....im Internatsteil wären wohl mehr Leute.
Ich sah weiterhin nach draußen und hoffte, dass meine Freunde bald mal kamen. Ich war eigentlich schon lange genug weg und mit meiner Nachricht müssten sie doch sofort hier hin geflitzt sein.
Auf einmal hörte ich jemanden an der Tür. "Alex? Bist du da drin?"
Ich drehte mich zur Tür. "Ja! Bitte holt mich endlich aus diesem kleinen, kalten, langweiligen, irre werden lassenden Raum raus!"
"So schlecht scheint es dir ja nicht zu gehen, wenn du immer noch Witze reißen kannst!"
"Du hast ja keine Ahnung!"
Ich hörte, wie sie an der Tür herumprobierten und für mich war die Zeit gekommen, von meinem Karton Mount Everest zu steigen. Vorsichtig wie zuvor setzte ich einen Fuß auf den unteren Karton. Dieser hielt allerdings nicht mehr und die Seite brach durch.
"Aah!", schrie ich kurz auf. Jetzt wackelte alles ganz schön und als meine Hände abrutschten, fiel ich rückwerts auf die Kartons und landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden. Mein Gesicht war schmerzverzerrt und ich stöhnte auf.
Bald darauf öffnete sich auch schon die Tür. "Oh Gott, Alex! Alles in Ordnung?", fragte Sofia besorgt.
"Seh' ich etwa so aus?", fragte ich zwischen zusammengepressten Zähnen halb stöhnend hervor.
Beide knieten sich neben mich und ich versuchte mich aufzusetzen, doch blieb sofort liegen, als mich ein Schmerz durchfuhr. "Was hast du nur wieder gemacht?", fragte jetzt Leonardo, teils besorgt, teils sauer.
"Ich wollte wissen, warum Jessica und Carlo hier runter gegangen sind."
"Was!? Du hast doch versprochen, dass du nichts alleine tust!"
"Versprechen sind da, um sie zu brechen."
"Wer sagt denn so ein Quatsch?"
"Das kleine Teufelchen." Jetzt sahen mich beide ein wenig verstört an.
"Hast du dir den Kopf zu stark gestoßen?", meinte Sofia. Ich schüttelte diesen so gut es ging.
"Ich hatte einige Diskussionen mit dem Engelchen und dem Teufelchen...keine Ahnung was mit mir los ist."
"Hast du dir denn weh getan? Was ist überhaupt passiert?", fragte Leo wieder.
"Bin von den Kartons gefallen, die ich gestapelt hatte, um ans Fenster zu kommen."
"Du bist verrückt....einfach unglaublich", flüsterte Leo.
"Das sagst du irgendwie ziemlich oft, weißt du das?", grinste ich ihn an.
"Wenn du immer in solche Situationen gerätst, dann kann man auch nichts anderes dazu sagen."
"Hasst du mich jetzt?", fragte ich gerade heraus. Ich war selbst verblüfft über meine Frage und Leo anscheinend auch.
"Alex...ich bin vielleicht nicht sehr erfreut über die Tatsache, dass du Jessica und Carlo alleine nachspioniert hast und die wiedermal verletzt hast, aber ich könnte dich nie hassen. Vielleicht bin ich ein wenig enttäuscht oder sauer od-"
"Okay, okay! Das reicht mir!" Er lächelte und ich musste automatisch auch lächeln.
"Könntet ihr mir jetzt irgenwie auf die Beine helfen? Alleine schaffe ich es nicht."
"Klar." Leo packte mich unter den Armen und zog mich vorsichtig hoch. Es tat weh, doch ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Anscheinend klappte es nicht sonderlich gut.
"Du kannst ruhig Schmerz zeigen, Alex. Das macht dich nicht schwächer", flüsterte mir Leo ins Ohr.
"Ich fühle mich dann aber schwächer und das ist nicht so meins", flüsterte ich zurück. Er schüttelte grinsend den Kopf.
Als ich auf den Beinen stand, versuchte ich alleine zu laufen, doch es tat zu doll weh, also stützten mich beide.
Das wird Rache geben, Carlo! Darauf kannst du Gift nehmen!
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