20: Kompliziert

Nachdem wir uns wieder von einander gelöst hatten, machten wir noch aus, dass dies hier keiner erfahren sollte. Da waren wir uns wenigstens einer Meinung.
"Es...es wäre unvorteilhaft gegenüber Lia und den anderen Mädels. Wir wollen ja nicht auffallen, stimmt's?", sagte ich und lächelte ihn schwach an.
"Sehe ich auch so. Wir machen weiter wie bis her, als wäre einfach nichts passiert", bestätigte er mir mit einem Nicken. Bevor wir gingen, fragte er mich noch mit einem Grinsen: "Und? So schlimm abgeschleckt und vollgesabbert zu werden?" Ich verdrehte nur lachend die Augen.
Danach gingen wir wieder nach oben. Wie fast von automatisch ging ich zu meinem Zimmer, doch immer dachte ich an Leonardo. Wir hatten uns also endlich geküsst. Endlich gestand ich mir ein, dass ich in ihn verliebt war, wobei dies eher plötzlich kam. Fast schon überraschend. Für mich war es ein völlig neues Gefühl, doch es gefiel mir. Sehr gut sogar.

Ich bemerkte nur in Abwesenheit, wie ich mich auf mein Bett zu bewegte und mich setzte. Dann ließ ich mich nach hinten fallen und starrte an die Decke. Meine Gedanken aber waren immer bei Leonardo. Er hatte mir wirklich den Kopf verdreht, wie man so schön sagte.
Ich spürte wie sich das Bett senkte und setzte mich auf. Leana saß vor mir und lächelte.
"Na, hast du dein Armband?"
"Mein Armband?", fragte ich verwirrt nach.
"Ja, das, welches du im Speisesaal vergessen hast und holen wolltest."
"Ach, mein Armband! Ja...also...nee...habe es leider nicht gefunden, aber egal, war nicht so bedeutend."
"Komm schon, Maria. Sag mir, was wirklich los ist", forderte sie mich auf und hob eine Augenbraue hoch.
"Ich weiß nicht, wo von du redest." Ich verschränkte meine Arme vor der Brust.
"Mit welchem Jungen hast du dich gerade getroffen?", fragte sie direkt und ich erstarrte.  
"Jungen? Ich hab doch mein Armband-"
"Ich bitte dich. Du kamst wie in Trance hier hinein spaziert und hast in Gedanken versunken an die Decke gestarrt. Dann erzähl mir nicht, dass eben nichts passiert ist!"
"Vielleicht bin ja gar nicht ICH verliebt...sondern DU!" Innerlich klatschte ich mir gegen die Stirn. Das war ja mal so auffällig. 
Leana lächelte nur. "Habe ich denn etwas von verliebt sein behauptet?"
"Ehm..."
"Schritt 2", meinte sie plötzlich und ich verstand nicht ganz.
"Was?" Verwirrt sah ich sie an.  
"Schritt 2: Ins Lächerliche ziehen."
"Ja, okay...vielleicht hast du ja doch recht...vielleicht bin ich ja in jemanden verliebt, aber dann würde ich es nicht ganz bemerken!" Ich musste hier irgendwie aus der ganzen Sache rauskommen, doch ich schien mich nur noch weiter darin zu verstricken.

"Oho! Schritt 3! Teilweises Einsehen. Du bewegst dich ja in schnellen Schritten!"
"Ach Leana!", seufzte ich, musste dann aber lächeln. Eigentlich hatte sie ja recht, aber ich musste aufpassen mich nicht zu verplappern.
"Na komm, lass uns schlafen gehen und du kannst von deinem Traumprinzen träumen", zwinkerte sie. Und sie hatte recht, ich träumte schön, zumindest teilweise...

Ich lief Hand in Hand mit Leonardo durch den Park. Es war schönes Wetter, die Vögel zwitscherten. Wir lachten viel und zwischendurch drückte er mir ein Kuss an die Schläfe. Es war total schön, idyllisch und ruhig, bis...
"AAAAAH!"
Wir jemanden schreien hörten. Sofort liefen wir dort hin, wo die Schreie herkamen und entdeckten ein Mädchen, das gerade gekidnappt wurde. Das Mädchen war Roberta Federica Barone! Schnell rannten wir auf sie zu, doch die Entführer bemerkten dies und wurden schneller. Roberta versuchte sich zu wehren, was nur darauf hinauslief, dass sie eine Ohrfeige kassierte. Warum taten die Entführer ihr etwas an? Wenn sie ihren Vater doch erpressen wollten, dann müssten sie ihm doch eigentlich nur drohen, ihr etwas anzutun und wenn er bezahlen würde, dann würde ihr nichts passieren. Also wozu sie schlagen, wenn ihr "Gewinn" sozusagen verschlechtert wurde? 

Wir rannten ihnen hinterher und holten sie ein. Schnell schnappte sich Leonardo Roberta, als ich die beiden Kidnapper mit einem Ast, den ich auf dem Weg gefunden hatte, zu pieken begann. Sie waren so kitzelig, dass sie anfingen zu lachen und sie frei gaben. Wie es nicht anders kommen konnte, teilte sich der Gehweg plötzlich und ich musste nach links laufen, während Leonardo und Roberta nach rechts liefen. Schnell bemerkte ich, dass die Entführer nun hinter mir her waren und mich auch einholten. Beide packten mich und hoben mich an, so dass ich den Boden nicht mehr mit den Füßen berührte. Leonardo und Roberta waren verschwunden. Einfach weg! Ich strampelte mit meinen Beinen.
"Halt' still! Am liebsten würde ich dich auf der Stelle umbringen, doch leider brauchen wir dich als Druckmittel und unser Boss will nicht, dass wir dir etwas antun!" Was? Die kannten mich doch gar nicht! Dachten die etwa ich sei Roberta?

"Aber nein! Ihr habt die Falsche! Lasst mich gehen!", schrie ich. Natürlich war keiner hier im Park, der zur Hilfe kommen konnte. War ja klar.
"Ja klar, und wer sollst du bitte sonst sein, wenn nicht Roberta? Pf...jetzt glaubt die echt, sie könnte uns verarschen!" 
"Aber ich sehe doch völlig anders aus!" 
"Und ich dachte immer, Mädchen wüssten haargenau wie sie aussehen." Weiter konnte ich aber nicht darüber diskutieren, da mein Bauch stark anfing zu kribbeln. Ich sah nach unten und musste mir ein Würgen unterdrücken. Aus meinen Schrammen, die viel größer geworden waren, kamen kleine Tierchen. Kleine Würmer und Kakerlaken. Meine Arme wurden stärker gedrückt, doch im nächsten Augenblick auch ganz losgelassen. Ich fiel auf den Boden, da meine Beine mich nicht hielten. Sie wurden ganz kalt, dann taub und ich spürte sie nicht mehr. Ich sah zu meinen Armen, da sie ebenfalls taub wurden. Sie waren ganz schwarz!
Ich fing an zu schreien, da mir plötzlich höllische Schmerzen durch den Kopf schossen. Es war eine Qual. Es war schrecklich.

"AAAAAAH! NEIN! NEIN! NIIIICHT!", schrie ich und wälzte mich im Bett von einer Seite zur anderen, bis ich plötzlich auf etwas hartes aufprallte. Ich war auf den Boden gefallen! Sofort setzte ich mich auf und hielt mir den Kopf. Schon wieder so ein Albtraum, doch eine Sache wurde mir jetzt klar. Roberta Federica Barone war viel zu wertvoll, um umgebracht zu werden. Trotzdem sollten wir uns beeilen, da man ja nie wusste, wie die Menschen so tickten.

Es wurde ein Licht angeknipst und ich sah zu Leana. Verschlafen rieb sie sich die Augen und stützte sich dann auf ihren Ellenbogen auf die Seite und sah mich an.
"Was ist denn jetzt schon wieder? Wieso liegst du auf dem Boden?"
"Ich hatte schon wieder einen Albtraum. Von wegen ich träume von meinem Traumprinzen", erklärte ich und zog mich am Bett hoch. Eigentlich hatte ich ja von Leonardo geträumt und es war auch ganz schön, bis ich halt aus dem Bett fiel, weil meine Körperteile anfingen sich schwarz zu färben und fast abzufallen.

Ich legte mich wieder in mein Bett. Da wir aber eh in einer halben Stunde aufstehen mussten, lag ich nur nachdenkend auf diesem. Leana war glaub ich wieder eingeschlafen, da sie ruhig atmete.
Irgendwann sah ich auf die Uhr und wollte aufstehen. Es war gleich sechs, also hatte ich noch genug Zeit. Ich stand in Ruhe auf, machte mich im Bad fertig wie üblich, also ein wenig Mascara und langsam gewöhnte ich mich auch daran, machte mir einen geflochtenen Zopf, dann zog ich mir die Schulkleidung an. Noch ein Lächeln in den Spiegel und ich konnte Leana wecken gehen. Ich nahm mir einen Becher aus dem Bad und füllte ihn mit eiskaltem Wasser. Dann trat ich an ihr Bett und beugte mich an ihr Ohr.
"Leana", sagte ich in einem ruhigen Ton. Sie grummelte nur. "Leana aufstehen. Es ist Zeit fürs Frühstück." Dieses Mal drehte sie sich grummelnd auf die andere Seite. "Okay, wenn du nicht anders willst", sagte ich und hielt den Becher über ihr Gesicht. Langsam kippte ich ihn und das Wasser landete genau auf ihrem Gesicht. Schreiend setzte sie sich sofort auf und ich kriegte mich nicht mehr vor lachen ein.
"Sag mal, SPINNST DU?!", fragte sie entsetzt und warf ein Kissen nach mir, als ich schnell lachend davon lief.
"Beeil dich! Ich halte dir einen Platz frei, du Schlafmütze!", lachte ich und wollte schon zum Frühstück. Ich war eh so früh und die meisten schliefen wahrscheinlich noch.

Unten angekommen traf ich doch schon auf Lia, was mich ein wenig erstaunte.
"Schon hier? Und wo ist Luna?", fragte ich überrascht.  
"Die kommt auch gleich. Wo ist Leana?"
"Die hat eben eine eiskalte Dusche abbekommen", lachte ich wieder leicht.
"Wie soll ich das verstehen?" Ich erklärte ihr kurz meine Weck-Methode und sie fing auch an zu lachen.
"Also Lia, warum schon so früh hier?", wiederholte ich meine Frage von eben und begutachtete das Frühstücksbuffet.
"Konnte nicht schlafen", murmelte sie.
"Wegen ihm?", fragte ich und nickte kaum merklich zum Eingang, wo Leonardo gerade mit seinen Freunden herein spaziert kam. Sie sah kurz dort hin und nickte dann sofort.
"Ja", sagte sie mit einem leicht verbissenem Unterton, der mir bei ihr echt Angst machte.
Ich seufzte. "Lia, hör mal. Mach' dir doch nicht so einen Kopf wegen ihm. Es gibt noch so viele andere Jungs und du bist ein so liebes Mädchen. Vielleicht ist es auch einfach nicht bestimmt, dass du deinen perfekten Freund auf dem Internat hier findest."
"Meinst du echt?"
"Ja aber sicher! Schau, es gibt so viele andere Länder und so viele andere Jungs auf der ganzen Welt, die zu 95% sowieso schwachsinnige Hohlköpfe sind, aber dennoch."  Ich legte meine rechte Hand auf ihre Schulter, da ich mit meiner Linken meinen Teller festhielt. "Hör zu. Ich bin nicht unbedingt die richtige Ansprechpartnerin für sowas und manchmal vielleicht etwas zu uneinfühlsam, aber wenn du mal wieder ein Problem mit Jungs hast, dann kannst du ruhig zu mir kommen. Ich höre dir gerne zu."
"Du bist doch nicht uneinfühlsam! Du bist so toll! So perfekt! Ich freu mich richtig, dass wir Freundinnen sind, du bist mein Vorbild!" Sie sah mich strahlend an.
"Ehrlich? Bist du dir da sicher?", fragte ich skeptisch und überrascht.
"Ja aber sicher! Du machst dein Ding und kümmerst dich nicht über das, was die anderen von dir denken. Du kannst deine Meinung immer und jedem vor die Füße spuken. Du bist wunderhübsch und kannst echt lieb sein!"
"Okay, Lia. Es ist ja ganz lieb, dass du so über mich denkst, ich bin wirklich sehr geschmeichelt, doch niemand ist perfekt! Ich habe eine Ansammlung an Fehlern, die man als Außenstehender wahrscheinlich nicht mal ein wenig bemerkt. Du bist doch selbst super und brauchst kein Vorbild! Schon gar nicht so eins wie mich. Du kennst mich erst seit circa einer Woche und-" Ich wusste nicht weiter. Ich war echt nicht gut in solche aufmunternden Reden, schließlich kam ich von einer Schule für zukünftige Spione und dort hat sich niemand selbst bemitleidet, denn der konnte dann sofort Koffer packen und gehen.  

Zum Glück wurden wir unterbrochen, als unsere Mädels zu uns kamen.
"Na, ihr steht ja immer noch am Buffet. So lange gequatscht oder wie?", fragte Aurora grinsend.
"Kann man so sagen...hey, wo ist Francesca denn schon wieder?" Wobei ich mir das schon denken konnte.
"Die hat James auf dem Flur getroffen." Verdammt! Flur...James...ich hoffe, er erwähnte nicht, dass ich gestern noch nach Leonardos beziehungsweise Amadeos Zimmernummer gefragt hatte. Schließlich sollte ich von ihm Francesca grüßen. Leicht nervös auf meiner Lippe kauend setzte ich mich neben Leana.
"Das wirst du mir büßen, Maria Ponti!", flüsterte sie mir zu und ich musste wieder leicht lachen. "Schade, dass ich es nicht gefilmt habe! Es war einfach so legendär!", grinste ich sie an.  
"Was war denn bei euch los?", fragte Luna neugierig.
"Maria hat eine neue Weck-Methode an mir ausprobiert", funkelte sie mich leicht wütend an, doch ich konnte einfach nicht aufhören zu grinsen.
"Nennt sich auch kaltes Wasser im Becher."
"Wohl eher auf dem Gesicht", meinte Leana und biss von ihrem Brötchen ab.
"Das hast du nicht wirklich getan?", fing Aurora an zu lachen und die anderen stimmten mit ein, als ich ihr zustimmte.

"Was ist denn hier los? Ist was in den Brötchen? Sollte ich lieber die Finger davon lassen?", fragte Francesca die uns belustigt musterte. "Ach Maria, was wolltest du eigentlich gestern Abend noch auf dem Jungen Flur?"
Alle hörten auf zu lachen und starrten mich an. Es war bestimmt nicht böse gemeint von Fran, dass sie mich das jetzt fragte. Sie war einfach neugierig und alle anderen anscheinend auch.
"Also...ich...ich habe Amadeos Zimmer gesucht..."
"Wieso?", kam es sofort von Lia. Sie war ja wirklich richtig sauer, obwohl man es ihr kaum ansah.
"Weil...ehm...also..." Ich kratzte mich am Nacken. "Ich wollte mit ihm reden?"
"Wozu?", fragte nun Aurora.
"Ich wusste es!", rief Leana begeistert und alle sahen sie komisch an. "Ja also...lange Geschichte. Also Maria, warum?", lenkte sie schnell wieder auf mich.
"Wegen....Lia?" Es war eher eine Frage, aber sie schienen es nicht weiter zu bemerken.
"Und was hast du ihm gesagt?", wollte genannte sofort wissen.
"Öhm...ich...wir...ich habe ihm meine Meinung gesagt?"
"Wirklich? Wegen mir?", fragte Lia mit großen Augen und Freude in der Stimme.
"Was hat er gesagt?", wollte Francesca wissen. Das wurde ja immer schlimmer hier!
"Er hat es jetzt glaube ich eingesehen", sagte ich einfach nur und hoffte sie kauften es mir ab. Dann sah ich auf meine Uhr und sprang auf. "Oh mist! Schon so spät! Tja ich muss, wollte noch Mathe machen!"
"Aber heute haben wir gar kein Mathe!", rief Lia mir nach.
"Habe ich Mathe gesagt? Ich meinte natürlich...ehm...Religion!"
"Reli? Was hatten wir denn auf?"
"Ja nee...ist eine extra Aufgabe...also...ciao!"

Schnell verschwand ich aus dem Speisesaal. Puh! Meine erste Mission und dann auch noch so schwierig mit diesen Mädels.  

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