15: Gefangen

"Aua! So fest müssen Sie es doch nicht machen! Als ob ich es schaffe abzuhauen mit sieben Leuten um mich herum!", sagte ich genervt. Marco und noch ein Mann waren gerade dabei mich unsanft an einem Stuhl fest zu machen.  
"Das sagst du jetzt so. Ich würde dir sogar zutrauen, dass du es irgendwie wieder hier raus schaffst!", meinte Franco und sah mich böse an.
"Ja klar. Mit drei Frauen und vier Männern werd ich -die übrigens alleine ist- abhauen", antwortete ich sarkastisch und verdrehte die Augen.
"Jetzt werd' hier nicht frech! Sonst klebe ich dir gleich den Mund zu!", sagte die Frau von heute morgen wütend.

Ich hatte mein Zeitgefühl total verloren und das schlechte Wetter machte es auch nicht besser.
Wieder donnerte es und draußen regnete es immer noch sehr stark.
"Giuseppe, ruf Giacomo an und erklär ihm die Situation", befiehl eine der Frauen.
"Wer ist Giacomo?", fragte ich. Ich hatte komischerweise gar nicht mal so viel Angst gerade und wollte reden, da mir langweilig wurde. Außerdem mussten wir mehr Infos beschaffen und so bot sich die perfekte Gelegenheit.
"Das geht dich nichts an!", keifte sie mich an.
"Denke schon, schließlich sagen Sie, er entscheidet was passieren soll."
"Ja, aber es hat dich nichts anzugehen!"
"Also kann ich gehen?", fragte ich mit ein wenig Hoffnung in der Stimme.
"Was? Nein! Wieso solltest du!?"
"Na, wenn es mich nichts angeht?" 
"Argh!", seufzte sie und rieb sich die Schläfen. "Du kannst einen echt wahnsinnig machen!"
"Ja, das höre ich oft." Ich hörte meine Freunde und Partner leicht lachen.

"Claudia, bereite alles für die Ankunft vor. Giuseppe, ruf jetzt endlich Giacomo an! Clara und Marco, ihr werdet die neuen Informationen sortieren um den nächsten Plan zu erklären. Ihr zwei", sie zeigte auf die zwei übergebliebenen Männer. "Raul geht etwas zu Essen besorgen und Sergio hilft einfach irgendwo mit. Ich passe solange auf unsere kleine Nervensäge hier auf." Sie zeigte auf mich und ich blickte empört drein.
"Nervensäge? Ich? Das ist ja ziemlich relativ gesehen."
"Oh ja, und was für eine! Du kannst deine dämliche Klappe nicht halten."
"Na ja, also eben meinten Sie noch, ich sei klug. Können Sie sich auch mal entscheiden? Bin ich nun dämlich oder habe ich ein kluge Köpfchen?" Ich musste einfach Zeit gewinnen und das machte man am Besten, indem man irgendein Zeug brabbelte, was die anderen so gut es ging ablenkte.
"Siehst du? Genau DAS mein ich!", regte sich die Frau auf.
"Eben sagten Sie doch noch, ich wäre geeignet für eure Gruppe oder was weiß ich."
"Ja. Theoretisch gesehen schon."
"Und praktisch?"
"Da wird es schon etwas schwieriger."  
"Wieso?"
"Weil du zwar gut gebaut bist und geschickt und klug-"
"Aber?"
"Aber ziemlich frech. Andererseits bist du auch nicht schüchtern und das ist wiederum super."
"Tja. Da befinden Sie sich aber gerade in einer echten Zwickmühle."
"Ach, sei doch leise. Sag mir lieber, woher du kommst", wechselte die Frau das Thema und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
"Hä? Wissen Sie nicht wie Kinder entstehen oder wie?" Ich grinste in mich hinein, als ich sah, wie sie sich zusammenreißen musste, ihre Haare nicht zu raufen.
"Doch! Ich meine, wo wohnst du?"
"Na zu Hause."
"ICH WILL WISSEN WO GENAU DU WOHNST!!! WELCHE STRAßE ODER IN WELCHEM ORT!" Nun trat sie näher an mich heran und wurde echt laut.

"Übertreib' es nicht, Alex. Bitte! Die Sache mit Herrn Romano ist übrigens komplizierter...", erzählte mir Teresa.  
"Nun, da ich mich hier befinde, würde ich sagen, dass ich hier in diesem Ort wohne."
"Ja! Aber WO GENAU?" Hörte ich da Verzweiflung in ihrer Stimme mitschwingen?
"Im Internat."
"Halleluja!", warf sie ihre Hände in die Luft.
"Ja. Grandios, was?"
"Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie sie dich in diesem Super-Internat aufgenommen haben geschweige denn sie dich nicht davon schmeißen."
"Tja, eine meiner vielen Fähigkeiten", blinzelte ich unschuldig.   
"Zu nerven?"
"Sie sind ja auch nicht gerade nett", meinte ich und ließ meinen Blick einmal über sie schweifen.  
"Das ist auch nicht mein Job."  
"Was dann?"
"Geht dich nichts an!", keifte sie wieder.  
"Na dann lassen Sie mich gehen! Ich soll ja nichts mitbekommen."
"Wir. Werden. Dich. Nicht. Gehen. Lassen!", sagte sie langsam, aber energisch.
"Ich hab ein Recht auf Freiheit!", empörte ich mich.
"Tja, nun bist du aber von uns gefangen worden und nun behalten wir dich auch!"
"Als wäre ich ein Gegenstand", rümpfte ich die Nase und schüttelte leicht den Kopf.
"Wieso bist du so gut trainiert?", wechselte sie wieder schnell das Thema und beäugte mich von oben bis unten.
"Da habe ich wohl oft trainiert."
"Kannst du nur solche Antworten geben?", verdrehte sie die Augen.  
"Wie meinen Sie das?"
"Kurze, sarkastische Antworten und meistens als Gegenfrage?"
"Sieht so aus, oder?"
Sie wendete sich ab und sagte: "Leute! Mich muss jemand mal kurz ablösen! Ich kann nicht mehr!" Alle sahen fragend zu uns und ich grinste einfach nur glücklich vor mich hin.
"Also ich habe Spaß, falls es jemanden interessiert."
"Tut es aber nicht!", drehte sie sich ein letztes Mal zu mir und schien wirklich sehr gereizt zu sein.

Auf den Wunsch von der Frau, die hier immer kommandierte, kam Sergio zu mir und sollte auf mich aufpassen.
"Hi", sagte ich und lächelte ihn freundlich an, was er nur mit einem fragenden Blick erwiderte. "Was? Kein Hallo?", fragte ich abwartend.
"Du bist mir sehr suspekt", meinte er und hielt ein wenig abstand. Als wäre ich ein giftiges Tier oder so.  
"Hm...ja...besser als nervig, nech?"
"Sergio! Lass dich nicht verwirren!", sagte Claudia auf einmal.
"Hier, hört euch das mal an:
In letzter Zeit verschwinden immer regelmäßiger Menschen aus dem Seniorenheim. Abends, so sagen die Pfleger, liegen alle noch im Bett und bei der Nachtrunde befinden sich auch alle schlafend in ihren Zimmern, doch am Morgen ist dann immer jemand verschwunden. Das geht schon seit drei Monaten so und bis jetzt sind schon fünf in ungefähr gleichem Abstand spurlos verschwunden. Die Polizei bittet um sofortige Meldung, wenn etwas merkwürdiges beobachtet wird.

Das ist ein Artikel über das Senioren-Pflegeheim wo ihr wart!"
"Alexandra, versuch mal etwas genaueres herauszufinden. Frag einfach mal nach Roberta Federica Barone und rede einfach drauf los. Kannst du ja anscheinend ganz gut..."

"Könnte mir denn jetzt bitte jemand sagen, was hier vorsich geht? Ich würde schon gern wissen, wen ich gleich vor mir stehen habe!", warf ich ein und sah in die Runde.  
"Giacomo Floretti!", sagte Sergio stolz.
"Wow. Damit kann ich jetzt auch wirklich viel anfangen", sagte ich un versuchte den Sarkasmus gar nicht erst in irgendeiner Weise zu verstecken.  
"Er gehört zu den oberen Mächten der Mafia", wurde mir erklärt.
"Aha. Interessant." Ich hielt kurz meine Klappe, da ich nachdachte. Alle schienen sehr erfreut darüber, doch ich hatte eine Mission, selbst wenn ich nicht wusste, ob ich hier nur in etwas neues gestolpert war oder es dazu gehörte.
"Kennen Sie Roberta Federica Barone?", fragte ich dann auf einmal.
"Nein. Noch nie gehört", kam sofort wie aus der Pistole geschossen als Antwort. Sehr verdächtig. 
"Wirklich nicht? Wow! Das ist krass! Sie ist die Tochter von Antonio Carlo Oscar Paolo Barone! Den werden Sie wohl kennen!" Ich packte extra viel Bewunderung in meine Aussage, damit diese auch echt rüberkam.
"Ja, doch, den Namen habe ich schon mal gehört", sagte Sergio.
"Sehen Sie. Was ist mit den anderen? Haben Sie wirklich noch nie von denen gehört?"
"Doch, haben wir bestimmt schon mal. Jetzt lass' uns in Ruhe arbeiten!", kam von der einen Frau.  
"Also, ganz ehrlich, sie ist echt hübsch." Das stimmte wirklich. Ich hatte ein Bild von ihr gesehen. Schwarze, schulterlange Haare und grüne Augen. Natürlich schoko-braune Haut!
"Mit ihren schulterlangen blonden Haaren und diese blauen, leuchtenden Augen! Und wenn sie lacht, dann fangen sie an zu glänzen!" Und wenn er sich freute, dass er recht hatte, dann schienen sie noch ein wenig mehr zu leuchten. Und das Lächeln war auch einfach nur wunderschön...und ich schweife gerade ab.

"Aber sie hat doch schwarze Haare? Und schon gar nicht blaue Augen!", sagte Raul verwirrt, der eben wiedergekommen war.
"Sht! Du Idiot!", schimpfte Clara. AHA! Ich hatte sie erwischt!
"So, so...gut gemacht, Alexandra!", sagte einer der Jungs.  
"Also kennen Sie sie doch!", lächelte ich triumphierend.
"Jetzt sei verdammt noch mal leise! Es geht dich nichts an und-" Sie wurde durch ein Klopfen unterbrochen. Sofort stellten sich alle in eine ordentliche Reihe und sahen gespannt auf die Tür. Ich lugte ein wenig zwischen den Kidnappern hindurch, da ich sehen wollte wer kam. Schnell machte eine der Frauen die Tür auf und wer dort im Türrahmen stand brachte mich dermaßen zum Lachen, dass ich mit meinem Stuhl nach hinten kippte und meine Beine in der Luft baumelten.
Schnell wurde ich von Marco und Franco wieder hochgezogen, doch komplett beruhigen konnte ich mich immer noch nicht. 

"Was geht denn jetzt ab?"
"Haben sie dir Lachgas verabreicht?"
"Das...das soll der Mafia-Boss sein?!", lachte ich.
Vor der Tür stand ein kleiner Pfandfinderjunge. Er sah etwas eingeschüchtert in alle Gesichter und als er mich sah, wie ich gefesselt auf dem Stuhl saß, weiteten sich seine Augen. Er öffnete den Mund und wollte anscheinend etwas sagen oder schreien, doch er wurde schnell von Clara hinein gezogen und Marco machte ihn auf einem Stuhl neben mir fest. Der kleine Junge fing an zu weinen und das konnte ich einfach nicht mit ansehen. Sofort hörte ich auf zu lachen und meine Miene wurde ernst.
"Lasst den Jungen doch! Er hat nichts getan und ist gerade mal neun oder so! Da versteht man die Welt doch nur zur Hälfte!", sagte ich wütend und versuchte überzeugend zu klingen. Er tat mir leid. Er hatte es nicht verdient in diese Welt zu geraten. "Und wenn wir schon dabei sind, kann ich jetzt auch mal langsam gehen? Es wird langweilig!"
"Nichts da! Es geht keiner von euch. Entweder ihr bleibt hier oder..."
"Oder-oder was?", schluchzte der kleine Junge in seiner senfgelben Uniform.
"Oder wir bringen euch um, doch wir können es nicht riskieren, dass uns jemand verrät!", grinste Franco böse, was ich bloß mit einem wütenden Blick erwiderte.  

Ich war in eine falsche Welt geraten. Warum waren meine Eltern Spione und keine Ärzte oder Anwälte oder irgendwas anderes? Wieso musste genau ICH diese Mission antreten und vermasseln? Wieso tat Leonardo nichts? Und warum zur Hölle musste ich ständig an ihn denken?

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