13: Stur & eigenwillig
Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Immer noch geschockt sah ich zu Leonardo. Auch er schüttelte nur den Kopf.
"Oh mein Gott", murmelte ich vor mich hin.
Was wir sahen war einfach nicht möglich!
Es gab eine Hütte, die schon relativ bewachsen war, mit Efeu und so'n Zeugs. Die Tür ging auf und eine Frau, bestimmt Mitte Dreißig, trat hinaus, um die anderen beiden zu begrüßen, die vor der Tür standen. Ein Mann und eine ältere Frau. Franco Pasquarelli und Viola Strozzi.
Wir beobachteten, wie sie miteinnander redeten und dann hinein liefen.
Ich atmete aus, da ich vorher aus Angst meine Luft angehalten hatte. "Das gibt's doch nicht! Die niedliche, alte, nette Rentnerin schien jetzt aber gar nicht mehr so niedlich!", sagte ich fassungslos zu Leonardo, aber nicht allzu laut.
Er nickte. "Ja und eine Sache ist jetzt definitiv klar." Ich runzelte die Stirn und sah ihn fragend an. "Es war KEINE Zeit Verschwendung ins Pflegeheim zu gehen und ich hatte WIEDER recht!"
"Ernsthaft jetzt?", fragte ich unbeeindruckt und verdrehte die Augen. Der Junge machte mich wahnsinnig!
"Was ist denn jetzt? Kann uns auch mal jemand aufklären was gerade passiert ist?", fragten meine Mädels ungeduldig nach.
"Genau, wir können euch zwar hören, aber nicht sehen, was bei euch passiert!", erinnerten die Jungs.
"Ja, bleibt locker. Wir müssen es doch selbst erst mal realisieren!", sagte Leonardo und ich ignorierte die Kommentare von den anderen einfach.
"Wir müssen wissen, was die da drinnen machen. Ich geh' mal nachschauen", flüsterte ich und schlich mich auch sofort davon.
"Bist du bescheuert?! Bleib hier verdammt!", wisperte Leonardo leise und versuchte mich aufzuhalten.
"Shit, Alex! Was hast du vor verdammt?!"
"Ich muss nur nachschauen gehen, was die da drinnen besprechen", tat ich so, als wäre es das normalste auf der Welt.
"Alexandra Chiara Visconti! Du machst gar nichts! Wir haben zwar keine Ahnung, was da gerade bei euch passiert, aber wenn du dir was in den Kopf setzt, dann ist es meist nicht ganz ungefährlich!", tadelte Teresa.
"Man Leute! Wir haben so 'ne Hütte gefunden und da war halt diese eine Frau und wer ist jetzt mit der in der Hütte? Franco Pasquarelli und Viola Strozzi! Die alte Lady aus dem Pflegeheim! Und jetzt will meine tolle Partnerin herausfinden, was die bereden!", erklärte Leonardo knapp und leicht verzweifelt. Tja, ich war halt neugierig. Außerdem mussten wir ja auch herausfinden, was die vorhatten.
Ganz langsam und leise schlich ich mich geduckt zu der Hütte. Es gab ein Fenster, was jedoch schon sehr von Efeu bewachsen war. Ich nutzte dies aus und lugte vorsichtig übers Fensterbrett in die Hütte hinein. Ich schirmte meine Augen mit den Händen ab und nun konnte ich auch sehen, was dort vorsich ging.
"Was macht sie, Leonardo? Konntest du sie nicht aufhalten?"
"Ja wie denn?! Eure Freundin ist ziemlich stur!", hörte ich die anderen in meinem linken Ohr reden, doch ich konzentrierte mich nicht auf sie, sondern auf das, was vor mir geschah.
Viola Strozzi saß mit Franco Pasquarelli und dieser anderen Frau, die eigentlich ziemlich hübsch war, an einem Tisch. Die Frau erzählte etwas und schien wütend zu sein, da sie wild mit den Händen gestikulierte und Franco dabei sehr wütend ansah. Viola Strozzi machte auf mich eher einen eingeschüchterten Eindruck. Da war sie wieder, die niedliche, alte Dame!
Jetzt holte die Frau eine Mappe hervor und breitete Zettel auf dem Tisch aus. Vorallem sprach sie nun mit der alten Dame.
"Komm jetzt endlich von dem Fenster weg, Alexandra!", befiel Leonardo, doch ich überhörte ihn mit Absicht. Wo war der Knackpunkt? Irgendetwas hatten die doch vor! Nur was?
Ich war voll auf die drei Personen vor mir konzentriert, dass ich nicht bemerkte, wie sich von hinten jemand nährte und sich plötzlich zwei Hände auf meine Schultern legten. Zwei SEHR starke Hände! Erschrocken fuhr ich herum und sah nach oben. Scheiße!
Ich sah einen großen, muskulösen, breitschultrigen Mann. Er sah mich mit neutralem Gesichtsausdruck an und fragte streng: "Was suchst du hier?"
"Ich...ähm...also..."
"Ganz ruhig!", sagte Leonardo plötzlich. "Du hast gerade mit deiner kleinen Schwester verstecken gespielt und wolltest bloß nachsehen, ob sie sich in der Hütte versteckt hat", sagte Leonardo und beruhigte mich automatisch ein wenig.
"Ich spiele mit meiner kleinen Schwester gerade verstecken und ich wollte nur mal nachsehen, ob sie in der Hütte ist", wiederholte ich Leonardos Worte.
"Achja? Und wie alt ist deine Schwester?"
"Sechs", kam es wie aus einer Pistole geschossen.
"Dir ist schon klar, dass man mit sechsjährigen nicht in einem Wald verstecken spielt?", grummelte er.
"Hätte ich es sonst getan?", fragte ich, ohne darüber nachzudenken, dass es vielleicht ein wenig frech rüber kam. Innerlich klatschte ich mir gegen meine Stirn.
"Und wie heißt deine Schwester?", fragte er weiter.
"Marie", sagte ich ebenfalls sehr schnell.
"Weißt du, ich glaube dir kein Wort. Komm mal mit." Er schob mich mit einer Hand an der Schulter in die Hütte. Verdammt! Franco Pasquarelli kannte mich doch!
Er machte die Tür auf und die drei Köpfe drehten sich zu mir.
"DU? Was machst du denn hier?", fragte Franco sauer.
"Na ja...also...wir haben-"
"Sie hat herumgeschnüffelt und mich anschließend belogen." Na vielen Dank auch!
Die Frau kam zu mir und betrachtete mich genauer. Sie nahm mein Gesicht in eine Hand, drehte es ein wenig und begutachtete jedes einzelne Detail. Danach fühlte sie meine Arme ab und meinen Bauch testete sie, indem sie dagegen schlug. Natürlich spannte ich ihn automatisch an, so wie ich es gelernt hatte und sie war beeindruckt.
"Du bist stark, Kleine. Du siehst auch gut aus. Und dazu hat deine Familie bestimmt Geld...bist du eine Enkelin von einem der Rentner aus diesem Heim?", fragte sie mich. Hä? Wieso das denn?
"Wir haben gerade herausgefunden, dass das Pflegeheim von eurer Viola Strozzi für Rentner mit etwas mehr Kohle ist. Die meisten Leute sind sehr reich!" Na das macht jetzt auf jeden Fall alles Sinn.
"Man, Leute! Alexandra wurde von so einem Typen erwischt und sitzt jetzt ebenfalls in dieser Hütte fest!", erklärte Leonardo und schien leicht verzweifelt.
"Scheiße! Warum hast du sie nicht gewarnt, man!"
"Hab ich doch! Sie hört ja nicht auf mich!" Hörte ich in meinem linken Ohr, doch ich versuchte sie einfach auszublenden, so wie ich es die meiste Zeit tat.
"Nein. Soweit ich weiß sind meine Großeltern schon tot oder leben in Venedig, aber nicht hier in der Gegend", sagte ich der Frau gegenüber mir und sah sie mit einem kalten Blick an.
"Und was suchst du dann hier?", zog sie eine Augenbraue hoch.
"Wie gesagt, ich habe mit meiner kleinen sechs Jahre alten Schwester Marie Verstecken gespielt." Franco stand auf und stellte sich neben diese Frau und den Muskelprotz.
"Marie und Maria....zwei Schwestern mit fast zehn Jahren Unterschied....du willst uns wohl für dumm verkaufen, was?!", wurde er zum Ende hin immer lauter. Leicht eingeschüchtert bewegte ich meinen Kopf langsam nach links und nach rechts. Was hatte ich mir da bloß eingebrockt?
Ich sah Viola Strozzi am Tisch sitzen und sie sah traurig und eingeschüchtert aus. Was machte sie überhaupt hier? Warum brachte Franco sie hier her?
Jetzt seufzte die junge Frau und sagte: "Marco, fessel sie und dann sehen wir weiter."
Warte....was?! Marco kam auf mich zu und packte meine Handgelenke und das nicht gerade sanft. Er holte Kabelbinder und drückte mich auf einen Stuhl mit Armlehnen, doch ich wehrte mich stark dagegen und bekam mit, wie sich Franco und diese Frau unterhielten.
"Woher kennst die Kleine, Franco?"
"Sie und ihr Freund waren bei uns und haben herumgeschnüffelt!", meinte er säuerlich. Jetzt riss ich mich los und sprang auf.
"Halt! Stop! ER. IST. NICHT. MEIN. FREUND!!!", rief ich verärgert, doch leider wusste ich, dass ich es mir ganz tief im Inneren anders wünschte.
"Du kannst es einfach nicht lassen", seufzte Leonardo fassungslos. "Egal in welcher Situation du bist, musst du das immer klarstellen."
Marco und auch die anderen versuchten mich zu schnappen, doch ich trat Franco einmal kräftig gegen sein Schienbein und er jaulte auf, bevor er sich hinhockte und versuchte den Schmerz irgendwie zu ertragen.
"Alexandra, was passiert da drinnen? Es sieht so aus, als würden sich so viele Leute bewegen...alles ok?" Was war das denn für eine Frage? Ich wurde gefangen genommen, aber hey! Klar geht's mir gut, wir machten hier Kaffeekränzchen!
"Jetzt schnapp' sie dir doch, Marco!", sagte die Frau verärgert.
"Man wie denn?! Die ist so schnell!", beschwerte er sich und packte nach mir, doch ich war schneller. Tja, ich hatte eben den Vorteil, dass ich kleiner und wendiger als Marco war, jedoch war er deutlich stärker, weswegen ich nicht wieder in seine Fänge geraten wollte. Schon gar nicht wenn er wütend war.
Schnell schlug ich ein paar Mal um mich und versuchte aus der Hütte zu kommen. Ich lief zur Tür raus, zog sie hinter mir zu und hielt sie fest zu. Leider war ich, wie gesagt, nicht so stark wie Marco und ich befürchtete, dass ich nicht lange durchhielt.
"Jetzt hilf mir doch verdammt!", schrie ich Leonardo an.
"Leute, alles klar?", fragten die anderen besorgt.
"Nein, alles super, wir machen hier Kaffeeklatsch!", sagte ich genervt und sah wie Leonardo zu mir rannte und einen etwas dickeren Ast in der Hand hatte.
"Hiermit können wir die Tür verriegeln!" Mit schnellen Handgriffen machten wir den Ast irgendwie fest und rannten los. Einfach gerade aus in den Wald hinein, bis wir wieder dort ankamen, wo wir her gekommen waren. Außer Puste ließ sich Leonardo an einem Baum auf den Boden gleiten. Ich stützte mich mit einer Hand an dem selben Baum ab und versuchte wieder meinen Atem zu beruhigen.
"Was ist denn jetzt passiert? Ihr schnaubt ja wie zwei Walrosse!"
"Wow, wie charmant du doch bist!", brachte ich schwer atmend hervor.
"Na ja, deine Sprüche kannste ja noch raushauen." Genervt sah ich Leonardo an und er formte mit seinen Lippen einen Namen.
"Halt die Klappe, Luca", sagte ich und nickte ihm danken zu.
"Würdet ihr uns jetzt trotzdem mal erzählen, was passiert ist und warum ihr zwei so schnell gerannt seid?"
"Leute! Jetzt lasst uns doch erstmal Luft holen! Ihr könnt echt nerven", sagte Leonardo. Dann sah er zu mir. "Du machst mich fertig! So stur und eigenwillig habe ich ja noch nie jemanden erlebt...und wie du es da raus geschaffst hast ist mir echt ein Rätsel!"
"Tja, du solltest Alex nicht unterschätzen. Sie ist zwar stur und sehr eigenwillig, aber dennoch die Beste aus unserem Jahrgang."
"Wetten das liegt an ihren Eltern."
"Wie meint ihr das? Die sind doch Top-Spione und haben es weit gebracht!"
"Genau deswegen doch! Jeder bevorzugt sie, damit man nicht die Tochter der Superspione schlecht behandelt."
Man konnte echt nie seine Ruhe haben.
"Das täuscht, glaubt mir! Es ist nämlich das genaue Gegenteil. Alle erwarten immer nur das Beste von dir und dass du so bist wie deine Eltern! So toll ist es jetzt auch nicht, ständig unter Druck zu stehen um die Dinge gut, nein, perfekt zu machen!", sagte ich mit einem leicht verbissenen Unterton. Kurz sah ich zu Leonardo und...was sah ich da in seinen Augen? War das ein wenig Mitleid? Doch nicht von ihm!
Weiter war darüber eh nicht nachzudenken, denn wir hörten etwas knacken. Sofort standen wir aufrecht und lauschten.
"Was war das?", flüsterte Leonardo.
"Hörte sich an wie ein Ast, der durchgebrochen wurde", sagte ich alarmiert.
"Ehm, Leute? Ihr solltet mal schleunigst gehen! Ich sehe drei Punkte die auf euch zukommen! Und nicht gerade langsam!"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top