7: Atemberaubender Tango

"Und denk dran, deine Ohrringe sind die Kameras und deine Kette das Mikro. Deine Haare sollten also nicht irgendwie stören", erinnerte ich Eliana. Diese verdrehte bloß die Augen.
"Ich weiß doch, das hast du mir jetzt schon zum fünften Mal gesagt! Außerdem sind meine Haare jetzt kürzer, an die Kette werden sie nicht kommen und durch meine Frisur müssten die Ohrringe auch frei bleiben."
"Gut", lächelte ich und sah rüber zu Leo, welcher gerade bei Luca checkte, ob das Mikro saß. Wir hatten beschlossen, dass die Kameras bei Eliana reichen würden, zumal Luca keine der Ohrringe tragen konnte und man uns keine anderen Geräte zur Verfügung gestellt hatte.

"Wir sind die ganze Zeit über hier und werden durch die Kameras beobachten, wann der beste Moment ist, um anzugreifen", stellte ich klar.
"Exactly. Und unsere Verstärkung wartet verteilt um und im Hotel auf unser Signal", sagte James.
"Ihr packt das schon", grinste Leo und klopfte seinem Kumpel auf die Schulter, dabei zwinkerte er.
"Und bitte denkt dran, dass wir alles sehen und hören können!", fügte Flavia hinzu.
"Ach", lächelte Eliana provokant und drehte sich zu Luca. Dieser sah fragen zu ihr, als sie sein Hemdkragen packte und ihn zu sich runterzog, um ihre Lippen auf seine zu drücken. Dieser war zu überrascht, um sich zu rühren, doch bevor er was machen konnte, löste sich Eliana auch schon wieder von ihm. Mit dem Daumen fuhr sie sich am Rand ihrer Lippe entlang und sah wieder zu Flavia. "Das hatte ich total vergessen, danke für die Info." Bevor irgendwer etwas dazu erwidern konnte, räusperte sich Christian. Alle sahen zu ihm.
"Ihr solltet nun los, damit wir nicht noch weiter Zeit verlieren." Er nickte Luca und Eliana zu. Sie schnappte sich noch schnell eine Clutch, passend zum Kleid, und schon harkte sie sich bei seinem Arm ein und sie verließen unseren Kontrollraum.

Christian, welcher von uns allen am technikbegabtesten war, setzte sich vor drei Bildschirme. Zwei waren von jeweils einem Ohrring und der dritte war geviertelt, da dort die Überwachungskameras angezeigt wurden. James und Leo setzten sich dazu, bald darauf waren sie in ein Gespräch verwickelt. Mein Blick wanderte zu Flavia, welche sich eine ihrer Locken um den Finger wickelte und sehr konzentriert dabei aussah. Langsam näherte ich mich von der Seite, doch sie schien mich nicht zu bemerken. Als ich ganz nah war, beugte ich mich zu ihrem Ohr.

"Worüber denkst du nach?", fragte ich leise. Meine beste Freundin zuckte zusammen und schrie kurz auf.
"Man! Alex!", beschwerte sie sich, woraufhin ich lachte. Auch die Jungs hatten sich kurz zu uns gedreht, doch als sie sahen, dass es uns gut ging, drehten sie sich wieder zu den Bildschirmen.
"Also?", fragte ich nach.
"Eliana", gab sie zu.
"Du?" Ich sah sie überrascht an. "Über sie?"
"Ja", nickte sie. "Was sie heute zu uns meinte, dass sie noch nie so eine gute Freundin hatte, wie du, Teresa und ich es füreinander sind."
"Okay, und weiter?"
"Na ja...sie war halt nie wirklich darum bemüht, unsere Freundin zu werden...aber eigentlich meinte ich das gar nicht." Sie holte kurz Luft und sah mich dann ernst an. "Wir nennen Teresa unsere beste Freundin, wenn wir nicht mal nach ihr suchen!"
"Flavia", seufzte ich. "Das Thema hatten wir nun schön öfter...ich will Teresa doch auch finden, aber wir wissen einfach nicht, wo wir anfangen sollen und dieses Rätsel nimmt uns auch viel Zeit weg." Sie biss sich auf die Unterlippe und schien kurz zu überlegen. Dann erhellt sich ihr Gesichtsausdruck und sie trat näher an mich ran.
"Dann müssen wir die Gruppe eben aufteilen. Wir suchen Teresa und die Jungs übernehmen das Rätsel", wisperte sie mir zu. Meine Augen weiteten sich und ich schüttelte den Kopf.
"Vergiss es! Wir werden diese Gruppe nicht trennen, das wäre viel zu gefährlich!"
"Ach ja? Du redest von gefährlich, wenn du doch immer die warst, die ohne ihren Partner weiter machen wollte!"
"Was ist mit dir los?", fragte ich Flavia eindringlich, die mich böse musterte. "Ich verstehe doch, dass du Teresa vermisst und sie finden willst. Das will ich auch, das wollen wir alle! Aber wir müssen vorsichtig sein, schließlich wurden auf dem Schiff schon genug Personen vergiftet und verfolgt. Die Gefahr ist groß, dass sie noch einen von uns gefangen nehmen!"
"Ich hab halt Angst um sie", gab sie zu und ihre Gesichtszüge wurden weicher. "Ich habe Angst, dass sie ihr etwas tun und du hast recht, man kann nie wissen, was bei denen so im Hirn vorgeht. Vielleicht finden sie ja noch jemand klügeres und erledigen Teresa!"
"Aber warte mal!" Ich zog meine Augenbrauen hoch und zeigte auf sie, da mir gerade etwas eingefallen war. "Wenn doch meine Eltern auch von denen gefangen genommen wurden und sie jemand befreit hat, dann befreit diese Person vielleicht auch Teresa! Vielleicht ist dort ein Maulwurf, der uns hilft!"
"Aber wir wissen nicht, wie deine Eltern es geschafft haben. Gut genug sind sie, um es auch alleine zu schaffen im Notfall."
"Ja, schon, ich dachte nur...es ist halt eine Möglichkeit."
"Eine Möglichkeit, die wir nicht außer Acht lassen werden", lächelte sie aufmunternd. "Vielleicht können wir ja bald mit ihnen persönlich reden."

"Hey, girls, come here", rief uns James zu sich. Wir traten hinter die Jungs und sahen auf die Bildschirme.
"Meint ihr, das ist er?" Leo zeigte auf einen der vielen Gäste, die man auf dem Bildschirm sehen konnte. Ich beugte mich etwas vor.
"Meinten die nicht, der hat braune Haare?", fragte Flavia.
"Der hat die sich bestimmt gefärbt, nachdem er gecheckt hat, dass er verfolgt wird", meinte Christian. Ich griff nach dem Mikro und drückte auf den Knopf, damit mich die beiden im Saal hörten.
"Er geht zum Buffet, stellt euch neben ihn und Eliana, versuch dabei sein Gesicht zu filmen, so können wir sicher gehen, dass er es wirklich ist", wies ich die beiden an.
"Alles klar", hörten wir Luca. Während die beiden alibimäßig miteinander redeten und sich dann einigten zum Buffet zu gehen, quetschte ich mich zwischen den Stühlen von Christian und Leo hindurch und setzte mich dann auf Leos Schoß, um einen besseren Blick auf die Bildschirme zu haben.
"Na sicher darfst du dich setzen, liebe Alexandra", hörte ich ihn sarkastisch sagen.
"Ich weiß." Ich drehte mich um, drückte kurz meine Lippen auf seine und drehte mich wieder nach vorne, um das Schauspiel zu beobachten.

Luca und Eliana bahnten sich unauffällig einen Weg zum Tisch mit Unmengen an Essen. Man erkannte eine nicht allzu große Person von hinten, welche schwarze Haare hatte und einen eleganten, schwarzen Anzug trug. Sie steuerten direkt auf ihn zu und als sie angekommen waren, stellte sich Eliana mit einem sehr kleinen Abstand rechts neben ihn.
"Wie wäre es damit, Liebling?", fragte sie und sah zu Luca, während sie auf einen Teller mit kleinen Spießen zeigte.
"Gerne", lächelte er. Eliana drehte sich zum Teller mit den Spießen, welcher links von dem jungen Mann neben ihr stand. Sie beugte sich an ihm vorbei und streckte ihren Arm aus, um dran zu kommen. Als sie den Spieß gegriffen hatte, richtete sie sich wieder auf, wobei sie aus Versehen an sein Sektglas stieß, welches er in der Hand hielt. Dieses schwappte etwas über und er zuckte automatisch ein wenig zurück.
"Oh nein! Das tut mir so Leid!", begann Eliana sofort und sah zu dem Mann hoch. Er hatte eine relativ große Nase und braune Augen, die deutlich zeigten, dass er Eliana gerade am liebsten sonst wo hin katapultieren würde.

"Das ist er", nickte Christian und legte das Bild, welches uns die Organisation geschickt hatte, vor sich. Es war zwar etwas unscharf, aber man konnte die Gesichtszüge erkennen. Ich sah kurz auf das Bild, bevor sich mein Blick wieder auf die Bildschirme richtete.

"Ach, Liebling, pass' doch besser auf!", kam von Luca.
"Es tut mir wirklich unendlich Leid! Aber es ist ja nichts auf Ihrem Anzug gelandet, oder?" Sie sah ihn weiterhin an und Christian nutzte die Gelegenheit, einen Screenshot zu machen, damit wir ein besseres Bild von dem Mann hatten.
"Schon gut", sagte er mit einer tiefen Stimme, die mir eine Gänsehaut über dem Körper jagte. Dann kam mir eine Idee und ich ergriff wieder das Mikro.
"Luca", sagte ich. "Nenn' Eliana mal Marianna."
"Why?", fragte James und auch Leo beugte sich etwas vor. Sein Kinn legte er auf meiner Schulter ab.
"Wartet's ab."

"Komm, Marianna, wir sollten lieber wieder tanzen. Ich glaube, das liegt dir mehr." Eliana nickte, doch sie blickte noch immer dem Mann ins Gesicht.
"Habt ihr's gesehen?", fragte ich meine Freunde und starrte weiterhin auf den Bildschirm. "Als Luca den Namen erwähnt hat, da sind seine Gesichtszüge kurz entgleist."
"Ich hab da nichts gesehen", gab Flavia zu.
"Kannst du das irgendwie zurück spulen?", fragte ich an Christian gewandt. "Eliana und Luca sind jetzt eh auf der Tanzfläche, da reicht ein Bildschirm."
"Klar." Seine Hände flogen über die Tastatur und kurze Zeit später spielte sich die ganze Szene von eben wieder ab.
"Komm, Marianna, w-"
"DA!" Schnell stoppte ich das Video. "Seht ihr? Seine Lippen hat er leicht zusammengepresst und seine Augen sind leicht geweitet."
"Gut beobachtet", nickte James anerkennend und Leo drückte mir einen Kuss auf die Wange.
"Das bestätigt nochmal, dass er Marianna wirklich kennt", sagte Christian.
"Es könnte auch eine andere Marianna sein", warf Flavia zu bedenken ein.
"Allerdings passt er zu dem Foto, welches die Spione der Organisation bereits gemacht haben, also denke ich mal, unsere Marianna ist gemeint", erklärte ich.
"Hey, look!" James zeigte auf den Bildschirm der Überwachungskameras. "Die kennen wir doch, oder nicht?" Ich beugte ich weiter vor und kniff die Augen leicht zusammen, um etwas auf dem kleinen Viertel rechts in der Ecke zu erkennen.
"Meinst du die?", fragte ich und zeigte auf eine Frau, welche schwarze Haare besaß und eine Hochsteckfrisur trug. Sie hatte ein elegantes Kleid an und nahm sich ein Glas von dem kleinen Tablett, das ein Kellner gerade vorbei brachte. Mit einem Lächeln sah sie sich um und ihr Blick blieb bei Luca und Eliana hängen.

"Ist das diese Angelica Warren, von der Debbie erzählt hat?", fragte Flavia.
"Ja und leider kennt sie Luca und Eliana, da sie uns in New York verfolgt hat...was macht sie nur hier?", meinte ich.
"Als hätten wir nicht schon genug Leute, die uns verfolgen", meinte meine beste Freundin.
"Wir müssen sie irgendwie ablenken, damit wir uns weiter um Mariannas Komplizen kümmern können."
"Denk dran, die anderen warten nur auf unser Zeichen, um ihn festzunehmen", erinnerte mich Christian. Ich lehnte mich etwas zurück und spürte dann Leos Hände, die an meinem Rücken beruhigend entlangstrichen.
"Aber ich will ihn erst zur Rede stellen", murmelte ich. Sofort stoppten Leos Hände.
"Wie bitte?", fragte er sofort. "Das ist doch nicht dein Ernst?" Ich drehte mich zu ihm.
"Bin ich am Lachen? Nein, also ja, es ist mein Ernst. Er hat mit meiner Cousine gemeinsame Sache gemacht und ich will wissen wieso, bevor die Organisation etwas mit ihm anstellt."
"Alex", seufzte er und schüttelte leicht den Kopf. "Der ist womöglich gefährlich."
"Ziemlich gefährlich, ich weiß, aber deswegen bin ich ja auch nicht alleine." Langsam schlich sich ein Grinsen auf die Lippen. "Wozu hab ich denn Freunde?"
"Ich sollte mir nochmal überlegen, ob das mit dir eine so gute Idee war", meinte Leo und sah mich ernst an, doch ich wusste, dass er es sarkastisch meinte. Seine Augen verrieten ihn.
"Ohne mich wäre es viel zu langweilig", neckte ich ihn und drehte mich wieder nach vorne. Ich ergriff das Mikro. "Eliana, Luca, es ist Showtime. Wir brauchen eine Ablenkung für Angelica Warren, damit sie nicht merkt, wie wir uns den Komplizen schnappen."
"Nichts leichter als das", hörte ich Luca sagen und kurz darauf wurde Eliana von ihm auf die Tanzfläche gezogen. Dann verschwand er und wenige Minuten später hörte die Musik auf. Luca kam wieder und er flüsterte Eliana etwas ins Ohr, was wir trotz des Mikros gar nicht verstehen konnten. Sie küssten sich kurz und stellten sich dann auf. Eliana stellte sich hinter Luca, welcher kurz zu dem DJ nickte. Dann ertönte auch schon die Musik.

Luca und Eliana begannen sich zu bewegen und ich konnte nicht anders, als die beiden anzustarren. Sie waren einfach perfekt. Sie sahen nicht nur super gut aus, sie harmonierten auch perfekt. Eliana schien federleicht und Luca sah sie an, als wäre sie die Einzige auf der Welt, die zählte. Ihre Schritte waren fehlerfrei und ihr Tanz strahlte die Passion aus.
"Wow", rutschte es Flavia raus, die sich zwischen Leo und James gequetscht hatte und ihre Augen auch nicht mehr von den beiden nehmen konnte.
"Jetzt verstehst du auch, wieso dir damals Luca das Tanzen beibringen sollte", flüsterte Leo mir ins Ohr. Ich nickte bloß, da ich viel zu fasziniert von dem Tanz war. Es war ein perfekter Tango und Frau Musetti wäre stolz auf die beiden. So gut war noch nie jemand bei uns gewesen und das musste schon was heißen, denn ich dachte immer, Fabio sein ein guter Tänzer.
"Sie sind perfekt", murmelte ich.
"Einfach atemberaubend", nickte Flavia.
"Es klappt", sagte Christian und sah auf den anderen Bildschirm. "Angelica ist abgelenkt." Ich schaffte es meinen Blick von Luca und Eliana zu lösen. Der ganze Saal hatte sich um die beiden Tänzer versammelt und staunten nicht schlecht. Auch Angelica Warren war zu sehen, wie sie den beiden zusah.

Allerdings fiel mir plötzlich eine zierliche Frau auf. Sie stand zwar mit den anderen Gästen zusammen, jedoch in zweiter Reihe. Sie schien zu husten. Ich runzelte meine Stirn und beugte mich etwas vor, um genauer hinzusehen. Jetzt ließ die Frau das Glas in ihrer Hand los und es zerschmetterte auf dem Boden. Beide Hände legte sie an den Hals und es sah so aus, als würde sie nach Luft ringen. Langsam lief ihr Gesicht bläulich an.
"Oh mein Gott! Sie erstickt!", rief ich aus und schnappte mir wieder das Mikro. "LEUTE! DA ERSTICKT JEMAND! AUF DREI UHR!" Sofort warf ich das Mikro hin und sprang von Leos Schoß auf. Meine Freunde folgten mir sofort und wir stürmten in den Saal. Luca und Eliana hatten schon längst aufgehört zu tanzen und waren bei der Frau. Wir zwängten uns durch alle Gäste hindurch, da diese sich nun um die Frau versammelt hatten und jeder wollte einen Blick auf sie werfen.

Die Frau lag auf dem Boden, ihre Hände noch immer um ihren Hals gelegt, die Augen weit aufgerissen. Sie rührte sich nicht.
"Was ist mit ihr?", fragte ich und kniete mich neben sie. Christian fühlte ihren Puls.
"Wir sind zu spät", seufzte er und ließ den Kopf hängen.
"Wortwörtlich atemberaubend", murmelte Flavia und ich erkannte Tränen in den Augen bei Eliana. Langsam löste sich die Menschentraube um uns herum etwas und ich konnte sehen, wie zwei Personen den Saal verließen. Sofort stand ich auf.
"Bin gleich zurück."
"Alex!" Flavia tauchte neben mir auf, als ich Richtung Tür lief.
"Mädels! Wo wollt ihr hin?", hörte ich Luca.
"Gleich zurück", rief ich nur und wir verließen den Saal ebenfalls. Vor uns erstreckte sich ein langer, breiter Flur. Links und rechts waren mehrere Türen. "Sie sind in einem der Räume", sagte ich leise und bedeutete Flavia die rechte Seite zu übernehmen. Sie nickte und horchte an der ersten Tür. Ich machte es ihr auf der gegenüberliegenden Seite nach.
"Pst, Alex, komm mal her", meinte Flavia bei der dritten Tür. Ich ging zu ihr und lauschte.

"Vergiss es!", hörte man den Mann sagen.
"Ach komm, erst befreist du Marianna und jetzt kneifst du?"
"Sagt die, die sich immer nur verkriecht!"
"Das gehört zu meinem Job!"
"Von wegen!"

Verwirrt sah ich Flavia an. Die kannten sich?

"Jetzt sag schon, Angelica, was tust du hier?"
"Mir wurde aufgetragen, die Dokumente zu finden."
"So? Und wieso tauchst du hier auf? Glaubst du etwa, die Dokumente befinden sich auf dem Ball?"
"Nicht direkt", sagte sie. "Aber ich werde sicher nicht den Fehler machen, dir wieder meine Infos anzuvertrauen, Mario!"
"Du bist ziemlich nachtragend, weißt du das?"
"Du hast mich nur benutzt!", schrie sie nun. "Du hast mich die ganze Zeit nur benutzt und als du das hattest, was du wolltest, hast du mich weggeworfen, wie ein altes Taschentuch!"
"Nicht meine Schuld, dass du geplaudert hast."
"Das wirst du noch büßen, mein Lieber!" Daraufhin ertönten Schritte und Flavia und ich verschwanden schnell von der Tür. An der gegenüberliegenden Wand hing ein Wandteppich, hinter welchem wir uns schnell versteckten. Gerade noch rechtzeitig. Eine wütende Angelica stampfte aus dem Raum und sobald sie aus dem Gang verschwunden war, huschten Flavia und ich in den Raum. Sobald die Tür ins Schloss fiel drehte sich der Mann ruckartig um. Bei unserem Anblick runzelte er seine Stirn.

"Was wollt ihr? Wer seid ihr?", fragte er sofort.
"Wieso hast du meine Cousine befreit, du Scheißkerl?", kam ich sofort zum Punkt und sah ihn wütend an. Nun hob er seine Augenbrauen an.
"Ach...du musst die berühmte Alexandra Chiara Visconti sein", lächelte er nun. "Marianna hat mir schon viel von dir erzählt."
"Beantworte mir meine Frage!"
"Wieso sollte ich?"
"Weil ich schonmal wen umgebracht habe und es zur Not nochmal tun würde", knurrte ich.
"Alex, bleib ruhig", hörte ich Flavia sagen.
"Hör' lieber auf deine Freundin, Süße, du tust dir sonst noch weh."
"WIESO HAST DU MEINE GESTÖRTE COUSINE FREI GELASSEN?"
"Ich habe ihr lediglich dabei geholfen."
"Und wieso? Was hat sie dir dafür gegeben?" 
"Nichts."
"Nichts?", fragte ich fassungslos. "Wie jetzt, nichts?
"Na nichts halt", er zuckte mit den Schultern. "Ich habe einfach mal was gutes getan, ohne etwas dafür zu verlangen."
"Aber...das...das kann nicht sein", stammelte ich. "Man hilft doch nicht einfach der gestörtesten Person überhaupt aus der Psychiatrie."
"Du verstehst das nicht, Alexandra", schüttelte dieser Mario den Kopf. "Du weißt nicht, was die mit dir da drin machen. Es wird zwar immer erzählt, dass es eine Art Psychiatrie ist, in der man denen hilft, die vom guten Weg abgekommen sind, dabei stimmt das gar nicht. Sie wollen dich brechen, bis du von alleine auf Knien flehst, endlich bei ihnen aufgenommen zu werden."
"So ein Schwachsinn, wieso sollten sie sowas denn tun?"
"Weil die Menschen so sind, wenn sie glauben, dass sie recht haben und nur ihre Weise die richtige ist!"
"Aber-"
"Marianna war schon so oft da drin und sie haben es nie geschafft sie zu brechen. Sie ist psychisch unglaublich stark."
"Wohl eher gestört", kommentierte Flavia.
"Ihr Mädels habt echt keine Ahnung." Er schüttete den Kopf. "Marianna ist grausam und zieht immer ihr Ding durch, ohne Reue zu zeigen. Das ist aber nur der Teil, den sie euch zeigt. In Wirklichkeit zieht sie nur solche grausamen Dinge ab, um zu zeigen, dass sie stark ist und keiner sie brechen oder beeinflussen kann. Sie will selbst über sich bestimmen und nicht von wem anderes gesagt bekommen, was zu tun ist!"
"Sie ist selbst schuld, wäre sie auf der guten Seite geblieben, dann-"
"Wäre genau das Gegenteil passiert", beendete er meinen Satz.
"Du spinnst!", warf nun Flavia ein.
"Ihr habt echt keine Ahnung, Mädels. Die gute Seite nennt sich gut, doch was bedeutet das schon? Sie benutzen die selben dreckigen Tricks, wie wir es tun. Allerdings will auf der guten Seite immer irgendwer oben an der Macht stehen und befielt den anderen, was sie zu tun haben."
"Pft. als ob das auf der anderen Seite so anders ist."
"Natürlich nicht. Es gibt immer einen Boss, einen Anführer, aber bei uns muss der Anführer aufpassen, was er tut, da er schnell erledigt wird, falls er etwas tut, was den anderen nicht gefällt. Auf der angeblich gute Seite muss man dem Boss zuhören und wenn dies nicht geschieht, dann versuchen sie dich so zu formen, dass du es tust!"
"Du-"
"Ich habe recht."
"Das-"
"Ist alles die Wahrheit."
"Aber-"
"Kein Aber."
"LASS' MICH DOCH MAL AUSREDEN!" Er grinste und verschränkte seine Arme. "Woher willst du das alles wissen?"
"Ich habe halt Ahnung." Er zuckte mit den Schultern. "Und wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich möchte gerne zum Ball zurück. Diese arme Frau..."
"Warst du das etwa?", fragte Flavia schockiert. Er schüttelte den Kopf.
"Ich nicht, aber ihr solltet mal Angelica im Auge behalten." Er ging auf die Tür zu, doch bevor er verschwinden konnte hielt ich ihn noch auf.

"Wieso hilfst du uns?"
"Wie gesagt, einfach mal was gutes tun." Ich sah ihn abwartend an und er seufzte. "Du bist deiner Cousine wirklich ähnlich, Alexandra. Glaub mir, Marianna ist eigentlich kein schlechter Mensch. Tief in ihr ist sie gut, sie wurde bloß von ihrer Umwelt so geformt, wie sie heute ist. In der Psychiatrie schien sie wirklich verzweifelt. Sie hatte Angst, dass sie es bald schaffen würden, sie zu brechen, da sie schon öfters dort war und man sie mittlerweile kannte. Deswegen habe ich ihr geholfen rechtzeitig zu entfliehen."
"Aber du kannst jetzt nicht einfach-"
"Abhauen? Doch, das werde ich tun. Denkst du ich weiß nicht, dass ich schon seit Wochen verfolgt werde und genau diese Leute nur auf das Kommando warten, mich endlich festzunehmen? Ich bitte dich, Alexandra, nutze deinen gesunden Menschenverstand und lass' dich nicht von denen beeinflussen. Du scheinst mir sehr ausgefuchst und könntest es weit bringen, dafür musst du aber verstehen, was die anderen mit dir machen." Er zwinkerte mir zu. "War mir eine Freude euch kennengelernt zu haben, jedoch muss ich jetzt gehen. Vielleicht sieht man sich mal wieder." Mit diesen Worten verschwand er aus der Tür und ich sah zu Flavia, welche meinen Blick erwiderte.

Ich war sprachlos.

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