21: Louis

"Wieso gucken die uns alle so komisch an die ganze Zeit?", fragte Eliana verwirrt, als wir durch die Hotels liefen, um zum Coyote Ugly im New York New York zu kommen.
"Vielleicht weil wir einen Gefangenen vor uns her schieben?", warf Teresa ein, drehte sich aber nicht zu ihr um. Sie lief mit mir vorne und war die meiste Zeit ziemlich still.
"Oh, stimmt." Eliana war wieder still und ich beobachtete Teresa von der Seite. Gut, sie war schon immer die gewesen, welche etwas zurückhaltender war, doch jetzt redete sie kaum und das war anders. Ihre Antworten waren meistens knapp und irgendwie gereizt.

"Ist alles okay bei dir?", fragte ich sie dann einfach, weil ich langsam nicht mehr wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Sie zuckte kurz zusammen und sah mich dann überrascht an.
"Natürlich, wieso denn nicht?", stellte sie die Gegenfrage. Ich runzelte meine Stirn. "Ehrlich, Alex." Sie versuchte mich zu überzeugen und ich nickte auch, doch ich kaufte es ihr trotzdem nicht ab. Das wusste sie selbst, aber wir sahen beide bloß wieder nach vorne und ließen das Thema erstmal fallen.

"Wie kommen wir da jetzt gleich überhaupt rein? Als ob uns die Security mit so einem Gefangenen hinein lässt", überlegte Luca.
"Louis muss ihnen Bescheid gesagt haben", meinte Leo.
"Aber wie erkennen wir Louis?", fragte nun Eliana.
"Wir brauchen ihn nicht zu erkennen", sagte ich. "Er wird uns erkennen."
"Pretty dramatic", kommentierte James und ich konnte mir sein Grinsen dabei vorstellen.
"Ist doch so", zuckte Flavia mit den Schultern. "Da hat sie schon recht. Schließlich wollte er, dass wir den Auftrag erledigen und er wird sicher keine Zeit verschwenden."

Würde das wirklich alles hier enden? In einem der vielen Casinos von Las Vegas? Schließlich hatten wir mit Louis das Ende von Leos Rätsel erreicht. Und laut den anderen Hinweispersonen war Louis der, der uns weiterhelfen konnte, um alles zusammen zu fügen. Jetzt hatten wir sogar den Auftrag für Louis erledigt und standen somit vor einem lang erhofften Ende. Aber das schien nicht real. Es wirkte zu einfach. Zu schnell. Zu unkompliziert.

Schon klar, wir waren durch halb Amerika getourt, um die verschiedenen Rätsel zu finden, doch dabei hatten wir schließlich immer mindestens eine Person, die uns geholfen hatte. Es war auch nicht immer leicht, aber dennoch leichter, als die Missionen, die wir vorher erledigt hatten.

Dann gab es da noch die Fragen zu Tamino und Letitia und Evanna Cruz. Was hatten die alle miteinander zu tun? Wieso wusste Tamino, dass wir Evanna Cruz kannten und wieso waren sie so dumm, sie einfach wieder flüchten zu lassen? Wieso war er extra zu uns gekommen, um Bescheid zu sagen? Woher wusste er überhaupt, dass wir gerade in Los Angeles waren? War er uns den ganzen Weg etwa gefolgt? Und die Frage zu Eliana blieb auch noch offen, wieso er sie nicht verraten wollte, als sie undercover bei denen am Projekt teilgenommen hatte.

Meine Eltern waren nicht besser. Ich hatte bis jetzt noch keine Chance gehabt, mit ihnen zu reden, weil immer irgendetwas dazwischen kam. Ich wollte endlich wissen, wie sie frei gekommen sind und wer ihnen womöglich geholfen hatte. Es würde uns bestimmt sehr helfen, doch ich glaubte langsam, dass das Schicksal nicht wollte, dass ich es herausfand.

"Ja", hörte ich Christian plötzlich sagen und sah erschrocken auf. Ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie Leo neben mir lief und meine Hand nahm. Fragend sah ich zu ihm und er schmunzelte.
"Du warst so in deinen Gedanken vertieft, dass du fast irgendwo gegen gelaufen wärst", erklärte er und ich musste nun auch lächeln.
"Danke, wirklich sehr nett von dir."
"Ich weiß", grinste er. "Außerdem wollen wir ja keinen Unfall, bevor das-"
"Leo!", unterbrach ich ihn, sobald ich verstand, was er sagen wollte.
"Du verstehst mich auch so, wie ich sehe", lachte er.
"Ich glaube, da hat wer herausgefunden, was Alex so peinlich ist", lachte James. Ich verdrehte meine Augen.
"Seid bloß ruhig ihr zwei, ihr sitzt nur im Zimmer und erlebt das nicht hautnah!"
"Ich will auch wissen, was es ist!", beschwerte sich Flavia und sah mich patzig an. "Ich bin schließlich deine beste Freundin!"
"Jeglicher Status Quo ist davon ausgenommen", meinte ich und schüttelte den Kopf. "Ich hoffe, dass es bei uns vieren bleibt!"
"Hoffe ich nicht", murmelte Flavia beleidigt.

Wir hatten nun endlich Coyote Ugly erreicht. Unschlüssig blieben wir davor stehen. Ich sah zwei große Männer in schwarzen Anzügen und mit schwarzer Sonnenbrille vorm Eingang stehen, welche die Ausweise und Taschen kontrollierten, bevor sie die Gäste in den Club ließen. Man hörte die laute Musik und man konnte auch sehen, dass es wirklich gut besucht war.

"Hätte er nicht ein Verkäufer von selbstgestrickten Socken sein können?", warf Teresa ein und schien nicht von dem Club begeistert. Ich nahm es ihr nicht übel. Ich konnte schon einige leicht bekleidete Frauen sehen, welche hinter der Bar die Getränke ausgaben oder auf bestimmten, erhöhten Plattformen tanzten.
"Wir haben keine andere Wahl", seufzte Leo und drückte meine Hand einmal leicht.
"Auf geht's", sagte ich also und stellte mich hinter die wartende Schlange. Die vor uns standen, sahen uns einmal komisch an, bevor sie sich mit dem Rücken zu uns drehten und auf schnellem Englisch irgendetwas sagten.

Als wir nun an der Reihe waren, unsere Ausweise vorzuzeigen, sah der Security Mann mich genau an. Er nahm seine Sonnenbrille ab und beäugte wirklich jedes Detail meines Gesichtes. Sein Blick glitt zu Brett Jacobs, welcher brav mit uns mitgekommen war.
"Kommt mit", sagte der Security Mann mit einer sehr dunklen Stimme. Er führte uns in den Club hinein, während sein Kollege alleine am Eingang weiter machte.
Der Club war wirklich unfassbar voll und laut, doch wir schafften es uns durchzuquetschen, bis wir an einer kleinen Treppe ankamen, die auf eine Erhöhung führte. Diese war allerdings mit weißen, leicht durchsichtigen Gardinen verhängt. Man erkannte, dass sich Personen dahinter aufhielten, doch man hätte sie nicht erkennen können.

"Louis findet ihr dort", meinte der Mann und sah uns zu, bis wir die Treppe hoch gingen. Langsam ging ich mit Leo vor, wobei wir unsere Hände losgelassen hatten. Bevor ich die Vorhänge aufzog, sah ich zu ihm und er lächelte mich aufmunternd an. Ich zog die Gardinen also zur Seite und zum Vorschein am eine Art Lounge. Es gab mehrere moderne Sofas, die in einem Kreis standen. Es saßen viele Leute hier, doch man erkannte trotzdem sofort den Mittelpunkt des Geschehens.

"Ah! Ich bin begeistert!" Ein junger Mann mit goldblondem Haar, welches bis auf Kinnhöhe fiel, und braunen Augen strahlte uns entgegen. Er hatte zwei Frauen neben ihm sitzen, die ihre Hände an seiner Brust und in seinen Haaren liegen hatten. "Kommt, kommt! Keine Scheu!" Er winkte uns näher zu sich und ich sah, wie alle anderen Leute auf der Couch nun auch zu uns sahen.
"Louis?", fragte ich sicherheitshalber nach, obwohl ich mir wirklich sehr sicher war.
"Leute, Privatsphäre, bitte." Er sah alle in diesem Raum befindlichen Personen an. Diese erhoben sich ohne zu beschweren und verschwanden. Auch die beiden Frauen, die an ihm geklebt hatten.

Louis stand elegant auf und kam auf uns zu. Er war ziemlich groß und hatte ein selbstgefälliges Grinsen auf den Lippen.
"Die bezaubernde Alexandra Chiara Visconti!" Er nahm meine Hand und deutete mit dem Kopf eine leichte Verbeugung an. "Ich bin begeistert, wie schnell ihr mich gefunden habt!"
"Und ich bin begeistert wie gut ich mit meiner Vorstellung von dir war", sagte Flavia nun. Louis' Augen richteten sich auf meine beste Freundin und sie schienen kurz aufzuleuchten.
"Und wer bist du, meine Liebe?" Er nahm nun ihre Hand und verbeugte sich ebenfalls leicht.
"Dein größter Albtraum, wenn du deine Griffel nicht von mir nimmst", lächelte sie unschuldig.
"Ausgezeichnet", grinste er und ließ ihre Hand los. "Ich bin wirklich fasziniert!" Sein Blick fiel auf Brett Jacobs, welcher nun ziemlich ängstlich zu Louis sah. "Brett! Mein alter Freund! Na? Hast du etwa nicht geschafft, zu fliehen?"
"Wie denn", murmelte unser Gefangener. "Ihr habt mir alles unmöglich gemacht."
"Du kannst ja gehen", zuckte der blonde Mann mit den Schultern. "Sobald ich mein Geld sehe, du dreckiger Hund!" Louis sah ihn böse an und wirkte nun sehr bedrohlich.
"Ich habe doch gesagt, ich habe keins!", wimmerte Brett Jacobs.
"Nicht mein Problem", erwiderte Louis. "Ich lasse dich nicht eher gehen, bis du deine Schulden nicht bezahlt hast!" Er rief nach Security, welche den Mann dann mitnahmen. Verwundert beobachtete ich die ganzen Szene. Ich dachte, Brett Jacobs hatte etwas, was uns gehörte?

"Dieser Kerl geht mir schon viel zu lange auf die Nerven", verdrehte Louis die Augen und richtete sich wieder an uns. "Danke, dass ihr ihn mir gebracht habt."
"Aber ich dachte, er hätte Informationen zu uns?", warf Eliana verwundert ein. Louis zuckte gleichgültig mit den Schultern.
"Nein. Das war gelogen."
"Wie bitte?!" Wir sahen ihn fassungslos an.
"Sonst hättet ihr mir den Auftrag nie erfüllt", begründete er.
"Mieses Schwein", murmelte Flavia, doch er hörte es und zwinkerte ihr grinsend zu.
"Und wieso sollten wir ihn dann holen?", fragte Teresa nach. "Es gibt doch bestimmt genug Leute, die für dich arbeiten!"
"Natürlich", nickte Louis. "Aber es war eine Idee von Manuele. Er meinte, es würde euch testen."
"Ach, weil es ja nicht reichte, die ganzen Rätsel zu finden." Ich hob eine Augenbraue und verschränkte meine Arme.
"Ihr seid wirklich zu niedlich", grinste Louis. Sein Blick glitt nun zu Leo, welcher noch immer neben mir stand. Er sah ihn eine Weile an. "Leonardo...deine Eltern würden wirklich stolz auf dich sein."
"Dafür muss ich das erst alles beenden, also rück schon mit den Informationen raus", meinte Leo und sah Louis abwartend an.
"Morgen", sagte dieser einfach.
"Was war das?", fragte ich nach. "Sag mal, willst du mich eigentlich verarschen?!"
"Würde ich nie wollen, liebste Alexandra", lächelte er süffisant. "Aber ihr müsst zugeben, dass es wirklich schon spät ist und der Tag wirklich anstrengend war." Er gähnte gespielt. "Um keine Fehler zu begehen, würde ich mich lieber ausschlafen."
"Dein Club ist aber noch voll", warf Luca ein.
"Ich habe ja auch nicht gesagt, wann ich schlafen gehe. Nur, dass ich es tun sollte, bevor ich euch was erzähle."
"Vielleicht solltest du dich mit weniger Frauen beschäftigen", kommentierte Flavia. "Dann wärst du nicht so müde." Louis' Blick richtete sich wieder auf Flavia und er begann zu grinsen. Aber sein Grinsen war irgendwie anders, als bei uns anderen.

"Wie heißt du?", fragte er ruhig nach.
"Flavia."
"Flavia", sagte er und ließ den Namen auf seiner Zunge zergehen. "Wirklich hübscher Name für eine hübsche Frau."
"Spar' dir das, du Nichtsnutz", meinte sie bloß und zwirbelte einer ihrer Locken.
"Mhm, ich sehe schon...du bist genau der Typ, den ich suche." Er fuhr sich durch seine etwas längeren Haare.
"Ich bin kein einfaches Objekt", beschwerte sich meine beste Freundin. Da hatte sich Louis definitiv mit der falschen angelegt.
"Aber, aber! So etwas würde ich nie gegenüber irgendwem behaupten!" Er zwinkerte ihr zu. "Du weißt doch gar nicht, wofür ich wen suche."
"Ich bin ganz Ohr." Flavia sah ihn abwartend an und er schien nun noch selbstsicherer.
"Ich betreibe einen Club beziehungsweise eine Bar und keinen Puff", begann er. "Jeder, der sich nicht benimmt, fliegt sofort raus und bekommt Hausverbot. Besonders die Frauen, die hier arbeiten, bekommen besonderen Schutz von mir gestellt, da ich nicht will, dass irgendetwas mit ihnen gegen ihren Willen passiert." Überrascht hob ich meine Augenbrauen, da ich das nicht erwartet hatte. Flavia hatte jedoch weiterhin ihren kalten Gesichtsausdruck.
"Ja und?", fragte sie.
"Morgen Abend kommt ein wichtiger Kunde. Er hat einen großen Einfluss im Casino Business und wir werden verhandeln, in wie weit wir miteinander kooperieren. Er wäre nicht so einflussreich, wenn er nicht seine Tricks hätte. Man muss bei ihm gewaltig aufpassen und ich bräuchte eine geeignete Begleitung."
"Ja und?", fragte sie einfach wieder, wobei ich wusste, dass sie wusste, worauf das hinaus sollte.
"Du wärst perfekt", beendete er seine Erklärung. "Du hast den perfekten Charakter dafür. Würdest du also bitte meine Begleitung für dieses Meeting sein? Es macht besseren Eindruck und lenkt womöglich auch ab, was alles positiv für mich ausgehen würde." Er sah Flavia abwartend an. Man sah ihr an, dass sie ernsthaft im Kopf abzuwägen schien, was für sie am meisten nützen würde.

"Was würde für mich dabei heraus springen?", fragte sie schließlich und verschränkte ihre Arme.
"Eine Menge", grinste er. "Ich würde euch verraten, was nun zu tun ist, um das Rätsel zu beenden. Außerdem würde ich dir für eine lange Zeit in der Schuld stehen, da du mir ausgeholfen hast. Ich bin da recht großzügig." Wieder war es still, bis auf die Musik, welche kaum durch die Vorhänge abgeschottet wurde.
"Das bedeutet doch, dass wir keine Infos bekommen, wenn ich da nicht mitspiele", stellte meine beste Freundin fest.
"Wenn du es so sehen willst, dann hast du recht." Er sah sie siegessicher an. Flavia sah uns unschlüssig an, doch ich konnte nur mit den Schultern zucken. Louis war mir unerklärlich. Er würde aber nicht zulassen, dass ihr irgendetwas passierte, das konnte ich nicht glauben.
"Einverstanden", sagte Flavia schließlich. "Aber wenn mir einer zu blöd kommt, dann leg' ich ihn übers Knie, egal wie wichtig er für dich ist."
"Deal." Er schüttelte Flavias Hand und sah sie selbstgefällig an. "Wir treffen uns morgen Mittag hier, um alles zu klären." Flavia nickte bestätigend.

Als Louis uns praktisch aus dem Club geschoben hatte, machten wir uns zurück zum Luxor. Mich überkam eine plötzliche Müdigkeit und ich war froh, als wir endlich in unseren Betten lagen.

Dieser Louis war wirklich...interessant.

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