41: Blutige Dekoration
"Dort können wir mehrere Tische aneinander reihen, dann haben wir einen langen Buffettisch", sagte ich und skizzierte den Buffettisch auf meinem Plan ein. Ich drehte mich einmal um mich selbst und betrachtete den gesamten Saal, der tüchtig auf den Maskenball vorbereitet wurde. Seit heute Morgen wurde geputzt, umgestellt und dekoriert. Ich wollte unbedingt, dass alles gut wurde, denn dann bekam ich den Abend frei und durfte auf den Ball. Nicht, dass ich jetzt so darauf brannte mich so krass zu stylen, aber es war mal eine neue Erfahrung und ich hätte genug Zeit, Leute auszufragen oder auszuspionieren.
"Wow", hörte ich eine Stimme hinter mir sagen und ich drehte mich um. Ich erblickte Lucía, die sich staunend umsah. "Das sieht toll aus! Ich wusste gar nicht, dass du so ein Händchen dafür hast, wichtige, große Bälle zu organisieren!"
"Nun ja, ich organisiere ja nicht alles, bloß die Dekoration. Alles wäre mir auch zu viel", meinte ich und sah weiter zu, wie der große Kronleuchter geputzt wurde. Man hatte ihn extra hinunterfahren lassen und nun schwebte er bloß einige Zentimeter über dem Boden. Er war riesig, aber wunderschön. Er hatte viele edle Steine dran hängen, die im Licht sehr schön schimmerten.
"Wolltest du etwas Bestimmtes?", fragte ich die Prinzessin. Sie hörte auf sich umzusehen und fixierte mich stattdessen mit ihrem Blick. Dann nickte sie.
"Es ist ja jetzt so ein neuer Junge auf dem Schloss. Wegen mir."
"Du meinst Nicolás, oder?"
"Jap, genau den", sagte sie und drehte an einer ihrer Haarsträhnen. "Du weißt ja, wir bekommen immer ein wenig Zeit zusammen und so..."
"Das habe ich schon mal erlebt, ja."
"Nun...bis jetzt hatten wir das noch nicht gemacht und...nun ja, du hast ihn ja schon durch das Schloss geführt zu Beginn und ich wollte dich fragen, ob du mir sagen könntest, wie er so ist...dann habe ich schon mal einen kleinen Eindruck..."
Ich lächelte und senkte meine ganze Planung für den Ball. "Meinst du nicht, dass dich meine Meinung möglicherweise beeinflussen wird?"
Unschlüssig zuckte sie mit den Schultern und trat näher. Sie beugte sich näher zu mir und sagte leise: "Also...vielleicht hast du es schon mitbekommen, aber ich stehe eher auf den Jungen, der den ganzen Tag meinem abuelo dienen darf. Außerdem muss ich mich bald entscheiden, denn sonst suchen abuelo und papá einen Mann für mich aus, aber ich will das nicht!"
"Was hindert dich denn daran, Christian zu nehmen?" Versteht mich nicht falsch, ich wollte das Christian und Teresa zusammen glücklich wurden, denn sie waren einfach zu niedlich zusammen.
"Nun ja, das klingt vielleicht doof und sehr altertümlich, aber er ist ein Angestellter und normalerweise ist es nicht gern gesehen, einen Unadeligen zu nehmen."
"Lucía", sagte ich und legte eine Hand auf ihre Schulter. "Denkst du nicht, dass das heutzutage eine ziemlich blöde Regelung ist? Damals war doch eh alles anders und da kann man den Gedanken vielleicht nachvollziehen, aber du hast schließlich die Wahl und dann solltest du auch jemanden wählen dürfen, den du willst!" Sie schien über meine Worte nachzudenken. Wenn sie nun wirklich versuchte an Christian zu kommen, dann würde Teresa eifersüchtig werden und wenn sie erst einmal so richtig eifersüchtig ist, dann traut sie sich hoffentlich ihm endlich etwas zu sagen! Es war ja kaum auszuhalten, die beiden zusammen zu sehen und zu wissen, dass jeder alles für sich behielt und sie sich nicht trauten es anzusprechen.
"Du hast recht", sagte sie. Ich nickte zustimmend.
"Natürlich habe ich recht!"
"Ich werde Christian einfach fragen und ihn ansprechen!"
"Tu' das."
"Aber...glaubst du, der Neue währe eine zweite Option für mich?"
"Durchaus", sagte ich und versuchte ernst zu bleiben. Allerdings glaubte ich nicht wirklich, dass James etwas mit der Prinzessin anfangen würde.
"Wie ist er denn so?"
"Er ist wirklich sympathisch und freundlich und man kann sich gut mit ihm unterhalten. Außerdem hat er guten Humor und sieht gar nicht mal so schlecht aus!"
"Na ja, aber so schien Fernando auch und irgendwie mochte ich ihn nicht wirklich." Fernando war ja auch das komplette Gegenteil von James. Na gut, so schlecht sah er jetzt nicht aus, das musste man ihm lassen, aber im Innern war er total hässlich.
"Lucía!", rief jemand und wir sahen zu Königin, die auf uns zukam. "Geh' wieder hoch und lass' die Leute hier in Ruhe arbeiten, Liebling."
"Ja, abuela", sagte sie und lächelte mich zum Abschied noch einmal an, dann ging sie. Mein Blick wanderte zur Königin, die mich schon längst ansah. Sie wirkte sehr bedrohlich, wie sie vor mir stand und mich musterte.
"Sieht ganz gut aus, bis jetzt", meinte sie. "Du bist besser, als ich dachte, um ehrlich zu sein."
"Danke?", erwiderte ich, obwohl es mehr wie eine Frage klang.
"Ich dachte mir, dass du das kannst, aber du hast dich wirklich selbst übertroffen."
"Ich geb' mein Bestes."
"Das ist ja auch wichtig. Sonst hätte ich dich nie dafür eingestellt." Langsam kam mir der Gedanke, dass das Gespräch nicht nur auf den kommenden Ball bezogen war.
"Deine Freunde machen sich auch nicht gerade schlecht."
"Sie strengen sich halt auch an."
"Dann kann ich ja nur von Glück reden, wenn ich mir euch ansehe. Ihr leistet alle wirklich große Arbeit."
"Wir geben uns Mühe", sagte ich und ging einen Schritt zurück, denn es wurde echt merkwürdig.
"Wenn man sich gut organisiert und ein Ziel vor Augen hat, dann muss man eben alles andere aus dem Weg räumen, stimmt's?" Sie trat einen Schritt auf mich zu.
"Jeder hat so seine Mittel und Wege, um an sein Ziel zu kommen. Es reicht, konzentriert zu sein." Und einen Schritt zurück.
"Dann solltest du dich lieber wieder konzentrieren. Nur noch drei Tage, wenn man heute noch mitzählt. Alles muss perfekt werden, wir wollen schließlich keinen schlechten Eindruck hinterlassen." Ein Schritt auf mich zu.
"Ich bin voll darauf fokussiert, machen Sie sich keine Sorgen", sagte ich, blieb dieses Mal allerdings stehen.
"Das hoffe ich, denn hier hat jeder seine Aufgabe und manchmal wirft man Pläne anderer durcheinander, selbst wenn man nicht die Absicht dazu besitzt." Sie sah mir fest in die Augen und ich fühlte mich langsam echt unwohl. Alfonso hat ihr alles erzählt und wir redeten hier schon lange nicht mehr vom Maskenball.
"Hier sind Sie! Königin Àngela!", rief plötzlich eine Stimme und sie wendete sich mit einem letzten strengen Blick von mir ab.
"Nicolás! Wie schön! Was gibt es denn? Wie findest du den Saal hier?", spielte sie gekonnt und ich gab James einen bedeutenden Blick. Er war genau im richtigen Moment aufgetaucht. James sah sich ein wenig um.
"Wow! Sieht wirklich toll aus! Wer hat denn die ganze Dekoration hier fertig gemacht?", fragte er, obwohl ich ihm ja schon erzählt hatte, dass ich dafür eingeteilt wurde. Àngela trat einen Schritt beiseite, sodass James mich besser sehen konnte.
"Sie hier. Hat sie gut gemacht, ich finde es auch sehr schön", sagte sie und zeigte dabei auf mich. James nickte zustimmend und war wohl wirklich beeindruckt.
"Was wolltest du eigentlich von mir?", kam die Königin wieder auf James zurück und drehte sich mit dem Rücken zu mir. Wie nett. Danke.
"Ich hatte ein paar Fragen zum Ball in zwei Tagen", meinte er und spielte seine Rolle fantastisch. Allerdings war er doch auch dabei gewesen, als Alfonso kam. Das bedeutet doch, die Königin weiß auch über ihn Bescheid. Aber Moment mal...diese Jungs für Lucía werden doch meist von der bösen Organisation geschickt und wenn Alfonso und Caruso dort für Miguel und die Königin spionieren, dann bedeutet das doch, dass sie möglicherweise weiß, dass die Jungs alle böse sind und nur an sie rankommen wollen. Ich runzelte angestrengt meine Stirn. Also wusste sie vielleicht, dass James wieder einer von den Bösen sein wird, allerdings stellt sich nun heraus, dass er zu uns hält. Was denkt sie denn jetzt? Findet sie es besser, wenn er auf der Seite der Bösen ist oder auf unserer? Schließlich wollen alle nichts Gutes von der Königin.
"Alexandra!", wedelte eine Hand vor meinem Gesicht und ich schreckte hoch. Ich blickte erschrocken in James' Gesicht. Grinsend sah er auf mich herab, denn er war deutlich größer als ich. Ich drehte meinen Kopf zu allen Seiten, doch die Königin war weg.
"Keine Sorge, sie ist gegangen. Es gab irgendein Problem in der Küche. Wegen den Vorbereitungen für den Ball", erklärte mir James, da er wohl verstanden hatte.
"Ich hab grad was herausgefunden, was uns nicht viel weiter helfen wird, aber egal", meinte ich und erzählte ihm von meinem Gedanken. Er nickte verständnisvoll.
"So etwas in der Art habe ich mich auch schon gefragt. Ich war dabei, als Alfonso uns gesehen hat, also muss die Königin das auch wissen. Was hat sie dir eigentlich erzählt? Es sah wie ein angespanntes Gespräch aus, welches ihr geführt habt, bevor ich dazwischen kam."
"Hör mir bloß damit auf! Sie hat mir echt Angst gemacht, erst dachte ich, sie redet vom Ball, doch letztendlich ging es in eine ganz andere Richtung!" Kurz schilderte ich, was sie mir gesagt hatte. Die Frau war echt unheimlich.
"Da war ich ja deine Rettung in letzter Sekunde", grinste er blöd. Spielerisch schlug ich ihm gegen die Brust.
"Ja ja, du Held! Ich bin schon mit der Mafia klar gekommen, da schaff' ich die Alte auch!"
"Na hör mal einer an! Aber Spaß bei Seite, du musst echt aufpassen. Wir müssen alle aufpassen, aber du wirst öfter in ihrer Nähe alleine sein." Ich seufzte und nickte.
"Ja, ich weiß, aber bald ist ja der Ball und, ich weiß nicht, ich hoffe wir kommen endlich zu einer Lösung."
"Wir sind doch schon einen ganzen Schritt weiter gekommen. Du musst dir bewusst werden, was wir noch brauchen, dann wird es deutlicher", sagte er. "Aber wir sollten das nicht hier besprechen, man weiß nie, was gerade seine Ohren spitzt." Ich stimmte ihm zu und wir verabredeten uns für heute Abend auf dem Zimmer der Jungs. Den anderen würden wir noch Bescheid geben, aber wir werden eh alle wieder in dem selben Zimmer schlafen, von daher wird das kein großes Problem.
James ging und ich sah wieder auf meine Pläne für den Saal. Es musste noch einiges erledigt werden und ich hatte nur noch zwei Tage. Der Tag heute war ja schon so gut wie gelaufen, zumal ich mich nicht mehr gut konzentrieren konnte, wegen der Ansage der Königin. Es ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Was hat sie für einen geheimen Plan und warum ist niemandem die zweite Seite von Miguel aufgefallen?
Mit meinen Gedanken kam ich allerdings wieder nicht sehr weit, denn sie wurden durch einen Schrei unterbrochen. Einen spitzen, schrillen, schmerzvollen Schrei. Sofort hielt jeder inne und blickte zu der großen Tür, die den Saaleingang darstellte. Langsam bewegte ich mich auf diese zu und bevor ich sie öffnete, atmete ich noch einmal durch. Ich drückte die Klinke hinunter, zog die Tür auf und erstarrte. Vor mir lag eins der Dienstmädchen auf dem Boden. Sie lag in einer großen Blutlache. Ich sah sie genauer an und erkannte einen tiefen Schnitt an ihrem Hals. Jemand hatte ihr die Kehle aufgeschlitzt, eindeutig. Doch wer tat so etwas? Am Tag? Bei so vielen Menschen, die das sehen könnten? Ich war sprachlos und merkte nicht, wie sich mir jemand nährte.
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