4: 'Bitchfight'
Ich starrte auf meine Mappe. Genauer gesagt starrte ich auf das Blatt, das die Wörter trug, die mir nicht sonderlich gefielen.
"Ich soll bitte WAS SEIN?!", fragte ich entsetzt und ein wenig laut.
"Cool! Ich bin die Cousine der Prinzessin!", rief Eliana fröhlich und sprang auf. Hochnäsig und etwas gehässig grinste sie uns Mädchen an. Mein Blick verfinsterte sich noch mehr. Vielleicht wäre das Kloster doch besser gewesen.
Ich knirschte mit meinen Zähnen und setzte den finstersten Blick auf, den ich hatte.
"Woooha....Leo, Alter, bring mal deine Freundin runter, sie macht mir Angst", sagte Luca.
"Halt die Klappe", murmelte ich, ohne den Blick vom Tisch zu heben, den ich angefangen hatte anzustarren.
"Hey! Rede so ni-"
"Ach, halt die Klappe, Eliana!", unterbrach Flavia sie genervt.
"Leute kommt runter!", sagten Teresa und Christian gleichzeitig.
Leo, der neben mir saß, fragte, was denn so schlimm sei. Ohne aufzuschauen nahm ich die Mappe und hielt sie in seine Richtung. Kurz darauf hörte ich ein 'Oh'.
"Ja...ein Oh beschreibt das wirklich am Besten", sprach ich meine Gedanken sarkastisch aus. Er legte eine Hand auf mein Knie und legte die Mappe wieder vor mich.
"Zeig mal!", forderte Eliana und wollte sich die Mappe schnappen. Ich reagierte allerdings schneller und legte meine Hand blitzschnell auf die Mappe, um diese festzuhalten. Ich funkelte sie böse an.
"Wage es nicht!"
"Ach komm schon! So schlimm ist es bestimmt auch nicht und wir müssen alle unsere Rolle akzeptieren", sagte Luca und schien definitiv auf der Seite seiner Freundin zu stehen.
"Ach ja? Was bist du denn?", fragte ich nicht sehr überzeugt. Er lehnte sich vor und sagte ernst: "Ich helfe dem Privatlehrer."
Ich musste leicht schmunzeln. Luca und Lehrer? Das würde lustig werden.
"Also sag schon, was bist du?", meldete sich Christian zu Wort. Ich seufzte und legte meine Hände aufs Gesicht.
"Kammerdienerin Schrägstrich Dienstmädchen." So stand es in der Mappe. So wollte ich es nicht wahr haben. So musste ich nun Eliana bedienen! Schrecklich!
Ich hörte sie jubeln. "HA! COOL! Dann kannste mich ja immer schön bedienen!" Ich nahm meine Hände runter und sah sie finster an.
"Karma, meine Liebe, Karma schlägt schon noch zu." Sie grinste bloß weiter vor sich hin. Ja ja...NOCH! Blöde Kuh! Vielleicht hatte ich sie nicht gerade falsch eingeschätzt.
Nacheinander erklärte jeder kurz seine Rolle. Leo war Stallbursche, Teresa ebenfalls Dienstmädchen, wobei sie meist in der Küche oder mit der Wäsche arbeiten wird, Flavia half dem Arzt, Christian wird ein Leibdiener des Königs werden. Das Schloss befand sich irgendwo in Spanien, also würden wir wieder hinfliegen müssen.
Uns wurde erklärt, dass sich die ehemalige Agentin der Organisation, in der auch Leo und Co. waren, als Königin in diesem Palast niedergelassen hatte. Sie war wohl schon siebzig oder so und brauchte nun Hilfe, da sie nicht mehr die Fitteste war und jemanden Undercover brauchte. Ihre älteste Enkeltochter, sie war zwanzig, wie ich verstand, und sollte heiraten, was allerdings nicht sonderlich einfach war; ihre jüngere Enkelin, also die Schwester der zukünftigen Braut, war eine kleine Rebellin und passte nicht wirklich in das ganze Prinzessinnen-Ding. Dazu kam, dass sich irgendwelche merkwürdigen Dinge auf dem Schloss abspielten: gestolene Pferde, fehlende Wachen, viel zu viele kranke Dienstmädchen, komisches Essen...
Das wurde ihr anscheinend alles zu viel, weshalb sie uns zur Hilfe rief. Na gut, nicht direkt uns, weil sie uns ja nicht kannte, aber sie verlangte nach den Besten und ich fand, wir konnten stolz auf uns sein, als Mitglieder einer anderen Organisation für diese Mission mitgeschickt zu werden.
Als würde Eliana meine Gedanke lesen, gab sie mal wieder ihren Senf dazu. "Eigentlich ist es ja ungerecht, dass ihr mit kommt. Ihr seid gar nicht von unserer Organisation! Und an unserer Schule gibt es noch genug andere, die ebenfalls gut sind...wenn nicht sogar besser!" Flavia, Teresa und ich sahen sie mit einem Das-hast-du-jetzt-nicht-gesagt-Blick an. Wir spannten uns an, was Leo natürlich sofort bemerkte, weil seine Hand ja noch auf meinem Knie lag. Er konnte mich jetzt allerdings auch nicht mehr beruhigen.
Luca stöhnte leise auf und murmelte: "Shit, Eliana...warum kannst du nicht einfach mal deine Klappe halten?"
Ich stand auf und stützte mich auf den Tisch, weil sie praktischerweise vor mir saß.
"Weißt du was du bist? Eine kleine, verlogene, eifersüchtige Bitch", sagte ich langsam und ließ das 'B' von 'Bitch' zwischen meinen Lippen ploppen.
Sie stand mit entsetztem Gesichtsausdruck auf. "Du hast mich nicht ernsthaft gerade Bitch genannt! Luca! Hast du das gehört!?" Sie drehte sich zu ihm. Er zuckte bloß mit den Schultern und hob abwehrend die Hände.
"Ladies, sorry, aber ich will mich nicht einmischen...Leo und ich sind beste Kumpels und wenn sich unsere Freundinnen nicht verstehen, dann ist das ganz schön scheiße, aber wir setzen nicht unsere Freundschaft wegen euch aufs Spiel!"
Ich drehte meinen Kopf nach hinten zu Leo. Dieser nickte. Na tolle Hilfe.
"Warum streitet ihr euch überhaupt die ganze Zeit?", fragte Christian.
"Sie hat angefangen!", deutete Teresa auf Eliana.
"Sie muss sich ja einfach in unser Team einmischen! Wir kamen auch gut zu Sechst klar! Wir brauchen keine Neue!", haute Flavia die Wahrheit raus. Na ja...fast die Wahrheit, denn ich glaube, sie war einfach auf Eliana eifersüchtig, weil sie mit Luca zusammen war.
"Ihr habt doch nur Angst, dass ich besser bin", strich Eliana ihre Haare nach hinten.
Ich lachte kurz auf. "Wer hat denn die Prinzessinnen Rolle? Hm? Das ist ja wohl die Einfachste...sich den ganzen Tag bedienen lassen und das Leben genießen, während wir alle arbeiten müssen! Dir wird bloß nichts anderes zugetraut, meine Liebe", lächelte ich sie an.
Alle sahen geschockt zu mir und Eliana wirkte gekränkt. Ja klar, jetzt einen auf Heulsuse machen...wie ich das hasste!
Leo nahm mich am Arm und führte mich nach draußen. Er schloss die Tür und stellte mich gegen eine der Wände. Seine rechte Hand neben meinem Kopf gestützt, damit ich dort hin schon mal nicht abhauen konnte. Außer ich kletterte unten durch, was komisch aussehen würde und viel zu viel Arbeit wäre.
"Okay, also ich weiß ja, dass du direkt bist und oft einfach deine Gedanken ohne nachzudenken aussprichst, aber musste das eben echt sein?", fing er an. "Ich meine, klar, Eliana ist auch nicht wirklich nett, aber könntest du dich versuchen zurück zu halten? Dann tut sie es vielleicht auch!"
"Ich mag sie einfach nicht! Ihre Art! Ich muss ja nicht jeden mögen, also versuche ich auch nicht so zu tun. Man kann sich einfach nicht mit jedem verstehen!"
Er seufzte. "Schon klar. Ich will auch nicht, dass ihr beste Freundinnen werdet, aber versucht sie doch einfach im Team zu akzeptieren! Mach' einfach dein Ding und sie macht ihres. 'Kay?"
Ich schmollte und runzelte die Stirn. Es war unfair. "Da ist noch was anderes, stimmt's?", fragte er. Ich sah weg, jedoch nahm er sofort mein Gesicht in seine Hände und drehte es zu sich, sodass ich ihn ansehen musste. "Sag schon!"
Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte nicht. Ich wollte nicht. Was in dem Brief stand hat mich echt durcheinander gebracht und aufgewühlt.
"Wenn du darüber redest wird es meistens besser", beteuerte er.
"Und was, wenn nicht?"
"Dann...dann war es ein Versuch wert!"
Ich zuckte die Schultern. Ich wusste nicht, ob ich dazu bereit war. Es war nicht so, dass ich Leo nicht vertraute und er hörte mir auch immer zu, wenn ich etwas erzählte, aber ich wollte einfach noch nicht darüber reden. Ich musste es erst selbst noch ein wenig verarbeiten.
Ein wenig war ich selbst erstaunt, dass ich noch so ruhig war, aber bestimmt musste es erst mal sacken und in mein Blut gelangen, bevor ich richtig ausrastete.
Ich seufzte. "Ich liebe dich, Leo, und ich vertraue dir auch..."
"Wenn das so schon anfängt...", meinte er und verdrehte die Augen leicht, was ihm einen leichten Schlag auf den Oberarm einbrachte. "Wo bleibt das Aber?", setzte er dran.
"Aber du hast Recht, da ist etwas anderes. Es stört mich, aber sagen kann ich es irgendwie noch keinem...ich weiß nicht, wie und...und ich muss es selbst genauer verarbeiten. Okay?", fragte ich vorsichtig am Ende. Er sah mich bloß an. Ach komm schon, Leo! Sonst standest du doch auch immer zu mir!
Er fing an zu lächeln, doch es war nicht einer dieser kitschigen, romantischen Lächeln - nein. Leo hatte ein freches, wissendes Lächeln auf den Lippen. Fragend und warnend sah ich ihn an. Seine Hände hielten ja immer noch mein Gesicht fest.
Ich flüsterte: "Wehe du küsst mich jetzt."
"Warum nicht?", flüsterte er zurück.
"Ich will nicht so ein typisches, romantisches, überglücklich scheinendes Klischeepärchen werden, was wir leider schon halb sind, da wir uns erst gehasst haben und jetzt zusammen sind und wahrscheinlich bis an unser Lebensende zusammen bleiben werden, weil uns alle oder die meisten mögen und wir das nicht zulassen können, dass sie sauer werden", brabbelte ich. Er sah mich nun verstört an. Ja...ich glaube ich machte mir zu viele Gedanken darüber.
"Seit wann interessiert es dich, was andere denken?"
"Können wir nicht wieder zu den anderen und uns um unseren überaus tollen Rollen kümmern?"
Er lachte auf. "Als ob du deine Rolle gut findest! Ich will dich wirklich mal gerne als Dienerin sehen, wie du Eliana bedienst", grinste er. Ich schnaubte.
"Das. Wird. Eine. Schreckliche. Zeit!"
"Ach komm, du schaffst das", sagte er und küsste meine Stirn. "Du bist doch Alexandra Chiara Visconti...meine Alex!" Jetzt küsste er meine Nasenspitze. "Die, die das macht was sie will", ein Kuss auf die linke Wange. "Sagt was sie will", ein Kuss auf die rechte Wange. "Und sich nicht darum kümmert, was andere von ihr denken", redete er weiter und küsste mich anschließen auf den Mund. Es war so schön und mich durchlief ein Schauer, was Leo zum lächeln brachte. Wir waren so in unseren Kuss vertieft, dass wir nicht bemerkten, wie jemand uns abwartend beobachtete, bis sich diese Person räusperte.
Erschrocken ließ Leo von mir ab und wir drehten uns beide zu der besagten Person. Es war ein Mädchen mit roten Haaren, vielen Sommersprossen auf der Nase, blauen Augen und einer hochgezogenen Augenbraue.
Jetzt zog ich auch eine Augenbraue hoch und fragte mit einem nicht wirklich freundlichen, aber noch nicht ganz unhöflichen Unterton: "Was?"
"Hier ist ein öffentlicher Schulflur und ich kann hier wohl stehen. Also frag' nicht so blöd", antwortete sie mir. Heute wollten doch echt alle Streit!
Grimmig sah ich sie an. "Achso, na dann...wenn du bloß hier 'rum stehst. Ich hatte das schon eher als Spannen empfunden, aber wenn du meinst..."
"Wer bist du überhaupt?", fragte sie zickig. "Ich habe dich noch nie an unserer Schule gesehen und warum bist du mit meinem Leo hier?" Mein Mund klappte leicht auf, meine Augenbrauen zog ich beide nach oben und Leo facepalmte sich einmal. Kannte er sie etwa besser als ich dachte?
"Bitte? Wer bist DU? Das ist ja wohl die Wichtigere Frage! Und warum sollte er dein Leo sein?"
"Gaia, das ist doch jetzt schon ewig her! Ich bin nicht mehr deiner!", grummelte Leo genervt.
"Na ja, allein die Tatsache, dass du mal ihrer warst, macht das ganze aber interessant", sagte ich und sah ihn abwartend an. Er atmete durch. Mittlerweile stand er auch gar nicht mehr direkt vor mir.
"Also! Gaia, das ist Alexandra, meine Freundin! Alex, das ist Gaia, meine Exfreundin seit über einem Jahr!"
Okay...das war wirklich interessant.
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