38: Alexandra und Andalusier

Am nächsten Morgen wurden wir alle in der Eingangshalle versammelt. Die Königin und der König hatten wohl etwas zu verkünden. Vielleicht war sie schwanger? Haha okay nein, Spaß beiseite.

Sie stieg auf ein winziges Podest und bat um Aufmerksamkeit. Sobald sie jeder ansah, begann sie uns auch schon zu erklären: "In genau vier Tagen werden wir einen Maskenball veranstalten!" Sofort wurde überall gemurmelt. "Hört zu! Es muss viel vorbereitet werden und wir benötigen die Hilfe von allen! Jeder einzelne von euch muss vollen Einsatz zeigen. Wir wissen, dass es sehr kurzfristig kommt, aber der Ball musste kurzfristig zu uns verschoben werden. Ich bitte um Konzentration und vollen Einsatz in allen Bereichen! Die in der Küche arbeiten, werden dort natürlich tätig sein. Wahrscheinlich bekommt ihr dort noch Hilfe. Ein paar der Dienstmädchen werden ebenfalls anders eingeteilt und unseren Leibdienern werden wir gleich noch mehr dazu sagen. Geht erst mal alle zurück an eure gewöhnliche Arbeit. Nach und nach wird jemand vorbeikommen und bestimmten Leuten etwas erklären. Bis dahin, ein freudiges Gelingen!"

Das Gemurmel setzte wieder ein und alle wuselten durcheinander. Ich wartete, bis ein paar von den Leuten weg waren und ging dann auf das Königspaar zu. "Alexandra!", sagte die Königin, als sie mich sah. "Du wirst für die Dekoration zuständig sein. Ich habe da großes Vertrauen in dich und wenn du deine Aufgabe gut machst, dann kannst du zum Ball kommen. Zunächst wirst du aber einen neuen Gast durch das Schloss führen. Er wird gleich hier anreisen. Leider wird uns Fernando dafür verlassen müssen, aber da können wir nichts machen, da unsere anderen Gästezimmer renoviert werden."
"Darf ich fragen, wer der neue Gast sein wird?"
"Aber sicher doch. Er heißt Nicolás." Also doch James! Er kam wirklich noch hier her. Es war früher als erwartet, aber wenigstens kann ich ihn dann auf die IUAAS ansprechen.

Ich machte mich also auf den Weg nach draußen. Vorher holte ich mir aber noch eine Jacke, denn draußen war es definitiv zu frisch.
Mit meiner warmen Jacke stellte ich mich auf den Hof und wartete an der großen Eingangstür. Mit verschränkten Armen vor der Brust dachte ich über den Schotten nach. Er war wirklich gut in seiner Rolle geblieben, als er mir und Luca die nächsten Ereignisse erklärt hatte. Ich dachte an einen Doppelagenten. Er tat nur so, als wäre er böse. In Wirklichkeit hatte er sich dort nur eingeschleust, weil seine eigentliche Organisation ihn auf eine Mission geschickt hatte. Nun wurde er aber von der bösen Organisation auch auf eine Mission geschickt, was seine eigentliche Mission bestimmt beinhaltete. Zusammenfassend kann man einfach sagen, dass er ein sehr guter Agent war. Allerdings wollte ich sehr gerne wissen, warum er damals auch dort war und warum er sich keine neue Identität zugelegt hatte. Vielleicht kannte ich ihn jetzt aber auch nur unter der Identität und nicht seinen richtigen Namen. Hm. Verwirrend.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ein großes, schwarzes Auto anfuhr. Ich sah gespannt auf die Tür, doch es rührte sich nichts. Der Fahrer stieg auf der anderen Seite aus und fragte mich mit einem schnellen Spanisch, wer ich sei. "Ich soll den neuen Gast empfangen und durch das Schloss führen, da die Königin und der König sehr beschäftigt sind", meinte ich ebenfalls auf Spanisch. Er nickte mir kurz mit einem ernsten Gesichtsausdruck zu und rief jemanden an. Wir warteten noch circa zehn weitere Minuten und da tauchte ein noch größeres, schwarzes Auto auf. Die Fenster waren bei beiden verdunkelt und ich beobachtete den Beifahrer, der nun aus dem neu angekommenen Auto ausstieg und die Hintertür öffnete. Es trat ein gutaussehender junger Mann mit rot-blonder Zottelmähne auf dem Kopf aus dem Auto. Seine Haare konnte man jetzt nicht wirklich als lang bezeichnen, aber sagen wir es so, er hatte für seine Kurzhaarfrisur noch viel dichtes Haar auf dem Kopf, welches man am liebsten sofort durchgewuschelt hätte.

Er blickte sich um, bis er bei mir hängen blieb. So genau konnte ich seinen Blick nicht deuten, doch seine Augen verrieten ihn. Er war erleichtert und freute sich.
Ich setzte ein Lächeln auf und wartete, bis er die Treppe zu mir hochgekommen war. "Du musst Nicolás sein", spielte ich und hielt ihm die Hand hin. Er schüttlete sie kurz und nickte einmal. Auch gut.
"Ich zeig dir das Schloss. Der König und die Königin haben zur Zeit viel mit den Vorbereitungen des Maskenballs zu tun."
"Dann lass uns aufbrechen, das Schloss scheint groß zu sein"
"Oh ja", meinte ich und lief voraus in den großen Eingangssaal. "Wie du siehst ist das die Eingangshalle und da sie sehr groß ist, werden hier wohl immer viele Gäste in Empfang genommen."

So ging das gefühlte drei Stunden. Ich brachte ihn zu vielen verschiedenen Teilen des Schlosses und zeigte Räume und erklärte kurz etwas dazu. Zwischendurch wuselten viele Bedienstete umher, da sie wegen des Maskenballs alle sehr aufgeregt waren.
"Sind die hier immer alle so hektisch?", fragte er. Ich merkte, wie schwer es ihm fiel seinen schottischen Akzent zu verbergen. Zumal ihm oft Worte auf Englisch rausrutschten und er dies auch versuchte zu vermeiden.
"Normalerweise nicht, aber es wurde uns eben bekannt gegeben, dass wir in vier Tagen einen kurzfristigen Maskenball veranstalten müssen, also sind hier alle in Panik."
"Und du wurdest zu meiner Babysitterin eingeteilt?", grinste er vor sich hin. Ich schüttelte meinen Kopf und stützte meine Arme in die Hüften. "Nein! Ich soll die Dekoration planen und wenn alles gut läuft darf ich auch auf den Maskenball, aber nicht als Bedienstete!"

"Alex! Wir brauchen deine Hilfe! Irgendein Idiot hat das Gatter der Pferdewiese aufgelassen und nun rennen die hier ängstlich über das ganze Gelände! Leo ist total verzweifelt und schafft das nicht alleine! Komm bitte schnell!", rief mir plötzlich Luca vom Ende des Gangs zu. Er war außer Atem und machte eine schnelle Handbewegung, die mir zeigen sollte, mich zu beeilen.
"Ich komm mit", meinte James und zusammen folgten wir Luca nach draußen. Was tat er hier überhaupt? Warum war er draußen bei Leo?

Aus der Hintertür raus, sahen wir erst einmal niemanden mehr. "Hoh! Bleib doch stehen!", hörten wir Leo rufen und schon sahen wir, wie Luca und Leo versuchten ein weißes Pferd einzufangen, was schnell auf uns zu galoppierte. Automatisch trat ich näher an James, der, wie es schien, keine Angst hatte. Er blieb ruhig stehen und wartete, bis es noch näher bei uns war. Als es drohte, uns nieder zu trampeln, hob er die Hände und sagte ruhig: "Hoooh!" Er machte ein paar Schritte auf das Pferd zu, während ich stehen blieb und einen Sicherheitsabstand bei behielt, da ich großen Respekt vor den Tieren hatte.
"Ganz ruhig, meine Hübsche", redete er weiter auf das Pferd ein. Ich beobachtete das ganze Geschehen mit Erstaunen. Tatsächlich wurde das Pferd langsamer, bis es letztendlich ganz stehen blieb. Seine Nüstern bebten und es schlug ständig mit seinem Schweif. Das weiße Fell schien überaus sauber und ich fand das Pferd einfach wunderschön. Trotzdem hatte ich schiss, näher heran zu gehen.

"Alles ist gut", redete James immer noch ruhig und etwas leiser auf das Tier ein. "Alles gut." Es beruhigte sich und James kam sogar soweit, dass er es am Kopf streichelte und den Hals klopfte. Skeptisch sah ich das Tier an. Nachdem James es geschafft hatte, das Pferd komplett zu beruhigen, winkte er mich näher an sich heran. Ich jedoch schüttelte schnell meinen Kopf. "Na komm schon! Das ist eine ganz liebe Stute", lachte er leicht und nur mit einem sehr skeptischen Blick macht ich ein paar Schritte in seine Richtung. Mittlerweile waren Luca und Leo auch angekommen und standen außer Atem neben dem weißen Ausreißer. "Danke", brachte Leo hervor und sah zu James, der bloß grinste und das Pferd weiterhin streichelte. Dann fiel sein Blick wieder auf mich und er merkte, dass ich nur drei winzige Schritte gemacht hatte. "Jetzt komm endlich! Es tut dir doch nichts!" Sein Grinsen wurde breiter und er konnte sich ein Lachen nur schwer verkneifen. "Ja ja, lach' mich ruhig aus", meinte ich während ich noch zwei winzige Schritte näher kam.

"Warum hast du denn so eine Angst?", fragte er seufzend und strich durch die Mähne, um sie ein wenig zu richten.
"Ich mein halloho? Das ist ein großes Tier und kann schnell rennen und könnte womöglich beißen!" Jetzt brachen alle in schallendes Gelächter aus und ich verschränkte meine Arme beleidigt vor der Brust. "Was lacht ihr jetzt so doof?! Ihr habt es doch nicht geschissen bekommen es einzufangen! Da seht ihr mal, wie schnell und flink so ein Vieh sein kann!" James schüttelte den Kopf und streckte seine Hand aus. "Das ist kein Vieh! Andalusier sind sehr elegant und normalerweise auch nicht aggressiv!" Ich schüttelte trotzdem meinen Kopf und blieb stehen, weshalb er seine Hand zurück zog und aufstöhnte. Leo kam zu mir und legte einen Arm um meine Schultern. Ich ahnte nichts Gutes!

"Geh' weg, Leo!", sagte ich alarmiert, doch schon fing er an mich näher zu schieben. Ich versuchte mich zu wehren, doch er griff an meine Taille und schob mich mit all seiner Kraft vorwärts, bis ich direkt vor dem weißen Pferd stand. Immer noch skeptisch beäugte ich es.
"Siehst du! Es ist gar nicht so groß, denn es ist normalerweise bloß ein wenig über ein Meter sechzig." Ich sah zu James. Warum wusste er so viel über Pferde? 
"Du bist hier anscheinend der Pferdeflüsterer und Leo erledigt alles im Stall, also brauche ich doch nicht auch mit den Tieren klar kommen!" Er lachte wieder leicht und kam näher zum Kopf. Er streichelte über die Nase des Tieres und ging mit seiner Hand dann tiefer, sodass es den Kopf tiefer hängen ließ und mit mir praktisch auf einer Augenhöhe war. Ganz langsam und mit skeptischem Blick hob ich meine Hand und stupste es einmal an seiner Nase an. Darauf hob es den Kopf wieder etwas und ich schreckte zurück, doch Leo stand immer noch hinter mir und hinderte mich daran zu fliehen.

Ich hob meine Hand wieder, wenn auch nicht ganz freiwillig, denn ich wurde gerade von drei Jungs dazu gezwungen ein Pferd zu mögen! Vorsichtig berührte ich die Nase wieder, dieses Mal allerdings mit der ganzen Hand. Die Nase war richtig weich und ich strich einige Male darüber. Plötzlich streckte es seine Nase näher an mich heran und schnaubte stark, sodass ich aufschrie und mich schnell hinter Leo versteckte. Wieder fingen die Jungs an zu lachen, während ich mir übers Gesicht strich. "Wäh! Es hat mich voll angeschnauft!"
"Lass' uns das arme Tier endlich in den Stall bringen, Alexandra müssen wir wann anders kurieren", lachte James und zwinkerte mir zu. Er fasste das Pferd am Halfter und wir folgte ihm.

"Warum bist du so nett?", fragte Luca und hatte einen undefinierbaren Ausdruck in der Stimme.
"Weil ich nie böse war", sagte James gelassen und kratzte die Hufe der Stute aus, bevor er sie in die Box führte und diese dann schloss.
"Das schien letztens aber noch ganz anders", erwiderte Luca.
"Ich hab es doch von Anfang an gesagt! James kann überhaupt nicht böse sein!", mischte ich mich ein, doch dann fiel mir wieder die Sache mit dem Doppelagenten und Francesca ein. Mit einem fragenden Gesichtsausdruck drehte ich mich zu James. "Allerdings habe ich noch ein paar Fragen an dich, die mir wirklich wichtig sind! Also...ist James dein richtiger Name und kommst du wirklich aus Schottland?" Er lachte leicht und nickte dann. "No worries. Ich bin durch und durch der schottische James." Ein Stein fiel mir vom Herzen und ich atmete erleichtert auf. Ich weiß nicht, ob ich mit einer anderen Identität für ihn klar gekommen wäre.
"Warum warst du damals auf dem Internat?", fragte ich weiter. Er strich sich einmal durch die Haare, bevor er antwortete: "Nun, ich komme von einer schottischen Organisation. Sie ist nicht groß und so wichtig wie eure, aber trotzdem nützlich und meistens werden wir bloß als reine Spione eingesetzt, um irgendwo Informationen für andere Organisationen herauszubekommen. Wir wollen selbst Doppelagenten aufdecken, aber die die von der anderen Seite kommen und die Guten auszunutzen. Deshalb war ich auf dem Internat. Dass auch ihr da wart zur selben Zeit, war eigentlich nur Zufall."

"Ich unterbreche euch ja nur ungern, aber wir sollten unser Gespräch lieber wo anders weiter führen, da man hier nie weiß, wer was mitbekommt", meinte Leo und nickte zur Stalltür. Man hörte jemanden Pfeifen und bald darauf tauchte jemand auf. Sobald er uns sah, blieb er stehen und musterte uns alle kurz. Er spannte sich sofort an, versuchte aber ruhig zu bleiben.
"Was tust du hier, Nicolás?", fragte Alfonso harsch.
"Ich bin wegen der Prinzessin und dem Maskenball hier", sagte er gelassen.
"Aber wieso steht hier alle hier so entspannt 'rum und quatscht? Man, Nicolás! Die wissen, dass du bei uns bist!" Schneller als ich realisiert hatte, was dann geschah, war Alfonso auch schon auf den Knien und seine Arme wurden auf dem Rücken zusammen gehalten. James hatte ja unglaublich gute Reflexe.

"Immer locker bleiben! Bist du etwa zu denen übergelaufen?!", fragte Alfonso fassungslos. James schlug ihn leicht am den Hinterkopf und bedeutete ihm still zu sein. Genervt schnaubte unser Gefangener und sagte laut: "Na gut! Wenn hier sowieso jeder das macht, was er will...Ihr könnt mich ruhig frei lassen! Ich bin ein Freund von Miguel, euerm Direktor!" Alle starrten wir ihn irritiert an. Wie bitte?

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