35: Psychopaten

Immer wieder blickte ich von einem Teil des Bildschirms zu einem anderen. Ich wollte am Liebsten gar nicht erst hinsehen, doch ich konnte mich nicht abwenden. Jedes Mal schnellte mein Kopf zu der Person, die gerade geschrien hatte. Da war Flavia, in dieser komischen Black Box. Ihr wurde ein grauenvoller Horrorfilm gezeigt, der es echt insich hatte und dazu war es auch noch 4D...manche Leute würden so etwas vielleicht lieben, aber sicher nicht Flavia, da sie es hasste, alleine in der Dunkelheit zu sein. Als wir kleiner waren, da haben wir verstecken gespielt und sie wurde aus Versehen in eine dunkle Kammer geschlossen. Sie musste die ganze Nacht alleine dort verbringen und mit ihrer Fantasie hat sie sich die schlimmsten Monster und Dämonen ausgedacht. Sie hat sich so verrückt gemacht, dass sie nun immer ein wenig panisch wurde, wenn sie in der Dunkelheit war und wenn sie sich dazu noch alleine aufhielt, drehte sie völlig durch.

"Wie können sie ihnen nur so etwas antun?", fragte Luca und sein Gesicht schien sehr angespannt.
"Wie können sie uns nur so etwas antun?", murmelte ich und verspürte Wut. Diese rückte aber schon bald in den Hintergrund, denn ich wurde von Hundegebell aufmerksam gemacht. Sofort sah ich zum Bildschirm, auf dem Christian durch ein großes Labyrinth gejagt wurde. Man sah ihm an, dass er aus der Puste war, doch er musste sich immer schnell entscheiden, welchen Weg er nahm, denn die drei Hunde, die ihn jagten, setzten ihn enorm unter Druck. Dazu kam Teresa, die immer wieder unter Wasser gezogen oder gedrückt wurde und das schon seit einer Ewigkeit. Sie kam immer nur kurz an die Wasseroberfläche, damit sie Luft holen konnte. Dabei röchelte sie und spukte Wasser und ehe sie sich versah, war sie auch schon wieder untergetaucht.

"Argh Scheiße!", hörte ich Leo fluchen und sofort sah ich zu ihm. Bei seinem Anblick füllten sich meine Augen erneut mit Tränen. Er war mit dem Fuß abgerutscht, weil sich die Wand so plötzlich zu der anderen Seite bewegt hatte. Er konnte langsam auch nicht mehr, doch er war ebenfalls unter Druck, schließlich loderte ein großes Feuer unter ihm, das langsam den Weg nach oben kroch und drohte ihn einzuholen. Immer wieder wurden die Griffdinger eingezogen oder verschoben, sodass er abrutschte oder sie schwer zu erreichen waren. Er war lediglich mit einem Seil um seine Hüfte befestigt, was ihn bei einem Sturz auch nicht halten würde. Ich wusste nicht, ob das Feuer echt war, aber es sah verdammt nochmal echt aus und man konnte denen hier eh nicht trauen.

"AAAAH!!", ertönte ein schriller, lauter Schrei, der mir einen Schauer über den Rücken jagte. Blitzschnell gelang mein Blick zu Flavia und jetzt lösten sich ein paar Tränen. Sie litt sehr, das sah man. Sie versuchte sich loszumachen, doch es half nicht. Sie schrie und heulte. Es war unerträglich. Man er kannte auf dem Bildschirm vor ihr, dass ein gruseliger Killerclown mit einem riesen Messer vor sie sprang und das gab ihr den Rest. Sie wand sich, schrie und kniff die Augen zusammen. Sie bewegte sich so stark, dass sie drohte mit dem Stuhl umzukippen.
Plötzlich wurden alle Bildschirme eingefroren und ich fragte mich, was hier geschah. Ich sah fragend zu Luca. Wieso hielten sie die Übertragungen an? Das machte mich noch verrückter, nicht zu wissen, wie es ihnen erging!
Es trat jemand in den Raum und die Stimme, die ich zu Ohren bekam, ließ mich stutzig. Das konnte doch nicht wahr sein!

"So leid es mir tut, aber wir legen hier eine kurze Pause ein." Ich presste meine Kiefer zusammen und knirschte mit den Zähnen. Ich fasse es immer noch nicht, wie man sich einfach so dermaßen in einem Menschen irren konnte. Ich hörte Schritte und schon bald tauchte die mir bekannte Person in meinem Blickfeld auf.
"James", knurrte ich, nicht gerade erfreut.
"So sieht man sich wieder", lächelte er arrogant.
"Und ich habe dich für einen netten Kerl gehalten", sagte ich ehrlich.
"Well, dann hat meine Schauspielerei ja hervorragend funktioniert!" Wir leisteten uns ein Blickduell, bis Luca dazwischen sprach.
"Ich dachte, du kommst erst nächste Woche", warf er ein.
"Wie's aussieht hat jemand herumgeschnüffelt, right?", meinte er locker.
"Ihr doch auch", blaffte ich ihn an, denn wie konnten sie das mit Flavia herausfinden oder dass Teresa nicht gerne ins Wasser ging? 

Der Schotte schnalzte mit der Zunge. "True, aber du hast auch verheimlicht, dass das kleine Büchlein der Königin in deinem Besitz war." Ich weitete leicht meine Augen.
"War?"
"Ganz recht, denn wir haben es uns geholt", grinste er überheblich.
"Aber...wie?"
"Not your Business."
"Oh doch! Ich denke schon!!" Ich wollte nicht, dass er böse war. Ich wollte den alten, lieben, sympathischen James zurück! "Was ist überhaupt mit Francesca passiert? Hast du sie etwa umgebracht oder ihr Herz gebrochen?", fragte ich stirnrunzelnd. Er ging vor mir auf und ab und schüttelte leicht mit dem Kopf.
"Was denkst du nur von mir?"
"Ich dachte mal gut von dir, wenn du's genau wissen willst. Ich dachte du wärst ein toller Typ! Du warst damals so nett und freundlich und hilfsbereit! Und jetzt stellt sich heraus, dass du zu den Bösen gehörst und du einfach ein Agent warst! Ist James überhaupt dein richtiger Name? Kommst du wirklich aus Schottland, oder ist das auch alles nur eine Lüge gewesen?" Er blieb stehen und musterte mich. Ihm fiel eine kleine rot-blonde Strähne vor die Stirn. Seine Augen blickten direkt in meine und für mich wirkten sie einfach zu klar, zu lieb, um böse Absichten zu haben. Ich konnte und wollte es einfach nicht glauben. James konnte einfach kein böser Kerl sein! 

"Like I said...not your business, Alexandra!" Mein Blick wendete sich ab und ich wurde wieder sauer, doch er ließ uns nicht in Ruhe, nein, er zwang uns auf die Bildschirme zu sehen.
"Warum ich eigentlich hier bin", begann er und zeigte hinter sich. "Ihr seht ja nun schon länger euren Freunden zu, wie sie sich abmühen und ich wollte euch nur auf etwas hinweisen..." Er ging zu Flavias Abschnitt und zeigte auf eine Seite der Black Box. "Dort wird gleich wirklich ein Clown in die Box steigen und eure Freundin so richtig schön erschrecken." Er ging ein wenig weiter zu Leo. "Beim lieben Leo werden gleich alle sich in seiner Nähe befindenden Griffe verschwinden und auch an denen er sich festhält, ziehen sich langsam zurück, so wird das ein wenig spannender." Bei Christian erklärte er: "Seid mal ehrlich, es wird doch langsam echt langweilig mit ihm, denn er ist noch nie in eine Sackgasse gelaufen...das werden wir nun aber ändern, indem sich plötzlich und aus dem Nichts eine Wand auffährt und ihm nicht anderes übrig bleibt, als hinüber zu klettern." Weiter ging er zu Teresa. "Und unsere Wassernixe bekommt gleich ein wenig Besuch von unserer selbst erfundenen Roboterkrake, die sich um Teresas Füße und Beine festschlingen wird, was bedeutet, dass sie es schwerer haben wird, aufzutauchen."

Mein Mund blieb offen stehen, nachdem er uns das alles erklärt hatte. Das war doch krank!
"Ihr seid doch alle psychisch gestört!", sagte Luca laut und ich stimmte ihm zu. James fing bloß an zu lachen und leicht den Kopf zu schütteln.
"Wie süß ihr doch seid", meinte er und musterte uns. "Das nächste Mal werde ich dafür sorgen, dass ihr beide nicht bloß zuschaut!", sagte er anschließend und ließ die Übertragungen weiter laufen. Ich starrte auf die Bildschirme und wartete auf die verschiedenen Ereignisse, die James vorhergesagt hatte. Und er sagte die Wahrheit. Plötzlich ließ Leo einen überanstrengten Laut aus und Flavias Geschrei zerriss mir das Herz. Es tauchte ein Clown mit gruseliger Maske direkt vor ihr auf und hielt ihr ein Messer unter die Nase. Sie atmete sehr hektisch und bekam kaum Luft, weil sie so stark weinte und versuchte sich loszureißen. Es klang einfach nur schrecklich, sie so aufgelöst und verzweifelt zu hören. Sie zitterte extrem und war kurz davor in Ohnmacht zu fallen.

Ich vernahm extremes Geplätscher und sah sofort zu Teresa, die gerade versuchte unter Wasser mit einer riesen Krake zu kämpfen. Immer wieder versuchte sie an die Oberfläche zu schwimmen, doch einer der langen Tentakel hatte sich um ihr Fußgelenk geschwungen und zog sie so immer wieder nach unten, bevor sie sich richtig ausruhte und ordentlich Luft schnappte. Christian hingegen schien nicht lange von der plötzlich aufkommenden Mauer vor ihm verwirrt zu sein, denn er hatte sie schon fast überwunden.
"Das kann doch nicht sein! Wie schafft der Kerl das so schnell??", fragte James verwirrt und erstaunt zugleich. Ich grinste in mich hinein. Schon damals hatte ich Christians sportlichen Körper bewundert, denn eigentlich erschien Christian mehr wie ein Technik-Nerd, aber er war eben doch ein ganz schön sportlicher Nerd.

Plötzlich hörten wir wildes Getrappel und Gestampfe. Verwirrt sahen wir drei auf die Bildschirme und bei Teresa sah man es zu erst. Von allen Seiten stürmten bewaffnete Männer mit Helmen hinzu und halfen meiner besten Freundin aus dem Wasser. Jetzt sah ich auch bei den anderen, wie das Feuer gelöscht wurde und Leo erschöpft an der Wand hängte. Christian saß gerade auf der Mauer und beobachtete, wie die Hunde mit Betäubungspfeilen abgeschossen wurden und er dann von den Männern hinunter geholt wurde. Bei Flavia dauerte es allerdings alles ein wenig länger, da sie in die reinste Panikattake verfallen war und immer noch schrie. Die Tür der Black Box wurde aufgerissen und man zerrte den komischen Clown hinaus. Sofort sah man einen der Männer, der versuchte Flavia zu beruhigen, doch dies war nicht so einfach. Er hockte sich vor sie, während ein anderer sie von den Fesseln löste. Sobald dies geschehen war, fiel sie schwach in die Arme des Mannes vor ihr, der sie hinaustrug und wir sie deswegen nicht weiter sahen. Mittlerweile wurde auch Leo von der Kletterwand geholt. Man sah keinen unserer Freunde mehr.

"Was ist da los?!", regte sich James auf. Wo kamen die auf einmal alle her? Wer war das überhaupt?
"Ob die auch von uns wissen?", murmelte Luca leise, doch ich verstand es trotzdem.
"Ihr bleibt hier! Ich werde nachsehen gehen!", sagte James.
"Wie lustig du doch bist", meinte ich. "Wo sollen wir auch schon hin..." Mit einem letzten, genervten Gesichtsausdruck verschwand er durch die Tür und ich war wieder mit Luca allein. "Denkst du auch das, was ich denke?", fragte ich ihn und sah ihn an. Er fing an zu grinsen.
"Dass ich die beste Freundin auf der Welt habe?" Ich verdrehte meine Augen, musste dann aber auch lächeln.
"Vielleicht denken wir nicht exakt das Selbe, aber es geht in die gleiche Richtung."

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