18: Zufälle gibt es nicht
Langsam wurde ich wach und spürte den Arm, der um meinem Bauch lag. Lächelnd drehte ich mich um und öffnete meine Augen. Vor Schreck fing ich an zu schreien und stieß mich weg, sodass ich auf der einen Seite vom Bett fiel und mit einem lauten, dumpfen Geräusch auf dem Boden landete. Genauer gesagt: auf meinem Hintern!
"Au!", stöhnte ich schmerzhaft auf und und stütze mich mit meinen Ellenbogen auf.
"Alex! Was ist passiert?" Flavia sah von ihrem Bett auf. Jetzt erschien Leos Kopf, den er über die Bettkante gestreckt hatte, um mich auf dem Boden zu betrachten und sich ein Lachen zu verkneifen.
"Lach' nicht, du Idiot!", sagte ich sauer, obwohl ich nicht wirklich sauer auf ihn war. Schließlich konnte er nichts dafür.
"Warum bist du überhaupt aus dem Bett gefallen?", fragte Flavia.
"Findest du mich jetzt etwa schon so scheiße, dass du blitzschnell neben mir verschwinden wolltest?", stichelte Leo. Ich sah ihn mit Augenschlitzen an.
"Also wenn ich keinen Bock mehr auf dich gehabt hätte, dann hätte ich dich aus dem Bett geworfen und nicht mich selbst!"
Er lachte leicht. "Das passt auch eher zu dir. Na komm", hielt er mir die Hand hin. Ich nahm sie an und er zog mich hoch.
"Jetzt sag schon! Warum bist du aus dem Bett gefallen?", fragte Flavia wieder. Ich legte eine Hand an die Stelle, an der sich mein Steißbein befand und drückte etwas daran herum, denn ich war blöd drauf gefallen.
"Kann ich ja nichts für, wenn neben mir ein dicker, pelziger Gorilla liegt, anstatt Leo!" Flavia fing an zu lachen, wahrscheinlich weil sie sich das gerade vorstellte. Leo warf ein Kissen nach ihr und traf genau in ihr Gesicht. Dann sah er mich wieder an.
"Warum war ich denn ein dicker, pelziger Gorilla?"
"Was weiß ich denn! Bestimmt 'ne Nachwirkung dieser komischen Schlafbetäubung oder so", seufzte ich genervt.
"Ich kenn' dich gar nicht als Morgenmuffel! Warum bist du so zickig?", fragte Flavia nun und stieg aus ihrem Bett und machte ihre braunen Locken in einem Zopf hinter ihrem Kopf zusammen.
"Tut mir ja sehr leid, aber ich hatte einen beschissene Nacht durch ständige Albträume! Ich habe kaum Schlaf bekommen und mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich denen das heimzahlen kann!", antwortete ich schnippisch. Flavia wollte gerade etwas erwiedern, als unsere Schlafzimmertür aufgerissen wurde und Adrianna außer Atem hineinstürmte. Verwirrt sahen wir Drei zu ihr.
"Ihr...schnell! Mein...mein abuelo...er...er braucht Hilfe!" Jetzt sahen wir uns verwundert an und Adrianna drängte uns.
"Na gut! Wir kommen ja schon!", beruhigte Leo sie und stand auf. Da ich keine Zeit hatte, mir etwas richtiges anzuziehen, nahm ich mir einfach einen Hoodie zum Überziehen und rannte Adrianna in meiner kurzen Schlafhose hinterher. Flavia und Leo folgten uns natürlich.
Adrianna brachte uns in das große Schlafzimmer des Königs und der Königin. Ich sah mich flüchtig um und es sah wirklich edel und luxuriös aus. Wir folgten ihr bis zum riesen Badezimmer, dass ebenfalls sehr luxuriös eingerichtet war. Der König lag mit dem Rücken auf dem Boden und rührte sich nicht. Ich wollte sofort zu ihm, doch Adrianna stoppte mich.
"Der Boden ist total rutschig! Man kann sich kaum auf den Beinen halten! Deswegen ist mein abuelo auch bestimmt ausgerutscht und auf den Rücken geknallt, was nicht sehr gut für ihn ist."
"Genau deswegen muss ich zu ihm! Ich pass' auch auf!", beteuerte ich.
"Sei vorsichtig, Alex", warnte mich Leo. Ich verdrehte meine Augen. Was hatte ich denn gerade gesagt?
"Vertraut ihr mir alle nicht, oder wie?" Ich schüttelte fassungslos den Kopf und wagte einen Schritt auf den besagten Boden des Badezimmers. Es war echt extrem rutschig. Leider war das Bad sehr groß und somit dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis ich am Waschbecken ankam, um mich dort festzuhalten. Jetzt tauchten auch die anderen mit Eliana auf, da sie schon arbeiten gegangen waren.
"Sei bloß vorsichtig, Alex!", rief mir Teresa von der Tür zu.
"Warum sagt das ständig jemand zu mir, verdammt!? Ich weiß doch, dass ich vorsichtig sein muss!", sagte ich genervt und fuchtele mit einem Arm rum. Dabei kam ich allerdings etwas aus dem Gleichgewicht und ein Fuß rutschte mir ein wenig weg. Schnell versuchte ich ihn wieder näher zu ziehen, doch das brachte durch das nicht vorhandene Gleichgewicht den anderen Fuß ins Rutschen und ehe ich mich versah versuchte ich mich krampfhaft am Waschbecken festzuhalten, allerdings half dies nicht viel und ich stützte heute zum zweiten Mal auf meinen Hintern. Ich verzog mein Gesicht, da mein Steißbein seinen Senf dazugeben musste.
"Dafür, dass du wusstet was du tust, sah das gerade aber ziemlich ungeplant aus", warf Luca schmunzelnd ein und erntete einen Todesblick von mir.
"Alles in Ordnung, Alex?", fragte Leo hingegen etwas besorgter.
"Ja, ja. Schon gut", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und krabbelte auf allen Vieren weiter zum König. Wieso war eigentlich keiner der Bediensteten hier? Wenn der König ausrutschte und hilflos herumlag, dann müsste doch schon längst der halbe Hofstaat am Start sein. Merkwürdig.
Ich fühlte seinen Puls. "Er lebt noch." Adrianna atmete erleichtert auf, während ich versuchte ihn anzusprechen.
"Hallo, eure Majestät! Können sie mich hören?" Er rührte sich nicht. Ich schlug ihm leicht gegen die Wangen, doch es half nichts. "Wie heißt er eigentlich?", fragte ich Adrianna, da es mir zu blöd war, ihn nur mit eure Majestät anzureden.
"Héctor."
"Huhu, Héctor! Verstehen sie mich?" Er bewegte sich immer noch nicht. Ich überlegte. Vielleicht sollte ich ihn gegen die Wanne aufsetzen. Ich krabbelte also zu seinem Kopf und versuchte unter seine Arme zu greifen, damit ich ihn von dort anheben konnte. Es war gar nicht so leicht, denn der König hatte schon einen Winterspeck angefressen.
"Geht's?", fragte Christian.
"Geht schon", antwortete ich knapp, denn es war gar nicht so einfach einen etwas fülligeren Mann aufzurichten, wenn der Boden extrem rutschig war. Zu all dem rutschte mein Knie einmal weg und der König knallte mit seinem Kopf fast auf den Boden. Schnell reagierte ich, indem ich mein Schienbein unter seinen Nacken legte und seinen Kopf gerade noch rettete. Erleichtert atmete ich aus. Das war knapp.
"Sollen wir dir irgendwie helfen?", fragte Adrianna besorgt um ihren Großvater. Ich schüttelte bloß meinen Kopf. Den Rest würde ich jetzt auch noch alleine schaffen.
Ich packte ihn wieder unter den Armen und zog ihn das letzte Stück zur Badewanne. Dort lehnte ich ihn an und hoffte, dass er nicht wegrutschte. Dann sah ich mich im Bad um und entdeckte auf einem Regal neben dem Waschbecken einen Becher. Ich setzte mich wieder in Bewegung und krabbelte dorthin.
"Was hat sie vor?", fragte Eliana.
"Wirst du gleich sehen. Sie weiß, was sie tut", antwortete ihr Flavia und ich konnte ihr Lächeln heraus hören.
Ich legte meine Arme an den Rand des Waschbeckens, um mich vorsichtig hochzuziehen, damit ich auf meinen Füßen stand und an den Becher im Regal kam. Ich füllte ihn mit kaltem Wasser und ließ mich irgendwie wieder auf den Boden plumsen, wobei mir mein Steißbein schmerzhafte Signale sendete. Ich versuchte es zu ignorieren und krabbelte vorsichtig zum König zurück, der ganz langsam schon rutschte. Ich versuchte mich zu beeilen und als ich ankam, spritze ich auch schon den ganzen Inhalt des Bechers in das königliche Gesicht. Endlich öffnete er seine Augen, auch wenn es eher aus Schreck war, es half. Dadurch, dass er nun wach war, verlagerte sich sein Gleichgewicht automatisch, da er hochgeschreckt war und drohte wegzurutschen.
"Halten Sie sich an der Wanne fest!", befiehl ich schnell, da er sonst wieder hilflos auf dem Rücken liegen würde und noch einmal würde ich ihn nicht aufsetzen.
Ich grinste zu meinen Freunden, da sie kurzzeitig klatschten und Adrianna sich kaum halten konnte. Sie wollte verständlicherweise sofort zu uns kommen, doch Eliana hielt sie zurück. Sie würde sich nur verletzen.
"Was ist passiert? Was tut ihr alle hier?", fragte der König verwirrt.
"Sie, Héctor, sind auf diesem extrem rutschigen Boden ausgerutscht und auf ihren Rücken geknallt. Es würde mich nicht wundern, wenn sie auch ihren Kopf dabei gestoßen haben. Ihre Enkelin hat sie gefunden."
"Wieso ist keiner der Dienstleute hier?"
"Das ist eine sehr gute Frage. Das habe ich mich nämlich auch schon gefragt."
"Wieso ist der Boden so rutschig?"
"Das war bestimmt nur ein Versehen", meinte Adrianna. "Bloß ein dummer Zufall, dass ausgerechnet du da ausgerutscht bist, abuelo."
"Zu dumm, dass ich nicht an Zufälle glaube", sprach ich meine Gedanken laut aus und dachte nach. Wer hätte so etwas tun können? Wer wollte, dass der König ausrutschte?
"Was denkst du, Alexandra?", fragte Christian.
"Nun, ich habe da so eine Vermutung."
"Würdest du uns an deinen Gedanken teilhaben lassen oder was jetzt?", motze Eliana. Musste sie schon wieder so dumm und fies sein?
"Ich sag's ungern, Héctor, aber ich glaube, jemand wollte sie umbringen."
Adrianna war schockiert. "Einen Mordversuch auf meinen abuelo!? Wie hätte das denn funktioniert? Wieso würde jemand aus unserem Schloss so etwas tun? Er ist doch so nett zu allen!"
"Na ja...also was das angeht...das ist ganz schön relativ gesehen...", meinte ich.
"Du weißt doch was, Alexandra. Komm, spuck's aus! Wen vermutest du?", forderte mich Luca auf und sah mich ernst an. Ich sah mit einem unfreundlichen Gesichtsausdruck zurück.
"Das stimmt doch gar nicht, Blödmann! Kannst ja mal selber dein Gehirn suchen und es anstrengen!"
"Leute! Was ist denn heute mit euch allen los? Liegt ein besonderes Gas in der Luft, das zum streiten veranlangt oder wie? Ich hab euch noch nie alle so gereizt erlebt", fragte Flavia verwirrt.
Luca hatte recht, ich hatte einen Verdacht, aber ich war mir nicht sicher, also wollte ich niemandem unmötige Sorgen bereiten. Der König sollte jetzt erst einmal wieder auf die Beine kommen und sich für den heutigen Tag etwas ausruhen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top