11: Eine Box voller Pralinen
"Und was machen wir jetzt mit ihr?", fragte Christian.
"Wir können sie ja nicht ewig festhalten", meinte Teresa.
"Wieso nicht?", fragte ich. Wir hatten uns alle in der Sattelkammer gruppiert und diskutierten gerade darüber, was wir mit Marianna machen sollten.
"Wir könnten Herrn Romano Bescheid geben, dass sie hier ist und jemand sie abholen kann", schlug Luca vor. Ich nickte. Die Idee war gar nicht schlecht.
Wir gingen also wieder zurück zu Marianna, doch sie war nicht mehr allein.
"Hey!", beschwerte ich mich. "Ihr könnt uns doch nicht einfach unsere Gefangene klauen!" Okay, das war vielleicht nicht die beste Antrittsrede gegen den Feind, aber etwas besseres war mir auf die Schnelle nicht eingefallen. Sofort ging ich ein paar Schritte zurück, als die beiden Typen jeweils eine Pistole auf mich zielten. "Wieso werde eigentlich immer ich mit den gefährlichen Waffen bedroht?", fragte ich eingeschnappt.
Marianna stand nun auf, da ihre Fesseln gelöst wurden. "Weil du die unerträglichste von allen bist, Alex", sagte sie und zwinkerte mir provokant zu. Ich schnaubte und sah nach oben, wo sie alle Drei gerade an einem Seil hochhangelten, und aufs Dach verschwanden.
"Verflucht!", fluchte ich. Jetzt war sie schon wieder auf freiem Fuß!
○●○
Ich stellte den vollen Korb neben die Waschmaschine und die Frau lächelte mich nett an. Sie gab mir dafür einen Korb mit frischer, nasser Wäsche. Ich durfte die jetzt schön aufhängen, dank Marianna. Was sollte ich schon den ganzen Tag im Wäscheraum? Da bekam man doch nichts mit!
"Ach, hast du schon gehört, dass die Prinzessin angeblich gar nicht heiraten will?", hörte ich eine der Frauen leise sagen. Na gut, vielleicht lag ich falsch. Man bekam doch so einigen Tratsch mit. Also warf ich eins der großen Laken über eine der Leinen und hörte weiter gespannt zu.
"Ja! Das hat mir Mariella auch erzählt! Deswegen stellt sie sich wohl so schwierig an, jemanden zu finden."
"Irgendwer sagte mir, dass sie ein Auge auf den neuen Stallburschen hat", sagte nun eine Dritte und meine Gehör verfeinerte sich umso mehr.
"Wirklich? Ich dachte sie hat Augen für den neuen Helfer des Lehrers?"
"Nein, Nein! Sie hat doch mit dem neuen Leibdiener des Königs und der Königin geflirtet!" Das war doch nicht ihr Ernst!
Ich schob das Laken ein wenig zur Seite und ging zu den Frauen. Sie sahen mich abwartend an. "Ehm...hi", sagte ich und lächelte schief. So genau wusste ich auch nicht, was ich sagen wollte. "Ich hab zufällig das Gespräch mitbekommen und...ich frage mich, warum die Prinzessin weiterhin jemanden trifft, wenn sie doch noch gar nicht heiraten will."
"Nun, der König möchte, dass sie einen guten Unterstützer für das Königreich findet und er war sogar so frei, dass er ihr überlässt, jemanden auszusuchen, der ihr gefällt", erklärte mir eine schwarzhaarige, etwas kleinere Frau.
"Aber da sie sich sehr schwierig damit anstellt, wird der König wohl bald seinen Deal aufheben oder ein Datum festlegen, wo sie jemanden gefunden haben muss", mutmaßte nun eine braunhaarige Frau.
"Und was ist das mit den Munkeleien über die neuen Jungs und der Prinzessin?", fragte ich nebenbei.
"Ach, angeblich soll sie anstatt einen der Prinzen oder Adelsjungen gut zu finden, lieber die neuen Hilfen auschecken, aber ganz unter uns, die sehen doch auch gut aus! Da hat sie keinen schlechten Geschmack", kam nun ein weiteres Mädchen dazu. Sie war um die zwanzig oder so. "Aber warte mal", sagte sie und drehte sich zu mir. "Du bist doch auch neu hier. Seid ihr nicht befreundet?"
"Ehem...ja doch...ein wenig..." Ich hatte keine Ahnung, ob ich hätte lügen sollen oder nicht. Jetzt tauchte noch ein weiteres Mädchen auf, dass ebenso um die zwanzig war.
"Frag sie doch einfach mal, ich habe die Prinzessin nämlich gesehen, wie sie mehrmals mit den Jungs geredet hat und glaub mir, ihr Blick sah ziemlich...sagen wir mal...interessiert aus." Einer der Jungs und die Prinzessin? Nie im Leben! Zumal war nur Christian Single.
Ich sah auf meine Uhr. Schon zehn vor sechs! Ich hatte schon seit fünf Minuten Schluss! Schnell ging ich zurück zu meinem Laken und zog es gerade. Dann brachte ich den Korb, der noch die frische Wäsche enthielt in einen kleinen Raum neben der Tür. Als ich aber zur Waschmaschine ging, um der Frau zu sagen, dass ich jetzt ging, war sie nicht dort. Na toll, wo war sie denn?
Ich entschied mich ein wenig zu warten und sah mir das große Regal mit den ganzen Waschmitteln an. Waren echt viele, dabei waren die meisten Laken und Tischdecken doch eigentlich nur weiß und ich glaube nicht, dass man die schönen Kleider einfach in eine Waschmaschine steckte.
Das eine Waschmittel für schwarze Wäsche stand aber noch auf der Waschmaschine, also war ich so nett und wollte es zurückstellen. Komisch, es war kein Platz frei.
"Hm", machte ich und zuckte die Schultern. Dann mussten die anderen eben etwas näher einander rücken. Ich schob zwei der Mittel auseinander, um ein wenig mehr Platz zu machen. Dabei fiel etwas auf den Boden und machte Krach. Schnell stellte ich das Waschmittel ins Regal und hob die kleine metallene Box auf, die mir eben hinuntergefallen war. Sie sah alt aus und wie eine Pralinenbox. Sie war sehr schön verziehert und hatte bunte Malereien auf dem Deckel und an den Seiten. Gerade als ich den Deckel öffnen wollte, um hineinzusehen, kam die Frau wieder, bei der ich mich eigentlich abmelden wollte. Also tat ich dies schnell und rannte zum Zimmer. Dort würde mich wenigstens keiner mehr stören.
Im Zimmer fand ich Flavia vor, da sie nicht so viel zu tun hatte, beim Arzt. Teresa war allerdings noch in der Küche beschäftigt. Das einzig Gute an der Wäscherei war, dass ich relativ wenig arbeiten musste.
"Hey Alex, was hast du da?", fragte sie mich neugierig und kam auf mich zu.
"Das wollte ich gerade herausfinden", meinte ich und nahm den Deckel von der Box. Darin befanden sich tatsächlich kleine Pralinen und auch normale Bonbons. Komisch, warum waren die denn im Waschkeller?
"Uh! Schokolade! Yum!" Flavia nahm sich eine der Pralinen und wollte sie sich gerade in den Mund stecken, als ich ihr sie aus der Hand schlug. Erschrocken und beleidigt sah sie mich an.
"Bist du wahnsinnig?!", fragte ich.
"Das sollte ich wohl eher dich fragen. Wieso schlägst du mir die Praline einfach aus der Hand?"
"Man, Flavia! Ich hab diese Box in der Waschkammer gefunden. Hinter den Waschmitteln, so als sollte sie jemand finden, wenn er sich ein Waschmittel nimmt."
"Meinst du also, etwas stimmt nicht mit den Pralinen?" Sie runzelte ihre Stirn. Ich nickte.
"Es wäre gut, wenn wir Christian oder Teresa später fragen, ob sie die untersuchen könnten." Jetzt nickte sie. Das hieß jetzt wohl warten, denn beide waren noch arbeiten.
In der Zwischenzeit suchten wir ein wenig in Teresas speziellen Chemiebüchern, um vielleicht selbst irgendeine Art und Weise herauszufinden, wie man die Pralienen und Bonbons untersuchen könnte. Da uns das aber zu blöd wurde, nach zwanzig Minuten ohne Erfolg, beschlossen wir einfach zu quatschen.
"Was ist, wenn das bloß eine kleine Nascherei von jemandem ist, der dort unten arbeitet?", fragte Flavia. "Dann sind die Pralinen doch vollkommen okay und gut."
"Mag ja sein, aber das können wir ja nicht wissen. Ich weiß, dass ich vielleicht auch einfach wieder zu viel in etwas hinein interpretiere, aber wer weiß, das könnte unsere erste richtige Spur zu irgendwas sein."
"Aber zu was, Alexandra?"
"Genau das ist es doch!", sagte ich intensiv und stand jetzt auf, um besser mit meinen Armen herumzufuchteln. "Wir wurden urplötzlich einfach vom Kloster weggeholt. Wir kamen hier hin, um einer ehemaligen Spionin zu helfen. Uns wurde erzählt, was hier auf dem Schloss vorsich geht, aber so richtig macht das kein Sinn für mich! Ich weiß auch nicht wieso, aber das alles hier gefällt mir nicht. Dazu kommt Marianna mit ihrer Rache! Das ist doch alles einfach nur bescheuert!"
Flavia ließ sich alles durch den Kopf gehen und nickte dabei leicht.
"Dazu kommt, dass ich gehört habe, wie die Prinzessin eigentlich gar nicht heiraten will und ein Auge auf unsere Jungs geworfen hat! Das ist doch totaler Quark!" Ich musste zugeben, vielleicht spielte da ein kleines bisschen Eifersucht mit. Ich meine, sie ist echt hübsch und wer wollte bitte keine Prinzessin als Frau?
"Wie bitte?! Das heißt sie findet Luca toll?!" Flavia sah jetzt gar nicht mehr so ruhig aus.
"Bleib ruhig, Flav. Schließlich ist Eliana immer noch seine Freundin und wie es aussieht mag er sie." Sie schnaubte.
"Also wenn du willst, dass ich ruhig bleibe, dann nenn' mich gefälligst nicht FLAV!" Ich streckte ihr als Antwort amüsiert die Zunge raus.
○●○
Die Tür ging auf und eine müde Teresa tauchte auf. Sie knallte die Tür hinter sich zu, tapste zu ihrem Bett und ließ sich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett fallen. Wir sahen sie alle komisch an. Und mit wir meinte ich Flavia, mich und die Jungs.
"Alex", brummte sie.
"Was gibt's, Tes?"
"Was machen die Jungs schon wieder hier?"
"Hm. Und ich dachte sie hat euch gar nicht erst bemerkt", meinte Flavia an die Jungs gerichtet.
"Flavia", brummte sie wieder.
"Was gibt's, Tes?", fragte nun sie.
"Halt die Klappe." Wir fingen an zu lachen und Flavia sah sie verwirrt an.
"Also...eigentlich bräuchten wir noch deine Hilfe, liebe Teresa", sagte ich und wartete auf ihre Reaktion. Allerdings blieb sie auf dem Bett liegen und bewegte sich kein Stück.
"Immer wenn du liebe Teresa sagst, dann bedeutet das meist, du willst was von mir. Was Wichtiges."
"Öhm...ja, so kann man es auch sagen." Sie seufzte und setzte sich auf, um mich anzusehen.
"Was gibt's?", wiederholte sie meine und Flavias Worte.
"Du und Christian müsst etwas untersuchen."
"Okay, also erstens: warum kann Christian das nicht alleine machen? Und zweitens: ich wünschte, du würdest mehr im Chemieunterricht aufpassen." Ich grinste. Sie würde es eh machen.
"Also erstens: Christian ist bestimmt auch gut darin, aber zwei Schlauköpfe sind besser. Und zweitens: das wünschen sich die Lehrer und meine Eltern auch, aber was soll ich sagen, ich mach halt das, was mir gefällt und dazu gehört eindeutig NICHT Chemie!" Sie seufzte noch einmal und stand dann auf.
"Na gut, her damit, lass uns das schnell beenden, damit ich schlafen gehen kann." Ich klatschte glücklich in die Hände und holte die kleine Box hervor. Ich öffnete sie und präsentierte Teresa den Inhalt.
"Ihr müsst diese Pralinen und Bonbons untersuchen, denn ich hab den Verdacht, dass etwas nicht damit stimmt." Sie sah auf die Pralienen und runzelte die Stirn. Dann sah sie zu mir, immer noch mit einer gerunzelten Stirn. Okay, irgendetwas war hier falsch.
"Zeig' mir die Box!", sagte sie bestimmt. Ich reichte ihr sie sofort. Sie sah sich die Box genauer an und danach fokussierte sie wieder mich.
"Ich kenne diese Box. Heute morgen hat da einer der Küchenjungen Pralinen hineingetan und der Königin bringen lassen und...", sie schluckte.
"Und was, Teresa?", fragte Luca alarmiert.
"Und...den Rest haben wir in der Küche aufgeteilt... fast jeder hat mindestens zwei gegessen. Nur ich und ein paar andere hatten bloß eine." Ihre Augen leuchteten kurz warnend auf, bevor die Box auch schon scheppernd auf den Boden viel.
"Teresa!"
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top