15. Kapitel
Mir entkam ein schwerer Seufzer. Schon seit geschlagenen 20 Minuten saß ich in diesem trostlosen Büro. Nachdem mich der Wachtrupp abgeliefert hatte, war sofort Aufruhr in das Hauptquartier der OS gekommen.
Denn, oh mein Gott, die verruchte Verräterin war wieder zurück. Ich war mir sicher, dass es innerhalb der halben Stunde mindestens ein Drittel der Stadt zu Ohren bekommen hatte.
Klatsch und Tratsch verbreiteten sich unter Wasser irgendwie noch schneller.
Auf jedem Fall war, nachdem jeder mitbekommen hatte, dass ich wieder hier war, etwas Ruhe eingekehrt. Und nun saß ich hier. Und wartete und wartete.
Der Raum, in dem ich saß, konnte fast schon einer Gefängniszelle Konkurrenz machen, so spärlich eingerichtet war er. Außer einem Schreibtisch, zwei Stühle und einem riesigen Regal befanden sich in dem Zimmer nicht.
Außerdem war alles grau in grau. Wie zu ziemlich alles in der OS. Das war auch der Grund, warum ich trotz meines Berufes nur sehr ungern hergekommen war. Mir fehlte einfach die Farbe.
Ich war gerade dabei, die verschiedensten Grauschattierungen des Schreibtisches ausfindig zu machen, als eine Beamtin mit einem lautem: "So, jetzt aber." hereinsauste.
Mein Kopf schmerzte kurz als mein Blick auf ihre Kleidung fiel. Auch wenn sie, wie jeder unter Wasser nur das Nötigste trug, war ihre Farbwahl mehr als kritisch. Es war einfach Grellorange. Wer zog bitte grell orange Kleidung an? Vor allem, wenn man zu den Midovs, den Grünen, also dem 2. Stand gehörte.
Meiner Meinung nach passten grüne Schuppen nicht zu grell orangener Kleidung.
Aber hey, ich war nicht hier um andere aufgrund ihres Kleidungsstils zu beurteilen. Ich war nur hier um Frederick und mich irgendwie herauszubekommen. Auch, wenn die Chancen sehr schlecht standen. Rechtlich gesehen musste ich sicher für zehn Gezeiten in Sum Adiva bleiben.
Dann gab es aber immer noch einen anderen Weg. Auch, wenn er abseits des rechtlichen Weges lag. Ich würde einfach ein paar alte Geheimtunnel finden müssen. Und wenn die Zeit passte, dann werde ich abhauen. So wie damals. Nur mit Frederick. So gesehen musste ich nur diese Prozedur über mich übergehen lassen. Der Beamtin irgendwie glaubhaft machen, dass ich keine große Bedrohung darstellte und möglichst glimpflich davonkommen.
Ich richtete mich in dem Sessel auf, um besser auf das Kommende vorbereitet zu sein.
In dem Moment überkam mich wieder eine kurze Erinnerung.
'Lektion 3: Sei IMMER bereit!'
Mit einem Blinzeln vertrieb ich wieder die Erinnerung an General Blaiiu's Lektionen.
Die Beamtin grinste mich an, als hätte sie den Doppel-Jackpot gewonnen. So viel Fröhlichkeit hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet. Verwirrend.
Mit einem Räuspern erhob sie die Stimme. "Niara Alminea, wir waren alle sehr überrascht über Ihr plötzliches Auftauchen. Zumal Sie mit dem Auftauchen Ihrer Begleitung ziemlich viel Staub aufgewirbelt haben."
Ich rang mir ein schmales Lächeln ab. Es war ja nicht so, dass ich freiwillig hier war. Erstmal abwarten, was Sie zu sagen hatte, schien mir die beste Lösung zu sein.
"Aufgrund Ihrer Vergangenheit war es schwierig eine ausreichend geschulte Person zu finden. Zum Glück hatte ich gerade Zeit."
Aha. Ich zog abwartend eine Augenbraue nach oben. Da war ja jemand ziemlich überzeugt von sich.
Sie ließ meine Mimik unkommentiert und fuhr fort. "Ich schildere Ihnen nun wie es weiter gehen wird. Wir haben uns entschlossen, bei Ihnen die Standard-Variante mit fünf Tagen zu wählen. Das bedeutet das Sie ab dem Moment, wo Sie das Gebäude der Organisation für Sicherheit betreten haben, dürfen Sie es für fünf Tage nicht mehr verlassen. Die eher mildere Methode begründet sich damit, dass der Prozess und die Fahndung gegen Sie schon gefallen sind. Offiziell sind Sie also eine normale Taren, die nach zwei Jahren wieder zurückgekehrt ist."
Huch, das war schon mal gut. Manche Verhöre konnten sich nämlich ewig lange ziehen.
"Gegen diese Entscheidung können Sie keinen Einspruch erheben. Sie müssen der Entscheidung Folge leisten." Alles andere würde mich auch wundern. Unter Wasser ging man mitunter strenger mit Entscheidungen um. Einmal entschieden, immer entschieden.
"Nach diesen fünf Tagen bekommen Sie eine Tagata. Sie müssen die Fußfessel für mindestens zehn Gezeiten tragen. Danach werden wir uns weiter über ihre Zukunft in Sum Adiva beraten. Damit dürfen Sie sich in Sum Adiva frei bewegen. Es ist Ihnen aber kein Zugang zu dem Adels- und Industrieviertel genehmigt. Außer es wird Ihnen ausdrücklich erlaubt. Sie dürfen sich nur mit Genehmigung und unter Begleitung außerhalb der Stadt bewegen." Sie lächelte mich fast schon entschuldigend an.
"Ich hoffe, dass Sie mit dieser Entscheidung übereinstimmen."
Übereinstimmen? Das war ein Jackpot für mich! Es hätte viel schlimmer für mich kommen können. Es gab nicht selten Fälle, wo man Wochen in der OS verbringen musste. Das hätte ich nun wirklich nicht gebrauchen können.
Nur mühsam konnte ich ein zu starkes Grinsen verhindern. Es kam wahrscheinlich nicht so gut an, wenn ich wie eine Dämliche anfing zu grinsen. Dennoch lächelte ich erfreut, als ich zum ersten Mal meine Stimme erhob.
"Ja, ich stimme mit dieser Entscheidung überein.", antwortete ich formell.
"Das freut mich aber." Ihr Zahnpastalächeln erschien wieder.
"Haben Sie noch Fragen, Miss Alminea?"
Mein Körper verkrampfte, als ich an eine ganz bestimmte Frage dachte.
Ich räusperte mich zaghaft. "Was ist mit Frederick?"
Als ich ihren leicht verwirrten Gesichtsausdruck sah, fügte ich hinzu: "Meine Begleitung."
"Ah." Ihr Gesicht klärte sich wieder. Offensichtlich wusste Sie jetzt von wem ich sprach. "Ihre Begleitung, Frederick." Sie notierte etwas, bevor sie weitersprach.
"Ihre Begleitung, Frederick, befindet sich zurzeit in einer Aufnahme-Zelle. Er war betäubt, als wir euch beide fanden." Ich schnaubte verstimmt. Marino.
Die Beamtin sah mich fragend an. Wohl, ob ich noch etwas sagen wollte. Ich schüttelte aber nur den Kopf. Das, was ich zu sagen hatte, galt Marino.
Sie runzelte nur kurz die Stirn, ehe sie fortfuhr. "Laut meinem Wissen, muss er vor Kurzem aufgewacht sein. Bis jetzt hat noch keiner mit ihm gesprochen. Wir wollten ihm noch etwas Ruhe geben. Außerdem wollten wir noch auf das Gespräch mit Ihnen warten. Wir wollten Ihnen noch wenige Fragen stellen. Und zwar." Sie räusperte sich kurz. "Hat Ihre Begleitung Vorkenntnisse über unsere Welt?"
Ich schluckte schwer. "Nein."
Diesmal sah die Beamtin mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. "Überhaupt keine?" Mein Kopf war träge, als ich ihn schüttelte.
Unverständnis zeichnete sich auf dem Gesicht der Beamtin ab. "Aber wie...? Wieso sind Sie mit ihm dann zurückgekehrt?"
Unruhig rutschte ich hin und her. Was sollte ich nun sagen? Wussten sie überhaupt, dass Marino uns in Wahrheit entführt hatte? Oder war er nur der Ritter in glänzender Rüstung, der uns aufgriffen, hatte?
"Es war keine geplante Rückkehr." Ich wählte meine Worte mit Bedacht. "Ich wurde gezwungen zurückzukehren. Glauben Sie mir, sonst wäre ich überall, nur nicht hier."
Spätestens jetzt sah die Grüne mich mit unverhohlener Neugier an. Ihre Augen leuchteten in einem satten Grün, für das Menschen teure Kontaktlinsen kaufen müsste. Dieses Grün war definitiv nicht menschlich. Aber menschliche Maßstäbe galten unter Wasser nun mal nicht.
In meinem Kopf formte ich die Worte, bevor ich sie sprach. Was ich jetzt tat, war die Anschuldigung eines Mala'n. "Mala'n Marino hat Frederick entführt. Damit hat er mich gezwungen zurückzukehren." Ich reckte meinen Kopf und versuchte möglichst selbstbewusst zu klingen.
Das Gesicht der Beamtin wechselte von Verwirrung Richtung Unglauben. Sie brauchte einen Moment, ehe sie sich wieder fing. "Sie beschuldigen Mala'n Marino der Entführung eines Menschen?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Trotzdem nickte ich, um meine Aussage zu bekräftigen. "Das ist sehr interessant. Es würde definitiv die Sicht auf diese Umstände verändern." Sie notierte wieder etwas. "Trotzdem ändert das nichts an der bis jetzt gefällten Entscheidung. Ich werde diese Information weiterleiten und Sie werden informiert werden, falls sich etwas diesbezüglich ergibt."
"Danke." Meine Aussage wird Marino nichts anhaben können. Das wusste ich. Die Familie des Königs besaß bei solchen Dingen einen besonderen Schutz.
Die Beamtin setzte wieder an zum Sprechen, allerdings wurden wir in den Moment von einem Klopfen gestört. Die steinerne Tür glitt lautlos zur Seite. Ein unbekanntes Gesicht trat ein. "Entschuldigung für die Störung." Sein Blick musterte mich kurz, als wollte er sichergehen, dass ich keine Fata Morgana oder eine Doppelgängerin meiner Selbst war. Er wandte sich wieder der Beamtin zu. "Der unbekannte Begleiter von Miss Alminea ist aufgewacht.
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