13. Kapitel

Kurz vor Sum Adiva glitt ich wieder aus der Strömung. Mit rudernden Handbewegungen bremste ich ab.

Der Haupteingang der Stadt war genauso wie immer. Unspektakulär. Wie bei jeder Stadt.
Zum Schutz vor den Menschen wurden die Städte in unerforschten Unterwasserhöhlen erbaut. Und es wurde sorgfältig dafür gesorgt, dass diese auch unerforscht bleiben. Es wäre die größte Misere, wenn Menschen eine Stadt oder einfach nur ein Haus zu Gesicht bekämen. Dann wäre hier die Hölle los.

Ich aktivierte wieder meine Fähigkeit. Die Spur von Marino und Frederick war jetzt um einiges klarer. Geradezu glasklar. Das bedeutet, dass die beiden vor kurzem hier gewesen waren.

Na warte, Bürschchen, ich werde dich finden. Ich lasse nicht zu, dass du mein Leben ruinierst.
Bedächtig fing ich an, mich fortzubewegen.
Sie konnten noch nicht in der Stadt sein. Es durfte einfach nicht sein.

Nach zwei Jahren wusste ich nicht mehr genau wo sich die Stelle zum Eingang befand. Aufmerksam schwamm ich die zehn Meter hohe Felswand entlang. Vorsichtig tastete ich die zerklüfteten Felsen ab. Ich könnte auch warten bis jemand vorbeikam und denjenigen dann beobachten, wo sich der Eingang befand. Nur dafür hatte ich bereits genug Geduld verbraucht.
Ich meine, ich hatte zwar viel Geduld, aber selbst ich konnte an meine Grenzen kommen.

Außerdem befürchtete ich, dass ich Marino nicht mehr aufhalten konnte. Dass ich zu spät kam. Diese Vermutung ließ mich noch verrückt werden.
Aus diesem Grund wollte und konnte ich jetzt nicht daran denken.

Erleichterung durchflutete meinen Körper, als ich das Symbol der Taren ertastete. Ein Herz auf drei untereinander liegende Wellen.
Leben und Wasser. Wie könnte es auch anders sein?
Es war klein und unscheinbar. Gerade mal so groß wie eine geballte Faust.

Entschlossen drückte ich darauf. Das Symbol erkannte meine Taren-DNA. Kurz leuchtete es dunkelblau auf. Dann löste sich Fels in der Größe von zwei Metern einfach so vor mir auf. Verhüllungszauber.
Meine Fähigkeit zeigte mir, dass Marino ebenfalls den Eingang genommen hatte.
Kein Wunder, immerhin wurde der Eingang kaum noch genutzt. Die Chance entdeckt zu werden, lag also bei null.

Ich tauchte in den engen Gang ein. Er endete nach einer Weile und teilte sich auf drei weitere Gänge auf. Marinos Spur leuchtete mir aus dem Rechten entgegen. So grell wie ich sie sah, war er erst vor wenigen Minuten durchgeschwommen. Ich beschleunigte und schwamm so schnell wie ich konnte seiner blauen Spur nach. Der gewählte Gang führte nämlich direkt und ohne Umwegen in die Stadt. Während ich die Spur weiter verfolgte, bemerkt ich etwas Eigenartiges.

Jedes Mal, wenn ich mit meinen ausgestreckten Händen durch Marinos hellblaue Schliere strich, leuchtete sie hell auf. Wobei das im Grunde nicht möglich war, dass die Farbe aufleuchtete, da die Farbe nur eine Projektion meiner Magie war.
Komisch. Das war mir neu. Vielleicht musste sich meine Magie erst wieder an das Wasser anpassen? Wahrscheinlich würde es so sein. Aber es sollte mich nicht näher beunruhigen. Ich würde sowieso nicht lange hier bleiben.

Meine Instinkte reagierte wie von selbst, als ich ein Stückchen helle Haut hinter einer Ecke entdeckte. Ich schoss in sekundenschnelle um die Ecke, streckte meine Hand blind aus und packte das, was ich entdeckt hatte. Meine Hand krallte sich fest und der Taren jaulte auf. Als ich auch mit dem Kopf um die Ecke schwamm, bestätigte sich mein Verdacht, um wen es sich handelte.

In dem Moment als ich Marino eindeutig erkannte, spannte sich mein Körper deutlich an. Die Wut kochte wieder in mir auf und ich nutzte meinen Überraschungseffekt aus. Mit vollem Schwung krachte ich gegen ihn und riss ihn mit mir auf den Boden. Sein Rücken kratzte dabei einige Meter über den rauen Boden und löste dabei ein Geräusch aus, das verdächtig nach aufschürfender Haut klang. Ich kesselte ihn ein, indem ich mit den Händen seine Schultern auf den Boden drückte und ihm mein Knie in den Bauch drückte.

Die Überraschung war so schnell aus seinem Gesicht verschwunden wie sie gekommen war. Stattdessen machte sich ein träges Lächeln breit. "Niara", er zog meinen Namen unnötig in die Länge. "Soll ich dir etwas verraten?"
Er grinste mich siegessicher an. "Ich habe von Anfang an gewusst, dass du kommen wirst. Du hast einfach nur ein wenig Motivation gebraucht."
"Du bist so ein Idiot!", platzte es aus mir heraus.
Ich verkniff es mir auf sein Kommentar einzugehen. Meine Fingerspitzen gruben sich tiefer in seine Schultern.
"Wie konntest du nur?", meine Stimme war nicht mehr als ein Zischen.
"Weißt du eigentlich was du getan hast? Du hast einen Menschen entführt, du Arsch!" Bebend vor Wut warf ich ihm die Worte ins Gesicht.

Er machte Anstalten wieder etwas Blödes zu sagen. Bevor er auch nur den Mund weiter aufmachen konnte, holte ich mit meiner rechten Hand aus und feuerte ihm eine. Meine Handfläche brannte vor Schmerz, aber ich ignorierte es gekonnt. Als er mir wieder in die Augen blickte, flackerte echter Schmerz in ihnen auf. "Niara!". Diesmal war ein unüberhörbarer Vorwurf in seiner Stimmte. Vermischt mit etwas Überraschung.

Ich hielt ihm drohend den Zeigefinger vors Gesicht. "Wage es nicht, mir einen Vorwurf zu machen. Diese Ohrfeige hast du dir ganz alleine selbst zuzuschreiben."
Es war ihm früher schon gelungen, mich mit seiner draufgängerischen Art, zu Dingen zu bewegen, die ich nicht von mir kannte. Er und Ava waren immer die Personen gewesen, die mich aus meinem Schneckenhaus sozialer Isolation herausgeholt hatten. Bei ihnen war ich einfach nie mit einer Ausrede durchgekommen. Schließlich bin ich immer mit zu ihren Partys gegangen. Damals hatte ich seine Art gemocht. Immerhin war ich so aus meiner persönlichen Kapsel rausgekommen.

Allerdings war jetzt nicht mehr damals. Im Moment ärgerte ich mich tierisch über sein Verhalten.

Seine Mundwinkel spannte sich an und wurden zu einer dünnen Linie.
"Niara, bitte, ich hatte keine andere Wahl, ich brauche..."
Wieder fiel ich ihm ins Wort. "Pass auf was du sagst. Wenn du sagst, dass du mich brauchst, dann feuere ich dir gleich noch eine." Mein Körper strotzte nur so vor Wut. "Als ich dich damals gebraucht hätte, bist du wie ein Schisser davongerannt." Seine plötzliche Ablehnung vor zwei Jahren werde ich wohl nie vergessen. Alter Schmerz flammte wieder in mir auf.

Marino schüttelte den Kopf. Dabei bewegten sich seine Locken im andauernden Rhythmus des Wassers.
Auch etwas, dass mir einmal an ihm gefallen hatte.
Er setzte wieder an. "Niara, bitte. Ich musste es einfach tun. Ich wusste nicht, wie ich dich sonst zurückholen sollte."
"Es wäre besser für die gewesen, wenn du mich nicht hierher gebracht hättest."

In dem Moment fiel mir wieder siedend heiß der Grund dafür ein. Scheiße.
Panik durchflutete meinen Körper. Frederick war nicht bei Marino. Wo war Ricky?
Panisch fuhr ich Marino an: "Marino, wo ist Ricky?"
Marino runzelte verwirrt die Stirn, als hätte er den Namen noch nie gehört.
"Wer?", stellte er dümmlich die Frage.
Ernsthaft? Was in aller Welt?
"Du Idiot", fauchte ich, "Wer wohl? Wo ist der, den du entführt hast?"

Wie konnte mir das entgehen? Ich war so auf Marino fixiert gewesen, dass ich komplett auf Ricky vergessen hatte. Wie konnte ich nur so dämlich sein? Frederick heil zurückzubringen, hatte immerhin höchste Priorität.

Marino's Gesichtszüge glätteten sich wieder. "Ah, der.", meinte er wenig aufschlussreich.
"Ja, genau der. Also, wo ist er?" Meine Geduld hatte einen kritischen Wert erreicht.
"Keine Ahnung. Als du mich umgeschubst hast, habe ich ihn ausgelassen. Wenn er nicht hier ist, muss ihn wohl die Strömung weiter getrieben haben."
Ruckartig riss ich den Kopf hoch. Er war wirklich nirgendwo zu sehen. Auch seine graue Spur war um einige Nuancen blasser als die von Marino.
Das bedeutet er war schon seit sicher fünf Minuten weitergetrieben. Das durfte doch alles nicht wahr sein.

Ich atmete einmal gut durch. Und ein zweites und drittes Mal. Meine Lippen waren fest aufeinander gepresst. Der Typ machte mich noch wahnsinnig.
"Willst du damit sagen, dass du ihn einfach weiter durch die Stollen treiben hast lassen?"

"Was soll ich den sonst machen, wenn du immer noch auf mir kniest?", antwortete er genervt.

Okay. Durchatmen. Nachdenken. Denk nach. Ich konnte seine Spur sehen. Das bedeutet, dass ich nicht lange brauchen würde bis ich ihn finden würde. Mein Blick folgte der Spur, die in dem blauen Gewässer leuchtete. Entschlossen richtete ich mich auf.
Ich werde Frederick finden. Die Strömung war hier nicht wirklich stark. Er konnte noch nicht weit weggetrieben sein.
"Niara." Marino's Stimme hielt mich zurück.
"Was?", erwiderte ich patzig.
Er war ebenfalls aufgestanden und fuhr sich mit einer Hand durch sein Haar.
"Was hast du vor?"
"Ich werde jetzt Frederick suchen und dann werde ich wieder mit ihm verschwinden." Wut flammte wieder in mir auf. "Es ist mir egal, was du willst. Du wirst mich nicht aufhalten können."
Marino verzog keine Miene, während er langsam auf mich zukam. Ich kniff misstrauisch die Augen zusammen und wich einen Schritt weiter in den Gang zurück.
"Es ist etwas komplizierter als du denkst."

"Wie meinst du das Marino? Ich hole jetzt Frederick und dann bin ich weg."

"Das denke ich nicht, Miss." Adrenalin durchflutete meinen Körper und drehte mich abrupt um. Vor mir stand ein Wachtrupp. Und es wirkte nicht so, als hätte er vor bald wegzugehen. Meine Augen weiteten sich, als ich erkannte, dass einer der Männer einen scheinbar bewusstlosen Ricky festhielt. Shit.

Der Frontmann des Trupps erhob die Stimme. "Ich dachte am Anfang nicht, dass Sie wirklich zurück sind, aber anscheinend hatte Mala'n Marino recht mit seiner Vermutung. Aus diesem Grund müssen wir Ihnen leider folgendes mitteilen. Niara Alminea, im Namen der Organisation für Sicherheit teilen wir Ihnen mit, dass Sie tarisches Gewässer durchschwommen haben. Wir müssen Sie und ihren Begleiter in Gewahrsam bringen."

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