65. Kapitel

Louis:

„Hallo? Ich sitze vor euch. Kann mir jemand sagen, was ich jetzt schon wieder vergeigt habe?" Gemma sieht zu mir. „Harry weiß offenbar nicht, was das zwischen euch ist. Und jetzt willst du ihn deiner Familie vorstellen. Die Reihenfolge stimmt nicht. Er weiß, dass ihr irgendetwas miteinander habt, eine Romanze oder so, aber ihm ist nicht klar, wie ernst es ist." – „Natürlich ist ihm das klar. Darüber haben wir gesprochen", widerspreche ich ihr kopfschüttelnd." – „Also hast du ihn gefragt, ob er dein fester Freund sein möchte? Eine Beziehung mit dir will? Ich bezweifle es, sonst hätte er gerade nicht derart gestottert." – „Nein, das habe ich ihn nicht so gefragt, aber..." – „Nichts, aber", fällt Lottie mir ins Wort. „Denkt drüber nach, du Trottel. Wir haben recht und das weißt du und wenn du es ernst mit ihm meinst, solltest du das klarstellen. Am besten, bevor er vor Mum steht und vor Nervosität am liebsten wegrennen würde."

„Wir haben beide gesagt, dass wir es einfach auf uns zu kommen lassen möchten", stelle ich klar und schiele zu Harry. Er rührt seinen Kaffee um. Ich bin sicher, er könnte theoretisch schon längst wieder herkommen, aber er möchte gerade nicht bei uns am Tisch sitzen. „Und jetzt? Willst du dass es nach Olympia aufhört?", fragt Lottie mich abwartend. „Nein, natürlich nicht. Soll ich jetzt einen Zettel schreiben, auf dem er ja, nein, vielleicht ankreuzen kann?", frage ich sarkastisch. Gemma seufzt. „Denk dir einfach etwas aus. So schwierig kann das doch nicht sein, wenn du ihn wirklich so magst." Klasse. Ich weiß, dass sie in der Theorie recht hat, aber in der Praxis habe ich noch nicht darüber nachgedacht, dass ich Harry auf diese Art fragen werde, ob er mein fester Freund sein möchte. Bin ich davon ausgegangen, dass wir zusammen sind? Nicht direkt. Allerdings ist mein Stand der Dinge, dass wir beide Interesse daran haben, es ernsthaft miteinander zu versuchen und dabei keine anderen Daten. Das ist doch quasi eine Beziehung.

Fuck, jetzt weiß ich, wieso Liam immer sagt, es wäre alles so furchtbar kompliziert. Ich trinke meinen Tee aus und sehe zu Harry. Er steht immer noch dort. Allerdings ist er jetzt nicht mehr allein, er unterhält sich mit Spencer.

„Wer ist das?", fragt Lottie just in dem Moment. „Ein anderer Turmspringer", antworte ich unzufrieden und missmutig. „Sie trainieren zusammen und treten beide für England an." – „Du siehst aus, als würdest du ihn am liebsten von Harry wegzerren", bemerkt Gemma. „Ich mag ihn nicht sonderlich." – „Nicht sonderlich? Schöne Untertreibung." Ich ignoriere Lotties letzte Aussage. Harry lacht und nickt dann. Was ist so lustig, was hat er ihm gesagt? Am liebsten würde ich zu ihnen gehen, den Lockenkopf zu mir ziehen und ihn hier vor aller Augen küssen. Ich weiß, dass das nicht geht, das würde einen Skandal auslösen, aber für einen kurzen Moment keimt in mir die Hoffnung auf, dass Spencer dann verschwindet und Harry in Ruhe lässt.

„Scheiße, du bist Eifersüchtig", bemerkt Lottie belustigt und grinst. „Bin ich nicht, halt die Klappe." –„Und wie du das bist", widerspricht Gemma und fängt an zu lachen. „Mein Bruder scheint dich ja ganz schön um den Finger gewickelt zu haben." – „Dieser Kerl ist ein Arschloch, das ist alles", murre ich und stehe auf. Ich möchte noch eine Runde laufen, gehen. Viel Zeit bleibt mir dafür nicht mehr. Meine Laufschuhe trage ich bereits. Bevor ich aus der Kantine verschwinde, blicke ich ein letztes Mal zu Harry. Er sieht zu unserem Tisch und sein Gesichtsausdruck wechselt von amüsiert zu irritiert. Dann schaut er suchend durch die Kantine bis er mich entdeckt. Fragend sieht er mich an. Lautlos sage ich „Training." Er versteht es und nickt, bevor er sich tatsächlich von Spencer verabschiedet und sich wieder zu den anderen setzt. Ist es bescheuert, wenn ich in diesem Moment das Training am liebsten einfach ausfallen lassen und mich wieder zu ihm setzen würde? Vermutlich.

Normalerweise kriege ich den Kopf frei, wenn ich Sport mache. Ich laufe schon die dritte Runde und dennoch sind meine Gedanken so laut wie nie. Ich soll Harry fragen. Wir sind doch nicht in einem Kitschfilm. Ist es nicht offensichtlich, dass das mit uns etwas Exklusives ist? Sofort widerspreche ich mir gedanklich selbst. Natürlich ist es offensichtlich, aber es geht hier um Harry. Der süße Kerl, der keine Erfahrung hat und alles, was er weiß, aus Büchern kennt. Ich sollte vielleicht wirklich irgendwann einmal eins dieser Bücher lesen. Vielleicht verstehe ich ihn dann besser. Ihn fragen. Zuerst war es ein Witz, dass ich ihm so einen Grundschul-Zettel schreibe, aber jetzt ist es doch im Bereich des Möglichen. Er steht auf Romantik, aber ist das nicht zu viel des Guten? Ich seufze. Bis heute Mittag muss ich das geklärt bekommen, ansonsten sehe ich ein ziemliches Chaos auf uns zukommen.

Nach meiner fünften Runde, bleibe ich abrupt stehen. „Lauf ruhig weiter", sagt Harry und sieht von seinem Buch auf. Er sitzt auf einer der Bänke im Schneidersitz und liest. „Hi." – „Hey." Er lächelt kurz und blättert eine Seite um. „Ich wollte dich nicht stören." – „Tust du nicht", antworte ich sofort und schüttle den Kopf. Ich streiche mir meine Haare aus der Stirn und setze mich zu ihm. „Was machst du hier?" – „Uhm.,. lesen." Er deutet auf sein Buch. „Ja, ich meinte, hier. Also auf dieser Bank." – „Hier ist deine Laufstrecke", antwortet er schulterzuckend und legt sein Lesezeichen zwischen die Seiten. „Du beobachtest mich?" – „Ich schaue dir zu", korrigiert er mich und lächelt schief. „Ist doch okay, oder? Wenn es dich stört, gehe ich einfach, das ist nicht schlimm. Ich könnte auch..." – „Natürlich ist es okay", falle ich ihm schnell ins Wort. „Irgendwie ist es süß, dass du mir beim Training zusiehst." Harry sieht zur Seite und lehnt sich nach hinten. „Findest du?" – „Ja." Supportive Boyfriend. Fast hätte ich es ausgesprochen. Fuck.

„Eigentlich habe ich gewartet, bis du Pause machst. Also nicht meinetwegen, sondern eher generell. Ich wollte mit dir sprechen... uhm... wegen nachher." – „Wegen heute Mittag?" Er nickt und klappt das Buch zu. Die Kordel des Lesezeichens, die aus dem Buch schaut, dreht er zwischen seinen Fingern. „Das trifft sich gut, ich wollte auch mit dir reden", antworte ich und überrascht sieht er mich an. „Was? Wieso das?" Irritiert mustere ich ihn. „Ist alles okay?" – „Ja... uhm... ich habe jetzt nicht unbedingt damit gerechnet", gibt er zu. „Möchtest du doch nicht, dass ich deine Familie kennenlerne? Ich meinte, das ist vollkommen okay, wir kennen uns schließlich noch nicht lange und... also...", stottert er nervös. Ich schüttle den Kopf. „Wenn es dir nicht zu früh ist, würde ich mich freuen, wenn du sie kennenlernst."

Er zögert und ich denke, Gemma hatte tatsächlich recht. „Schon?", fragt er mich dann. Ihm steht auf der Stirn geschrieben, dass er viel sagen möchte, aber nicht genau weiß, wie er es kann. Ich nicke. „Ja. Definitiv. Ich finde, sie sollten meinen Freund kennenlernen, wenn sie schon einmal hier sind." Harrys Blick schnellt zu mir. Perplex sieht er mich mit großen Augen an. Sein Mund öffnet sich, aber er sagt keinen Ton. Er hat aufgehört, die Kordel um seine Finger zu drehen. Wie erstarrt sitzt er vor mir. Scheiße, hätte ich doch den Zettel schreiben sollen? So war es ganz und gar nicht geplant, aber mein Mund war leider schneller als mein Gehirn.

Er blinzelt ein paar Mal und ich seufze. „Scheiße, tut mir leid. Ich hab's vergeigt, oder?" – „Vergeigt?" – „Gemma meinte, ich soll mir irgendetwas Gutes ausdenken, was Romantisches. Ich schätze, ich habe gerade das genaue Gegenteil getan." – „Also bereust du es?", fragt er mich zögerlich. „Kommt drauf an. Die Art? Ja. Aber generell nein. Wir müssen so oder so darüber sprechen", erwidere ich schulterzuckend und sehe ihn prüfend an. „Ich wusste nicht... du möchtest, dass ich dein Freund bin?" – „Ist das so überraschend?" Er zuckt mit den Schultern. „Ich habe mir abgewöhnt, mir Dinge vorzustellen oder zu wünschen, die vermutlich nicht passieren." – „Du dachtest, ich frage dich nicht?" Er schmunzelt. „Irgendwie hast du das auch nicht." Stimmt, habe ich nicht.

„Dann frage ich dich jetzt", beschließe ich kurzerhand. „Harry Styles, möchtest du mein fester Freund sein?" Er versucht nicht zu grinsen. Himmel, ist das niedlich. „Dabei musst allerdings vorher wissen, dass ich echt noch nicht gut darin bin, diesen romantischen Kram zu organisieren. Ich werde mir Mühe geben, aber erwarte nicht zu viel. Und ich werde dich immer dann küssen, wenn uns niemand sieht. Ich werde dich bei deinem Wettkampf anfeuern und ich werde dich all meinen Freunden vorstellen, die dich vermutlich ausfragen, wie du es geschafft hast, dass ich mich auf dich eingelassen habe", füge ich als Voraussetzungen hinzu und lächle. Jetzt grinst er richtig und nickt. „Damit komme ich gut klar." – „Also, ja?" Er nickt und rückt etwas näher. Er sieht sich kurz um, aber hier ist niemand. Dann drückt er mir einen kurzen Kuss auf die Lippen.

„Weiß du, ich hatte kurz überlegt, einen dieser Zettel zu schreiben", sage ich dann und lehne mich zurück. „Was?" – „Einen dieser ja, nein, vielleicht Zettel", erkläre ich und betrachte seinen Gesichtsausdruck. „Ich glaube, das wäre sogar mir zu viel gewesen", antwortet er amüsiert und schüttelt den Kopf. „Außerdem wäre ich zu schissig gewesen, ihn dir wiederzugeben." – „Meinst du?" – „Da bin ich mir ziemlich sicher", gibt er zu und grinst schief. „So war es schon ganz gut."

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Finally. Ich glaube so lange hat es in einer meiner Storys noch nie gedauert. Wie fandet ihr die Szene?

Love, L

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