49. Kapitel

Louis:

„Bist du um diese Uhrzeit schon betrunken, oder wieso grinst du so?" – „Lass mich doch." Cayla mustert mich skeptisch. Niall ist zum Glück noch nicht hier. Ich trinke einen Schluck Tee und sehe zum Eingang der Kantine. „Hallo? Tommo?" – „Mir geht es gut, ich bin nicht betrunken", antworte ich sofort. „Mhm." – „Was?" – „Du wartest auf ihn." Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung. Ich verdrehe die Augen, aber Cayla ist es herzlich egal, dass ich mit ihr nicht darüber sprechen möchte. „Hast du ihn abgeschleppt?" – „Ist das dein Ernst?" – „So unrealistisch ist das nicht. Du hast Oliver nicht einmal auf ein Essen ausgeführt, bevor du ihn gevögelt hast", erwidert sie schulterzuckend.

„Oliver ist nicht Harry."

Sie fängt an zu grinsen. „Also wartest du, bis Harry bereit dazu ist." – „Das geht dich nichts an." – „Hast du ihn denn schon geküsst?" – „Lass es gut sein." – „Nicht? Echt nicht? Krass." – „Ernsthaft." – „Das ist so süß, Louis." – „Süß? Dass ich ihn nicht geküsst habe?" Irritiert sehe ich sie an. Was ist daran süß? Sie nickt. „Du gehst weder auf Dates, noch wartest du lange, bis zu mit jemandem Sex hast und Harry ist vollkommen unerfahren und jetzt übst du dich in Geduld." – „Und?" – „Das bedeutet, dass du ihn sehr magst", schlussfolgert sie. Ich antworte ihr nicht. Cayla sieht mich abwartend an. „Hallo? Keine Antwort?" – „Sag es Niall einfach nicht, okay?" Ihr Gesichtsausdruck wechselt von gut gelaunt zu verwirrt. „Wieso das nicht?"

Ich seufze. „Hast du nicht gemerkt, dass Niall irgendetwas gegen Harry hat?" – „Das hattest du auch bis vor kurzem noch." – „Danke, erinnere mich nicht dran. Ich hab nur keine Lust dazu, dass Niall irgendetwas Dummes sagt, wenn Harry dabei ist." – „So etwas wie: keine Sorge, Louis hat bestimmt genug Kondome dabei?" – „Ja. So etwas", antworte ich trocken. Cayla schmunzelt. „Da hast du dir die falschen Freunde ausgesucht." Ich schüttle leicht den Kopf. Einen Moment lang ist es still zwischen uns. Ich würde gerne das Thema wechseln, aber ich weiß nicht, was ich ansprechen könnte, ohne, dass es seltsam wird. Ich esse mein Frühstück und schiele immer wieder in Richtung Tür. Harry ist noch nicht hier. Ob er schon gefrühstückt hat? Vielleicht ist er schon beim Training. Who knows.

„Du meinst es tatsächlich ernst mit ihm", stellt sie fest und sieht mich perplex an. „So richtig ernst." – „Ich habe ihn gestern auf ein Date eingeladen, als wir wieder hier waren. Das gestern war kein Date, aber... scheiße." – „Scheiße?" – „Er fliegt nach den Wettkämpfen wieder nach England", erinnere ich sie. „Und ich nach Irland." – „Mhm. Fuck." – „Eben."

„Du möchtest ihn trotzdem treffen?" – „Mhm." – „Und was sagt er dazu?" Ich zucke mit den Schultern. „Er hat zugestimmt." – „Das ist doch gut!", antwortet sie begeistert. „Wieso freust du doch nicht." – „Weil ich mit sicher bin, dass ich es irgendwie vermasseln werde." – „Weißt du, was dagegen hilft?", fragt sie optimistisch. Abwartend sehe ich sie an. „Kommunikation." – „Danke. Hilfreich." – „Ernsthaft, Louis. Sprich doch einfach mit ihm. Er wird es wohl kaum ansprechen, dass er keine Ahnung hat, wie man jemanden küsst oder ob er einfach deine Hand nehmen kann. Du musst es ansprechen und du musst dafür sorgen, dass er sich dabei wohl fühlt." – „Das klingt so..." – „So, wie?" Ich zucke mit den Schultern. „Viel." – „Zu viel?" Ohne darüber nachzudenken, schüttle ich den Kopf. Nein, zu viel ist es nicht.

„Dann sehe ich das Problem nicht." – „Deinen Optimismus hätte ich gerne", brumme ich. Caylas gute Laune verändert das nicht. Ich hingegen denke die ganze Zeit an dutzende Szenarien, die dazu führen könnten, dass ich alles jetzt schon wieder kaputt mache, weil ich mich wie ein Idiot aufführe.

„Hi." Ich öffne gerade die Tür zur Trainingshalle, als Harry dort ebenfalls ankommt. „Hi. Du warst heute nicht beim Frühstück." – „Uhm... doch", antwortet er verwundert. Fragend sehe ich ihn an. „Ich... uhm... ich saß einige Tische weiter." – „Was?" Er zuckt mit den Schultern, als ich ihn irritiert ansehe. „Ich habe Jules Verne gelesen", antwortet er lächelnd. „Es ist viel schöner, das Buch in der Originalsprache zu lesen als auf Englisch."

Ich nicke nur. Harry sieht mich fragend an. „Uhm... musst du nicht auch in die Halle?" Scheiße. Ich halte immer noch die Türklinke fest, ohne sie zu öffnen. Trottel. „Ja, klar." Ich öffne die Tür und sehe wieder zu Harry. „Springst du heute Morgen?" Er nickt. „Und du schwimmst?" – „Äh, ja. Heute Mittag ist Laufen dran", antworte ich. „Sehen wir uns zum Mittagessen?" Ich habe nicht einmal richtig gemerkt, dass ich diese Frage ausgesprochen habe.

„Uhm... sicher. Wenn wir zeitgleich Pause machen, gerne", antwortet er überrascht. Dann lächelt er. „Sehr gerne." – „Gut." Ich gehe durch die Tür und lege meine Sachen ab. Harry folgt mir zu der Dusche an den Seite der Schwimmhalle. „Hast du es Cayla gesagt? Also... uhm... dass du... wir..." – „Dass wir auf ein Date gehen werden?", spreche ich es aus. Harry errötet und schaut nach vorne. Dann nickt er. „Ja, dass wir auf ein Date gehen." – „Habe ich, aber Niall noch nicht." – „Okay." – „Wieso fragst du?" Ich sehe zu ihm. Das Wasser fließt über seinen Körper und die enge Badeshorts und am liebsten würde ich die Wasserspuren mit meinen Fingerspitzen nachzeichnen. „Ich wusste nicht, ob es seltsam wird, wenn ich mich zu euch setze und sie es nicht weiß." – „Du kannst dich immer zu uns setzen. Auch, wenn Niall dabei ist." – „Sicher?" – „Natürlich", bestätige ich und mache meine Haare nass.

Harry sieht zu mir. Er mustert mich. Ich fange seinen Blick und er wird wieder ein wenig rot auf den Wangen. Herr Gott, ist das niedlich. „Ich muss dich um eine Sache noch bitten", sage ich dann. „Uhm... okay?" Sein Blick verrät deutlich, dass er jegliche Ideen durchgeht, die er gerade hat. „Ich möchte, dass du mir sagst, wenn dir etwas zu schnell geht", antworte ich ihm. „Egal was. Wenn sich etwas nicht gut anfühlt oder komisch ist, sag es mir bitte." – „Du... ich soll es einfach sagen?" – „Natürlich", nicke ich sofort. „Gestern zum Beispiel, als ich einfach in der U-Bahn meinen Arm um dich gelegt habe, wusste ich nicht, ob das okay ist." – „War es!", unterbricht er mich und ich lächle glücklich. Auf diese Antwort habe ich gehofft.

„Fragst du... was möchtest du denn noch machen?", will er zögerlich wissen. „Also... uhm..." Ich mache einen Schritt auf ihn zu. Noch sind wir hier allein in der Schwimmhalle. Ich streiche ihm vorsichtig die nassen Haare aus der Stirn, dann drücke ich ihm sanft einen Kuss auf die Wange.

Einen Moment später sieht er mich mit großen Augen an. Mein Blick ist prüfend und für einen Moment schweift er zu seinen Lippen ab. Nein, das kann ich noch nicht machen. „Das... das ist okay", sagt er schließlich und sieht an mir vorbei. „Sicher?", frage ich dennoch. Er nickt, sieht mich wieder an und lächelt. „Ja. Aber... uhm..." – „Ich werde dich erst küssen, wenn du dir sicher bist", beschließe ich. „Du hast mich doch gerade... oh, also du meinst..." – „Auf deinen Mund. Ich möchte deine Lippen küssen." Er antwortet mit nicht. Perplex sieht er mich an, als könnte er nicht fassen, was ich ihm gerade eröffnet habe. „Ich weiß nicht... ich habe noch nie..." – „Das ist mir klar. Deswegen tue ich es nicht jetzt schon", erwidere ich schmunzelnd. „Ich vermute, du möchtest deinen ersten Kuss sowieso nicht in einer Schwimmhalle kurz vor dem Training haben, oder?", frage ich ihn. Er schüttelt den Kopf. Dann zögert er. „Der Ort ist eigentlich nicht so wichtig, denke ich." Doch, ist er.

Ich nehme seine Hand, führe sie langsam zu meinem Mund und platziere einen leichten Kuss auf seine Fingerknöchel. „Mach dir nicht zu viele Gedanken, Curly." Dann gehe ich zum Schwimmbecken und springe hinein. Ich spüre seinen Blick in meinem Rücken und grinse in mich hinein. Von den Startschwierigkeiten abgesehen lief es gut. Ich weiß genau, was ich machen werde und hoffe, mich damit nicht lächerlich zu machen. Vor Olympia hätte ich jedem gesagt, er wäre ein Idiot, ich würde doch nicht einen Kuss derart aufwendig planen, aber jetzt? Es ist das, was Harry verdient. Sein erster Kuss soll nicht irgendwo sein, mit irgendwem. Er soll mit mir sein, romantisch und ganz in Ruhe. Es soll die Bücher, die er liest, übertreffen. (Nicht, dass ich wüsste, was da so drin steht.)

Ich schwimme einige Bahnen und sehe Harry irgendwann auf den Sprungturm klettern. Er stellt sich an den Rand der Plattform. Ich mache eine kurze Pause am Rand des Schwimmbeckens und sehe zu ihm hoch. Jeder einzelne Muskel ist angespannt und er ist absolut fokussiert. Von hier unten sieht es nicht so hoch aus, aber wenn ich mir vorstelle, dort oben zu stehen, wird mir wieder schwindelig. Bei Harry sieht es unglaublich elegant aus. Er springt hinunter, dreht sich immer wieder in alle mögliche Richtungen und taucht kerzengerade ins Wasser ein. Es ist der Wahnsinn, welche Körperbeherrschung er hat. Ist es seltsam, dass ich mich gerade gerne an den Rand setzen und einfach zuschauen würde? „Tomlinson! Die Pause war lang genug", höre ich meinen Trainer rufen. So viel also dazu. 

-- -- -- -- --

Es entwickelt sich. Was denkt ihr darüber? Und werden die beiden sich bald küssen? Und wo?

Love, L

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top