20. Kapitel

Harry:

Ich werde nie wieder Alkohol trinken. Jetzt weiß ich, wieso Mum nicht möchte, dass ich das tue. Scheiße. Mein Schädel brummt und mit ist kotzübel. Hundeelend. Ich stöhne auf, als ich mich setze und kneife die Augen schnell wieder zu. Viel zu hell, es ist viel zu hell. „Na, Schlafmütze?", Gemma geht an mir vorbei. Moment – Vorbei? Ich sehe mich um. Ich liege auf dem Sofa im Wohnzimmer der WG. „Verkatert?", fragt Cassy und reicht mir einen Tee. Ich trinke einen Schluck und lehne mich seitlich an die Rückenlehne des Sofas. „Ich glaube schon. Ist das ein Kater?" – „Ja", antwortet Gemma nur und wirft mir eine Packung Ibuprofen. „Ich hab nichts gegessen", murmle ich abwesend und lege die Packung weg. Ich muss erst einmal etwas frühstücken.

„Dann komm." – „Mhm?" – „Wir haben den Tisch schon gedeckt", antwortet Cassy. „Du kannst gerne Amy wecken." – „Was?", frage ich irrigiert. Gemma fängt an zu lachen. „Geh einfach, wir machen mehr Tee und Kaffee. Und Rührei?" – „Ja, bitte", murmle ich und hieve mich in die Senkrechte. Ich gehe in Richtung Amys Zimmer. „Bist du schon wach?", frage ich und klopfe an die Tür. „Harry?", fragt sie verwundert. Ich öffne die Tür. Amy liegt noch im Bett. Sie stützt sich mit den Unterarmen hoch und sieht mich verschlafen an. „Du siehst so aus, wie ich mich fühle", meint sie trocken. „Danke, gleichfalls", antworte ich und merke erst da, dass sie nicht alleine ist. „Geh weg.", kommt es von demjenigen, der mit in Amys Bett liegt. „Du bist ein Morgenmuffel", antwortet sie und streicht ihm durch die Haare. Jetzt sehe ich, dass es Niall ist.

„Äh... soll ich gehen?", frage ich überfordert. Ob die beiden wohl nackt sind? Verdammt, das geht mich nichts an! Niall kuschelt sich an Amy. Oder besser gesagt, er zieht sie zu sich heran und legt sich halb auf sie drauf. Dann scheint er einfach weiterzuschlafen. Amy sieht ihn amüsiert an. „Ich komme gleich zum Frühstück. Aber ich denke, die Schnarchnase hier lasse ich noch liegen." – „Uhm... okay", bringe ich hervor und schließe ganz schnell wieder die Tür. Als ich in die Küche komme, sehen mich Gemma und Cassy grinsend an. „Ihr wusstet es, oder?" – „Was meinst du?" – „Dass Niall bei Amy geschlafen hat", antworte ich ihr. „Mit." – „Was?" – „Mit Amy", korrigiert Cassy mich völlig ungeniert. „Uhm... du meinst, die beiden hatten letzte Nacht... Sex?" – „Die haben gevögelt, wie die Karnickel." Cassy nimmt kein Blatt vor den Mund und ich spüre, wie meine Wangen warm werden. „Hast du das echt nicht mitbekommen?", fragt Gemma überrascht. „Hätte ich das mitbekommen sollen?", erwidere ich skeptisch.

„Was mitbekommen?" Amy kommt in die Küche geschlurft. „Kannst du nächstes Mal ein Kissen zwischen Bett und Wand einklemmen? Oder noch besser, schraub dein Bett einfach an der Wand an", bittet Gemma sie und trinkt von ihrem Kaffee. Ich bleibe bei Tee. Zu viel Kaffee ist nicht gut fürs Herz. „Ne, dann passen die Handschellen doch nicht mehr ans Gestell", antwortet Amy und prompt verschlucke ich mich. „Handschellen?", krächze ich. „Das erklären wir dir, wenn du groß bist", meint Gemma nur lachend. Oh Gott. Ich schüttle den Kopf. „Ich weiß... also... uhm...", stottere ich vor mich hin. Amy fängt an zu lachen. „Ich verarsch dich nur ein bisschen, entspann dich, Harry." Am liebsten würde ich im Boden versinken.

Gemma kommt mit einer großen Pfanne voll mit Rührei vom Herd und stellt sie in die Mitte des Tisches auf ein Holzbrett. „Bedient euch." Ich habe unglaublich Hunger, aber ich nehme mir erst einmal ein bisschen. Ich bin nicht sicher, ob mein Magen alles andere mitmachen würde. „Ihr fangt ohne mich an?" Niall setzt sich zu uns. Ich schaue weg. Er trägt kein Shirt. „Du wolltest unbedingt weiterschlafen." – „Aber doch nicht allein", erwidert er sofort trotzig und nimmt sich Kaffee. Dann schaut er auf sein Handy und steht wieder auf. Fragend sehe ich ihm nach, als er im Flur verschwindet.

„Riecht nach Kaffee!", höre ich plötzlich jemand anderen sagen. Es ist der Schwarzhaarige, der in der anderen WG wohnt. Dahinter kommt Louis rein. Niall setzt sich und zieht Amy zu sich auf den Schoß. Wir haben sonst nicht genug Stühle. „Kaffee?", fragt... verdammt, ich habe seinen Namen vergessen. „Er trinkt nur Tee", antwortet Niall sofort und Louis nickt. Er nimmt sich etwas Milch dazu. Ich schaue Louis einen Moment an. Er trägt lockere Sportklamotten, seine Haare stehen wirr vom Kopf ab und er sieht verschlafen aus. Es ist nicht dieses „grumpy-verschlafen". Vielmehr ist es irgendwie süß.

„Na, Nacht überlebt?", fragt der Schwarzhaarige mich plötzlich. „Mhm?" – „Du hast Nialls Mische getrunken. Und davon nicht zu wenig", antwortet Gemma. „Mische?" – „Vodka mit Orangensaft", antwortet Louis. „Du warst ziemlich betrunken." – „Dann kam das nicht vom Bier?", frage ich verwundert. Amy schmunzelt und schüttelt den Kopf. „Nein, definitiv nicht." Oh verdammt. Ich wollte doch nicht so viel trinken. „Das hat nicht nach Vodka geschmeckt", erinnere ich mich. Ich dachte, es wäre nur Orangensaft. „Das ist das Ziel, wenn ich mische", erwidert Niall. Das ist etwas Gutes? Wäre es nicht besser, man schmeckt den Alkohol, dass man nicht zu viel trinkt?

Ich nicke nur und esse weiter. Dann spüre ich einen Blick auf mir – Louis' Blick. Ich will nicht hinsehen. Ich will ihn nicht ansehen. Ich mache es trotzdem. Verdammt, ich bin so ein vollkommener Idiot! Ich habe mich wie ein absoluter Depp aufgeführt! Die Erinnerungen an gestern Nacht kommen wieder und ich bemerke, dass ich – neben meiner vollkommen idiotischen Aktion – nicht einmal das Feuerwerk mitbekommen habe. Nein, ich habe stattdessen weinend auf dem Sofa gelegen und bin so dann auch eingeschlafen. Scheiße. Ob ich später mit ihm reden sollte? Ich schaue auf die Uhr. Später wird knapp. Louis mustert mich. Ich versuche, ihn nicht anzusehen, oder sollte ich anstarren sagen? Fuck. Ob er wohl weiß, dass wir uns mehr oder weniger schon einmal über den Weg gelaufen sind? Gemma hat mit ihm und seinen Schwestern damals Beachvolleyball gespielt. Ob sie sich daran wohl erinnern?

Ich zumindest habe Louis erkannt. Ich hatte recht mit der Vermutung, dass er zu einem attraktiven jungen Mann herangewachsen ist. Ich trinke meinen Tee. Ich kenne ihn kaum und außerdem habe ich mich schon absolut vor ihm blamiert. Ich sollte nicht über so etwas nachdenken. Das wird niemals passieren. Allerdings macht der Fakt, dass Louis nicht hetero ist, meine Gedanken nicht besser. Als er aufsteht, um sich noch mehr Tee zu nehmen, trifft mich eine Erkenntnis. Oh verdammt...

„Harry?" – „Mhm, was?", frage ich schnell und sehe zu Gemma. Sie sieht mich skeptisch an. „Hast du einen Geist gesehen?" – „Einen Geist? Wieso das?" – „Weil du so aussiehst", antwortet Cassy. Alle Blicke liegen auf mir. Auch Louis' Blick. Ich schüttle etwas zu schnell den Kopf. „Nein alles gut... ist nur der Kater, denke ich", brabble ich. „Ich muss mal eben aufs Klo." Ich flüchte aus der Küche ins Bad. Dort bleibe ich erstmal.

Zumindest, bis es irgendwann klopft. „Harry? Bist du noch da drin?" Nein! Nein, bitte nicht! „Äh... Sekunde." Ich atme tief durch und öffne die Tür. Louis steht vor mir. „Es... uhm... wegen gestern...", stottere ich unbeholfen. „Du hast also keinen Filmriss?", versteht er und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich schüttle stumm den Kopf. „Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Oder was ich gefragt habe. Das war dumm und unbedacht und..." – „Okay." – „Okay?" – „Ja, okay", antwortet er. „Zum einen warst du vollkommen betrunken. Zum anderen, scheinst du dir die ganze Zeit schon darüber Gedanken zu machen und außerdem muss ich aufs Klo", antwortet er mir. „Oh, ja... äh... sorry." Ich verlasse das Bad und gehe zu den anderen zurück.

Gemma steckt die Packung Ibuprofen in meinen Rucksack. „Bevor du mit Kopfschmerzen vor Mum stehst, nimm lieber doch eine", meint sie. „Hast du alles?" Ich schaue mich um und nicke. „Ich denke schon." Amy, Cassy, Louis, Niall und Zayn (dessen Name vorhin zum Glück einfach in der Unterhaltung gefallen ist) sind auf dem Dach aufräumen.

„Gemma? Uhm..." Ich spiele mit dem Saum meines Pullovers. „Ich verrate Mum schon nicht, dass du sich abgeschossen hast", antwortet sie sofort. „Versprochen." – „Das... ich meinte nicht..." Scheiße, wie soll man sowas formulieren? Ich möchte es ihr sagen, ich möchte es irgendjemandem sagen und ihr vertraue ich am meisten. Sie stopft noch etwas eingepacktes Essen in meinen Rucksack und schließt ihn. Dann sieht sie auf ihr Handy. „Wir müssen gleich los." – „Ich weiß", nicke ich und versuche meine Gedanken zu ordnen. Sie fliegen wirr in meinem Kopf umher. Und im Vordergrund steht Louis; die ganze Zeit über. Fühlt sich das so an? Ich weiß nicht, ob ich es mag. Gemma reicht mir eine Flasche Wasser und ich packe sie ein. Sie Zeit rinnt mir durch die Finger. „Uhm... ich weiß nicht, wie ich es sagen soll." – „Sag es einfach", antwortet sie. „So wie du es denkst." Ich weiß aber nicht, wie ich es denke. Es ist zu voll in meinem Kopf.

Plötzlich klingelt ihr Handywecker. „Los, Schuhe an!", befielt sie. Wir haben nur noch ein paar Minuten, bis die Tube kommt. Ich gehe allein, Gemma hilft beim Aufräumen. Und ich bin alt genug, um meinen Zug selbst zu finden. Ich sage nichts mehr. Die Zeit reicht nicht aus. Stattdessen laufe ich zur Tube und frage mich, ob ich Louis wohl irgendwann wieder sehen werde und ob ich Mum sagen sollte, was ich über mich herausgefunden habe. 

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Der morgen danach. Hätte schlimmer kommen können, oder? Was haltet ihr davon?  Was meint ihr, wie es weitergeht?

Love, L


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