Verzweifelter Alkoholkonsum
Kurze Zeit später saß Helena C. Crownwell in einer ihr unbekannten, weiblich eingerichteten Kajüte. Gegenüber von ihr auf dem Bett befanden sich zwei Frauen, die sie neugierig musterten, genauso wie sie die weiblichen Kreaturen ungläubig musterte. Immerhin hätte sie niemals damit gerechnet, Frauen auf einem Schiff voller Piraten zu sehen!
Eine davon – eine rothaarige, großgewachsene Frau mit schwarzer Kleidung in Übergröße – seufzte plötzlich leise, stand auf und ging zu einer Kommode, nur um aus dieser drei Weingläser und eine Flasche Weißwein zu zaubern. „Trinkst du?", fragte sie in Helenas Richtung gewandt.
Die Schwarzhaarige seufzte. „Normalerweise nicht, aber schenk mir bitte etwas ein." Ihre Finger massierten schon wieder ihre Schläfen, der dumpfe Kopfschmerz war seit ihrer Entführung ein ständiger Begleiter geworden. Sie fühlte sich fertig mit den Nerven. Vor allem jetzt. Sie war so fertig, dass sie zu Alkohol griff. Wo war sie hier nur gelandet?!
„Hihi, du siehst wirklich fix und fertig aus. Ich weiß schon, die Jungs sind nicht leicht, vor allem, wenn man es nicht gewohnt ist." Die andere Frau, eine Brünette im mittleren Alter und schicker Kleidung, sah Helena mitfühlend an und musterte sie erneut. Ein Lächeln zog sich über ihre Lippen und sie wandte sich an die Rothaarige. „Aber deine Klamotten stehen ihr viel besser als dir selbst, Silky." Während die Rothaarige nur grinsend mit den Schultern zuckte, sah die Ärztin an sich herab. Jetzt war die Frage, woher die Piraten Frauenklamotten hatten, damit wohl auch geklärt.
„Danke dafür nochmal.", murmelte Helena leise. Silky schüttelte nur mit dem Kopf und reichte ihr das randvolle Weinglas. „Kein Ding. Ich würde auch nicht gern nackt herumlaufen. Mal davon abgesehen, dass deine alten Klamotten laut Lou völlig blutbesudelt waren. Das ist nicht schön." „Ja, das ist echt ekelig.", schaltete sich die Brünette mit ein und schüttelte sich kurz. Dabei klimperten ihre goldenen Ohrringe und die drei zarten Goldketten um ihren Hals.
Als sie sich wieder abreagiert hatte, prostete sie Helena zu. „Ich heiße im übrigen Fina, der Pumuckl ist Scarlett. Nur nenn sie lieber Silky, sie hasst ihren staatlichen Namen. Schön, dich endlich mal kennen zu lernen." Etwas zaghaft nickte die Schwarzhaarige, bevor sie ebenso prostete und einen Schluck des Alkohols nahm. Überrascht von dem angenehm süßlichen Geschmack blinzelte sie und starrte ihr Glas an. „Das ist ein lieblicher Riesling, falls dir das etwas sagt.", erklärte Silky und fuhr sich einmal durch ihren kurzen Bob. Helena schüttelte nur mit dem Kopf. „Ich kenne mich mit Wein nicht aus. Ich trinke im Normalfall gar nichts."
„Das hatte ich irgendwie von der Top 2 der Ärzte erwartet. Helena C. Crownwell. Du bist berühmt.", schwärmte Fina neben Silky. Ihr Gesicht zierte ein breites Lächeln. „Ich bin wirklich überrascht, dass du so ... naja so bist, wie du gerade bist. Du hast den Ruhm einer arroganten Zicke. Tut mir Leid. Nur irgendwie hatte ich mir dich viel ..." Helenas sehr tiefes Seufzen unterbrach Fina, was Silky nur zum kichern brachte.
„Ist das nicht offensichtlich? Es liegt definitiv an Ben." „Ben?", während Fina etwas verständnislos ihre Freundin ansah, drehte Helena ihr Glas in den Fingern hin und her. Sie biss sich kurz auf die mittlerweile sehr spröde gewordene Unterlippe, nur um sie wieder aus ihren Zähnen zu entlassen und erneut zu seufzen. „Psychologisch gesehen hat er sie total unter sich eingenommen. Er hat sie zuerst mit der Pistole bedroht, dann behandelt er sie auch von oben herab und mal davon abgesehen; wie viele Schreckensgeschichten werden über ihn in der Welt verbreitet?" „Sehr viele.", antwortete Helena anstatt Fina auf Silkys Frage.
Die Ärztin hob ihren gesenkten Kopf und fixierte die Rothaarige. „Hast du Psychologie studiert?" „Nur ein paar Bücher gelesen. Ich bin eher auf die Hacker-Schiene gegangen, wenn du verstehst." Silky zwinkerte ihr zu, dann trank sie wieder von ihrem Wein und seufzte. „Aber mal ehrlich. Du wirkst total verschreckt, schon vorhin im Gang. Haben dich die Jungs aus der Fassung gebracht? Dass sie streiten, ist total normal. Vor allem Lou und Ben. Da prallen zwei Welten aufeinander. Lou ist eher ausgelassen und sehr fröhlich. Ben dagegen ist eher sehr streng, ruhig und bodenständig. Teilweise wohl zu streng und kalt, vor allem gegenüber Fremden. Ach und misstrauisch." „Du hast vergessen, dass er ein großkotziges Arschloch sein kann.", fügte Fina seufzend hinzu und stand auf. Sie hatte ihr Weinglas bereits leer. „Brauchst du auch wieder, Silky? Oh Helena, trink ruhig! Keine falsche Bescheidenheit!" Die Braunhaarige deutete auf das beinahe volle Glas der Ärztin.
Helenas Wangen wurden ein wenig rot und schnell nahm sie ein paar Schlücke. Sie hatte ganz vergessen etwas zu trinken, so viel Trübsal hatte sie schon wieder geblasen. Silky schüttelte vergnügt neben ihr mit dem Kopf. „Pass bloß auf. Wenn du nicht gewohnt bist Alkohol zu trinken, steigt das Zeug schnell in den Kopf." „Wäre vielleicht gar nicht so verkehrt...", brummte Helena und überraschte sich damit selbst. Normalerweise hasste sie es, die Kontrolle zu verlieren. Was man beim Konsum von Alkohol zwangsweise tat. Jedoch hatte sie eh schon jegliche Kontrolle über ihr Leben verloren, also warum nicht? Warum mal keine Ausnahme machen?
Hinter ihnen an der Kommode lachte Fina laut los. „Ja, Helena C. Crownwell ist wirklich am Ende! Du tust mir irgendwie total Leid...", zum Ende hin verging ihr das Lachen wieder. Bevor sie jedoch etwas sagen konnte, winkte Helena selbst ab. „Braucht es nicht. Ich hab sowieso abgeschlossen mit allem." Sie nahm noch einen großen Schluck des Weins und langsam breitete sich eine angenehme Wärme in ihrem Magen aus. „Ich bin am Arsch.", gab sie dann inbrünstig von sich, wohl wissend, dass die beiden Frauen wohl auch zur Piratenmannschaft gehören mussten.
Nur hatte sie von den Beiden sehr viel weniger Angst, als von den Männern. Vielleicht, weil sie Alkohol angeboten bekommen hatte? Oder mit ihnen zusammen auf dem Bett saß?
„Shanks wird dich nicht gleich umbringen... so ist er nicht. Du hast ihm das Leben gerettet.", versuchte Silky die miese Stimmung zu durchbrechen. Die Ärztin lachte hohl auf. „Doch, das tut er, sobald er mich nicht mehr braucht. Mal davon abgesehen, hätte ich ihm niemals das Leben gerettet, wenn euer Vizekapitän nicht gedroht hätte, mein Gehirn aus meinem Kopf zu pusten. Oder wenn ich ohnmächtig geworden wäre, so wie mein Kollege. Noch nie habe ich meine Nerven aus Stahl im OP-Saal so sehr gehasst." Mit einem letzten Schluck war ihr Glas leer und traurig starrte sie auf den Glasboden. „Ich hätte umkippen sollen, das wäre besser gewesen..."
„Aber gerade das hat dich doch schon immer so von den anderen abgehoben. Dass du nie die Nerven verlierst, immer ruhig bleibst. Du wusstest gefühlt schon immer, was du in welcher Situation tun musstest. Und du hast es doch geliebt Leben zu retten, oder irre ich mich da? Die ganzen Interviews... die Zeitungsartikel. Waren das falsche Aussagen?" Langsam setzte sich Fina neben Helena auf das Bett. Es dauerte eine Zeit lang, bis Helena schließlich den Kopf schüttelte. Nur kamen danach auch Tränen.
Schniefend versuchte sie, den Tränenfluss zu stoppen. Nur schaffte sie es nicht. Der emotionale Absturz ging diesmal sehr viel schneller, als letztens in ihrem Bett. Sie war nicht gewohnt, so wenig Kontrolle über ihre Emotionen zu haben, aber so unter Druck stand sie auch noch nie. Und als ihr die Worte von Ben, seine Drohungen und auch das Gespräch mit dem Rothaarigen selbst wieder in den Sinn kamen, da brach es einfach aus ihr heraus.
„I-i-ich.", schniefte sie laut, „w-w-will doch n-n-noch ni-i-icht sterben!"
Stimmt. Sie wollte nicht sterben. Egal, was sie Shanks gesagt hatte. Sie wollte leben! Sie hatte noch so viele Ziele, die sie erreichen wollte! Sie hatte ihr ganzes Leben noch vor sich! Also warum...? Warum musste sie entführt werden? Warum ausgerechnet sie? Warum? Sie verstand es nicht! Es war nicht fair. Es war ganz und gar nicht fair!
Die beiden Frauen tauschten nur Blicke aus, was Helena gar nicht bemerkte, bis die Braunhaarige Helena vorsichtig an sich zog und Silky Taschentücher holte. Die Ärztin war so ein emotionales Wrack, sie ließ die Nähe zu diesen für sie eigentlich fremden Frauen einfach so zu. Es machte ihr nichts aus, stattdessen suchte sie sogar nähe und beruhigte sich langsam in Finas Umarmung. Dabei strich ihr die Braunhaarige auch immer wieder sanft über den Rücken und murmelte leise, dass sie nicht sterben müsse. Dass Shanks das nicht tun würde und Ben nur scheiße erzählte.
Helena wollte daran festhalten. Sie wollte mit ganzem Herzen daran glauben, dass Fina recht hatte. Auch, wenn sie in ihrem Inneren an kein Happy End für sich glaubte. Sie wollte einfach in ihrem Leben fehl liegen.
Und weil sie ihren Kopf trotzdem nicht ausschalten konnte, griff sie wieder zum Wein.
Immerhin war Alkohol in solchen Dingen genau das passende Mittel, um die Probleme wenigstens für eine Zeit lang zu vergessen und den ständig denkenden Kopf auszuschalten.
Bei der dritten Flasche brauchte die Ärztin dringend eine Pause und war schon ziemlich betrunken.Wenigstens hatte sie ihre Emotionen wieder im Griff, dafür nicht ihr Mundwerk. Warum sonst fragte sie eben jene Fragen, die sie sich sonst niemals getraut hätte, auszusprechen?
„Sagt mal... isch bin ja noch nieeee entführt worden.", begann sie und musste kurz unterbrechen, um nicht ihren Mageninhalt wieder zu sehen. Schnell schluckte sie alles wieder herunter, während Silky und Fina laut loslachten. „Ich sollte mal einen Eimer holen...", nuschelte Silky und stand auf, nur im nächsten Moment wieder auf das Bett zu fallen. „Scheiße, der Wellengang ist zu krass..." „Das krasse ist eher unser Alkoholpegel. Wir sollten kaum Wellengang haben.", belehrte Fina sie kichernd.
„Aber hört dosch maaaaal!", unterbrach Helena die zwei Frauen und klopfte mit ihrer flachen Hand auf die Matratze. „Ich will was fraaaagen!" „Dann schiesch losch!", antwortete Silky ebenso betrunken nuschelnd. „Warum behandelt ihr misch so freunschlich? Isch bin eine Geeeeisel." Etwas verständnislos wurde sie von Fina und Silky angesehen, bis die Rothaarige ihren Kopf schief legte. „Hä?" „Ich glaub, sie meint, warum sie in keiner kleinen Besenkammer ohne Klo gehalten wird, wie in den ganzen Filmen, die wir uns reinziehen.", erklärte Fina sachlich, nur um im nächsten Moment lauthals zu lachen. „Aber dasch sind Fiiiiilme!", gab Silky von sich.
Helena seufzte. „Aber ihr seid doch bööööse!", erklärte sie genauer. Zumindest für sich. Ihr Gehirn jedenfalls erkannte das als vollständig ausreichende Erklärung an. „Glaub dosch nischt alles, was im Fernsehen gezäigt wird!", erwiderte Silky genauso sachlich – ihrer Meinung nach.
Diesmal legte die Schwarzhaarige ihren Kopf etwas schief. „Alscho ... seid ihr gut?" „Was dazwischen.", antwortete Silky. Für mehr blieb auch keine Zeit mehr. Helenas schiefe Kopflage war für ihren Magen und ihren Alkoholkonsum absolut nicht förderlich. Gerade noch rechtzeitig schob Fina einen Eimer genau unter Helenas Kopf, als sich diese übers Bett lehnte und sich lautstark übergab.
ooooOoooo
Hey ^^°
ich glaube an dieser Stelle wäre eine Entschuldigung von mir angemessen ...
Es tut mir Leid!
Ich hab viel zu lang gebraucht für dieses Kapitel >.<
und dann bin ich nicht zu 100% davon überzeugt ^^° aber heeey, Helena ist nicht mehr allein :3 und konnte (wortwörtlich) mal ihre Probleme rauskotzen xD
Hoffentlich wird es das nächste nicht auch so lange auf sich warten lassen ^^°
lg tiger
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