Verspäteter Nervenzusammenbruch
Schulter kreisend starrte Helena aus dem Bullauge. Der Wellengangwurde höher, die dunklen Wolken am Horizont näherten sich immerweiter. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus und zweifelndwendete sie ihren Kopf zu dem Patientenbett. Der Rothaarige –welcher sich tatsächlich als der Boss der RedHair-Piratesherausgestellt hatte – schlummerte immer noch vor sich her. DerBlutverlust hatte ihm zugesetzt. Aus diesem Grund hatte Helena ihnauch einen Katheder und einen Tropf mit Salzwasserlösung verpasst.Sollte er noch länger als 12 Stunden schlafen und keine Anstaltenmachen, aufzuwachen, hatte sie ein Problem.
Diesen Gedanken verdrängte sie schnell, als sie eine größereWelle aus dem Gleichgewicht brachte und sie sich am Regal festhaltenmusste. Zuerst sollte sie dafür sorgen, dass nichts verrutschte oderumkippte. Weder sie, noch etwas von ihrem wichtigen Patienten solltezu Boden gehen. Also machte sie sich ans Werk, band den Ständer fürden Tropf fest, sicherte ihre Utensilien, wechselte nochmal denVerband, sodass sie es später im Sturm nicht machen musste. Zuletztstellte sie erleichtert fest, dass das Bett nicht wegrutschen konnte.Es war direkt im Boden verankert.
Erleichtert seufzte sie auf und taumelte auf ihre Füße. Nicht zuspät. Hinter ihr öffnete sich die Tür und Ben Beckman trat ein.Der Schwarzhaarige, der sie vor weniger als 24 Stunden mit derPistole bedroht und danach entführt hatte. Sie hatte seinen Namenaufgeschnappt und wusste somit auch, dass er der Vize desbewusstlosen Kriminellen war.
Stumm musterte er das Zimmer, dann seinen Boss und zuletzt sie.„Wir erwarten einen Sturm.", teilte er ihr dann mit. DieSchwarzhaarige nickte. „Ich habe alles gesichert." „Gut. Dannkomm mit. Ich bringe dich auf deine Kajüte." Er erwartete keineWiderworte. Sie hatte keine. Was sollte sie auch tun? Auf einemSchiff konnte sie schlecht weglaufen. Einem Kriegsschiff wohlgemerkt,zumindest dachte sie das. Sie kannte sich nicht aus, aber es könnteein Zerstörer sein? Oder doch ein Schlachtschiff? Egal. Es warjedenfalls ausgestattet mit jede Menge Waffen.
Sie verließen die Krankenstation. Hinter ihr ging ein andererMann ins Zimmer zum Rothaarigen. Wahrscheinlich um während desSturmes auf ihn aufzupassen. Mehr bekam sie nicht mit, da bogen sieauch schon ab und nach einer weiteren Abzweigung hatte Helena denÜberblick verloren. Vor allem, weil sie nach jedem dritten Schrittan die Wand prallte. Sie war Wellengang nicht gewohnt und jetzt warer noch viel schlimmer. Sie fluchte leise, hob nur kurz den Kopf, dasie einen Blick auf sich spürte.
Der Vize musterte sie. Sein Blick war unergründlich. Helenakümmerte das nicht. Eher bewunderte sie sein Gleichgewicht. Er standund lief durch die Gänge, so als wäre nichts.
Seufzend stieß sie sich von der Wand weg und folgte ihm weiter.Zum Glück dauerte es nicht mehr lange, dann erreichten sie ihreKajüte. Die Ärztin war ganz überrascht gewesen, als sie zum erstenMal betreten hatte. Sie hatte ja eher mit einer Gefängniszellegerechnet. Dunkel, ohne Bett, vor allem ohne Sanitäreinrichtung. Sielag völlig daneben.
Ein kleines Bett, ein Schrank und ein separates WC mit Waschbeckenkonnte sie ihr Eigen nennen. Eine Dusche hatte sie keine, doch daswar erst einmal nicht so wichtig. Genauso wenig wie frische Kleidung.
Sobald sie ihre kleine Kajüte betrat, wurde hinter ihr auch schondie Tür geschlossen. Ein Klack-Geräusch signalisierte, dass sie nuneingesperrt war. Helena schnaufte, zog an den Ärmeln ihresArztkittels und schmiss ihn zu Boden. Nachdem sie ihre Händegewaschen hatte, ließ sie sich aufs Bett fallen. Dabei musste sieaufpassen. Sie hatte nicht viel Spielraum mit ihrem Kopf, da direktdarüber bereits die Decke begann.
„Oh was für eine verdammte Scheiße....", murmelte sie, legteihr Gesicht in die Hände und blieb für ein paar Augenblicke sositzen. Sie musste dringend ihre Gedanken ordnen. Immerhin würde siejetzt wohl allein sein – seit sie heute morgen ihre Wohnungverlassen hatte und noch nichts ahnte, war sie das nicht mehrgewesen.
Ihr Blick fiel auf den Arztkittel. Die Blutflecken waren großzügigdarauf verteilt. „Fuck.", hauchte sie, glitt auf die Matratze undstarrte die metallene Decke an. Sie wurde entführt.
Diese Information musste wirklich erst bei ihr ankommen. Bisherkonnte sie diesen Fakt gut verdrängen. Zuerst die OP, dann dieEntführung. Langsam begann ihr Körper zu zittern. Ihr wurde heißund kalt, Tränen sammelten sich in ihren Augen. Mit einem Schlagfiel ihre Maske, die sie sich zum Selbstschutz aufgesetzt hatte, undsie verlor ihre stahlharten Nerven.Wimmernd vergrub sie ihr Gesichtins Kissen, weinte bitterlich. Die Bilder der geladenen, auf siegerichteten Pistole gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf, genauso wenigwie die Worte des schwarzhaarigen Vizen.
Ihr Magen drehte sich um. Plötzlich wurde ihr schlecht und siehetzte zum Klo, nur um sich zu übergeben. Unendlich viele Tränenrannen ihr über die Wangen, tropften ebenso ins Klo.
Die Ärztin brauchte mehrere Anläufe, bis sie sich endlichlosreißen konnte und zurück auf ihr Bett taumelte. „Was für einbeschissener Tag...", gab sie von sich. Mit ihrem großen Zeh zogsie sich ihre Schuhe aus und ließ sie einfach auf den Boden fallen.So konnte sie sich umdrehen, kauerte sich zusammen. Helenas Rippenprotestierten in dieser Stellung. Es war ihr egal. Der Schmerzerinnerte sie an ihren Transport, der nicht unbedingt schön gewesenwar. Zu lange hing sie unbequem über der Schulter eines Typen, wurdein ein Auto oder einen Kleinlaster geworfen, hin und hergeschleudert...
Sie schniefte, versuchte eine weitere Panikattacke mitkontrolliertem Atmen zu vermeiden. Sie hatte wirklich Pech. Ganzgroßes Pech. Doch verhindern konnte sie das alles nicht mehr! Weinenbrachte nichts... absolut nichts... Sie sollte ihre Gedanken zuanderem, unwichtigem lenken und doch konnte sie es nicht.
Noch am heutigen Morgen hatte sie sich bei ihren Kollegenbeschwert, dass es nichts aufregendes oder interessantes gab.Allerdings hatte sie definitiv NICHT so etwas gemeint. Das hättesich Karma auch verkneifen können, verdammte scheiße!
Helena atmete zittrig ein und presste ihre Augen fest zusammen.Krampfhaft wendete sie eine gelernte Atemtechnik zum Beruhigen an.Immer wieder zählte sie die Sekunden, atmete ein, zählte weiter,atmete aus. Ihr Atem beruhigte sich, ihr Körper hörte etwas auf, zuzittern.
Bei der nächsten großen Welle, die das Schiff erfasste, schliefsie zum Glück. Der ganze Stress und die Anspannung hatten ihrenPreis und so verschlief sie den gesamten Sturm und wachte erst zumnächsten Sonnenaufgang wieder auf.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top