1:
„Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!" Ich liess den letzten Gast des Abends aus dem Café raus und beendete somit einen weiteren Arbeitstag. Ich wollte mich gerade darum kümmern, dass der Raum wie jede Woche sauber verlassen wird als mich meine Arbeitskollegin Jessica praktisch ansprang.
„Lily! Kannst du den Laden alleine aufräumen?" Sie setzte ihr bestes lächeln auf, in der Hoffnung mich dadurch rumzukriegen.
„Ich habe heute noch ein Date und will auf keinen Fall zu spät auftauchen. Also bitte?" Ich sah mich im Raum um und betrachtete das Chaos. Es würde sicher eine Stunde für mich alleine brauchen um das Ganze zu putzen. Seufzend fuhr ich durch meine Haare und zwang mich dann zu einem Lächeln.
„Klar wieso nicht. Ich kriege das schon hin." Hatte ja sowieso nichts Besseres zu tun heute Abend ausser mich zuhause in meinem gemütlichen Sessel zu kuscheln und in meiner momentanen Lektüre zu lesen.
„Wie nett von dir, danke!" Jessica umarmte mich kurz und eilte dann rasch zur Türe. Als sie jedoch an mir vorbeirauschte hörte ich etwas leise flüstern.
‚Die macht auch immer alles was ich sage. ' Ich atmete kurz tief ein und aus ehe ich mich ohne Umschweife um die aufräumaktion kümmerte. Das putzen machte mir in der Regel nichts aus, es war eine gute Beschäftigung um einen Teil der Nacht zu füllen. Während ich einen Besen aus der Abstellkammer holte summte ich die Melodie eines Liedes vor mir her.
Das plötzliche läuten der Eingangstüre liess mich aufschrecken. Es war inzwischen fast 23 Uhr Nachts. Mit einem Tuch wischte ich den Staub von meinen Händen und ging nachsehen wer um diese Zeit in das Café wollte. Im Eingangsbereich stand nun ein hochgewachsener Mann der seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte. Ich blicke ihn an und runzelte die Stirn.
„Wir haben schon geschlossen, tut mir leid aber sie müssen das Café verlassen."
„Hier ist also niemand anders?" Mit einer rauchigen Stimme antwortete er mir und sah sich etwas um. All meine Instinkte sagten mir, dieser Kerl würde nur Ärger bedeuten. Ich liess ihn aber stehen und beschäftigte mich weiter mit dem Aufräumen.
„Nein es ist sonst niemand hier. Würden Sie nun bitte das Geschäft verlassen, ich will nun meine Arbeit beenden." Ich stellte gerade einen Stuhl auf einen der Tische als ich den Mann hinter mir lachen hörte.
„Wenn wir alleine sind ist das genau das was ich wollte." Erschrocken wollte ich mich gerade umdrehen als ich plötzlich ein Stechen am Hals spürte. Mein Blut floss meinem Hals hinunter und färbte meine weisse Bluse rot. Der Mann hatte mir doch ernsthaft in den Hals gebissen! Dann auf einmal stiess mich der Mann von sich. Ich fiel auf den Boden, rappelte mich aber schnell wieder hoch und presste eine Hand auf die offene Wunde. Wenn ich nun zu viel Blut verlieren würde, hätten ich und der Typ ein grosses Problem. Ich sah den Mann an und wusste sofort was ich genau vor mir hatte: lange Fangzähne ragten aus seinem Mund raus und seine Augen leuchteten in einem gefährlichen rot.
„Du bist ein Vampir." Ich blicke den Mann in die Augen und er grinste mich an.
„Interessant dass du von so etwas weisst kleine." Er spuckte etwas Blut auf den Boden und starrte mich wütend an. „Was zum Teufel ist mit deinem Blut los? Es schmeckt abgestanden und als wäre es abgelaufen!" Ich grinste und ging in die Hocke. Die Augen meines Angreifers verfolgten mich während ich die Kraft in mir sammelte.
„Nun sagen wir mal so: du bist nicht der einziger Vampir im Raum." Nach diesem Satz schellte ich vor und griff an.
Zum zweiten Mal klingelte die Eingangstüre diesen Abend und ein Mann in einem Weissen Mantel betrat das Café. Seinem Gesicht nach zur urteilen war er vermutlich etwa 30 Jahre alt. Durch die Fenster schien das Licht von Scheinwerfern und erhellte den Raum. Sein Blick fiel auf die junge Frau die inmitten einer Blutlache stand. Ihre braunen Haare und Kleidung waren verklebt von Blut. Sie musste ihn gehört haben, denn sie drehte sich um und beäugte ihn. Ihr anfängliches Misstrauen wich aus ihrem Gesicht und sie lächelte ihn an.
„Du bist spät dran. Ich habe schon deine Arbeit erledigt." Sie deutete auf das Chaos hinter ihr. Ein Häuflein Asche stand mitten im blutgefärben Zimmer. Der Mann sah es nur kurz an und brüllte dann über seine Schulter.
„Leute es gibt hier Arbeit! Bewegt euch hier rein und räumt das hier auf!" Kurz darauf erschienen fünf weitere Menschen und begannen den Raum zu Putzen. Der Mann wendete sich dann wieder zu der Frau.
„Lilly, musstest du wirklich so... brutal sein? Ich weiss du bist selbst ein Vampir aber trotzdem, es passt nicht gerade zu dir." Lilly sah den Mann beschämt an.
„ Ich weiss... Ich habe wohl kurz die Kontrolle über mich verloren. Kriege ich nun Ärger mit der Organisation Michael?"
„Ich denke nicht. Da du unser eigentliches Ziel eliminiert hast, werden die Obersten sicher einsicht haben." Michael lächelte Lilly an. „Solange wir hier aufräumen wirst du auch keine Probleme mit deinem jetzigen Arbeitgeber haben." Lilly atmete erleichtert aus.
„Gott sei Dank!" Lilly hatte wegen ähnlichen Zwischenfällen dieses Jahr schon drei Mal umziehen müssen. Zum Glück hatte Michael ihr immer geholfen und in Zusammenarbeit mit der Organisation, konnte immer alles ohne Probleme laufen. Nur die Arbeitgeber stellten die Umzüge immer in Frage.
„Wir werden uns um alles hier kümmern. Du kannst in der Zwischenzeit nach Hause gehen. Schon Pläne für die Nacht?" Michael arbeitete seit Jahren mit Lilly zusammen. Er wusste deshalb auch, dass Lilly in der Regel nur einmal in der Woche schlief, sie war ja auch ein Vampir.
„Nein, nichts Grosses. Ich wollte in dem Buch weiterlesen dass du mir ausgeliehen hast."
„Das über Alchemie?" Michael war überrascht zu wissen, dass sie es überhaupt in die Hand genommen hatte.
„Ja, ich hatte nichts Neues im Regal also habe ich damit angefangen. Muss aber gestehen, es ist um einiges interessanter als ich erwartet habe." Lilly hatte in der Zwischenzeit ihren Mantel geholt und machte sich bereit zu gehen.
„Nun denn, ich verabschiede mich. Wenn ich noch lange mit dem Blut in den Haaren und auf der Kleidung rumlaufe, kriege ich noch selbst Durst. Wir sehen uns dann!"
„Lilly warte kurz..." Bevor sie das Gebäude verlassen konnte hielt Michael sie zurück.
„Es... gibt da noch etwas das ich dir sagen muss..."
„Was ist denn?" Besorgt sah Lilly ihn an. Etwas in ihr sagte, irgendetwas stimmte nicht. Michael sah sie an und seufzte.
„Du weisst ja, dass wir im Moment den Auftrag haben, Vlad zu suchen. Nun, wir haben ihn... gefunden." Überrascht blinzelte Lilly ihn an. Vlad war der Vampir, der ihr vor so vielen Jahren ihr Leben als Vampir geschenkt hatte.
„Wie geht es ihm? Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört." Michael schüttelte seinen Kopf und sah sie an.
„Es tut mir leid Lilly. Vlad ist tot."
Lilly war vor schreck gelähmt.
"W-was? Wie denn das?"
"Wir wissen es nicht genau. Unser Team vor Ort geht im Moment davon aus dass er schon lange krank war. Das Ganze wird aber noch untersucht. Wenn wir... wenn ich etwas neues weiss, werde ich dich sofort kontaktieren. Ich weiss ja, dass er dir etwas bedeutet hat." Michael legte seiner Freundin eine Hand auf die Schulter. Lilly war bleich, noch mehr als sie es eigentlich schon ist und starrte auf den Boden. Nach einer Weile Stille riss sie sich von Michael los und rannte weg. Er machte keine Anstalt sie zu verfolgen. Was sie nun brauchte war Ruhe um das ganze zu verarbeiten. Er sah ihr kurz nach bevor er sich widmete, die Aufräum arbeiten zu beaufsichtigen.
Lilly rannte direkt zu ihrer Wohnung. Dort angekommen, schälte sie sich aus den blutigen Klamotten. Durch den Blutgeruch und diese Neuigkeiten von Michael war ihre Psyche sehr angeschlagen. Wenn sie sich nicht beruhigte, könnte sie vollkommen die Kontrolle über sich verlieren. Nachdem sie saubere Kleidung hatte stellte sie ihren Fernseher an. Irgendein Spielfilm lief gerade auf den Kanal aber das interessierte sich nicht. Wie ein Tier lief sie im Wohnzimmer auf und ab. Von einer Ecke zum anderen. Über die Jahre hatte sie herausgefunden, wie gut ihr dies tat, wenn sie aufgebracht war und der Ton des Fernsehers bestärkte dies noch. Als sie sich wieder gefasst hatte, liess sie sich in ihren bequemen Sessel fallen und fuhr sich mit ihren Händen übers Gesicht, während sie über die Neuigkeiten nachdachte.
Vlad hatte Lilly vor rund 20 Jahren halbtot im Wald aufgefunden. Vermutlich aus Mitleid, aber auch, weil sie ihn damals darum gebeten hatte, rettete er sie, indem er sie in ein Vampir verwandelte. Danach blieb sie aus Dankbarkeit lange Zeit bei ihm und bereiste die Welt. Es war immer eine Lehrer-Schüler Beziehung gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Sie hatte ihn immer bewundert und war ihm immer dankbar gewesen dass er sie nicht so verachtete, wie die anderen Vampire, die sie im Laufe der Jahre kennengelernt hatte.
Lilly war nicht "normal". Wie sie es so schön sagte, war sie weder Vampir noch Mensch. Wegen eines "Geburtsfehler", hatte Lilly die Möglichkeit unter Menschen zu leben. Anders als alle anderen Vampiren, die ohne Gnade in der Sonne zu Asche werden würden, war Lilly resistent gegen die Sonne. Auch einige anderen Mittel, die die Organisation sonst benutzen würde um Vampire zu beseitigen, waren nutzlos gegen sie. Genauso war es auch bei Vlad. Da er gerne rumgereist war um Menschen zu studieren und zu beobachten, war die Fähigkeit unter der Sonne zu leben sehr praktisch. Sie waren gute Freunde gewesen, kamen miteinander klar, bis Vlad sie eines Tages ohne Erklärung im Stich liess. Zurückgelassen wurde sie damals schnell von der Organisation gefunden und gefangen genommen. Diese aber merkten schnell, dass es besser war Lilly an ihrer Seite zu haben als gegen sie. Aber es war eine lange und qualvolle Zeit gewesen bis es soweit war. Das hatte Lilly Vlad nie verziehen und selbst mehr als 10 Jahren nach seinem Verschwinden, als er sie besuchen kam, um sich zu entschuldigen, warf sie ihm das Ganze vor. Betrübt, hatte er damals ihr Zuhause dann wieder verlassen. Er hatte ihr aber zuvor eine Adresse für ein Postfach gegeben, damit sie miteinander Briefe austauschen konnten. Über die letzten Monaten hatten sie dieses auch getan. Lilly hatte sich immer auf seine Beiefe gefreut, da sie ihm nun endlich zum Teil verzeihen konnte.
Und nun würden diese Briefe sie nie mehr erreichen. Lilly rollte sich in ihr Sessel ein und fing an zu schluchzten. Hätte ihr Körper noch die Fähigkeit Tränen herzustellen, hätte sie nun geweint. Einer ihrer besten Freunden war tot und sie hatte nichts dagegen unternehmen können.
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