Kapitel 5
Everywhere you go. But dont go!
Viola Beach
"Hallo ihr da draußen!", er winkt und versprüht gute Laune. "Hier bin ich wieder und heute habe ich euch einen neuen Song vorbereitet. Bevor ich aber loslege..." Er hat seine Gitarre ins Bild. "Wollte ich euch heute danke sagen. Mich hat tatsächlich ein Musikproduzent angemailt, weil ihr so fleißig auf dieses kleine Abonnier-kästchen gedrückt habt. Ob ich das angenommen habe, werdet ihr demnächst erfahren. Soll ich loslegen?" Seine Augen funkeln und er lacht. "Na gut." Und dann schnappt er sich seine Gitarre und legt tatsächlich los. Er, der bei Geburtstagsliedern immer im Schatten steht und den Text nur leise mit murmelt, fängt an, einen englischen Song zu singen. Die Akkorde stimmen. Seine Stimme ist rhythmische und total klar, regelmäßig schaut er in die Kamera und lacht. Wenn das nicht mein Bruder wäre, würde ich wahrscheinlich eine von diesen Groupies sein. Und ich dachte, er könnte nicht singen. Warum hat er mir das ganze nie erzählt? Und was ist mit Mum? Die hätte sich doch wahnsinnig gefreut. Doch; er hat es jemandem erzählt - Lauren. Sie hat genau dieses Lied schon vor sich hingekrabbelt und er hat sie hochgenommen und mit ihr gelacht. Die ganze Zeit, die Lauren und er verbracht haben, hat er ihr etwas vorgesungen. Und ich - wir - haben es nicht bemerkt. Irre. Ich beschließe Amy aufzusuchen und mich Notfalls bei ihr zu entschuldigen. Die Betonung liegt auf Notfalls. Seufzend schleiche ich aus meinem Zimmer und klopfe nebenan. Amy öffnet einen Spalt, starrt mich an und schmeißt die Türe zu - Geschwisterliebe. "Du könntest mir wenigstens zuhören!", sage ich, aber schließlich sehe ich ein, dass es keinen Zweck hat. Schließlich sehe ich keine andere Möglichkeit, als meine Hausaufgaben zu machen. Schweren Herzens mache ich mich auf den Weg zu meinem Schreibtisch und beginne damit, mein Mathe Zeug zu ordnen. Ich versuche alles, nach dem Prinzip meines Vaters zu ordnen, doch es endet damit, dass alles auf dem Boden liegt und ich keinen blassen Schimmer habe, was zu welchem Stapel gehören soll. Schließlich gebe ich es auf und lasse mich mit meinem Handy auf mein kuschelig gemachtes Bett fallen. Ich beschließe, ein bisschen zu schauen, was in der Online-Welt vor sich geht, doch das W-lan streikt mal wieder, und scheint mich zu hassen. Da klopft es und erleichtert murmle ich ein leises "Herein", um mich von diesem unbrauchbaren Technik-Teil abzulenken. "Sei ganz leise!" Mona kommt herein und schließt hinter sich die Tür zaghaft. "Das hier ist ein geheimes Hochzeitsmeeting, verstanden? Natürlich sind nur die Eingeweihten eingeladen. So. Auf der Gästeliste stehen: Marvin, Vanessa, du, Jonas, Amy, Lauren, Benny, Tante Margot, Onkel Wilhelm, Oma Gudrun, Simon, den, den ich heirate und natürlich Ariana Grande." Meine Schwester hat einen absoluten "Ariana-Grande-Hieb", kennt all ihre Songs auswendig und bildet sich immer noch ein, ihre eigentliche Schwester zu sein. Dass ich versuche, ihr die Wahrheit schonend beizubringen, findet das Schicksal einfach nicht cool, und ignoriert sie. "Mhm, ich schätze bloß, dass Ariana nicht die Zeit finden wird, auf eine geheime Hochzeit zu kommen.Glaub mir, das wird sie ganz bestimmt nicht. So leid es mir tut." "Still!" Sie legt den Finger auf ihre Lippen. "wer kommt entscheide ich, nicht du, und wenn ich sage, dass sie kommen wird, dann wird sie kommen, in Ordnung! Es ist meine Hochzeit, und die werde ich mir von niemandem versauen lassen." Ich streiche das Bettlaken glatt und mustere mich im Spiegel. Meine Haut ist Blass, das Haar zu einem Knoten zusammen gebunden. Meine Gesichtszüge sind hart geworden und es kommt mir so vor, als wäre ich um viele Jahre gealtert. Vor ein paar Wochen sah man noch viel kindliches in mir, rote Backen, eine Zahnlücke, vom Gewicht her normal und im Dauerzustand lachend. Ich komme mir selbst vor, wie ein Geist, was mich unwahrscheinlich gruselt. Was muss meine Familie sich gedacht haben, als sie die Veränderung bemerkt haben? Aber vielleicht ist es auch einfach ein normaler Zustand geworden, denn die Zeit bringt eben Veränderungen mit sich, egal, wie wir uns dagegen sträuben. "Alles in Ordnung?" Mona rutscht näher und legt einen Arm um meine Schulter. Ihre Wärme überträgt sich auf meinen Körper, was mich beruhigt und mir das Gefühl gibt alles nur geträumt zu haben. Das hat Mona so an sich, seit ich denken kann. Das Licht flackert, es wird dunkel. Ich reiße die Vorhänge von meinem Fenster und blicke hinaus, wo der Himmel sich verdüstert hat. Regen durchnässt den Garten, prasselt in regelmäßigen Abständen an die Scheibe, der Strom ist weg. Stromausfall - Mal wieder. Mona erhebt sich und geht zur Tür. "Überlege es dir noch einmal!", meint sie und verschwindet. Seufzend lege ich mich mit dem Bauch voraus auf den Boden und angle mir mit einer Hand meine Rettungskiste hervor. Im schwachen Licht schaffe ich es die Taschenlampe anzuknipsen und stelle sie auf meinem Bett ab.
Irgendwann geht das Licht wieder an, und erhellt den Flur. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon relativ spät ist, was mich aber keineswegs stört. Ich bin es gewöhnt wenig Schlaf zu bekommen, weshalb Cola und Kaffee die Grundvoraussetzungen für einen neuen Tag sind.
Der nächste Tag beginnt für mich, dass eine vermummte Gestalt die Türe aufreißt und das Licht anknipst. Es dauert eine Weile, bis meine Augen sich an die Helligkeit gewöhnen und ich meine Mutter im Bademantel erkenne. "Wir haben verschlafen!" Sie reißt die Vorhänge zurück, die ich am Abend zugezogen habe. "In 15 Minuten musst du in deinem Klassenzimmer stehen. Los!" Ich seufze und raffe mich so auf, dass ich es schaffe, den Schrank zu öffnen, mir im Halbschlaf eine Jeans zu angeln und diese mit einem knallroten Pullover zu kombinieren. Zum Zähneputzen bleibt keine Zeit mehr, denn mein Vater besteht darauf loszufahren, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Ich stecke mir eine Flasche Cola in meinen Rucksack und schleppe mich mühsam auf unsere Autorückbank. Die Fahrt ist mir zu kurz, sodass wir viel zu schnell in unserem Schulgang stehen. Amy schlägt sich mit den Ellbogen durch die Masse und ich brauche eine Weile, bis ich es überhaupt schaffe vorwärts zu kommen. Plötzlich sehr ich jemand, der mir seltsam bekommst vor kommt. Da quitschte ich los.
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