Kapitel 3

Stay with me. You're bittersweet. Or something in-between. Stay with me.

Viola Beach - Cherry Vimto

Viola Beach "Und, wie war der erste Tag?"Jonas stellt seine leere Brotdose auf die Theke und lächelt mich mit strahlenden Augen an. "Ganz okay.", versuche ich mich durchzusetzen, doch Abby unterbricht mich. "Ganz okay? Dein Sportlehrer hätte dich fast umgebracht! Findest du das etwa normal? Also mir passt das ganz und gar nicht in den Kram!" Wütend funkelt sie mich an und wirbelt durch die Küche. Mum steht am Herd und rührt in einem großen Topf, der unser Mittagessen beinhaltet. Ich blicke zu Mona, die den schlafenden Benny im Arm hält und Lauren leise etwas vorliest. Aus ihren Betonungen kann ich Pu der Bär heraus hören. Meine Zähne rattern, denn mir ist mal wieder zu kalt, was in letzter Zeit häufig vorgekommen ist. Mum dreht sich skeptisch um. "Du willst uns, wie ich dich kenne, nicht erzählen, worum es geht? Na gut, es ist deine Privatsphäre, aber pass bitte auf, ja? Und übrigens, dein Bett kannst du auch selber machen, verstanden?"

Sie wendet sich wieder ihrem Topf zu und schüttelt ihren Kopf. Ich Schaue, dass ich mich aus dem Staub mache und schleiche aus der Küche in mein Zimmer. Erleichtert schließe ich die Holztüre hinter mir und lehne mich an die Kalte Wand. Langsam lasse ich die Bilder von dem Tag in meinen Kopf und erlebe noch einmal, wie der Sportlehrer mich anschreit. Krank, würde meine Cousine Ella jetzt verächtlich sagen und die Nase rümpfen. Aber Ella ist nicht da. Und Abby spricht nicht mit mir. Ich werfe einen schnellen Blick auf die Uhr, während aus der Küche plötzlich Radau ertönt. "Du willst was...", brüllt Mum stinksauer. Interessiert öffne ich meine Tür einen Spalt und beobachte, wie Mum und Mona sich wütend anfunkeln. "Du hast ganz richtig gehört. Ich werde heiraten.", betont sie, "Mit oder ohne deine Erlaubnis. Was du denkst ist mir egal." Sie will die Tür zuknallen, doch Mum hat ihren Fuß penetrant hineingesteckt. "Mum, ich weiß, dass ich mit ihm leben will. Verstehst du das denn nicht?", versucht sie es auf die andere Tour. "Um Himmels Willen!" Mum rauft sich ihre schwarzen Haare und zieht an einer Strähne, wie sie es immer tut, wenn sie schockiert ist. "Du bist Sechzehn, Schatz. Du bist noch ein Kind! Was du da von mir verlangst lässt sich nicht einstellen, verstanden?! Ich bin... Das ist... Diese Familie macht mich krank. Es gibt Essen. Wir reden später weiter.", sagt sie und ruft das mit dem Essen nochmal in den Gang. Ich schiebe meine Türe auf und laufe hinüber in die Küche. Mona will tatsächlich heiraten. Unglaublich. Wenn Mum bisher von der Liebe geschwärmt hat, hat sie verächtlich weggeschaut und jetzt will sie mit sechzehn Jahren heiraten. Unfassbar.
Hungrig setze ich mich an den Rand des Tisches und warte auf meinen Teller, den Mum gerade mit Nudeln füllt. Als endlich alle Teller gefüllt sind und der kleine sein Fläschchen Bekommen hat kann ich die Pasta genießen. Abby, die mir gegen über sitzt starrt angestrengt auf ihren Teller, um mir nicht in die Augen sehen zu müssen. "Also, was ist?", wendet sich Mona wieder zurück an Mum. "Die Kosten würde Janosch übernehmen. Und..." "Verdammt noch mal; ich lasse dich meine sechzehn jährige Tochter nicht heiraten. Da kannst du machen was du willst, ohne Erlaubnis kommst du nicht weit. Und damit ist das Thema beendet. Kein Einspruch. Schluss-Ende-Feierabend!" Mona schweigt genauso wie Mum. "Ich habe kein Hunger mehr.", sagt sie und schiebt ihren Stuhl zurück. "Ich treffe mich mit Janosch in der Stadt.", triumphiert sie und verschwindet in ihrem Zimmer. "Sie will was?", fragt Jobas verwirrt und starrt Mum fassungslos an. "Ende.", entgegnet Mum nur still und schöpft sich nach.
Das Mittagessen verläuft nicht sonderlich gesprächig, da Mum schlecht gelaunt ist. Kurz danach mache ich mich auf zur wöchentlichen Therapie-Untersuchung und setze mich in den nächsten Bus. Der Weg zur Praxis Jansen ist nicht weit; als ich die Klingel drücke, öffnet sich die Tür automatisch. Schnell melde ich mich an der Rezeption an und setze mich zu einem Mädchen im Rollstuhl in das kleine Wartezimmer. Sie liest ein Buch, dass ich nach näherem betrachten als "Eine wie Alaska" entschlüsseln kann und macht sich dazu knappe Notizen in ein rotes Notizheft. "Entschuldigung.", stumpfe ich sie an. Ihr roter Lockenkopf wirbelt zu mir und ihre haselnussbraunen Augen Mustern mich skeptisch. Seufzend zieht sie eine ihrer gezupften Augenbrauen nach oben und zupft an ihrem Ohrläppchen.
"Kommst du vor mir, Oder bist du zu früh?", will ich wissen. "Naja; das ist immer Ansichtssache, denn vor dem Besuch ist bekanntlich nach dem Besuch und das ganze wiederholt sich so oft, wie das ganze Leben, nicht wahr." Sie hebt ihre Hände an. "Deshalb solltest du dich genauer ausdrücken; nur so als Tipp.", meint sie, wobei sie nicht einmal eingebildet klingt. Fasziniert mustere ich sie und betrachte ihren braunen Häkel-Pulli. "Das solltest du dir vielleicht aufschreiben, damit du es nicht vergisst." Sie wendet sich wieder ihrem Buch zu. "Wie heißt du?", will ich von ihr wissen. Ihr Kopf schnellt herum. "Die meisten nennen mich Samira. Samira Brown." Sie spielt mit ihrer fedrigen Halskette. "Auch bekannt als; die Behinderte von Nebenan oder die Tussi aus der Parallel-Klasse. Und du?" Ich schlucke, denn so jemand Außergewöhnliches kenne ich normalerweise nicht. Ich habe den Verdacht, dass Abby Samira nicht besonders mögen würde. Allein wegen ihren Kontersprüchen. Abby ist rebellisch, wild und kann es nicht leiden, wenn ihr jemand in die Gegend kommt, oder in etwas besser ist. Samira ist wahrscheinlich unabsichtlich rebellisch und ihre Worte schwirren einem, wie ein Wespennest im Kopf umher. Jedes ihrer Worte hallt in meinem Schädel wieder, wiederholt sich und bleibt dort stehen. Samira ist der Inbegriff von begrenzter Freiheit mit ihrem Rollstuhl. Plötzlich habe ich den Drang, mich mit diesem interessanten Mädchen zu unterhalten. "Ich bin Samantha, eigentlich Sam. Ja, nenne mich Sam, wie fast jeder es tut, abgesehen von meinem Sportlehrer und meinen Eltern, wenn sie sauer sind." "Gibst du ihnen denn oft einen Grund sauer zu sein?", fragt sie und legt ihren Kopf schief. "Eher nicht. In unserer Familie bin ich eher das Unschuldslamm, denn, wenn sie einen Grund zum Sauer sein haben, dann wegen Abby oder Mona. Manchmal auch wegen den Kleinen, aber eigentlich selten wegen mir."
"Das klingt interessant. Erzähle mir mehr über dich." Sie blickt mich an.
"Na gut." Ich zucke mit den Schultern und fange an. "Seit ich denken kann wohnen wir in dieser Stadt und wohnen in unserem Haus. Ich habe 5 Geschwister, drei Schwestern und zwei Brüder. Meine beiden älteren Geschwister - Mona, sie ist 16 und Jonas, er ist 15 - verstehen sich ziemlich gut und machen beide viel Sport, Mona ist aber total untalentiert in Musik, versucht sich aber immer wieder darin. Heute kam sie mit der Idee, heiraten zu wollen und ist jetzt davon fest überzeugt. Ich weiß nicht, wer ihr diese Blödsinn eingetrichtert hat, aber es ist absolut dämlich. Simon hockt entweder in seinem Zimmer, spielt Basketball, oder er trifft sich mit seinen Freunden und sie gehen in den Wald. Was sie dort genau machen, hat er mir noch nie erzählt. Naja, 2 Jahre nach Simon wurden Abby und ich geboren. Abby ist meine Zwillingsschwester und steht fast immer zu mir, außer wir streiten uns zu stark, was heute leider vorgekommen ist. Egal. Auf jedenfall gibt es dann noch Lauren, sie ist drei und ist ziemlich hyperaktiv. Mit ihr wird es einen nie langweilig, man bekommt allerdings auch kein Stückchen Ruhe. Und dann..." "Die nächste bitte.", unterbricht mich die Frau vom Empfang. Samira nickt und rollt zu mir. Sie reißt einen Zettel aus ihrem Notizbuch und schreibt darauf eine Uhrzeit und ein Platz. "Ich bin da, wenn du es bist.", sagt sie und rollt nach draußen. Erstaunt lässt sie mich zurück; alleine mit ihrem Zettel.
---16:30 Uhr-Marktplatz. Dritte Eisdiele rechts---
Ich drehe den Zettel so lange herum, bis ich die Worte auswendig kenne und die Tür zu meiner Therapeutin aufgeht. "Komm doch rein Sam. Kirsch- oder Apfelsaft? Ach was für eine Frage..." Ich folge ihrer Stimme und betrete den gemütlichen Raum, der in zarten Lavendeltönen gestrichen wurde. Leise schließe ich die Tür hinter mir und setze mich auf einen der drei Holzsstühle. Doktor Jansen setzt sich mir gegenüber und reicht mir ein Glas mit Wasser, wie ich es immer bei ihr trinke. Mit Sprudel und einem Schuss Zitrone. Passend zu meiner Krankheit - Leben mit einem Stück Tot. Ich blicke ihr in ihre dunkelgrauen Augen, die sie hinter ihren eckigen Brillengläsern versteckt hält, und trinke einen Schluck. Auf Anhieb entspannt sich mein Körper. "So." Sie stellt ihren Coffee to go ab, den sie sich immer kurz vor der Stunde holt. Doktor Jansen, oder, wie ich sie nenne, Bea ist noch relativ jung. Ich schätze sie auf 25, da in ihrem Gesicht weder Narben noch irgendwelche Falten ihr Unwesen treiben. Ihre glatte blasse Haut ist umarmt von ihrem strammen Pferdeschwanz, der ihre knallrote Farbe passend zur Geltung bringt. "Dann erzähle mir doch einmal, wie dein erster Schultag verlaufen ist. Ich will alles wissen."Erwartungsvoll sieht sie mich an und wartet darauf, dass ich beginne. Und das tue ich.

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