29
Blake
„Es hätte eine Bombe direkt neben dir einschlagen können und du hättest es nicht mitbekommen." Ich konnte nicht anders, als mich darüber zu amüsieren, dass Lya gestern so erschöpft war, dass sie nicht einmal mitbekam, wie Ria lautstark ihre Aufmerksamkeit forderte.
Beschämt senkte sie ihren Kopf und sah auf den Teller, welcher vor ihr stand. So lange hatte ich sie noch nie schlafen sehen, aber scheinbar hat es ihr gutgetan. Lya wirkte entspannter, sogar weitaus entspannter als gestern. Gemeinsam genossen wir das Frühstück in dem Hotel, in welchem wir die letzte Nacht verbracht hatten.
Es kostete mich alles an Selbstbeherrschung, nicht doch noch über sie herzufallen. Aber noch müsste ich mich gedulden. Außerdem wollte Lya mit ihrer Ärztin über eine geeignete Verhütungsmethode sprechen. Es sollte nicht alles an mir hängen bleiben.
Das, was wir gestern Abend geteilt hatten, war wunderschön und ich genoss es, dass ich derjenige war, der sie so fühlen ließ. Doch irgendwann in der Nacht, als ich sicher war, dass Lya fest schlief, brauchte ich dringend eine Dusche. Wie oft ich mir in den letzten Wochen einen heruntergeholt hatte und dabei an sie dachte, konnte ich nicht mehr zählen. Aber eines wusste ich genau: Ich liebte diese Frau.
„Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen."
„Warum denn? Du hast diese Auszeit gebraucht, also mach dir deswegen keine Vorwürfe", versuchte ich sie aufzubauen. „Außerdem hat es dir gefallen."
„Blödmann."
Wie ein verliebter Teenager streckte ich ihr meine Zunge entgegen, bevor ich mich weiter meinem Frühstück widmete.
„Hast du für heute noch etwas geplant?" Lya rührte in ihrem Tee, bevor sie einen Schluck aus der Tasse nahm.
Kurz dachte ich nach, doch eigentlich war weiter nichts geplant. „Eigentlich nicht. Warum fragst du? Möchtest du unser Wochenende noch etwas verlängern?"
„Vielleicht um einen Tag. Nicht, dass Derek einen Nervenzusammenbruch bekommt, weil er so lange auf Ria verzichten muss." Diese lag in ihrem Kinderwagen, welcher neben unserem Tisch platziert war und brabbelte ab und zu vor sich hin.
Mein Dad war Ria wirklich komplett verfallen. Ich als Vater war beinahe etwas eifersüchtig. Vermutlich besaß mein Mädchen bereits unzählige Fonds und Aktienanteile, ohne dass jemand von uns darüber Bescheid wusste. „Was hast du vor? Wollen wir uns D. C. ansehen?"
„Meine Grandma lebt nicht allzu weit von hier entfernt. Wir könnten auf der Rückfahrt dort einen Zwischenstopp einlegen."
Dafür, dass ich ihr wochenlang damit in den Ohren lag, nun doch endlich den Kontakt zu Elena zu suchen und Lya sich standfest weigerte, belegte sie sich nun seelenruhig ihr Croissant. Als würden wir über das Wetter reden. Diese Frau war mir ein Rätsel.
Ich schüttelte belustigt meinen Kopf und nahm meine Kaffeetasse in die Hand. „Dann werden wir uns nach dem Frühstück auf den Weg machen."
„Ich suche dir nachher ihre Adresse raus."
Niedlich, wie sie dachte, dass ich meine Hausaufgaben nicht richtig gemacht hätte. Natürlich kannte ich die Adresse von Elena Torrez. Immerhin hatte ich mich bereits vor mehreren Wochen mit ihrem familiären Hintergrund beschäftigt.
Vorsichtig beugte ich mich mit meinem Oberkörper leicht über den Kinderwagen und sah zu meinem Mädchen herunter. „Wie fahren heute deine Urgroßmutter besuchen. Freust du dich?"
Als hätte sie mich verstanden, lächelte Ria mir zu und bewegte dabei ihre kleinen Arme, während sie mit ihren Beinen strampelte. Natürlich wusste ich, dass sie uns noch gar nicht richtig wahrnahm, sondern nur unsere Stimmen und es noch Wochen dauern würde, bis sie uns erkannte. Aber es war mir egal. Meine kleine Prinzessin erfüllte mich immer wieder aufs Neue mit Stolz.
„Bevor wir fahren, buche ich in Dover noch ein Hotelzimmer für uns. Oder möchtest du bei ihr übernachten?"
Lya schien nicht lange überlegen zu müssen und schüttelte mit ihrem Kopf. „Kleine Schritte."
Wir beendeten Minuten später unser Frühstück und während Lya im Zimmer unsere Sachen packte und Ria wieder schlief, buchte ich ein Hotel für uns. Nach dem Check out, welcher schnell und unkompliziert verlief, stiegen wir in den Wagen und machten uns auf den Weg. Das Navigationsgerät zeigte etwas weniger als zwei Stunden Fahrzeit an.
Während die Landschaft an uns vorbeizog und wir uns Dover näherten, konnte ich beinahe die Anspannung, welche vom Lya ausging, greifen. Je näher wir kamen, desto mehr rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her.
„Es wird alles gut." Ich bemühte mich darum, ihr gut zuzureden. Doch sie wurde nur noch unruhiger und langsam bekam ich leise Zweifel, ob es wirklich so eine gute Idee war, zu ihrer Großmutter zu fahren. „Wovor hast du Angst?", fragte ich sie ganz direkt und hoffte, dass Lya mir eine Antwort darauf geben würde.
„Wenn meine Eltern dort sind ..."
„Dann fahren wir sofort wieder", beendete ich den Satz. „Ich verlange nicht von dir, dich mit der Situation zwischen dir und deinen Eltern, deiner Schwester oder Earl auseinanderzusetzen. Es geht heute nur um dich und deine Grandma. Denk daran, dass sie vermutlich auch nichts davon weiß, dass man ihr ihre Anteile wegnehmen will."
„Das hat sie nicht verdient", flüsterte Lya.
„Genauso wenig, wie du es verdient hast, Monate lang auf der Straße zu leben."
„Es hatte doch aber auch etwas Gutes."
Beinahe hätte ich das Lenkrad umgerissen. „Wie kommst du denn darauf?" Ihre Aussage schockierte mich. Wie konnte sie denken, dass es etwas Gutes hatte?
„Ich habe dich getroffen. Na ja, eigentlich hast du mich getroffen, beinahe umgeworfen. Aber nun haben wir uns und Ria." Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie Lya in meine Richtung sah und sich dann über die Mittelkonsole beugte. Kurz darauf bekam ich einen Kuss auf die Wange. „Du bist das Beste, was uns passieren konnte."
Die restliche Zeit der Fahrt verbrachte ich vor mich hingrinsend, und als wir Dover erreichten, hatte sich scheinbar auch Lyas Anspannung gelegt. Sie hatte recht. Wir hatten uns, egal wie das Gespräch gleich verlaufen würde.
Die Gegend, in welcher Elena Torrez lebte, gehörte zwar nicht zu dem, was ich erwartet hatte, aber es handelte sich schon um ein höherpreisiges Wohnviertel.
„Sie mag es nicht so dekadent wie andere", meinte Lya und ich bekam das Gefühl, sie könne meine Gedanken lesen.
Langsam fuhr ich sie Straße entlang und parkte vor einem frei stehenden Haus mit weißer Fassade und großem Vorgarten. Die Parkflächen waren relativ leer und somit nahm ich nicht an, dass wir auf ungewünschte Personen treffen würden.
„Bereit?", fragte ich, nachdem ich den Motor abgeschaltet hatte.
Lya sah aus dem Fenster zu dem Haus. „Für einen Rückzug wäre es wahrscheinlich eh zu spät."
Wir stiegen aus und während ich Ria, die noch immer schlief, samt Babyschale vom Rücksitz hob, wartete Lya am Wagen auf mich. Als ich alles hatte, bot ich ihr meine Hand an und gemeinsam gingen wir den Weg zur Haustür. An dieser angekommen, atmete sie noch einmal tief durch, bevor sie die Klingel betätigte.
Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und die Frau, welche uns gegenüber stand, war eindeutig mit Lya verwandt. Ich hatte nun eine genaue Vorstellung davon, wie sie in 50 Jahren aussehen würde.
„Nana?"
Diese sah aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen, bevor sie einige Schritte auf Lya zu lief und sie in ihre Arme nahm. „Mi amado", weinte sie und schlang ihre Arme enger um sie. „Ich dachte, du wärst tot."
Mal wieder etwas in eigener Sache. Wir sind zwar noch weit von Weihnachten entfernt, aber
freut euch schon mal auf den Dezember und einen Adventskalender der besonderen Art.
❄️
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