27 - Der heißeste Scheiß

[Louis] 

"Auf einem Billboard?" Niall's Stimme war etwas höher geworden. "Warte..." sagte ich, schoss ein Foto und sendete es Niall zu. 
"Öffne deinen Chat." forderte ich ihn auf, starrte weiter auf die überdimensionale, leuchtende Leinwand. Harry's grüne Augen stachen daraus hervor wie Scheinwerfer. Zumindest für mich, strahlten mich direkt an. 
"Woah!" kam es aus meinem Handy und ich musste irgendwie plötzlich lachen. "Die Reaktion hatte ich auch gerade."

"Also jetzt weiß ich, was er mit Model meinte. Holy Shit!" rief Niall aus. "Ist ja gut, Man." murrte ich und Niall lachte.
Ich lief schnellstmöglich weiter, schaute nicht noch einmal nach oben. Ich musste mir einen anderen Arbeitsweg suchen. Mit Niall telefonierte ich solange, bis ich daheim ankam. Meine Mitbewohner, zwei russische Balletttänzer die mit mir kein einziges Wort gewechselt hatten bisher, verließen gerade die Wohnung für ihr morgendliches Training. 
Ich verabschiedete mich von Niall und fiel sofort hundemüde in mein Bett, schlief beinahe sofort ein. 

***

Am Nachmittag als ich wieder wach war, beschloss ich, Nicki zu schreiben. Ich hatte heute frei und bevor ich wieder alleine vor dem Fernseher saß, war das vielleicht die bessere Idee. Sie antwortete mir sofort. 

'Ich bin wieder im Lavo heute. Hast du frei? :)' 

Wir verabredeten uns für den Abend. Da ich dort arbeitete, schrieb ich Jonathan dass er mich auf die Liste setzen sollte. Er tat es sofort und versprach mir, dass ich die Nacht gratis trinken durfte, als Bonus für meine gute Arbeit. Ich war zufrieden. Das bedeutete, dass ich keinen Cent ausgeben müsste und mir dennoch einen ausschweifender Abend bevorstand. 
Ich machte mich fertig, zog mir eines meiner Jeanshemden an und ein weißes Shirt darunter. Ich sah praktisch aus wie immer, aber ich wusste nicht, was ich sonst anziehen sollte. Dann machte ich mich auf den Weg.  

Nicki wartete vor dem Lavo auf mich und als sie mich sah, strahlte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich lächelte sie an. "Schön, dass du da bist!" sagte sie, nahm meine Hand und zog mich mit ihr hinein zum Aufzug. Wir fuhren nach oben und ich fühlte mich, als müsste ich gleich arbeiten, doch stattdessen war ich heute ja Gast. 
Nicki zog mich direkt in den VIP Bereich und ich winkte Jonathan zu, der neben der Bar stand und Bestandsaufnahme zu machen schien. 
Er grinste und folgte uns, dann schlugen wir ein. 
"Zweiter Tag Fashion Week, und schon bist du bei den ganz Großen dabei?" sagte er beeindruckt und ich hob eine Augenbraue. "Was meinst du damit?" 
"Hast du mal deine neue Freundin gegoogelt? Das ist Nicki Diaz! Die ist mit den ganzen Big Playern unterwegs, modelt vermutlich bald für die ganz großen Labels!" 
"Okay. Und?" Er sah mich an als wäre ich völlig bescheuert. "Pass auf dich auf, Mann!" sagte er nur und klopfte mir auf die Schulter, bevor er wieder hinter die Bar verschwand. 

Ich setzte mich neben Nicki und sah zu ihr. "Wieviel verdient man so als Model?" fragte ich sie neugierig. Sie sah zu mir. "Wenn du gut bist, sechsstellig. Pro Job, natürlich." 
Beeindruckt sah ich sie an. Nicki grinste mich an. "Willst du doch? Ich wette für Fotoshootings würdest du sofort gebucht werden!" 
Sie war mir etwas zu begeistert, weshalb ich sofort den Kopf schüttelte. "Das ist nichts für mich. Ich will Schauspieler werden." 
Nicki lächelte mich an und die erste Runde Drinks kam an den Tisch, wir genehmigten uns einige Drinks, immer mehr Leute kamen zu uns und es wurde voller. Ich fühlte mich nicht wirklich wohl, solche Parties waren nichts für mich, das wurde mir nun bewusst. All die langbeinigen Models und die durchtrainierten Typen zwischen ihnen, das war mir zu viel. Sie alle sahen mich nicht einmal an. 

Nicki hingegen schien die Zeit ihres Lebens zu haben. Irgendwann holte sie ein Tütchen aus ihrer Tasche und baute sich auf dem Glastisch, ganz offen vor den anderen, eine Line. Ich riss die Augen erschrocken auf, doch niemand beachtete mich. Nicki war unbeeindruckt von meiner Reaktion, sie baute konzentriert ihre Line und dann beugte sie sich nach unten, zog das Kokain durch ihre Nase und sah dann zu mir. "Willst du auch was?" 
Ich schüttelte den Kopf. "Nee, danke." 
Sie wuschelte mir durch die Haare. "Wieso nicht? Macht Spaß!" sagte sie und ich schüttelte nochmals den Kopf. "Ich nehme keine Drogen." 
"Du bist ein guter Junge. Solche Typen treffe ich selten. Schade, dass du schwul bist." Sie lehnte sich gegen mich und legte ihren Kopf auf meiner Schulter ab. Unsicher blieb ich so sitzen, nippte an meinem Getränk und sah mich um. 

Am Nebentisch fiel mir eine Gruppe Frauen auf, die um einen Mann herumschwärmten und alle auf ihn einzureden schienen, sie verdeckten den Blick auf ihn, doch die braunen Lederschuhe waren deutlich männlich. "Was ist da drüben los?" fragte ich sie und Nicki sah in die Richtung, in die ich zeigte. 
"Oh. Das da drüben ist einer meiner Freunde. Er ist der heißeste Scheiß seit...keine Ahnung. Seit immer!" Sie lachte. "Er war eine Weile weg und jetzt ist er wieder da, sein Comeback war eine Gucci Kampagne, kannst du dir das vorstellen?! Glücklicher Schweinehund!" Sie seufzte theatralisch, dann sah sie mich an. 
"Ich sollte euch vorstellen! Er ist auch Brite!" Sie war ganz begeistert plötzlich. 

Ich wusste sofort, um wen es sich bei dem "glücklichen Schweinehund" handelte. Mein Herz merkte es wohl eine Sekunde vor mir, stolperte leicht. "Lass mich raten, Harry Styles?" fragte ich leise und Nicki's Blick wurde groß. "Du kennst die Kampagne?!" 
Ich starrte weiter zu dem anderen Tisch und dann lösten sich die Frauen um ihn endlich auf und gaben mir den Blick auf ihn frei. 
Harry hatte die Haare so gestylt wie bei seinem Fotoshooting auf dem Billboard. Er trug ein schwarzes Seidenhemd mit Spitze, dazu schwarze Jeans. Er lachte mit den anderen und dann beugte er sich vor zum Tisch und zog Kokain. 

"Was zur Hölle?" hauchte ich leise und konnte es nicht fassen. Er hatte einen Rückfall gehabt? Seit wann nahm er das wieder? 
"Was ist?" fragte Nicki, doch ich antwortete ihr nicht. Ich stand auf und lief auf ihn zu, ehe ich auf halbem Weg stoppte und mir unsicher wurde. Eines der Models hatte seine Hände überall auf ihm und er lehnte sich zurück und wischte sich mit dem Finger über die Nase. Einen Moment schloss er die Augen, dann öffnete er sie und sah für eine Sekunde zu mir, dann wieder zu dem Mädchen, dass ihn die ganze Zeit voll laberte. 
Dann ging sein Kopf wieder ruckartig zu mir. Seine Augen wurden groß. 

Ich ging sofort einen Schritt zurück. Scheiße, was tat ich hier?! Meine Gefühle übermannten mich, in einer heftigen Welle kam alles wieder zurück, was ich für ihn empfand. Eilig ging ich zu Nicki zurück und schnappte mir meine Jacke. Sie sah mich aus glasigen Augen an. "Was wird das?" 
"Ich muss gehen! Danke für heute!" sagte ich schnell, zog mir die Jacke über und rannte förmlich zum Aufzug. Zu meinem Glück öffneten sich die Türen sofort, noch mehr Menschen strömten in den Club und ich schlängelte mich durch alle durch und atmete tief durch, als ich im Aufzug war, schloss die Augen und versuchte mich zu sammeln. Die Türen schlossen sich. 
"Lou?"

Ich wirbelte herum und er stand vor mir. Die Augen glasig, eindeutig zugedröhnt. "Lou, ich habe dich endlich gefunden!" sagte er ungläubig und ich zog die Augenbrauen zusammen. "Bitte?" 
Er kam auf mich zu, doch ich stoppte ihn, indem ich die Hand auf seine Brust legte und den Abstand zwischen uns ließ. 
Er sah mich weiter an. "Ich habe dich gesucht." 
Mit großen Augen sah ich hoch zu ihm. "Wieso hast du mich gesucht?" fragte ich leise und er legte den Kopf schief, kam auf mich zu und wollte mich küssen, doch ich zog den Kopf weg. "Hör auf damit!" sagte ich sofort und er blickte mich an, als würde er überhaupt nicht verstehen, wieso ich ihn nicht auch küssen wollte. "Ich freue mich so, dich zu sehen." 
Er war völlig zugedröhnt. 

Als der Aufzug sich wieder öffnete, lief ich schnell nach draußen, Harry folgte mir und wollte nach mir greifen, ich zog schnell genug die Hand weg. Ich sah ihn an. "Was soll das? Lass mich bitte in Ruhe!" sagte ich zu ihm, ich wollte auf keinen Fall wieder in mein altes Muster fallen, ich durfte mich nicht wieder von ihm einlullen lassen.
Dann machte ich einen Fehler, ich sah direkt in seine Augen. Er sah mich ganz bedrückt an und fast schon flehend. Diese Augen waren mein Kryptonit. Ich hatte keine Chance dagegen.
"Ich hab dich wirklich gesucht." sagte er leise, kam wieder auf mich zu, stolperte aber und fiel mir beinahe vor die Füße, weshalb ich ihn schnell festhielt und nun praktisch in meinen Armen hielt. Mit einem Mal wirkte er so zugedröhnt, dass ich ihn nicht mit gutem Gewissen allein lassen konnte. Er wirkte wie weggetreten.
"Harry?" fragte ich nach, er murmelte irgendetwas. Seufzend griff ich um seine Taille. "Komm mit." sagte ich leise, führte ihn zu mir nach Hause. Ich hätte ihn auch zu sich bringen können, jedoch war er sicher nicht mehr in der Lage, mir zu sagen, wo er wohnte. 

Mir war absolut bewusst, dass das hier ein Fehler war, doch ich konnte ihn nicht so liegen lassen. Seine sogenannten Freunde würden ihm mit Sicherheit nicht helfen. 
Ich legte ihn auf meinem Bett ab, als wir bei mir ankamen und nahm mir eine Decke und ein Kissen aus dem Schrank, legte mich vor meinem Bett auf den Boden. 
Seine Hand fand meinen Kopf und er strich mir durch die Haare, verpasste mir damit eine unglaubliche Gänsehaut. "Ich habe unsere gemeinsame Zeit vermisst, Lou. Ich bin dir hinterher, aber ich habe dich nicht gefunden. Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Wo warst du nur die ganze Zeit?" sagte er leise und klang dabei beinahe leidend. 

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