Rose

Sofia schwebte wieder ein paar Zentimeter über dem Boden und war endlich nicht mehr so angepisst, wenn Finn und ich zusammenklebten. Ich war echt froh, dass sich das mit Alex geklärt hatte, einerseits, weil ich mich für sie freute, vor allem aber, weil sie echt anstrengend gewesen war.

Als ich nach dem Ausritt noch mit zu Finn ging, hörten wir schon im Flur Stimmen aus dem Wohnzimmer und Finn blieb wie angewurzelt stehen. "Verdammt, ich hatte ganz vergessen, dass Oma heute da ist. Lass uns lieber verschwinden." sagte er leise und fügte auf meinen verwirrten Blick hin hinzu: "Du bist nicht die einzige mit hyperneugieriger Verwandschaft. Das da ist unsere Entsprechung zu Miranda, nur in alt." Gerade wollten wir uns umdrehen und wieder gehen, da öffnete sich die Wohnzimmertür und eine Frau, die dann wohl Finns und Sofias Oma sein musste steckte den Kopf hindurch und guckte neugierig. "Finn, da bist du ja endlich." rief sie aus, dann fiel ihr Blick auf mich. Kurz musterte sie mich, dann fragte sie an Finn gewandt: "Willst du mir deine Begleitung nicht mal vorstellen?" "Ehrlich gesagt: Nein." erwiderte Finn, ergriff meine Hand und zog mich Richtung Treppe. "Das ist Rose, die beiden sind schon ewig zusammen, aber trotzdem noch genauso anstrengend wie am Anfang." erklärte stattdessen Sofia, die hinter der Großmutter im Türrahmen aufgetaucht war. "Neenee, ihr bleibt mal schön hier Kinners! Finn, mit dir wollte ich eh noch reden." beschloss sie in einem keine-Wiederrede-Tonfall. Finn verdrehte die Augen und wir folgten ihr und Sofia ins Wohnzimmer. Kaum hatten wir uns hingesetzt scheuchte sie Finn auch schon wieder hoch, er sollte ihr Kaffee holen und sobald er weg war, wandte sie sich an mich: "Du bist also seine Freundinn Rose. Ich bin Isolde, seine Großmutter, aber das hat er ja sicherlich schon erzählt. Wie habt ihr euch denn kennengelernt?" Finn hatte recht gehabt, sie war wie Miranda. "Äh, Reiten. Pferdetraining." erklärte ich. "Ach, du reitest auch, wie schön. Was reitest du denn?" setzte sie ihre Befragung fort und ich antwortete: "Western." Kurz schien sie aus dem Konzept gebracht, dann fragte sie: "Ist das nicht das mit diesen langen Zügeln, komisch geformten Sätteln und den Hüten?" "Ja ist es, aber wenn dir dein Leben lieb ist, dann sprich keinen Westernreiter auf das Hutklischee an." antwortete an meiner Stelle Finn, der mit einem kleinen Tablett in der Hand hinter mir aufgetaucht war. "Ach, sei doch so gut und hol auch noch Milch und Zucker." bat die Großmutter doch Finn deutete nur auf das Tablett, dass er inzwischen vor ihr abgestellt hatte und auf dem beides bereits stand. Isolde schwieg kurz, offenbar nach einem anderen Grund suchend, Finn wieder wegzuschicken. Schließlich wieß sie ihn an, ihr auch noch ein Stück Kuchen zu holen. "Kann Sofia das nicht machen?" versuchte Finn es noch, aber natürlich half alles nichts und so konnte sie schon kurz darauf ihre Befragung fortsetzen. "Warum Finn? Was liebst du an ihm?" fragte sie und ich hätte am liebsten gesagt, dass es sie nichts anginge, doch ich ahnte, dass es sich um eine Fangfrage handelte und so antwortete ich schlicht: "Alles." und nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu: "Ausser seiner Mutter." "Ach ja, meine Schwiegertochter, die kann keiner so gut ertragen." meinte Isolde, was sie mir gleich ein klein wenig sympathisch machte. Jetzt war Finn auch wieder zurück, weswegen ich zunächst erleichtert war, allerdings nur bis ich sah, wer hinter ihm durch die Tür stolzierte. "Was macht sie denn hier?!" keifte Elise. Finn und ich machten gleichzeitig den Mund auf, um etwas zu erwidern, aber Isolde kam uns zuvor: "Also bitte, dein Sohn kann ja wohl mitbringen wen er will, ausserdem scheint sie mir wirklich ein sympathisches Mädchen zu sein, ich weiß gar nicht was du hast." "Sie tut Finn nicht gut." beharrte Elise, doch da schaltete Sofia sich ein: "Ach ja? Ich erinnere dich daran, wie er drauf war, als die mal für ein paar Wochen nicht zusammen waren!" Ich hätte Sofia erwürgen können! Denn nun wollte ihre Großmutter natürlich alles ganz genau wissen. "Ach Sofia," fragte Finn da mit Unschuldsmiene "hast du Oma eigentlich schon von Alex erzählt?" Sofort wurde Sofia ausgefragt und Finn und ich verschwanden unauffällig zur Tür und waren schon kurz drauf draussen, auf dem Weg zur Ranch, wo keine nervigen Fragen auf uns warteten, denn Miranda war für drei Tage auf einer Fortbildung. "Sorry nochmal wegen Oma." sagte Finn, während wir nebeneinander her gingen. "Macht nichts, du hast ja Miranda auch ausgehalten." murmelte ich. Nach einer Weile began Finn zu grinsen. "Was grinst du so?" "Alles." murmelte mein Freund bloß und ich wurde rot. "Was denn, es war eine Fangfrage! Überhaupt, seit wann hört man in der Küche, was im Wohnzimmer geredet wird?" "In der Küche nicht, aber im Türrahmen schon." erklärte er lachend und ich stieß ihm meinen Ellenbogen in die Rippen.

Ein paar Tage später ritt ich gerade Blossom Korrektur, als Finn die Ranch betrat. Ich versprach gleich fertig zu sein und er setzte sich solange auf den Anbindebalken neben dem Platz und sah mir zu. Natürlich schaffte er es nicht seine Klappe zu halten und musste alles was ich tat kommentieren. Irgendwann parierte ich genervt neben ihm durch. "Mach besser!" sagte ich herausfordernd. "Gib mir nen ordentlichen Sattel und ein Kopfstück wo ein Gebiss dran ist." "Über ein Bit können wir reden, aber einen anderen Sattel kannst du vergessen!" erwiderte ich. "Bit?" Finn schien verwirrt. "Du würdest es Gebiss nennen. Also was ist jetzt?" "Wie? Du meintest das ernst?" "Nicht auf diesem Pferd, das gehört mir nicht, aber wenn du meinst, an meinr Reitweise rummeckern zu müssen, dann will ich dich mal Westernreiten sehen. Ich wette dann ist deine Klappe auf einmal nicht mehr so groß." Ich sah meinem Freund an, dass er das eigentlich nicht auf sich sitzen lassen konnte, aber Westernreiten wollte er auch auf gar keinen Fall. Schließlich sagte er: "Nur wenn du auch englisch versuchst!" Ich überlegte noch kurz, dann nickte ich. "Abgemacht."

Kurze Zeit später hatte ich Blossom trocken geritten und weggestellt und stand mit Finn auf der Stallgasse. Während ich River aus der Box holte erklärte ich: "Eigentlich wollte ich dich ja auf Sarah setzen, weil der Anblick von dir auf einem kleinen fetten Pony einfach zu witzig gewesen wäre, aber mit River kann eindeutig weniger schiefgehen, zumindest solange ich dabei bin." Natürlich scheiterte Finn bereits, als er den Sattelgurt zu machen sollte, also übernahm ich das und drückte ihm stattdessen ein Sidepull in die Hand. er starrte mich an. "Nicht dein Ernst." sagte er. "Mein voller Ernst." entgegnete ich "River ist zwar auch auf Bits ausgebildet, ohne Curb Bit hätte ich ja auch gar nicht aufs Turnier gedurft, obwohl ich dich nur auf Snaffle Bit reiten lassen würde, aber wenn du schon mal was anderes als sonst reitest, dann kannst du es ja genausogut auch ohne Gebiss versuchen. Aber mit dem Teil darfst du auf keinen Fall zu viel ziehen, vergiss nicht, dass du vor allem auf die Nase einwirkst." Natürlich stellte er sich beim anbauen auch noch blöd an. "Einfach wie bei einem Halfter." sagte ich schließlich genervt und endlich bekam er es hin. Wenigstens das Aufsteigen klappte einwandfrei, auch wenn Finn die klobigen Steigbügel erst etwas seltsam schienen. Schließlich drückte ich ihm die Zügel in die Hand und erklärte: "Die Enden kannst du mit der zweiten Hand als Gerte benutzen und wehe du nimmst die Zügel auf, wenn ich es dir nicht ausdrücklich gesagt habe." Das ganze endete damit, dass ich fast an meinem Lachen erstickte und Finn mich fast gekillt hätte, aber das war es echt wert gewesen. Jetzt musste ich nur noch den nächsten Tag überleben...

Finn grinste mir schon entgegen als ich auf ihn und Pico zuging. "Ich beginne, mich zu fragen, ob es das echt wert war..." murmelte ich noch. Finn hielt Pico fest, während ich aufstieg. So weit so gut, der Sattel war ungewohnt, aber okay, nur die Steigbügel... "Was machst du da?" fragte Finn. "Die Steigbügel länger, was denn sonst?" erwiderte ich, doch er hielt mich zurück. "Unsinn, die müssen so." erklärte er und ich seufzte und versuchte, meinen Fuß irgendwie ordentlich auf diesem ultraschmalen Teil zu platzieren. Das ganze war eine Katastrophe. Ständig sagte Finn mir, ich solle die Zügel verdammt nochmal kürzer nehmen und ausserdem hielt er überhaupt nichts von Stimmhilfen. Schließlich schaffte ich es irgendwie, Pico halbwegs so zu reiten, dass Finn nicht mehr komplett an mir verzweifelte, doch als er mich aufforderte, mit Pico zu springen, streikte ich. Irgendwann überredete er mich doch noch dazu (ich werde jetzt hier NICHT erklären, wie, ich glaube das kann sich jeder denken. Finn wäre halt nicht Finn, wenn er nicht alles probiert hätte). Nach mehreren Versuchen schaffte ich es tatsächlich drüber, allerdings hing ich danach komplett schief im Sattel - diese Steigbügel sind für'n Arsch! Finn lachte mich natürlich aus und ich wusste jetzt ungefähr, wie es ihm gestern ergangen sein musste. Ich war so froh, als ich emdlich absteigen konnte. Wir brachten Pico zurück in den Stall und hingen dann noch vor seiner Box rum. Wir lachten noch eine Weile über die Fehler des jeweils anderen und Finn meinte, es wäre zu schade, dass keiner das fotografiert hätte. Irgendwann legte er einen Arm um meine Taille und als er mich küsste dachte ich unvermittelt, dass ich mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen konnte - und dann murmelte Sofia, die ein paar Meter entfernt stand sowas wie: "Nehmt euch ein Zimmer." aber mir war es egal, weil ich wusste, dass sie und Alex mindestens genauso oft so auf der Stallgasse standen.

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