Rose
Natürlich war mir klar gewesen, dass ich Sofia früher oder später über den Weg laufen würde, aber offenbar hatte ich ihre Wut unterschätzt. Ändern würde sie damit aber sicherlich nichts. Ich hatte das richtige getan, dass musste ich mir immer wieder sagen, fast einhämmern: Ich habe das richtige getan und es gibt kein Zurück mehr! ... Oder?
Auf einmal hob ich den Kopf. Ich war so in meinen Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wohin River mich trug. Von hier konnte man auf die Außenplätze des Reitclub Cavallio blicken und da war er: Finn. Das erste mal seit Wochen sah ich ihn wieder. Um genau zu sein waren es 435 einhalb Stunden ohne ihn gewesen. Doch so vertraut sein Anblick hätte sein müssen, ich erkannte ihn kaum wieder. Sonst war er mit Pico geradezu über den Sand geflogen, man hatte ihm angesehen, dass der Sport sein Leben war, jetzt jedoch schien alles wie mechanisch. Zwar hatte ich ihn den Pacour selten so makellos und perfektionistisch absolvieren sehen, aber alles wirkte so stumpf. Als er um die Kurve ritt konnte ich sein Gesicht erkennen und wäre fast erschrocken zurückgezuckt. Seine Wangen waren eingefallen, die hohen Wangenknochen, die mir sonst so gefallen hatten stachen spitz aus seinem Gesicht hervor, seine sowieso schon helle Haut wirkte noch blasser, fast durchscheinend und unter den Augen lagen tiefe Ringe, so als habe er ebensowenig Schlaf abbekommen wie ich. Ruckartig wandte ich den Kopf ab. Ich konnte es mir keine Sekunde länger ansehen, also ließ ich River angaloppieren und wurde erst wieder langsamer, als die Bäume mir den Blick verstellten.
Etwas später kamen Sofia und Alex mir ein weiteres mal entgegen, doch ich konnte Sofia einfach nicht in die Augen sehen. So langsam regten sich nämlich Zweifel in mir, ob Sofia nicht doch mehr Ahnung hatte als ihre Mutter. Hatte ich nicht vor kurzem noch gesagt, ich könnte mir ein Leben ohne Finn nicht vorstellen? Und im Prinzip war das ja immer noch so. Was wäre, wenn mein Fehler nicht gewesen war, etwas mit Finn anzufangen, sondern es zu beenden? Auf einmal wurde mir übel, ich musste River durchparieren und krallte meine Finger in ihre Mähne. Finns Anblick hatte mir endlich klar gemacht, was für eine Scheiße ich doch gebaut hatte. Mir einzureden, ich hätte das richtige getan war eine einzige Lüge an mich selbst gewesen, ein kläglicher Versuch mein Gewissen und Vermissen zurückzudrängen. Blöd nur, dass ich das etwas zu spät bemerkt hatte, jetzt gab es kein zurück mehr. Sowas kann man einfach nicht verzeihen und so kaputt wie ich uns beide gemacht hatte...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top