II - Urvampire

07.10.2036 Collins-Gebäude Hauptquartier, New York City

"Was soll das bedeuten?"

Verwirrung stieg in mir auf, die sich mit Angst zu purer Panik vermischte. Von diesem Serum hing viel ab, es war schließlich mein Weg zurück in ein menschliches Leben. Meine Rettung!

"Wir hatten zu Anfang ja gedacht, dass das Blut eines simplen, alten Vampirs genügen würde. Aber das tut es nicht", begann Alexander zu erklären, "deshalb denken wir -"

"Woher wisst ihr das?", unterbrach ich ihn forsch, worauf hin ich mir einen wütenden Blick aus seinen, durchaus einschüchternden, lilafarbenen Augen einfing.

"Ich habe es in den Archiven nachlesen lassen. Glaube mir einfach, es würde helfen, würdest du nicht immer alles und jeden anzweifeln, Kaitlyn", fuhr er mich an. "Ich bin sowieso schon gereizt, nachdem mir von deinen nächtlichen Ausflügen berichtet wurde."

Ich rutschte ein Stück tiefer in meinem Sessel und senkte den Blick. Ich hatte nicht vor, einen jahrhunderte alten Vampir zu verärgern.

"Ich verstehe, dass dir das Vampir-Dasein nicht... die größte Freude bereitet." Langsam lehnte er sich nach vorne und stützte seine Unterarme auf dem Tisch ab. "Es ist schwer - die veränderten Emotionen, der Durst, einfach alles. Allerdings kannst du dich deswegen nicht aufführen wie eine Wilde. Wir versuchen hier in New York ein permanentes Zuhause zu finden und können nicht riskieren, das irgendjemand wegen deiner Auffälligkeiten unsere Spuren hierher nachverfolgen kann."

Ich wusste genau, wen er mit irgendjemand meinte, die kürzliche Flucht aus Mexiko brannte als dunkle Erinnerung in meinem Gedächtnis. Beschämt senkte ich den Kopf. Alexander konnte mir so leicht ins Gewissen reden, weil ich wusste, dass er recht hatte.

"Jedenfalls", sagte er nun mit Nachdruck und raufte sich seine schwarzen Haare, "muss das Blut für das Heilmittel von einem Urvampir stammen. Sonst wirkt es bei Injizierung nicht."

"Und wo finden wir so einen?", fragte ich kleinlaut. Ich hielt den Blick gesenkt auf seinen Schreibtisch. Das kleine Polaroid, auf dem die gesamte Collins-Familie zusehen war, stand in einem kleinen Rahmen vor mir und fing meinen Blick ein. Das blonde Mädchen in Nathans Armen schien mir direkt in die Augen zu sehen. Sofia.

"Hier ist das Problem", riss Alex mich aus den Gedanken, "nach unserem aktuellen Wissen hat sich der letzte Urvampir im Süden Kanadas niedergelassen. Ein Teil der Everleigh-Familie. Alle anderen sind durch den Jäger gestorben."

Beim Gedanken an diesen Jäger zuckte ich automatisch zusammen. Ich war ihm noch nicht begegnet, hatte aber schnell begriffen, dass mein Leben vorbei sein würde, würde ich ihn jemals zu Gesicht bekommen.

Beim Anblick meines verzweifelten Gesichtsausdrucks bemühte sich Alex schnell, mich zu beruhigen. "Ich werde mich daran machen, sie aufspüren zu lassen. Alles für mein Mädchen. Und für Alia", fügte er matt hinzu.

Er lächelte ein warmes Lächeln. Seit er und Alia mich aufgenommen hatten, hatte er versucht mir jeden Wunsch zu erfüllen und war damit die beste Vaterfigur gewesen, die ich jemals gehabt hatte. An meinen biologischen Dad hatte ich kaum Erinnerung, er war eindeutig nicht allzu oft präsent in meinem Leben gewesen.

"Danke, Alex."

Mit einem leichten Nicken stand ich auf und wandte ich mich zum Gehen.

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2013 Jackson-Hospital

Kaitlyn wachte mit Kopfschmerzen auf. Um sie herum drehte sich die Welt. Sie konnte jedes kleinste Geräusch hören und jedes winzige Detail sehen. Es war, als wäre sie alles, jedes Stück der ganzen Welt.

Wie spät es wohl sein mochte?

Gequält richtete sie sich auf, verwundert darüber, dass sie fast keine Schmerzen empfand. Das Mädchen stand auf und machte sich auf den Weg nach draußen. Sie war sich nicht sicher, wo sie hinwollte, aber lief dennoch zielgerichtet weiter.

Während sie monoton einen Fuß vor den anderen setzte, erinnerte sie sich an den Mann von letzter Nacht.

Was hatte er mit ihr gemacht?

Unbemerkt verließ sie das Krankenhaus und steuerte den davorliegenden Platz an, den einige Bänke rund um einen zentralen Springbrunnen zierten.

"Kaitlyn."

Ein hochgewachsener Mann mit beeindruckenden Augen saß auf einer dieser Bänke und winkte sie zu sich.

Bei näherem Hinsehen erkannte sie eine Narbe, die sich über sein rechtes Auge zog. Neben ihm saß eine junge Frau von einer blendenden Schönheit, wie Kaitlyn sie noch nie gesehen hatte.

Sie ging vorsichtig auf den Mann zu, angezogen von einer unsichtbaren Macht. Er schenkte ihr ein umwerfendes Lächeln.

"Ich habe dich erwartet."

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