26 Bedrückte Stimmung

Nach diesem schwierigen Gespräch fühlt Eva sich ziemlich erschlagen. Mamoudes trauriges Lied, das seine Lebensgeschichte beschreibt, hallt noch immer in ihren Ohren. Mamoude bemerkt die bedrückte Stimmung. Er stellt andere Musik an, leise genug, um die Nachbarn nicht zu stören. Dann erhebt er sich und tanzt zu den sanften Reggae-Klängen. Grinsend sieht Eva ihm dabei zu. Sie wusste gar nicht, dass Mamoude so gut tanzen kann. Er bewegt seinen Körper so geschmeidig und wirkt dabei so entspannt, als könne er seinen Kopf komplett leeren.
"Du tanzt gut!", bemerkt sie.
Mamoude lacht, wirft seinen Kopf nach hinten und dreht sich. Statt einer Antwort beginnt er mitzusingen. Nun gut, denkt Eva schmunzelnd, singen sollte er definitiv lassen. Töne trifft er ganz eindeutig nur durch Zufall.

"Warum lachst du? Gefällt dir nicht, wie ich singe? Bin ich nicht Jason?"
Eva kichert und schüttelt den Kopf. "Jason?"
"Jason Derulo."
Mamoude nimmt sein Handy und wechselt die Musik zu einem Lied von Jason Derulo. Er hält Eva sein Handy hin und sie sieht, dass er Musik mit Youtube anhört.
"Na, sehe ich Jason nicht ähnlich?", fragt er. Lachend schüttelt Eva erneut den Kopf.
"Ihr seid beide schwarz, aber da hören die Ähnlichkeiten auch schon auf."
"Danke, Eva!", antwortet Mamoude zu Evas Überraschung. Sie hebt eine Augenbraue und Mamoude lässt sich neben sie auf das Sofa fallen.
"Es gibt Leute, die mir sagen, ich sähe aus wie Jason. Ich finde aber so wenig Ähnlichkeiten wie du."

Eva sieht Mamoudes halbvollen Teller Spaghetti auf dem Tisch stehen und fragt ihn, ob er diese nicht aufessen möchte.
"Ich kann sie dir in der Mikrowelle aufwärmen."
Mamoude erklärt sich einverstanden, danach beschliessen die beiden, schlafen zu gehen.

TW: sexuelle Inhalte

Gegen vier Uhr morgens weckt Mamoude seine Freundin um Liebe zu machen. Im Dunkeln hat er ein beliebiges Kondom geöffnet. Das mit Erdbeergeruch, stellt Eva fest. Sie mag Erdbeeren, allerdings nicht die Produkte, in sie sie eingearbeitet werden. Weder Eis noch Joghurt, Zahnpasta oder Duftkerzen mit Erdbeergeschmack sagen ihr zu und bei den Kondomen scheint es nun nicht anders zu sein. Mamoude hingegen scheint den Geruch zu mögen, denn er macht eine Bemerkung dazu und anhand seines konzentrierten Lächelns sieht Eva, dass er sehr erregt ist. Er nimmt sie hat und hält ihr zweimal kurzzeitig den Mund zu, damit sie nicht so laut stöhnt. Danach fällt Eva in einen friedlichen, traumlosen Tiefschlaf.

Ende

Am nächsten Morgen stehen die beiden früh auf. Ihren Kaffee trinken sie im Bett. Mamoude hat gesagt, dass er gleich danach gehen wollte.
"Meinetwegen darfst du auch gerne bleiben. Ich arbeite heute nicht."
Mamoude hebt überrascht eine Augenbraue.
"Naja, ich möchte dich trotzdem nicht stören. Ich bin überzeugt, dass du dennoch einiges zu tun hast."
Eva fällt nichts Dringendes ein, möchte Mamoude aber auch nicht drängen zu bleiben und so schweigt sie. Mamoude stellt wieder seine Reggae-Musik an.
"Ich liebe es, am morgen Musik zu hören", bemerkt er.

Gemeinsam erledigen sie den Abwasch. Eva empfindet diese gewöhnliche Handlung als sehr romantisch. Es fühlt sich an, als wären sie ein ganz normales Paar, das gemeinsam den alltäglichen Abwasch erledigt und dabei Musik hört. Anstatt zu gehen, setzt sich Mamoude danach auf das Sofa und stellt den Fernseher an.
"Hast du Netflix?", fragt er.
Eva hüpft neben Mamoude auf das Sofa und schmiegt sich an ihn, glücklich, dass er sich entschieden hat, noch etwas zu bleiben.
"Ja."
Aber Mamoude hat es bereits gefunden. Während des Films hat Mamoude sich mit dem Kopf auf Evas Schoss hingelegt. Sie spielt mit seinen Haaren und bemerkt schliesslich an seinen gleichmässigen Atemzügen, dass er eingeschlafen ist. Gegen Ende des Films erwacht er wieder und richtet sich verschlafen auf. Dann legt er seinen Kopf auf Evas Schulter und schaut den Film mit ihr zu Ende.

"Wollen wir Essen gehen? Es ist schon nach 13:00 Uhr", schlägt Eva vor.
Mamoude schüttelt den Kopf. "Ich habe keinen Hunger."
Besorgt sieht Eva Mamoude an. Er seufzt und nimmt ihre Hand.
"Ich möchte einfach nur bei dir sein."
Er greift nach Evas anderer Hand und drückt beide in sein Gesicht. Eva versteht nicht, weshalb er nie weint. Das ist doch keine Schande, findet sie. Sie selbst hat bereits wieder Tränen in den Augen und Mamoude wischt sie ihr mit einem Finger weg.
"Du musst wirklich damit aufhören. Es tut mir weh, dich so zu sehen."

Etwa eine Stunde später bittet Mamoude Eva, ihn zum Bahnhof zu begleiten, obwohl es in Strömen regnet.
"Tut mir leid, ich mag Bahnhöfe einfach nicht mehr und meide sie, wenn ich kann."
"Weshalb?", möchte Eva wissen.
"Dort hat es immer Polizei."
"Na und? Warum sollten die dich kontrollieren?"
Mamoude verdreht die Augen. "Sieh mich an."
"Nun, ich finde nicht, dass du aussiehst wie jemand, der Drogen verkauft", sagt Eva.
"Du kennst mich auch. Eva, ich bin schwarz. Die Bullen kontrollieren mich ständig. Für die sind alle Schwarzen gleich."
Eva möchte widersprechen aber Mamoude lässt sie mit einer Handbewegung schweigen.
"Sie wollen deine Papiere sehen. Dann fragen sie, was du an einem so entfernten Bahnhof suchst, ob sie dich nach Hause begleiten sollen. Sie erzählen dir, dass deine Papiere abgelaufen sind, fragen, ob du Drogen bei dir hast und so weiter und so fort. Manchmal dauert das eine halbe Stunde."

Entsetzt sieht Eva Mamoude an.
"Das alles aufgrund deiner Hautfarbe? Ich glaube nicht, dass sie das dürfen."
Mamoude wird energisch und schiebt seinen Unterkiefer nach vorne.
"Natürlich dürfen sie das nicht! Aber an wen soll ich mich wenden? Die Polizei?"
Mamoude lacht ironisch, aber es ist ein kaltes, freudloses Lachen.
"Wenn du dich weigerst, nehmen sie dich auf das Revier und filzen dich gründlich. Ich habe es ausprobiert, glaubst du etwa, das geht schneller?"
Eva schüttelt den Kopf, entsetzt, enttäuscht und angewidert. Schweigend begleitet sie Mamoude zum Bahnhof und wartet, dass er in den Zug eingestiegen ist. Sie ist sich bewusst, in der Öffentlichkeit als sein menschliches Schutzschild zu dienen und weiss nicht, ob sie das sein möchte.

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