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Der Sonntag morgen begann für Lilian mit einem laut klingelnden Wecker und einem vollem Terminplan.
Manchmal wünschte sich das Mädchen sie würde bloß einmal eine Auszeit bekommen, um sich von der Schule und Cheerleading ausruhen zu können, aber anscheinend war dies nicht vorgesehen.
Stattdessen schaute sie auf die Anzeige ihres Weckers.
6.30 Uhr stand dort, und mit einem stöhnen stand sie schließlich auf, um erstmal eine kalte Dusche zu nehmen.
Es sollte ein warmer und milder Tag werden, doch mit einem Blick nach draußen stellte sie fest, dass der Regen welcher unermüdlich gegen die Scheibe prasselte, wohl etwas anderes vorgesehen hatte.
Es würde offenbar nicht das schöne Kleid mit dem dünnen Jäckchen werden, welches sie sich extra bereitgelegt hatte für diesen Tag.
Es war der eine Tag im Jahr, wo ihre Mutter und sie Lilians Oma besuchen würden.
Die Frau hatte sich den Standort ihres Hauses reichlich schlau ausgesucht, sagte Lilians Mutter immer sarkastisch, denn es war mitten im Nirgendwo gute vier Stunden entfernt.
Die Fahrt dorthin war holprig und mit jedem Meter hatte man immer mehr das Gefühl, es würde kein Ende nehmen.
Ein Ausflug ohne Ziel, bis man schließlich am anderen Ende der Welt an dem kleinen Bauernhaus ankam, wo ihre Oma wohnte.
Miranda war eine merkwürdige alte Dame, welche sich Tee selbst zusammenkochte und bloß mit ein paar Kaninchen und einer alten Katze zusammenwohnte.
Ihr Mann war vor langer Zeit an Krebs gestorben und selbst Lilians Mutter kannte ihn nicht mehr wirklich, denn sein Tod kam relativ plötzlich, wo sie gerade erst vier Jahre alt war.
So kam es, dass Miranda von Zeit zu Zeit natürlich etwas einsam wurde und sich Gesellschaft wünschte, doch Stacy hatte sich damals schlichtweg geweigert mit ihrem Mann und ihrer Tochter Lilian in diese Gegend zu ziehen.
Es ist kein Ort für Kinder, zu wenige soziale Kontakte und nicht genug Bildungsmöglichkeiten, war ihre Begründung gewesen.
Recht hatte sie, doch Vielleicht wäre Lilian eine andere auf dem Land geworden, und der Gedanke daran ließ teilweise die Frage in ihr aufkommen, ob dies nicht das Beste hätte gewesen sein können, was ihr jemals passiert wäre.
Lilian hüllte ihren Körper in ein Handtuch und huschte in ihr Zimmer, um sich ein anderes Outfit auszusuchen.
Dem Wetter nach würde es eine lange Hose und ein Langarm-Shirt (Vielleicht gar sogar ein Pullover) werden, und mit einem Seufzen griff sie nach ihrer besten Jeans und einem Bordeaux farbenden Langarm-Shirt.
Hoffentlich würde das Jimmy auch gefallen, dachte sie als sie sich eine silberne Kette umhängte und verzweifelt damit begann das Armband zu suchen, was sie letztens noch umhatte.
Es war ein Geschenk von Jimmy gewesen und sie konnte es schon gestern nicht mehr finden.
Hatte sie es etwa vorgestern nach dem Training verloren?
Das würde bedeuten das es irgendwo in der Schule oder in der Umkleide stecken musste.
,,Oh verdammt, wenn Jimmy das herausfindet, bin ich Tod!" Murmelte sie und beschloss es nachher noch einmal kurz zu suchen.
Lilian ging die Treppe herunter und setze sich zu ihrer Mutter an den Küchentisch.
Sie hatte ein paar Eier gemacht und es standen Brötchen und einige Aufstriche auf dem Tisch.
,,Guten Morgen, Ma." Sagte das Mädchen und nahm sich ein Ei, welches sie pellte und auf ihrem Brötchen verteilte.
,,Guten Morgen mein Schatz." Stacy lächelte leicht und fasste sich an den Kopf.
,,Gott ich habe solche Kopfschmerzen, vielleicht sollte ich damit aufhören das Schlafmittel zu benutzen. Ich fühle mich damit einfach nicht mehr so wohl." Erklärte sie und man sah ihr deutlich an das sie trotz dem ganzen Schlaf müde war.
Tiefe Falten zeichneten sich auf dem Gesicht der Frau ab und ihre dunklen Augenringe erinnerten Lilian an solche, wie sie Horrorfilm Charaktere immer hatten.
,,Hmm" Machte sie und nahm einen Schluck aus ihrer Kakao Tasse.
,,Ich denke nicht, dass das Schlafmittel schlecht für dich ist. Wäre es das, dann würde der Arzt es dir doch nicht verschreiben." Lilian zuckte unschuldig mit den Schultern, so als hätte sie keinen Plan von alle dem, und als wäre es nicht sie, welche ihrer Mutter jeden Abend eine höhere Dosis ans Bett legte, als es vorgesehen war.
Sie war der Überzeugung das ihre Pläne so besser aufgingen und ihre Mutter ihr nicht dazwischenfunken konnte.
,,Du hast wahrscheinlich recht." Sagte Stacy und stand auf.
,,Wir haben einen langen Tag vor uns mein Schatz. Lass uns lieber gleich losfahren." Mit ein paar Handbewegungen verstaute die Frau alles im Geschirrspüler und räumte die Eier weg, die konnte man schließlich auch noch später essen.
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Nach der langen und durchaus anstrengenden Fahrt kamen beide schließlich am Haus von Miranda an.
Das Wetter hatte sich gebessert und es wurde viel wärmer, weswegen sich Lilian fürchterlich über ihre Kleidung aufregte.
,,Hätte ich das gewusst, dann hätte ich wenigstens einen Rock anziehen können zu meinem Oberteil." Meinte sie genervt und fuhr sich durch die Locken, ehe ihre Mutter klingelte.
Lilians Oma sah aus wie ihre Mutter bloß deutlich älter.
Ihr Gesicht verzog sich zu einem großen Lächeln als sie sah, wer dort vor der Tür stand.
,,Oh ihr seid es. Kommt rein, ihr wollte da doch nicht ewig stehen!" Sie machte den Weg frei damit beide eintreten konnten, und entschuldigte sich direkt dafür das sie nichts vorbereitet hatte.
,,Das ist doch nicht schlimm Oma, wir kommen doch auch nicht nur zum Essen." Sagte Lilian und streichelte nebenbei die alte Katze von Miranda, welche auf dem Sofa lag und bei jeder von Lilians Berührungen anfing zu Schnurren.
,,Lilian, Lilian, Lilian du bist wirklich ein Tiermensch!" Miranda lachte und warf ihr einige Leckerlies zu, die sie der Katze füttern durfte.
Es war ein wirklich altes Tier, locker schon über zwanzig Jahre alt, denn das Fell war fahl und verträubt.
Die Augen waren trüb und einer von zwei langen spitzen Zähnen ganz vorne im Kiefer war abgebrochen.
,,Ja schade, dass ich kein Haustier habe. Ich hätte ziemlich gerne eins." Das Mädchen streichelte ein letztes Mal über den Kopf der Katze und setzte sich zurück zu den beiden Frauen an den Tisch.
Lilians Oma hatte einige Kekse für sie und Stacy aus dem Schrank gekramt und schaute nun nachdenklich drein.
,,Warte mal kurz Schätzchen." Die alte Frau stand auf und verließ das Haus durch die Terassentür.
,,Was hat sie vor?" Fragte Lilian ihre Mutter, doch diese zuckte bloß mit den Schultern.
Einige Zeit später kam Miranda mit einem riesigen Karton in den Händen zurück.
Die Anstrengung stand geradezu auf ihr Gesicht geschriebenen, als sie den Karton keuchend auf dem Boden abstellte.
Ein Winseln und Kratzen war aus dem Karton zu hören und vorsichtig machte sie ihn auf.
Im Inneren befanden sich drei kleine Welpen, welche nun begannen hochzuspringen und zu bellen, als sie die Personen um sich herum sahen.
,,Mama wo kommen die denn her?!" Stacy schaute Miranda entsetzt an und Lilian kniete sich zu den Welpen und begann sie zu streicheln.
,,Die Hündin der Nachbarin hat unerwartet Junge bekommen. Sie weiß nicht wohin damit, und meinte sie werden nächste Woche kupiert und in die Stadt gebracht. Kupierte Dobermänner haben bessere Chancen auf dem Markt." Erklärte Lilians Oma und warf den Hunden einen traurigen Blick zu.
,,Es wären vier gewesen, doch eine von ihnen hat das vierte getötet", diese dort, die Frau zeigte auf den Welpen ganz links.
Er hatte einen Riss am Ohr, an dem noch etwas Blut klebte.
,,Sie haben wohl gekämpft und dabei hat sie ihr Geschwisterchen in den Nacken gebissen, bis es tot war." Miranda seufzte ehe sie fragte; ,,möchtest du nicht einen Mitnehmen Lilian? Ich bin mir sicher die Nachbarin würde es freuen, wenn sie nur noch kupier kosten für zwei übernehmen müsste. Ich würde den kleinen natürlich bezahlen. Sieh es einfach als frühes Geburtstagsgeschenk an." Miranda lächelte und Lilians Augen füllten sich mit Freude.
,,Aber natürlich würde ich gerne einen Welpen nehmen. Ma darf ich? Bitteeeee." Bettelte das Mädchen und griff in den Karton um eins auf den Schoß zu nehmen.
Es war das Weibchen mit dem Riss im Ohr.
,,Ich weiß ja nicht. Zu einem Hund gehört eine ganz schön große Verantwortung dazu, und hast du überhaupt die Zeit dafür?" Ihre Mutter war nicht überzeugt und guckte immer zu zwischen ihrer Tochter und dem Hund hin und her.
,,ich werde genug Zeit haben, versprochen!" Versicherte Lilian und schließlich gab Stacy nach.
,,Nun gut, dann will ich mal nicht so sein. Du darfst den Welpen mitnehmen. Aber nur wenn du wirklich gut auf ihn aufpasst, sonst landet er direkt wieder hier bei Oma!" Meinte ihre Mutter und schaute sie vielsagend an.
,,Sie, Ma. Es ist ein Weibchen." Lilian strahlte und streichelte ihrem neuen Haustier über den Kopf.
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Nach zwei weiteren Stunden fuhren Lilian, Stacy und der Welpe allmählich wieder nach Hause.
Die Fahrt über mussten sie zwei Pipi Pausen einlegen, und Stacy hätte den Hund am liebsten an der nächsten Raststätte zurückgelassen, aber das Strahlen in den Augen ihrer Tochter versicherte ihr, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Zu Hause angekommen zeigte Lilian der Hündin alles und legte eine Decke neben ihr Bett, wo sie in Zukunft schlafen könnte, bis sie ein Körbchen gekauft hatten.
Zur Sicherheit legte sie einige Handtücher unter die Decke.
Man konnte ja nie wissen, ob sie nicht mitten in der Nacht plötzlich Pipi musste.
Das Mädchen versuchte nochmal ohne Erfolg gekrönt das Armband wiederzufinden, wobei sie sich erneut beobachtetet fühlte, ehe sie ins Badezimmer ging, um kurz den letzten Feinschliff zu machen.
Jimmy würde gleich kommen und sie abholen.
Die beiden waren für den heutigen Abend im Derry's Diner verabredet, welches selbst an Weihnachten aufhatte.
Gerade als sie sich eine Schicht Lipgloss auftrug, klingelte es bereits an der Haustür.
,,Ist für mich!" Rief sie die Treppe herunter und sprintete zur Tür, der Welpe ihr hinterher.
,,Jimmy!" Sagte sie und umarmte ihren Freund als er dort stand und darauf wartete, bis sie ihm ins Auto folgte.
Der Hund sprang ihn an und erschrocken fragte er; ,,Wo kommt der denn auf einmal her?"
Lilian lachte und nahm sie auf den Arm.
,,Die habe ich von meiner Oma. Keine Sorge sie kommt nicht mit uns." Lilian schickte den Hund wieder zurück ins Haus, zog sich eine Jacke an, und ging mit Jimmy zum Auto.
Das Diner sah im Dunkeln immer am schönsten aus, den die Lichter strahlten und verscheuchten all die Dunkelheit um es herum.
Trotz den mangelnden Hygiene Vorschriften und den Bestellungen, welche manchmal falsch aufgenommen wurden, war dieses Diner Lilian jedes Mal lieber als ein teures Restaurant, da sie und Jimmy sich hier zum ersten Mal nah gekommen waren.
Sie könne sich keinen schöneren Ort für ein Date mit ihm vorstellen.
Wenn sie erstmal aus dem Weg geräumt war, dann stand ihr und Jimmy nichts mehr entgegen und sie könnte ihn endlich endgültig zu ihrem machen.
Lange würde es nicht mehr dauern, stellte sie fest.
Die Rose war bestimmt bloß ein Ausrutscher.
Er sah sie und nahm sie ihr als Geschenk mit, da hatte die Farbe keine Rolle gespielt.
Verträumt bestellte Lilian ihr Essen und Jimmy tat es ihr gleich.
Es gab keinen Mann auf dieser Welt, welcher ihre Liebe mehr verdient hatte als Jimmy Reynolds.
Sie lächelte, als sie einen Schluck von ihrem Milchshake nahm.
Jimmy erzählte ihr von seinem anstrengenden Tag in der Apotheke, in der er trotz des Sonntages arbeiten musste.
Nach einiger Zeit kam auch endlich ihr Essen, die Hälfte mal wieder falsch, was Jimmy aufregte, aber Lilian zum Lachen anregte.
,,Du regst dich jedes Mal auf, Jimmy. Das ist zu komisch." Meinte sie, als er ihr einen bösen Blick zu warf.
Plötzlich wurde die Tür des Diners harsch aufgerissen und vier Jungs, eher bekannt als die Bowers Gang spazierten in den Laden, als würde er ihnen gehören.
Sie ließen sich an dem Tisch neben den beiden nieder und Henry lächelte Jimmy gehässig an.
,,Na, auch hier?" Fragte er rhetorisch und griff nach der Karte.
Jimmy ignorierte ihn und sagte erst wieder etwas, als die Bedienung kam, um sie zu fragen, was sie bestellen wollten.
Ich erstarrte in meiner Bewegung, als ich ihre Stimme hörte.
Das konnte doch nicht wahr sein?!
,,Was darf's sein?" Fragte sie ängstlich und Henry lachte laut.
,,Ach ne, Beverly Bitch, du? Was kannst du uns denn empfehlen?" Wollte er schmierig wissen.
Lilians Blut kochte in ihren Adern wie die Suppe in der Küche, und sie musste sich zusammenreißen nicht auf der Stelle aufzuspringen, um ihren Plan hier vor allen durchzuziehen.
Jimmy schaute sie an.
Nur einen kleinen Moment lang, doch es fühlte sich so an, als könne er seinen Blick nicht mehr von ihr lösen.
Beverly war alles, was Lilian nicht war.
Süß, klein, jung und sie hatte diese unschuldige frische Ausstrahlung.
,,Ich weiß nicht, alles ist irgendwie lecker." Sagte sie verlegen und kratze sich am Hinterkopf.
,,Ach komm schon. Sag was und ich nehme es." Henry musterte sie und die anderen begannen schon zu kichern.
Beverlys Augen füllten sich nervös mit Tränen, als sie sagte; ,,Ich weiß es wirklich nicht."
Lilian wollte ihre Augen verdrehen und Jimmy zu sich ziehen, doch dies wäre viel zu auffällig gewesen.
Diese Heulsuse musste doch zumindest ein Gericht kennen, oder war sie wirklich so dumm?
,,Schade. Jetzt müssen wir wohl gehen, wenn du uns nichts empfehlen kannst." Sagte Henry mit gefälschter Trauer und Patrick hustete, ehe er ,,Schlampe" sagte und erneut hustete.
,,Hey! Lasst sie gefälligst in Ruhe!" Fing Jimmy an zu sprechen und ließ die Wut in Lilian fast überkochen.
Wie konnte er es wagen?
Er war mit ihr hier und verteidigte eine andere?
Das musste alles ein Traum sein.
Sie blickte zum Nachbartisch und ihre Augen trafen die von Patrick.
Sein Gesichtsausdruck war monoton und Lilian wusste nicht ob gerade gar nichts, oder unfassbar viel in ihm abging.
Fast verloren sich ihre Augen in den Seinen, doch Patrick guckte schließlich weg und verteidigte Henry, welcher sich nun richtig mit Jimmy stritt.
Lilians Freund zückte sein Portmonee und knallte einige Dollar auf den Tisch, schnappte sie am Handgelenk, zog sie nach oben und sagte; ,,Komm Lilian, wir gehen."
Wortlos verließ sie das Diner mit ihm gemeinsam.
Das Mädchen hörte noch, wie Henry ihnen hinterherrief; ,,und denk dran, morgen Abend auf Belchs Party klären wir das wie richtige Männer! Zieh bloß nicht deinen scheiß Schwanz ein, Reynolds! Und vergiss deine Kleine nicht. Sie kann ruhig sehen was für ein Versager du wirklich bist."
Ein letztes Mal drehte Lilian sich zu den Jungen um.
Patrick schaute schon wieder, dieses Mal war es ein anderer Blick.
Es war ein wütender Blick, ein Blick wie sie ihn Jimmy schenkte, wenn er Mal wieder zu Beverly schaute.
Ein solcher Blick, von dem sie dachte, dass nur sie ihn besäße.
A/N: Frohe Weihnachten euch allen und einen guten Rutsch ins neue Jahr!🎄🧨
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